„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– „Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi“ Teil 9

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 25:

Raimundus Lullus (1232 – 1316 n.Chr.)

Während heute fast jeder Franz von Assisi kennt, ist einer seiner Schüler leider bis heute weitgehend unbekannt geblieben, obwohl er nicht nur der erste große Missionar in der arabischen Welt war, sondern auch der Begründer der Orientalistik und der katalanischen Literatur, ja sogar der „Ahnherr des digitalen Zeitalters“ (lt. Wikipedia). Umso mehr verdient er größere Beachtung.

Die politisch motivierten missionarischen Versuche der Katholischen Kirche während des Mittelalters hatten wenig Erfolg, verglichen mit ihren größten Expansionsbestrebungen – den Kreuzzügen. Diese Bewegung, die sich über 200 Jahre erstreckte (1095-1291), hatte ja zum Ziel, das Heilige Land zurückzuerobern. Es handelte sich also kaum um eine missionarische Bewegung. Das Ziel bestand darin, die christliche Herrschaft territorial zu erweitern, und nicht darin, die Muslime zu bekehren. Es war ein blutiger Kampf, Zehntausende von Menschen fanden den Tod. Viel weitreichender in ihren Konsequenzen war jedoch die Tatsache, dass alle Möglichkeiten zu einem Dialog zwischen den Sarazenen und den Christen verlorengingen. Eine Folge der Gräueltaten der Kreuzritter war eine Vertiefung der Feindschaft zwischen Muslimen und Christen. Die Erinnerung daran wirkt sich bis zum heutigen Tag aus und macht die Missionsarbeit unter den Muslimen äußerst schwierig.

Nicht alle Christen glaubten, dass militärische Gewalt das geeignete Mittel sei, um Muslimen zu begegnen. Franz von Assisi war z.B. der Überzeugung, dass die Muslime mit Liebe anstatt mit Hass gewonnen werden müssten. Seine beiden ersten Versuche, ihnen das Evangelium zu bringen, scheiterten jedoch vollkommen. Doch beim dritten Versuch im Jahre 1219 erhielt er Audienz beim Sultan von Ägypten. Obwohl Franziskus durch die Sprachbarriere in seinen Möglichkeiten eingeschränkt war, unternahm er den Versuch, das Evangelium zu verkünden. Zwar gibt es keine Hinweise dafür, dass sich Anhänger des Islam auf diese Verkündigung hin bekehrt hätten, doch diente Franziskus mit seinem Vorbild als Wegbereiter, so dass andere Christen die Muslime als potentielle Brüder in Christus zu betrachten. Zu ihnen gehörte Raimundus Lullus, auch genannt Ramón LLull, ein herausragender Missionar jener Zeit.

Raimundus kam 1232 in einer wohlhabenden katholischen Familie auf Mallorca zur Welt. Kurz vor seiner Geburt war die Insel der Herrschaft der Araber wieder entrissen worden. Er zog als junger Mann auf das spanische Festland und diente am königlichen Hof in Aragon. Dort führte er ein zügelloses Leben. Obwohl er Frau und Kinder hatte, hatte er ständig Geliebte, und er selbst bezeugte später, dass er ein leben in äußerster Unmoral geführt hatte. Sein Lebensstil schien sich aber nicht negativ auf seine intellektuelle Begabung und sein schöpferisches Talent auszuwirken, und bereits in jungen Jahren wurde seine Gelehrsamkeit von allen gepriesen.

Als Lullus (ausgesprochen: Lujus) Anfang dreißig war, kehrte er nach Mallorca zurück. Dort hatte er ein tiefgreifendes Erlebnis mit Gott. Es handelte sich um ein mystisches Erlebnis mit Visionen. Die erste Vision hatte er an einem Abend, als er gerade dabei ein weltliches Liebeslied zu komponieren. Plötzlich sah er den Heiland am Kreuz hängen, das Blut tropfte von den Händen, den Füßen und der Stirn, und Er blickte ihn vorwurfsvoll an. Eine Woche später hatte er wieder dieselbe Vision. Dieses Mal beschloss er, sich Christus ganz auszuliefern. Doch im selben Moment kamen ihm Zweifel auf: „Wie kann ich, der ich voll Unreinheit bin, ein Leben der Heiligkeit beginnen?“ Dieses Gefühl der Schuld veranlasste Lullus dazu, dem Wohlstand und Ruhm den Rücken zu kehren und sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen.

Als Raimundus Anfang dreißig war, kehrte er nach Mallorca zurück. Dort hatte er ein tiefgreifendes Erlebnis mit Gott. Eines Abends, als er gerade ein weltliches Liebeslied komponierte, sah er auf einmal in einer Vision den Heiland am Kreuz hängen. Das Blut tropfte von seinen Händen, den Füßen und der Stirn und blickte ihn vorwurfsvoll an. Von da ab beschloss er, sich Christus auszuliefern. Doch im selben Moment kamen Zweifel in ihm auf: „Wie kann ich, der ich voller Unreinheit bin, es wagen, ein Leben der Heiligkeit zu beginnen?“ Dieses Schuldgefühl veranlasste ihn, den Wohlstand uns Ruhm den Rücken zu kehren und sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen. Er begann ein Leben nach der Art der Mönche zu führen – mit Beten, Fasten und Meditation.

Doch bald darauf hatte er eine zweite Vision: Er war ganz allein im Wald mit Gott, weit entfernt von allen weltlichen Ablenkungen, als er auf einmal einem Pilger begegnete. Dieser tadelt ihn für seine Ichbezogenheit und fordert ihn auf, in die Welt zu gehen und anderen Menschen die Botschaft zu verkündigen. Diese Vision führte dazu, dass Lullus beschloss, seine Kraft nun ganz für die Mission einzusetzen, und zwar besonders die Mission unter den Sarazenen, den verhasstesten und gefürchtetsten Feinden Christentums. Raimund schrieb: „Ich sehe viele Ritter, die in das Heilige Land jenseits des Meeres ziehen und glauben, sie könnten mit Waffengewalt dort etwas bewirken. Doch am Ende steht ihr Niedergang, sie erreichen nicht, was sie sich gewünscht haben. Woraus ich schließe, dass die Eroberung des Heiligen Landes durch Liebe und Gebet versucht werden sollte und nicht durch das Blut- und Tränenvergießen.“

Nach dieser Vision widmete sich Raimundus neun Jahre lang dem Erlernen der arabischen Sprache, um daraufhin in die Mission aufzubrechen. Rückblickend stellte er später fest: „Ich hatte eine Frau und Kinder; ich besaß beträchtlichen Reichtum und führte ein weltliches Leben. All diese Dinge verließ ich freudig, um das Gute zu fördern und den heiligen Glauben zu verbreiten“. Lullus legte genügend Geld zur Seite, um seine Frau und die Kinder zu versorgen, doch den Rest gab er den Armen und folgte damit dem Beispiel des Franz von Assisi.

Raimunds missionarische Tätigkeit erstreckte sich auf drei Gebiete: er verfasste apologetische Schriften, gründete Lehreinrichtungen und war selbst missionarisch tätig. Sein Beitrag als christlicher Apologet unter den Muslimen war sehr groß. Er schrieb etwa 60 theologische Bücher, die größtenteils auf einen Dialog mit den islamischen Gelehrten zielten. Er sah seinen Auftrag darin, wenigstens einige der Gelehrten durch Diskutieren im christlichen Geist von der Inkarnation des Sohnes Gottes zu überzeugen, wie auch von der Dreieinigkeit in Gott selbst. Er wollte ein „Parlament der Religionen“ einrichten und dem einseitigen Monotheismus des Islam die Offenbarung des einen Gottes im Vater, Sohn und Heiligen Geist gegenüberstellen.

Was die theologische Ausbildung betraf, folgte Raimund der Tradition Columbans, der Klöster als ideale Ausbildungszentren für den missionarischen Dienst betrachtete. Raimund unternahm weite Reisen, verhandelte mit kirchlichen und politischen Verantwortlichen und versuchte, deren Unterstützung zu gewinnen. König Jakob II. von Spanien war von seinen Plänen begeistert und unterstützte Raimund finanziell beim Bau eines Franziskanerklosters auf Mallorca. Der Lehrplan des klösterlichen Seminars enthielt auch Kurse in arabischer Sprache. Lullus träumte davon, überall in Europa derartige Missionsschulen zu gründen; doch um dieses Ziel zu erreichen, musste er die katholische Kirchenleitung von deren Wert überzeugen, was keine leichte Aufgabe war. Bei seinen verschiedenen Besuchen in Rom wurden seine Ansichten vom Papst und den Kardinälen entweder lächerlich gemacht oder ignoriert. Die Würdenträger schienen weitaus größeres Interesse an weltlichen Vergnügungen und persönlichem Machtstreben als an Mission zu haben. Doch obwohl Lullus an vielen Stellen keine Unterstützung fand, hatte er Erfolg mit der Gründung neuer Klöster, die im Dienst der Mission standen.

Als er dann bei seiner ersten Missionsreise nach Tunis auf dem Schiff im Hafen von Genua stand, überfiel ihm plötzlich eine Angstattacke. Er war wie gelähmt, als er sich vorstellte, was ihm in dem fremden Land erwarten könnte, in das er ziehen wollte. Der Gedanke an Folter oder lebenslängliche Haft drängte sich ihm so machtvoll auf, dass er seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sein Gepäck wurde wieder entladen, und das Schiff verließ den Hafen ohne ihn. Fast im selben Moment wurde von Reue überwältigt, und er nahm sofort das nächste Schiff, ganz gleich was ihn erwarten würde. Seine Ängste im Blick auf die Missionsarbeit in Tunis waren alles andere als unbegründet, denn es war ein wichtiges Zentrum des Islam in Nordafrika. Feindliche Invasionen waren mehrfach erfolgreich abgewehrt worden, aber die Muslime waren voll von Hass und Bitterkeit gegen die Kreuzfahrer. Die Feindseligkeit, auf die Raimundus bei seiner Ankunft stieß. War jedoch nicht so groß, wie er befürchtet hatte. Man gab ihm Gelegenheit nach seinem Eintreffen mit den führenden islamischen Gelehrten zu sprechen, um über die Vorzüge des Christentums zu diskutieren. Er versprach sogar, dass er sich der islamischen Religion zuwenden würde, sollte diese sich als überlegen herausstellen. Und so gelang es ihm, dass er überall seine evangelistisch-apologetischen Vorträge halten durfte vor aufmerksamen Zuhörern.

Doch die Mehrheit empfand Lullus´ Verteidigungsrede als einen Angriff, so dass man ihn ins Gefängnis warf. Später wurde ihm befohlen, das Land zu verlassen, aber er widersetzte sich diesem Befehl. Neben den Muslimen widmete er sich vermehrt nun auch den Juden, die aus England und Frankreich vertrieben wurden. Er begegnete ihnen mit Liebe, ebenso wie den Muslimen, und verkündigte ihnen den Christus als Messias. Er wurde erneut gefangen genommen, doch einige bekehrten sich und wurden Christen. Schließlich wurde er 1315 als 83-jähriger Greis, der sich zeitlebens nach dem Märtyrertod sehnte, nach einer Rede auf dem Marktplatz von Bugia ergriffen, aus der Stadt geschleift und gesteinigt.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 26:

Jan Hus (1369 – 1415 n.Chr.)

Jan Hus wurde 1369 in Husinec im Böhmerwald als Sohn einer armen tschechischen Bauernfamilie geboren. Da er sehr lernbegierig war, ließen ihn seine Eltern zum Studium nach Prag ziehen, wo er sich mit kleinen kirchlichen Hilfsdiensten den Lebensunterhalt verdiente. Die Hauptstadt des Königreichs Böhmen zog damals tausende Juden und Deutsche an. Italienische Künstler und bedeutende Kaufleute ließen sich in Prag nieder, und die Kirchenvertreter genossen mit dem Adel Reichtum und Vergnügungen. Die einfachen Priester kritisierten indes das Treiben der Kirchenleitung und forderten Bescheidenheit, Askese und Nächstenliebe, sowie eine Rückbesinnung auf die neutestamentliche Urgemeinde.

1393 schloss Hus das Grundstudium mit dem Bachelor der freien Künste ab. Ein Jahr darauf war er Bachelor der Theologie und 1396 Magister der freien Künste. 1401 war er bereits Dekan der Philosophischen Fakultät und ein Jahr später Rektor der Prager Universität. Zu diesem Zeitpunkt konnte man Hus als frommen Katholiken bezeichnen, wie die meisten seiner Zeitgenossen. Er nahm an Prozessionen teil, investierte viel Geld in den kirchlichen Ablass, die Lossprechung von der jenseitigen Sündenstrafe, und besuchte regelmäßig die Messe. Durch sein Studium stieß er immer wieder auf die Schriften des umstrittenen englischen Reformators John Wycliff (1330-1384), der sich massiv gegen kirchlichen Ämtermissbrauch, gegen Vermischung von Glaube und Politik sowie gegen Reliquienverehrung ausgesprochen hatte. Außerdem förderte Wycliff das Lesen in der eigenen Muttersprache und den Wert des einfachen Glaubens.

Nachdem Hus 1402 zum Priester geweiht worden war, begann er mit seiner Tätigkeit als Prediger in der Prager Bethlems-Kapelle. Hier sprach er jeden Sonntag vor rund 3000 Gottesdienstbesuchern in Tschechisch, damals eine Seltenheit. Die Zuhörer schätzten seine unbedingte Wahrheitsliebe und die Bereitschaft, sich gegebenenfalls korrigieren zu lassen. Hus forderte die Erneuerung der Kirche, die Reinheit des Glaubens und die Betonung des Evangeliums. Deutlich kritisierte er den Reichtum der Kirche, die mehr als ein Drittel des Bodens besaß und selbst noch bei der Vergabe der Gnadenmittel (Taufe, Beichte, Abendmahl, Ablass, Begräbnis) Geld einforderte. Statt auf Macht und Besitz sollte sie sich lieber auf ihre geistlichen Aufgaben konzentrieren.

Jesus hatte Seine Jünger nicht zu irdischer Herrschaft berufen, argumentierte Hus: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt es auch“ (Mt.10:8). Von den gewinnsüchtigen Ablass-Händlern, den Bettelmönchen, sprach Hus als einem „offen am Tag liegenden Übel“, sie plünderten „durch vorgebliche Wunder und lügenhafte Vorspiegelungen“ das niedrige Volk aus. Wunderheilungen durch das angebliche Blut Jesu wurden im Nachhinein nämlich als Schwindel entlarvt. Hus meinte, ein Christ könne auch ohne spektakuläre Wunder auskommen. Stattdessen solle er sich stärker an die Heilige Schrift binden. Unangenehm deutlich prangerte Hus Prunksucht, sexuelle Ausschweifungen, Bestechlichkeit und Erbschleicherei unter den Kirchenvertretern an. Er warb für das Recht frommer Laien, das Evangelium zu lehren, obwohl das Predigen damals nur den ordinierten Geistlichen erlaubt war.

Ende des 14. Jh. wetteiferten drei Päpste um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Westeuropa. Keiner von ihnen zeichnete sich durch besondere Frömmigkeit aus, im Gegenteil: Einer von ihnen, Baldassare Cossa aus Bologna ließ sich durch Ämterkauf (Simonie) 1410 innerhalb von 48 Stunden erst zum Priester, dann zum Bischof und gleich danach zum Papst weihen. Schon im ersten Jahre seiner Herrschaft wurde ihm vorgeworfen, an die zweihundert verheiratete Frauen, Witwen, Jungfrauen und Nonnen verführt und immense Summen für Feste, Luxus und Prunk verschwendet zu haben. Aus diesem Grund setzte sich König Sigismund 1414 für ein Konzil in Konstanz ein, dass den Streit dreier konkurrierender Päpste schlichten sollte. Um die Hussiten einzubinden, wurde auch Hus vor das Konzil geladen mit dem Versprechen, dass man ihm Freiheit und Sicherheit garantiere.

Anlässlich des Konzils waren nicht nur 33 Kardinäle, 57 Erzbischöfe, 228 Bischöfe, zahlreiche Mönche, Priester und Adelige in die Stadt gereist, sondern auch über 700 Huren, mit denen sich der Klerus in den folgenden vier Jahren vergnügte. Als Hus im Oktober 1414 in der Stadt ankam, wurde er schon bald darauf verhaftet und als Erzketzer angeklagt. Da Ketzer ihre bürgerlichen Rechte verlieren, konnte König Sigismund sich darauf berufen, um sein Versprechen nicht mehr einhalten zu müssen. Man legte Hus ein Schriftstück vor mit 42 Anklagepunkten. Hus konnte die ihm vorgeworfenen „Irrlehren“ allesamt mit Zitaten aus der Bibel widerlegen. Hus wollte mit den Konzilstheologen diskutieren. Gerne sei er bereit, sich anhand der Bibel und der Kirchenväter korrigieren zu lassen. Auf unwürdige Art schrie man ihn einfach nieder, ohne auf seine Argumente einzugehen.

Im weiteren Verlauf drängte man ihn immer wieder, klein beizugeben und zu widerrufen, da man ihn dann vielleicht gnädig laufen lassen könne. Hus wollte sich jedoch auf keine faulen Kompromisse einlassen. Er machte sich keine Illusionen, sondern wusste, dass man ihn ohnehin verurteilen würde. Am 06. Juli verurteilte man ihn publikumswirksam im Dom von Konstanz. Noch einmal versuchte er seine Position zu erklären. Als das ergebnislos blieb, versank er im Gebet und suchte für die bevorstehende Hinrichtung Trost bei Gott. Während er von den versammelten Kirchenvertretern verflucht wurde, betete er laut für seine Gegner. Man setzte ihm eine mit Teufeln bemalte Papierkrone auf den Kopf. Das Priestergewand wurde ihm ausgezogen. Außerhalb der Stadt wurde er ganz entkleidet an den Pfahl gebunden, mit Holz, Stroh und Pech umgeben und angezündet. Bis die Flammen ins Gesicht schlugen, sang er Loblieder. Um jede Erinnerung an ihn auszulöschen, wurden seine verkohlten Gebeine eingesammelt und in den Rhein geworfen.

Hus Anhänger in Böhmen waren nicht eingeschüchtert, wie die Kirchenleitung in Konstanz erhofft hatte, sondern entsetzt und verbittert. Die Hussiten waren nicht länger bereit, mit der katholischen Obrigkeit zu verhandeln. 452 böhmische Adelige schlossen sich zusammen und sandten im September 1415 einen feierlichen Protest an das Konstanzer Konzil. Man nahm sich vor, die freie Predigt zu verteidigen und den Papst nur insoweit anzuerkennen, wie er mit der Bibel übereinstimmte. Aufgrund der Einschränkungen ihrer Religionsausübung trafen sich tausende Hussiten zum Gottesdienst in freier Natur. Der tschechische König Wenzel, Bruder von Sigismund, versuchte, die Hussiten zu unterdrücken und sie aus staatlichen und weltlichen Ämtern zu entfernen. Das führte zum Bürgerkrieg. 1420 begann Papst Martin V. einen Kreuzzeug zur Unterwerfung der Hussiten. Die Heere von Papst und deutschem Kaiser kämpften bis 1436 wenig erfolgreich gegen die Aufständischen. Die Hussiten rangen um ihre nationale und religiöse Unabhängigkeit. Erst durch die Aufspaltung der Bewegung gewannen die katholischen Heere die Oberhand. Reste der Hussiten vereinigten sich später als Böhmische Brüder mit den deutschen Lutheranern.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 27:

Girolamo Savonarola (1452 – 1498 n.Chr.)

Ein Mann Gottes, der wegen seines starken Temperaments eher aus dem Rahmen fällt und auf den ersten Blick nicht wie ein wahrer Knecht Jesu Christi erscheint, war sicherlich Savonarola. Seine scheinbare Selbstgerechtigkeit und sein Übereifer gegen alles Fleischliche und Eitle, war seiner Zeit geschuldet, als der gesetzlose Klerus alles andere als ein Vorbild war.

Girolamo (lat. für Hieronymus) wurde 1452 in Ferrara, Italien, in eine angesehene Bankiers-Familie hineingeboren. Bereits in jungen Jahren zeigte er ein starkes Interesse an religiösen Fragen und eine tiefe Spiritualität. 1474 brach er sein Medizinstudium ab und trat in den Dominikanerorden ein, um – wie er sagte – „nicht wie ein Tier unter Schweinen, sondern als vernünftiger Mensch“ zu leben. Er wurde zunächst Diakon und dann Prediger. In den folgenden Jahren vertiefte er seine theologischen Studien und entwickelte früh eine Leidenschaft für die christliche Moral und die dringende Notwendigkeit einer Reform der Kirche. Sein Ruf als Bußprediger führte ihn 1490 nach Florenz, einer Stadt, die zu dieser Zeit ein bedeutendes kulturelles und politisches Zentrum Europas war. Zugleich war Florenz aber auch von Dekadenz und Korruption durchdrungen. 1491 ernannte man ihn zum Prior. Dies nutzte er sogleich, um das Klosterleben zu reformieren. So sollten die Ordensregeln wieder in der ursprünglichen Strenge eingehalten werden, inkl. dem Armutsgelübde. Seine endzeitlichen Predigten waren leidenschaftlich und voller Feuer, und er kritisierte unerschrocken die moralische Verderbtheit der Kirche sowie die Pracht und Dekadenz der Medici-Herrscher von Florenz.

Im Jahr 1494 ergriffen die Franzosen die Kontrolle über Florenz, was die politische Landschaft der Stadt dramatisch veränderte. Savonarola erkannte diese Gelegenheit, um seinen Einfluss zu stärken. Er verkündete, dass Florenz die „Stadt Gottes“ sein sollte und rief zu einer sittlichen und religiösen Erneuerung auf. Seine Anhängerschaft wuchs rapide, und er wurde de facto Herrscher über Florenz. 1495 untersagte Papst Alexander VI. Savonarola, weiterhin zu predigen. Für kurze Zeit hielt dieser sich auch daran, prangerte aber bald wieder die Missstände in der Kirche an. Anfang Februar 1497 ließ Savonarola große Scharen von Jugendlichen und Kindern („Fanciulli“) durch Florenz ziehen, die „im Namen Christi“ alles beschlagnahmten, was als Symbol für die Verkommenheit der Menschen gedeutet werden konnte.  Dazu zählten nicht nur „heidnische Schriften“ oder pornographische Bilder, sondern auch Gemälde, Schmuck, Kosmetika, Spiegel, weltliche Musikinstrumente und -noten, Spielkarten, aufwendig gefertigte Möbel oder teure Kleidungsstücke. Teilweise lieferten die Besitzer diese Dinge auch selbst ab, sei es aus tatsächlicher Reue oder aus Angst vor Repressalien. Am 7. Februar 1497 und am 17. Februar 1498 wurden all diese Gegenstände auf einem riesigen Scheiterhaufen, dem „Fegefeuer der Eitelkeiten“ auf der Piazza della Signora verbrannt. Der Maler Botticelli warf einige seiner Bilder selbst in die Flammen. Nicht alle, auch nicht alle Ordensmänner und Kleriker, unterstützten diese Verbrennungsaktionen. Dieser Akt zog die Aufmerksamkeit der Kirche in Rom auf sich, und Papst Alexander VI. wurde besorgt über Savonarolas Macht und die mögliche Verbreitung der Reformation. Während seiner kurzen Herrschaft wurde er zum Inbegriff des Moralapostels, wie vor ihm schon der Viehhirte Hans Böhm (1458-1476) aus Niklashausen, der 1476 bereits mit 18 Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Die Spannungen zwischen Savonarola und der Kirche erreichten ihren Höhepunkt. Papst Alexander VI. exkommunizierte Savonarola und beschuldigte ihn der Häresie und des Ungehorsams. Florenz wurde von einer Belagerung bedroht, und die Stadt begann, sich gegen Savonarolas Vorherrschaft zu erheben. Die religiöse Bewegung, die er angeführt hatte, brach zusammen, und er wurde 1498 gefangen genommen. Während seiner Gefangenschaft wurde Savonarola schwer gefoltert und gezwungen, seine Schuld zuzugeben und seine Predigten zu widerrufen. Unter Folterqualen räumte er zunächst seine Schuld ein, widerrief jedoch seine Geständnisse kurz vor seiner Hinrichtung; doch man fälschte seine Prozessakte diesbezüglich.  1498 wurde Girolamo Savonarola zusammen mit zweien seiner engsten Anhänger öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Da einige Frauen versuchten, Knochen als Reliquien mitzunehmen, wurde die Piazza gesperrt und am nächsten Tag Savonarolas Asche in den Fluss Arno geworfen

Obwohl Savonarolas Leben tragisch endete, inspirierte ein mutiger Kampf gegen die Korruption der Kirche und sein Engagement für die moralische Erneuerung spätere Reformatoren wie Martin Luther. Trotzdem kann die Entscheidung, ein gottgefälliges Leben in Armut zuzubringen, nur für jeden Gläubigen selbst getroffen werden und kann unmöglich durch eine übergriffige Bevormundung auf Mitbürger und deren Eigentum veranlasst werden. In diesem Sinne wird Savonarola nicht nur als kontroverser Prediger, sondern auch als Symbol für die Suche nach christlicher Reinheit und sozialer Gerechtigkeit in einer Zeit des Wandels und der Umbrüche in Erinnerung bleiben.

 

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