„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

Aktuelles

– „Such, wer da will, ein ander Ziel“  Teil 5

Oktober bis Dezember 2016

Der mafiose Pfingstler

Noch immer gingen Ruth und ich in den Hauskreis zu Bruder Jens Kellner, der nach der Bibelstunde regelmäßig ein üppiges Abendessen servierte, bei welchem wir oft noch bis spät abends in geselliger Runde beisammensaßen. Eines Abends war eine polnische Schwester in der Bibelstunde namens Maria (ca. 63) mit ihrem italienischen Freund Salvatore. Beide waren Pfingstler, unterstützten mich jedoch in meiner Überzeugung, dass der HErr jene „Täter der Gesetzlosigkeit“ aus Mat.7:23 durchaus kannte, sie jedoch verleumdete, da sie Ihm immer wieder verleumdet hatten durch ihre Werke. Diese Ansicht hatte einen Streit ausgelöst, bei welchem sich auf einmal alle anderen im Hauskreis gegen mich wandten, dass ich „gesetzlich“ sei und dass es schlicht unmöglich sei, ein Leben ohne Sünde zu führen. Die Wut der anderen auf mich hatte sich schon lange angestaut, so dass es nun zum Eklat kam. Als wir uns spät in der Nacht verabschiedeten, sagte mir Schwester Maria auf der Straße, dass sich heute Abend die Geister voneinander geschieden hätten und sie nicht mehr zu solch lauen Christen hingehen wolle, die ständig die Sünde verharmlosen oder rechtfertigen würden. Ich stimmte ihr zu und bot ihr an, dass wir doch bei uns zuhause einen neuen Hauskreis eröffnen könnten mit Gottes Hilfe. Sie war darüber hoch erfreut und wir verblieben so, dass sie ab nächsten Mittwoch zu uns kommen könnten.

Daraufhin machte ich Flyer und verteilte sie am Wochenende im Süden Bremens, um zu unserem neuen Hauskreis einzuladen. Tatsächlich meldete sich u.a. ein gläubiges Ehepaar aus Sri Lanka, das fortan zu uns kommen wollte. Ich lud auch meine gläubigen Mitarbeiter zum Hauskreis ein, d.h. Matthias, Bartosz, Jörg, Simeon und Jakob, die daraufhin z.T. kamen und eine Weile blieben. Marcus wiederum kam mit seiner Frau Christine, die wir nun endlich persönlich kennenlernten und lud noch zwei Brüder namens Daniel Pyka und Sergej Borgardt ein, die er noch von früher kannte. Sogar meine Schwester Diana kam mehrere Wochen lang regelmäßig, sodass unser Wohnzimmer manches Mal richtig voll war. Bei unserem ersten Treffen Anfang Oktober schlug ich vor, dass wir gemeinsam jedes Mal ein Kapitel aus dem Römerbrief behandeln sollten, womit alle einverstanden waren. Als wir dann aufstanden, um gemeinsam zu beten, blieben Marcus und Christine zu unserer Überraschung sitzen. Nachdem Gebet wollte ich anfangen, aus Kapitel 1 vorzulesen, aber Marcus unterbrach mich: „Simon, ich würde den Anwesenden nur einmal kurz den Grund nennen, warum wir eben gerade sitzen geblieben sind. Denn ich und Christine sind der Meinung, dass es sich bei dem Aufstehen zum Gebet um ein religiöses Ritual handelt, das uns nirgendwo in der Bibel geboten wird. Wir wollen uns aber nicht an religiösen Übungen und Traditionen orientieren, sondern allein auf das, was geschrieben steht.“ Ich entgegnete: „Eigentlich sollte man sich vor Gott hinknien zum Gebet, aber auch das Stehen zum Gebet wird bezeugt. Nirgendwo aber haben Gläubige in der Bibel beim Gebet gesessen.“ – „Ja, der Pharisäer hat beim Gebet gestanden“ sagte Marcus, „aber wir haben nirgends ein Gebot, dass wir uns beim Gebet hinknien sollen!“ – „Das brauchen wir auch nicht, weil uns die Ehrfurcht vor Gott dazu drängt, nicht einfach sitzen zu bleiben vor der höchsten Majestät…“ Marcus unterbrach mich, aber ich ließ es nicht zu: „Lass uns bitte jetzt nicht weiter darüber diskutieren, sondern jetzt gemeinsam den Bibeltext lesen!

Leider geschahen solcherlei Einwände von Marcus fortan regelmäßig, und jedes Mal hielt Marcus einen sehr langen Vortrag, ohne mal einen Punkt zu machen, so dass ich ihm zwangsweise ins Wort fallen musste, um solche Abschweifungen zu vermeiden. Mal war es die Frage, ob die Gebote des Alten Bundes noch Gültigkeit haben, dann war es die Frage, ob es heute noch Zungenrede geben konnte – ständig widersprach mir Marcus und hielt seine langen Vorträge, die jedes Mal in einem Streit zwischen mir und ihm endeten, so dass einige neue Geschwister schon nicht mehr kommen wollten. Deshalb kam der Tag, an dem ich sagte: „Marcus, es tut mir leid, aber so kann das nicht weitergehen. Du und ich vertragen uns einfach nicht, da wir einfach völlig entgegengesetzte Standpunkte vertreten. Ich respektiere, dass Du die Dinge anders siehst, aber Du weißt auch, dass wir nach der Schrift Streitigkeiten vermeiden sollen. Deshalb mache ich Dir einen Vorschlag: Geh du mit Christine zur Rechten, dann gehe ich zur Linken. Und wenn Du zur Linken gehst, dann gehe ich zur Rechten, – so wie Abram zu Lot sagte in 1.Mose 13:9.“ Daraufhin standen Marcus und Christine auf und verließen das Wohnzimmer.

Doch leider war damit noch keine Ruhe eingekehrt, sondern einige Wochen darauf begann noch ein viel dramatischer Angriff vom Feind: Schon lange war mir aufgefallen, dass Salvatore während des Gebets immer leise in Zungen redete und dabei in ekstatische Verzückung geriet. Jedes Mal, wenn wir das Thema Zungenrede ansprachen, versuchte Schwester Maria mich davon zu überzeugen, dass ich doch auch die „Geistestaufe“ bekommen müsse, damit mein Dienst noch gesegneter sei. Eines Abends nach dem Hauskreis wandte sich Schwester Maria an mich und sagte: „Lieber Simon, Du denkst vielleicht, dass Salvatore und ich verheiratet sind, weil wir jedes Mal zusammen zum Hauskreis kommen. Aber in Wirklichkeit sind wir nur befreundet, haben aber vor, noch in diesem Jahr zu heiraten. Wir möchten aber, dass Du weißt, dass wir beide schon einmal verheiratet waren, aber jetzt geschieden sind. Deshalb möchten wir wissen, wie Du darüber denkst.“ Ich fragte sie, ob sie unfreiwillig geschieden wurden oder ob sie sich auf eigenen Wunsch haben scheiden lassen. Maria erklärte mir, dass ihr erster Mann ein Trinker war, der sie immer wieder betrogen hatte und sie schließlich endgültig für eine andere Frau verließ. Salvatore hingegen, der früher für die sizilianische Mafia gearbeitet hatte, war zuletzt mit einer gläubigen Ehefrau verheiratet, die ihn immer wieder kritisiert hatte wegen seines schlechten Benehmens. Als ihm die Schimpferei eines Tages zu viel war, ließ er sich von seiner Frau scheiden – gegen ihren Willen und ist seither mit Maria zusammen. Für mich war der Fall daraufhin klar: „Theoretisch dürftest Du, liebe Maria, noch einmal heiraten, jedoch nicht den Salvatore, weil er ja selbst die Ehe gebrochen hat und deshalb verpflichtet ist, sich mit seiner Frau zu versöhnen.“  Daraufhin gestikulierte Salvatore vor mir aufgeregt mit seinen Armen und sagte laut: „Mi dispiace, aber das kannst du vergesse! Isch werde auf jede Fall die Maria heirate, che ti piaccia o no – ob du willst oder nich! Ich kann ohne diese Frau nicht mehr lebe!” – “Es geht ja nicht darum, was ICH will, sondern was die Schrift sagt!” erwiderte ich. Maria schlug vor: “Deswegen lass uns doch gemeinsam dafür beten, dass der HErr es mir zeigen möge, Simon. Und wenn der HErr mich nicht daran hindert, dann werde ich den Salvatore noch in diesem Jahr heiraten.” – “Nein, das geht nicht” sagte ich, “denn dann würdest Du den HErrn versuchen. Er hat ja ganz klar in Seinem Wort geboten, dass man einen Ehebrecher nicht heiraten darf, und wenn Du es doch tust, dann versündigst Du Dich. Außerdem bringst Du mich dadurch in ein echtes Dilemma, denn eigentlich dürfte ich Euch dann auch nicht mehr ins Haus aufnehmen, da Ihr beide in Sünde lebt.” „Du kanns sage, was Du wills, Simon eh! Abe isch werde die Maria heirate!“ rief Salvatore.

Eine Woche später, nachdem wir viel gebetet haben, kam Maria schluchzend zu uns und bat uns um Vergebung, dass sie nicht gleich auf uns gehört habe. Sie berichtete, dass Salvatore häufig sehr aggressiv sei und sie und ihre Söhne sogar schon öfter mit dem Tod bedroht habe. Beim letzten Streit habe sie ihm dann gesagt, dass sie ihn nicht mehr heiraten wolle, und da habe er sie mit den Worten angebrüllt: „WENN DU MICH VERLÄSST, DANN NEHME ICH DEINEN KOPF UND SCHLAGE IHN AN DIE WAND!“ – „Das ist ja furchtbar!“ sagte Ruth, „aber dann ist er auch nie wirklich von neuem geboren worden, denn so redet kein echtes Kind Gottes.“ – „Ja, das habe ich manchmal auch schon gedacht“, sagte Maria, „aber er kann auch ganz liebevoll sein und geisterfüllt. Ich habe vermutet, weil er ja früher bei der Mafia war, dass er deshalb noch so eine ungehobelte Ausdrucksweise hat, aber wie kann er so reden, wenn er mich doch liebt?!“ – „Nein, Maria, das hat nichts mehr mit Liebe zu tun, geschweige denn mit Christsein.“ – „Ja, das glaube ich jetzt auch nicht mehr. Letztens haben meine beiden Söhne Martin und Emmanuel ihn aus dem Haus werfen wollen und da brüllte er sie an: ‚FASST MICH NICHT AN; SONST JAGE ICH EUCH EINE KUGEL IN DEN KOPF!‘

Maria wollte sich jetzt endgültig von ihm trennen, hatte aber Angst um ihr Leben. Deshalb kam sie zu uns und bereute zutiefst, dass sie sich überhaupt auf ihn eingelassen hatte. Wir beschlossen, dass wir wegen dieser Morddrohungen nicht zur Polizei gehen wollten, sondern stattdessen Gott darum bitten, dass Er dem Satan erlauben möge, den Salvatore daran zu hindern, diese Sünde zu begehen, sei es durch eine schwere Krankheit oder durch Tod. Denn so schrieb es Paulus an die Korinther in einem ähnlichen Fall, dass man „einen solchen im Namen unseres HErrn Jesus dem Satan überliefern solle zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet wird am Tage des HErrn“ (1.Kor.5:5). So beteten wir zum HErrn und übergaben den Salvatore in Satans Hand, damit der HErr ihn dadurch richten möge. Dann erzählte uns Maria, dass sie jetzt nach Polen reisen würde, um sich dort vor ihm zu verstecken, dass sie ihm aber vorher einen Brief schicken wolle, um ihm zu sagen, dass es jetzt endgültig aus sei und sie nicht mehr zu ihm zurückkehren würde. Einige Wochen später erfuhren wir, dass Salvatore ihr geantwortet hatte, dass er die Trennung akzeptiere, zumal er inzwischen auch schon eine andere Frau gefunden habe.

 

Gibt es eine jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung?

Seit dem Sommer 2016 ging es meiner Schwiegermutter Lucila (83) gesundheitlich zunehmend schlechter. Schon während ihres letzten Aufenthalts bei uns in Deutschland im Jahr 2015 spürte sie, dass dies ihr letzter sein würde, wollte aber nicht in Deutschland sterben, um uns nicht zur Last zu fallen, wie sie sagte. Da sie Pflege brauchte, konnte sie aber auch nicht mehr allein in ihrer Wohnung in Lima bleiben, sondern wurde von ihrem Sohn Israel zu sich nach Ica gebracht. Israels Adoptivtochter Rossana hatte jedoch den Eindruck, dass Israel mit der Pflege überfordert war, da Lucila inzwischen völlig abgemagert war. Ruth machte sich große Sorgen und wollte unbedingt den Winter über bei ihrer Mutter in Peru verbringen, um sie bis zu ihrem Tod zu pflegen. Und da Eva ohnehin wieder zurück nach Lima musste, flog Ruth im November 2016 gleich mit ihr hin. Wir vereinbarten, dass ich in Deutschland bleiben solle, um mich um das Haus und die Firma zu kümmern. Schon lange hatte ich vor, unser Haus mal wieder von Grund auf zu renovieren, und das wäre dann mal eine Gelegenheit.

Zu jener Zeit wurde ich auf YouTube zum ersten Mal auf einen christlichen YouTuber namens Markus Müller aufmerksam, der unter dem Pseudonym InfoKriegerMCM bzw. EndzeitreporterMCM ziemlich interessante Videos veröffentlichte über weltpolitische Ereignisse, die er anhand der Bibel kommentierte. Er stand zwar lehrmäßig den Judaisierern bzw. Armstrong-Anhängern („Klar und wahr“) nahe, aber das störte mich nicht, da ich nur an den Informationen interessiert war. Besonders reizte mich die Frage, ob es eigentlich wirklich eine jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung gäbe. Denn der Umstand, dass diese Frage von nahezu allen Medien vehement verneint wurde, war für mich noch lange kein Beweis, dass es wirklich keine gab, da ja die Medien der Legende nach alle in der Hand der Verschwörer waren und entsprechend Einfluss auf die Berichterstattung hatten. Als ich dann auf die Videos des Historikers Wolfgang Eggert stieß, war ich mir sicher, dass die jüdische Verschwörung keine Fiktion war, sondern auf jede Menge historischer Fakten beruhte. Obwohl Eggert kein Christ war, glaubte er wie wir, dass demnächst ein antichristliches Reich entstehen und eine unaufhaltsame Apokalypse über die Welt hereinbrechen würde. Diese käme aber seiner Ansicht nach nicht von Gott, sondern würde von Kabbalisten inszeniert werden, um der Welt dann ihren Messias als Retter zu präsentieren, der die Welt vor dem Bösen schützen würde. Bei der Herbeiführung des totalen Chaos auf allen Ebenen seien aber nicht nur jüdische Kabbalisten, sondern auch christliche Freimaurer beteiligt.

Da sich diese dystopische Weltdiktatur nicht mehr verhindern ließe, empfahl Eggert, Deutschland zu verlassen und irgendwo im Ausland auf dem Land autark als Selbstversorger zu leben, bis irgendwann der Spuk vorbei sei. Ich war ganz erstaunt, wie sehr sich diese Prognose mit den Aussagen der Bibel deckte. Denn die biblische Prophetie spricht ja ebenso von einem Weltreich des Antichristen, durch welches die Gläubigen verfolgt werden und in die Wüste fliehen müssen (Offb.12). Wie war es aber möglich, dass selbst Ungläubige dies erkannten, während die Gläubigen nahezu gleichgültig waren oder schliefen? Aber auch Eggert war enttäuscht über das Desinteresse der Menschen und entschied sich, keine weiteren Bücher oder Videos mehr zu machen. Stattdessen übergab er sein Geheimwissen in die Hände seiner libertären Schüler Oliver Janich und Tilmann Knechtel, die auf ihren Video-Kanälen weitere verblüffende Fakten lieferten über den Einfluss einer geheimen, satanischen Oligarchie auf die Politik, aber auch auf die Medien und Musikbranche. Einige reiche Juden wie die Rothschilds und Rockefellers hatten scheinbar mit Satan einen Bund geschlossen, damit dieser ihnen die Herrschaft über die Welt gebe (Mt.4:8-9), wie geschrieben steht: „Wir haben einen Bund mit dem Tode geschlossen… die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns geborgen“ (Jes.28:15). Deswegen nannte der HErr sie auch eine „Synagoge des Satans“ (Offb.2:9, 3:9). Dieser Verdacht hat nichts mit Antisemitismus (d.h. Hass auf alle Juden) zu tun, denn solch eine Vereinfachung wäre genauso naiv als würde man sagen, dass alle Deutschen Nazis sind, weil Hitler ein Nazi war.

Dass die Medien auch hierzulande keineswegs neutral und objektiv berichten, wurde im November 2016 besonders deutlich, als die Amerikaner vor die Wahl gestellt wurden, ob sie Donald Trump oder Hillary Clinton zum neuen Präsidenten der USA wählen sollten. Sowohl vor als auch nach den Wahlen taten die deutschen Medien so, als würde mit der Wahl Trumps die Welt untergehen. Dabei stellte sich am Ende heraus, dass Trump einer der friedlichsten und freiheitlichsten Präsidenten  der USA werden sollte, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht einen einzigen Krieg gegen andere Länder führte, sondern sich sogar um Frieden mit Russland und Nordkorea, den Erzfeinden Amerikas, bemühte. Da schon Wochen vor der Wahl alle Gläubigen in Facebook auf einen Sieg Trumps hofften, fieberte auch ich in der Wahlnacht vom 08.11.16, wer wohl die Wahl gewinnen würde. Die deutschen Medien waren einhellig der Meinung, dass Clinton siegen würde, weshalb mich eine gewisse Schadenfreude beschlich, als ich sah, dass schließlich Trump das Rennen machte. Die Verschwörungstheoretiker-Szene, auch Truther oder „Wahrheitsbewegung“ genannt, jubelte – allerdings nur kurz. Denn zu einer weltweiten Revolution kam es am Ende nicht. Die Politiker des Establishments wurden nicht verhaftet und vor Gericht gestellt, die Pädophilennetzwerke („Pizzagate“) nicht ausgehoben und der von den US-Evangelikalen gewählte Trump bekannte sich in seiner Biographie zur jüdischen Kabbala, konnte in einem Interview nicht einen einzigen Lieblings-Bibelvers zitieren und erklärte, dass er Gott noch nie um Vergebung gebeten habe.

 

„Gott wollte, dass ich sterbe“

Nachdem Ruth und Eva nach Peru geflogen waren, sah ich die Gelegenheit, mein Haus für andere Brüder zu öffnen, und zwar zunächst für Jens aus Wittenberg und danach für Harald aus Augsburg. Harald (54), ein ehemaliger Missionar und Konditor, war schon einmal 2005 für mehrere Wochen bei uns, als er gerade seine Missionsarbeit in einem Kinderheim in Bolivien beendet hatte und eine neue Perspektive suchte. Er hatte zunächst versucht, bei mir zu arbeiten, fand aber dann Arbeit als Konditor. Als er aber dann immer wieder von seinen Kollegen gemobbt wurde, ließ er sich vorzeitig in Rente gehen lassen.

Seither sammelte er Hunderte an christlichen Filmen auf DVD in der Hoffnung, diese nach dem Anschauen an Gemeinden zu verleihen, fand aber so gut wie keine Interessenten dafür. Zudem sammelte er auf deutschen und amerikanischen Internetseiten unzählige Artikel und Videoclips über die antichristlichen Entwicklungen. Jedes Mal, wenn wir telefonierten, fragte ich ihn, für was er all diese Informationen sammeln würde. „Weil es immer noch viele Christen gibt, denen noch nicht klar ist, dass wir jetzt absolut in der Endzeit angekommen sind. Die Robotik ist z.B. schon so weit, dass es völlig menschliche Sexpuppen gibt, die sich mithilfe der künstlichen Intelligenz mit den Menschen unterhalten können, als wären sie echt. Durch den Transhumanismus ist man sogar schon so weit, dass man alle Gedanken und Informationen eines Menschen in die Cloud hochladen kann, wo die Daten nach dem Ableben des Menschen auf einen anderen übertragen werden können. Sogar das ewige Leben wird durch das Kopieren von Organen inzwischen eine realistische Option. Und bevor all diese Phantasien Wirklichkeit werden, wird Jesus wiederkommen und ihrem Irrwahn ein Ende setzen.“ – „Aber dass der HErr bald wiederkommt, das wissen wir doch längst aus der Heiligen Schrift und wird von kaum einem Gläubigen noch angezweifelt. Und warum sammelst Du denn auch all diese Hollywood-Filme, die überhaupt nichts mit dem christlichen Glauben zu tun haben, sondern reiner Schund sind?“ – „Weil die Eliten uns durch die Science-Fiction-Filme mitteilen wollen, was sie vorhaben und wie die Zukunft aussehen wird. Was glaubst Du wohl, warum es in letzter Zeit so viele Endzeitfilme gibt?

Im Sommer 2016 entdeckte man bei Harald dann einen bösartigen Tumor im Magen und verordnete ihm eine Strahlen- und Chemotherapie. Als Charismatiker wollte Harald sich aber nicht nur auf die Errungenschaften der modernen Medizin verlassen, sondern hoffte darauf, dass ein nigerianischer Wunderheiler ihn durch Handauflegung sofort heilen würde. Als er erfuhr, dass jener Geistheiler T.B. Joshua mit seinem Team gerade im griechischen Thessaloniki war, fuhr er dorthin und ließ sich heilen, wie er sagte. Zurück in Deutschland, rief er mich freudestrahlend an und sagte mir: „Ich habe morgen den Termin bei meinem Onkologen, und dann wird er zur Ehre Gottes feststellen, dass ich vollkommen geheilt bin vom Krebs!“ Am nächsten Tag rief Harald mich dann an, um mir das Ergebnis mitzuteilen: „Simon ich bin hier gerade im Krankenhaus und der Arzt hat mich untersucht“ – „Und was hat er gesagt?“ – „Er sagte, dass die ersten zwei Chemotherapien ja doch ganz gut angeschlagen hätten, und dass er mir vorsichtshalber auf jeden Fall noch eine dritte Chemotherapie empfehlen würde. Und jetzt ist er gerade rausgegangen und kommt gleich wieder, damit ich mir in Ruhe Gedanken machen könne, ob ich das wolle. Deshalb wollte ich Dich fragen, was Du mir raten würdest.“ – Ich antwortete: „Also, ich verstehe Dich nicht, Harald. Du hast doch selbst gesagt, dass der HErr Dich geheilt habe. Warum zweifelst Du jetzt und willst Deine Therapie fortsetzen?“ – „Ich bin mir halt unsicher, denn er hat mir doch dringend eine Fortsetzung empfohlen…“ – „Ja, aber wenn Du doch bereits geheilt bist, wie Du sagst, warum willst Du dann trotzdem die Therapie fortsetzen?!“ – Harald musste das Gespräch beenden, weil der Arzt gerade reinkam. Und weil er sich unsicher fühlte, willigte in eine Fortsetzung der Therapie ein.

Ich machte mir Sorgen um Harald, weil er noch immer den ganzen Tag vor dem PC saß und sich nach wie vor nur mit dem Antichristen beschäftigte, anstatt mit Christus. Deshalb kam mir die Idee, ihn einzuladen, um mir im Dezember bei den Renovierungsarbeiten im Haus zu helfen. Doch leider funktionierte das überhaupt nicht, denn während ich in der Küche, auf dem Flur und im Schlafzimmer am Tapezieren war, schaute Harald den ganzen Tag Reportagen auf dem iPad an und berichtete mir von seinen neuesten Erkenntnissen. Irgendwann platzte mir der Kragen und ich schimpfte mit Harald: „Du vertrödelst den ganzen Tag mit diesem Schund, anstatt mal etwas wirklich Sinnvolles zu tun. Du siehst doch, dass ich den ganzen Tag arbeite, aber kommst nicht auf die Idee, mir mal zu helfen! Wenn du wenigstens die Bibel lesen würdest, dann könnten wir uns darüber sinnvoll austauschen. Aber statt dessen schaust du immer nur auf die endzeitlichen Entwicklungen!“ – „Ja, Du hast recht,“ räumte Harald deprimiert ein. „Aber DU musst verstehen, dass ich einfach zu schlapp bin nach diesen Chemotherapien. Ich weiß auch überhaupt nicht mehr, was ich noch auf der Erde soll. Vielleicht war es ein Riesenfehler, dass ich mich habe heilen lassen, denn Gott wollte wohlmöglich, dass ich jetzt sterbe, weil meine Zeit gekommen war. Ich hatte ein gutes und erfülltes Leben gehabt und genug Lohn eingesammelt für die Ewigkeit. Aber jetzt weiß ich einfach nichts mehr mit meiner Zeit anzufangen.“ –

Diese Einschätzung schockierte mich und machte mich sehr traurig: „Ja, das kann gut sein, dass du recht hast. Aber wenn du das wirklich so erkannt hast, dann solltest du dich nicht damit abfinden, sondern umso mehr versuchen, Gutes zu tun.“ – „Aber wie denn? ich bin einfach zu schlapp. Früher war ich immer so aktiv, weil ich ADHS hatte, aber seit meiner Krebstherapie bin ich völlig antriebslos. Das einzige, was ich noch tue, ist, auf meine Tochter Steffi aufzupassen, damit sie nicht auf die Schiefe Bahn gerät. Aber seit sie volljährig ist, macht sie was sie will und steht kurz davor, ihre Wohnung zu verlieren, weil sie ihre Miete nicht regelmäßig zahlen kann. Sie hat gerade erst ihren Ausbildungsplatz verloren, weil sie ständig nur mit diesen arabischen Migranten rumhängt, die einen schlechten Einfluss auf sie haben. Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll und fühle mich wie ein totaler Versager.“ – Harald tat mir sehr leid, und ich merkte, dass ich mich um ihn kümmern sollte, anstatt ihn nur zu kritisieren.

 

Kalter Entzug

Über die Weihnachtstage wollte ich wieder eine Besuchsreise machen zu Bernd (Ludwigsstadt), Johannes (Bautzen), Hans-Udo (Berlin) und Jens (Wittenberg) – also im Grunde einmal durch die neuen Bundesländer. Da kam mir die Idee, dass mich der junge Bruder Michael, der sich gerade erst bekehrt hatte, auf der Reise begleiten könnte, damit er etwas von der Bibel hört und auch mal andere Gläubige kennenlernt. Michael war sofort begeistert von der Idee und sagte zu. Als ich es im Hauskreis erzählte, fragte mich Bruder Dennis, ob ich vielleicht auch bei Schwester Brunhilde (55) in Asmushausen vorbeifahren könnte, um ihn bis dorthin mitzunehmen, denn er würde gerne ein paar Tage dort verbringen. Es lag zwar nicht genau auf meiner Strecke, aber ich war einverstanden. Als wir dann einen Tag vor Weihnachten zu Dritt losgefahren waren, bekannte mir Dennis, dass er in der dörflichen Abgeschiedenheit von Asmushausen einen sog. Kalten Entzug versuchen wolle, um von seiner Heroin-Abhängigkeit frei zu werden. Er hatte früh morgens vor Fahrtbeginn sich noch ein allerletztes Mal die Nadel gegeben und wolle jetzt über Weihnachten endlich frei werden von der Droge. Ich fand diesen Entschluss sehr gut, und wir beteten für ihn.

Als wir nach 4 Stunden ankamen, sahen wir zufällig Schwester Brunhilde, die gerade von einem Hauspflege-Einsatz nach Hause ging. Sie wohnte ganz allein mit ihren Katzen in einem abrissreifen Fachwerkhaus. Als sie uns sah, war sie sehr überrascht, denn Dennis hatte ihr scheinbar noch gar nichts von seinem Vorhaben erzählt. Sie führte uns zu einem leeren Bauernhaus, dass man „Einbecker“ nannte und zeigte ihm das Zimmer. Doch dann nahm sie mich zur Seite und vertraute mir an, dass es ihr eigentlich nicht recht sei, wenn Dennis als Drogenabhängiger hier übernachten würde, da es ein schlechtes Zeugnis für die Nachbarn sei, und bat mich, ihn wieder mitzunehmen. Wir überredeten daher Dennis, dass er lieber mit uns weiterfahren möge, da Brunhilde mit seinem Entzugswunsch überfordert sei und er besser bei Bruder Bernd aufgehoben sei. So fuhren wir weiter nach Ludwigsstadt, wo wir am Abend nach etwa 3,5 Stunden ankamen. Zum Glück hatten Bernd und Brigitte in ihrer kleinen Wohnung ein Gästezimmer mit zwei Etagenbetten, so dass wir drei ohne Probleme übernachten konnten – dem HErrn sei Dank für die Gastfreundschaft der Geschwister!

Nach dem Abendessen zog sich Dennis sofort zurück, während Bernd noch lange die Fragen beantwortete, die Michael ihm stellte. Dabei war es amüsant, dass ich zwischen den beiden immer „übersetzen“ musste, denn Michael redete immer mit einer Art Gossensprache, die Bernd nicht verstand, während Bernd sich immer so akademisch ausdrückte, dass ich es für Michael in eine einfache Ausdrucksweise erklären musste. Zum Beispiel erklärte ihm Bernd, dass Jakob kein Betrüger gewesen sei, wie es viele glauben, denn er hatte sich ja – wenn auch mit List – nur jenen Segen von seinem Vater erschlichen, der ihm durch den Verkauf des Erstgeburtsrechts eigentlich mit Fug und Recht zugestanden hatte und den sich stattdessen Esau durch Verschweigen ergaunern wollte. Als ich dann spät am Abend mit Bernd alleine saß, erklärte er mir die Bedeutung der Sendschreiben als Analogie der verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte mit ihren jeweiligen Gemeindeausprägungen. Dieses sei eine wesentliche Erklärung zum Verständnis, wie der HErr die Gemeinde in ihren unterschiedlichen Haltungen beurteilt – nämlich ganz anders, als wir es vermuten würden. So schneidet die katholische Kirche des Mittelalters (Thyatira) z.B. im Vergleich zu den heutigen Evangelikalen (Laodizäa) deutlich besser ab, obwohl wir uns doch immer dünken, schon viel fortschrittlicher zu sein als jene. Bernd rügte mich in diesem Zusammenhang auch, weil ich in einem Aufsatz mal scharfe Kritik an Luther geübt hatte, der als Verursacher der Reformationszeit (Sardes) in einer viel raueren Zeit lebte, die wir humanistisch geprägten Christen von heute nicht nachvollziehen aber deshalb auch nicht beurteilen können. Vielmehr wird es die Aufgabe Elias sein, dass er gemäß Maleachi 4:5-6 in der bevorstehenden Drangsalzeit die Herzen der (Gemeinde-)Väter wieder zu uns „Söhnen“ und unsere Herzen wieder zu ihnen lenken werde, damit der HErr „nicht komme und das Land mit dem Banne schlage“. Ein Herz für die Väter zu haben, bedeute nicht nur, sich für ihre Schriften zu interessieren, sondern auch, ihre Blöße nicht unnötigerweise aufzudecken (1.Mo.9:22).

Am nächsten Tag machten Bernd, Michael und ich einen Spaziergang durch die traumhaft schöne Landschaft des Frankenwaldes und unterhielten uns weiter über das Wort Gottes. Als wir kurz vor Mittag zurückkamen, sahen wir, wie Dennis völlig blass, zitternd und schweißgebadet in der Stube fast liegend auf einem Stuhl saß und über einen Kopfhörer Musik hörte, um sich abzulenken. Er hatte inzwischen seit über 24 Stunden kein Heroin mehr gespritzt und war mitten im kalten Entzug. Wir fragten ihn, ob wir vielleicht einen Arzt anrufen sollten, aber er sagte, dass wir uns keine Sorgen machen brauchen, denn er habe das alles schon einmal so durchgemacht. Als wir uns aber nach dem Mittag kurz etwas hinlegen wollten, machte sich Dennis allein auf einen Spaziergang, von dem er selbst nach drei Stunden nicht zurückkehrte, so dass wir uns Sorgen machten. Gegen 17:00 Uhr rief uns Dennis an und erzählte, dass er auf dem Weg einen Schwächeanfall erlitten und daraufhin mit dem Krankenwagen in eine Klinik in der Nähe von Lichtenfels, südlich von Kronach gebracht wurde. Daraufhin machten wir uns auf den Weg, um ihn dort zu besuchen. Als wir ankamen erklärte uns Dennis, dass er noch länger bleiben müsse und der Arzt ihm jetzt zur Umstellung Methadon gegeben habe.

 

Hallodris und Traumtänzer

Da die Familie von Bernds Sohn Johannes gerade stark erkältet war und deshalb keinen Besuch empfangen konnte, änderte ich meinen Plan und fuhr am nächsten Tag mit Michael direkt nach Berlin weiter, um Bruder Hans-Udo zu besuchen. Auf halber Strecke sagte mir Michael, dass ich ihn in Berlin lassen könne, da er ohnehin vorhatte, dort eine Bekannte zu besuchen. Beiläufig fragte ich ihn, wer das denn sei. „Eine Freundin“ sagte er. „Und woher kennst Du sie?“ – „Wir ham‘ uns jetzt gerade erst kennengelernt durch´s Internet“ – „Ist sie denn gläubig?“ – „Nein, leider nich.“ – „Und was…“ – Doch bevor ich die Frage stellte, fiel bei mir der Groschen: „Sag mal, Michael, kann es sein, dass Du sie deshalb besuchen willst, um mit ihr intim zu sein?“ – Michael zögerte etwas: „Wenn ich ehrlich bin… ja.“ – Daraufhin setzte ich den Blinker, verlangsamte und fuhr auf einen Parkplatz. „Das ist wirklich schade, Michael. Denn Du solltest wissen, dass das eine Sünde ist“. – Michael senkte seinen Kopf: „Ja, ich weiß.“ – „Du weißt es und tust es trotzdem. Ist Dir eigentlich klar, dass Du mich damit jetzt selbst in ein Dilemma bringst? Denn wenn ich Dich jetzt weiter nach Berlin fahre, dann unterstütze ich das im Grunde. Warum hast Du mir das nicht gleich gesagt?“ – „Tut mir leid, Simon. Aber was soll ich denn machen? Ich hab´ ihr doch versprochen, dass ich jetzt komm´.“ – „Du kannst sie anrufen und ihr absagen, weil Du jetzt Christ bist und nicht mehr in Hurerei leben willst.“ – „Aber das schaff ich nicht. Ich hab´ mich so drauf gefreut.“ – „Du musst Dich entscheiden, was Dir wichtiger ist: Jesus oder das Mädchen; das Reich Gottes oder die alte Welt, die ins Verderben führt.“ – „Ich will ja Jesus folgen, aber ich bin noch nicht so weit.“ – „Dann kann ich Dich nicht mehr mitnehmen nach Berlin. Ich werde Dich in Potsdam rauslassen.“

Wir fuhren eine ganze Weile ohne ein Wort zu wechseln. Nach etwa 20 Minuten sagte Michael: „Oah, Simon, ich merke gerade, wie der Teufel mich richtig in Versuchung gebracht hat…“ – „Ja, das kann ich mir vorstellen. Rein menschlich betrachtet, verstehe ich Dich auch. Aber als Kind Gottes musst Du Dich jetzt auf die Seite Jesu stellen und solltest Dein Erstgeburtsrecht nicht für eine Linsensuppe verkaufen.“ – „Und wenn ich danach gleich sofort wieder Buße tu?“ – „So einfach ist das nicht, denn das hat immer Konsequenzen. Wer Hurerei betreibt, der verunreinigt ja den Leib, also den Tempel Gottes, und das wird Gott nicht ungestraft lassen, zumal Du genau weißt, dass es Sünde ist. Wir dürfen niemals mit Vorsatz sündigen, weil die Strafe dann besonders hart ist. Wenn Du sie liebst, dann erzähle ihr doch vom HErrn und lade sie ein, gläubig zu werden. Und wenn sie sich bekehrt hat, mach ihr doch einen Heiratsantrag und warte mit dem Sex bis zur Hochzeit. Gott wird Dich dafür reich belohnen.“ – „Glaubst du, dass ich wieder verloren gehe, wenn ich diese Sünde begehe?“ fragte Michael. „Damit musst Du rechnen, deshalb würde ich es nicht drauf ankommen lassen. Du spielst mit dem Feuer. Wenn Du Dich aber für diesen Weg entscheiden solltest, dann trennen sich auch unsere Wege, so leid es mir tut, und ich werde Dich auch nicht mehr als Lehrling nehmen.“ Trotz all meines Zuredens gelang es mir jedoch nicht, den Michael von seinem Vorhaben abzubringen. Als wir in Potsdam ankamen, nahm er seine Tasche aus dem Wagen und verabschiedete sich von mir.

Als ich wieder losgefahren war, wurde ich sehr traurig und betete: „HErr, ich weiß, dass auch mein Fleisch genauso schwach ist wie das von Michael und dass auch ich zu allem fähig bin. Deshalb bitte ich Dich um Gnade für ihn, dass Du ihm doch nachgehest und ihn wieder zurückbringst durch Reue und Buße. Amen.“ Kurz darauf kam ich in Berlin-Rudow bei den Geschwistern Hans-Udo und Elsbeth an, die mich herzlich aufnahmen und mich bei sich übernachten ließen. Wir hatten schöne Gespräche miteinander, und am nächsten Tag verabschiedete ich mich, um meine Reise fortzusetzen. Mein nächster Besuch sollte in der Lutherstadt Wittenberg sein bei Bruder Jens, der mich eingeladen hatte. Wir hatten uns beim Hauptbahnhof verabredet, weil Jens mir erstmal die Altstadt zeigen wollte. So sah ich jene berühmte Kirchentür an der Schlosskirche, an welcher Luther 500 Jahre zuvor seine 95 Thesen angeschlagen hatte. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 500. Jubiläum, die im Sommer stattfinden sollten, hatte sich Jens etwas überlegt, wie man die vielen Besucher einladen könnte, um sie für die Evangeliumsbotschaft zu interessieren. Er führte mich in der Innenstadt zu einer Baulücke zwischen den alten Häusern der Fußgängerzone, die völlig verwildert war und sagte:

Schau mal, Simon, dieses Grundstück geht bis hinten zur Umgehungsstraße und eignet sich eigentlich phantastisch, um daraus einen Bibelpark zu machen. Ich habe so überlegt, dass hier vorne der Eingang ist und die Touristen dann auf einem Schlengelweg durch die Büsche von einer Erklärungstafel zur anderen gehen, um dann hier hinten auf die Schaukästen mit alten Papyrusrollen zu stoßen. Und hier in dieser Ecke gründen wir dann ein Bibelmuseum, wo wir ganz unterschiedliche Bibeln aus verschiedenen Jahrhunderten ausstellen. Du hast ja z.B. bei dir zuhause diese Lutherbibel von 1693 – die könnten wir ja schon mal nehmen. Und dann müssen wir uns noch einige Bibeln überall her besorgen, die besonders alt und interessant sind. Und dann habe ich überlegt, dass wir…“ – „Stopp mal bitte!“ unterbrach ich ihn. „Dieses Grundstück gehört uns doch gar nicht. Da können wir uns doch nicht einfach einen Bibelpark draus machen.“ – „Ich weiß. Wir müssen es uns natürlich erstmal kaufen.“ – „Und woher sollen wir das Geld herbekommen?“ –

Das ist ja genau der Punkt, weshalb ich mit dir reden wollte. Ich habe gedacht, Du könntest doch einen Kredit aufnehmen und Dein Haus als Sicherheit geben. Durch die Einnahmen könntest Du dann nach und nach den Kredit abbezahlen. Wir müssen uns jetzt aber schnell beeilen damit, denn uns bleiben nur noch vier Monaten dann kommen die Besucher aus der ganzen Welt hierher, und bis dahin müssen wir den Bibelpark fertig haben.“ – „Du sprichst die ganze Zeit immer von ‚wir‘. Wen meinst Du denn damit? Hast Du hier eine Gemeinde, die das Projekt unterstützen würde?“ – „Das nicht,“ sagte Jens, „aber es gibt hier noch drei Geschwister, die mir dabei helfen würden.“ – „Und könnten die etwas finanziell dazu beisteuern?“ – „Nein, denn die leben alle von Harz4. Aber die können mit anpacken, außer vielleicht Heinz, weil der schon zu alt ist. Und Paul hat leider ein Alkoholproblem, ist aber ansonsten ganz willig. Und dann gibt es noch die Gabi, die sehr nett ist und früher mal in einer Bäckerei gearbeitet hat. Mit ihr könnten wir z.B. auch eine Teestube gründen, um die Besucher anschließend zu Gesprächen einzuladen.“ – „Also, lieber Jens, das hört sich ja alles ganz fantastisch an, aber ich halte das für absolut unrealistisch.  Sowas wäre vielleicht eine Idee für eine große Gemeinde, wo alle etwas beisteuern, aber doch nicht für eine kleine Chaotentruppe. Und selbst dann bräuchte es mindestens 3 Jahre Planungs- und Vorbereitungszeit mit unzähligen Gesprächen mit der Stadtverwaltung. Denn die müssten das ja erstmal genehmigen mit entsprechenden Auflagen.“

Simon, Dein Problem ist, dass du keinen Glauben hast. Noah hat in kürzester Zeit die Arche gebaut, obwohl weit und breit kein Wasser zu sehen war. Und Gedeon hat ein ganzes Heer von Feinden verjagen können, obwohl er kaum Leute hatte. Du musst einfach mehr auf Gott vertrauen, der alles vermag, was Er will.“ – „Ja, da magst Du recht haben, dass es mir an Glauben fehlt. Es kann aber auch sein, dass Du einfach nur ein Träumer bist, der ständig neue Ideen hat, die er aber selbst nicht konsequent umsetzt, sondern dafür lieber andere einspannen will, die für ihn die Arbeit machen.“ – „Da irrst du dich gewaltig. Denn ich wandle immer im Glauben und lass mich von Gott leiten. Letztes Jahr hatte ich z.B. den Ruf, eine Zeltevangelisation auf die Beine zu stellen, und das habe ich ganz allein hingekriegt mit Gottes Hilfe. Wenn du also keinen Glauben hast, dann wird der HErr sich andere suchen, die Sein Werk vollbringen. Aber ich bin mir sicher, dass der HErr dich am Ende beschämen wird. Du wirst es sehen!“ Ich wünschte Jens Gottes Segen bei seinem Vorhaben und verabschiedete mich.

 

Januar bis März 2017

„Wenn ich etwas esse, dann bin ich verheiratet“

Da Ruth noch immer in Peru war, hatte ich im Winter, als die Auftragslage sehr niedrig war, viel Zeit, um auf Facebook Debatten zu verschiedenen Lehrfragen zu führen. Von den ca 3.000 „Freunden“, die ich inzwischen hatte, waren nur etwa 100 wirklich aktiv. Viele waren aus der Brüdergemeinde, manche aber auch Pfingstler oder Adventisten. Obwohl ich als „Allversöhner“ bei vielen mit einem Makel behaftet war, freute ich mich darüber, dass ich dennoch bei allen sehr beliebt war. Immer wieder erhielt ich Komplimente wegen meines Bibelwissens und meiner „freundlichen Art“. Zu einigen von diesen Geschwistern bestand eine so große Sympathie, dass wir regelmäßig miteinander telefonierten und sogar vereinbarten, dass wir uns nächstes Jahr mal besuchen kommen sollten, um uns persönlich kennenzulernen.

Einer der Facebookfreunde wohnte sogar in Bremen. Er hieß Max (25) und ging zur Martinigemeinde bei Pastor Olaf Latzel. Max rief mich eines Abends an und hatte viele interessante Fragen, die ich ihm von der Schrift her beantworten sollte, z.B. ob gläubige Männer ein Toupet tragen dürfen oder ob dieses eventuell als verbotene Kopfbedeckung galt gemäß 1.Kor.11:4. Er berichtete mir, dass er eine gläubige Freundin habe, mit der er vor kurzem zusammengezogen sei. Sie wolle ihn unbedingt heiraten, er aber fürchtete sich vor einer dauerhaften Bindung, da er unter Zwangsgedanken leide und seiner Freundin nicht zur Last fallen wolle. Er war auch schon bei Pastor Latzel in der Seelsorge, aber dieser habe ihm Angst gemacht mit der Aussage, dass Mann und Frau durch den Geschlechtsakt ein Fleisch geworden seien und deshalb vor Gott als verheiratet gelten würden, auch wenn sie es formal noch nicht seien. Deshalb habe sich Max bisher jedes Mal geweigert mit seiner Freundin zu schlafen, da er auf keinen Fall verheiratet sein wolle.

Doch im Verlauf unserer Freundschaft hatte sich Max leider immer weiter in dieses Thema hineingesteigert. Auf einmal redete er sich ein, dass er allein schon durch die gedankliche Frage, ob er mit ihr verheiratet sei, in der unsichtbaren Welt als verheiratet gelten könne. An manchen Tagen ging er schon gar nicht mehr aus dem Haus, weil er befürchtete, dass er durch irgendeine unbedachte Handlung plötzlich verheiratet sei. Ich redete immer wieder auf ihn ein, dass diese Zwangsgedanken dämonisch seien und er doch faktisch erst durch die Hochzeit vor Gott und der Welt offiziell als verheiratet gelte. Er nahm meine Belehrung jedes Mal dankbar an, hatte sie aber beim nächsten Treffen schon wieder vergessen. Eines Abends rief er mich plötzlich an, nachdem wir schon mehrere Tage keinen Kontakt hatten, und sagte mir: „Simon, meine Freundin ist inzwischen ausgezogen, weil ich ihr zu anstrengend sei, und ich habe in den letzten drei Tagen gar nichts mehr gegessen, weil ich Angst habe, dass – in dem Moment, wenn ich etwas esse – ich dann verheiratet sei. Ich weiß, das klingt für dich vielleicht bekloppt, aber ich bin mir einfach nicht sicher und habe solch eine panische Angst, einen Fehler zu machen, dass ich vorsichtshalber lieber nichts esse. Aber ich frage mich, wie das nur weitergehen soll, denn wenn ich weiterhin nichts esse, dann werde ich vielleicht verhungern…“

Wieder erklärte ich dem Max, dass diese Wahnideen vom Teufel seien, der ihn als Durcheinanderwerfer (lat. Diabolos) nur durcheinanderbringen und ängstigen wolle, um ihn dadurch geistig zugrunde zu richten. Er müsse dringend in psychiatrische Behandlung, damit er sich in seinem Wahn keinen Schaden zufüge. Max wollte diesmal aber nicht auf mich hören, sondern sagte, dass meine Worte ihn „triggern“ würden und er trotz der vielen Bibelstellen jedes Mal noch ängstlicher sei nach einem Gespräch mit mir. Stattdessen bat er mich, dass ich ihn doch mal an einen Exorzisten weitervermitteln möge, falls ich einen kennen würde. Ich telefonierte daraufhin mit meinem Freund Bernd, der mir die Telefonnummer von einem gewissen Bruder Johannes S. gab, der selber einmal von dämonischer Besessenheit befreit wurde und Kontakt zu Exorzisten habe. Leider verlief dann auch dieses Vorhaben am Ende im Sande, und ich hörte nie wieder etwas vom Max.

 

Die Liebe glaubt alles

Um neben unserem wöchentlichen Hauskreis auch wieder sonntags regelmäßig in einen Gottesdienst zu gehen, besuchte ich zu jener Zeit die Russlanddeutsche Baptistengemeinde in Uphusen. Außer meinen ehemaligen Lehrling Roman kannte ich dort aber niemanden. Dennoch gefielen mir die Gottesdienste sehr gut, besonders wegen der schönen Chorgesänge in Moll, durch die man das Gefühl hatte, man sei in Russland. Doch an einem Sonntag kam Roman nach dem Gottesdienst zu mir uns sagte: „Simon, ich habe mir gestern mal deine Internetseite angeschaut, und da habe ich bemerkt, dass du scheinbar an die Allversöhnungslehre glaubst, ist das richtig?“ – „Ja“ sagte ich. „Dir ist klar, dass ich das bei den Ältesten melden muss.“ – „Nein, das musst du gar nicht. Niemand zwingt dich dazu.“ – „Doch, ich muss das, sonst mache ich mich schuldig, wenn ich das nicht anzeige.“ Er wollte gerade zu ihnen gehen, da rief ich: „Warte!“ Dann flüsterte ich ihm zu: „Hör mal, Roman, ich bin so froh, dass der HErr mir hier endlich eine gute Gemeinde geschenkt hat, wo ich ab jetzt immer hingehen kann, und deshalb will ich nicht, dass du das jetzt durch eine unbesonnene Denunzierung alles wieder kaputt machst. Ich will nicht schon wieder auf die Suche gehen müssen.“ – „Das tut mir leid, Simon, aber dann hättest du das nicht auf deiner Internetseite erwähnen dürfen. Jetzt bin ich dazu verpflichtet gegenüber meinen Brüdern.“ – „Dann mach ich dir einen Vorschlag: Ich spreche nach der nächsten Bibelstunde am Mittwoch selbst mit den Ältesten, d.h. mit Bruder David, und werde ihm die Situation aus meiner Sicht erklären. Wenn er sich dann entscheidet, mich auszuschließen, dann nehme ich es aus Gottes Hand an.“ – „Ja, ist gut. Wenn du aber nicht mit ihm sprichst, werde ich es ihm sagen!“ – „Einverstanden.“

Am darauffolgenden Mittwoch war ein Bruder namens Andreas Steinmeister zu Gast, der mal ein Buch über die Kopfbedeckung der gläubigen Frauen geschrieben hatte. Als die Stunde zu Ende war, setzte ich mich neben Bruder David und bekannte ihm, dass ich seit meiner Umkehr zum HErrn auch an die Allversöhnung glaube und deshalb wissen wolle, ob ich dennoch weiter zur Gemeinde kommen dürfe. Auf einmal setzte sich Bruder Andreas neben uns und hörte sich meine Erklärungen mit an. Doch statt das David antwortete, übernahm nun Andreas die Diskussion und erläuterte mir in völlig unaufgeregter und beinahe väterlicher Weise, warum er nicht an die Allversöhnung glaube. Als ich ihm dann Bibelstellen nannte, die aus meiner Sicht die Allversöhnung beweisen, hörte er mir zu, ohne mir ins Wort zu fallen. Und so verlief das Gespräch fast eine Stunde lang, bis David die Lichter ausschaltete und uns bat, draußen weiterzureden, da er das Haus abschließen wolle. Auf dem Parkplatz fragte mich Andreas, woher ich all dieses Bibelwissen hätte und wer mein Lehrer sei. Wir verblieben so, dass wir in Kontakt bleiben wollen und verabschiedeten uns. Als ich spät um Mitternacht zuhause ankam, schrieb ich dem David per WhatsApp, ob ich denn nun bleiben dürfe oder nicht. Er schrieb zurück: „Selbstverständlich kannst du bleiben, denn die Liebe glaubt alles.“

 

Schmerzliche Wahrheit

Ende Januar war Ruth aus Peru zurückgekehrt. Sie berichtete, dass Eva inzwischen ihre Eltern im Gebirge besucht hatte und ihnen vorwarf, warum sie damals zugelassen hatten, dass sie von ihrer Schwester und ihrem Schwager als Sexsklavin entführt wurde und warum auch ihre Eltern in die Vertuschung dieses Verbrechens eingewilligt hatten. Ihr Vater Braulio entschuldigte sich bei Eva und versprach ihr, in dem Streit zwischen Eva und ihrer Schwester zu vermitteln. Dazu schrieb er einen Brief an Eva und Felix, in welchem er diese bat, dass sie seine Tochter um Vergebung bitten mögen, zumal sie andernfalls in der Gefahr stünden, für immer verloren zu gehen. Er sei ein alter Mann und wolle Frieden in seiner Familie. Mit einer Kopie dieses Briefes ging Eva dann zu ihren Brüdern Abad, Benigno und Santago mit der Bitte, dass auch sie als Zeugen einen Brief schreiben mögen, in welchem sie Melania und Felix zur Buße aufriefen – was diese dann auch taten. Als letzte diktierte nun auch die schon fast todkranke Lucila, die Mutter von Ruth und Tante von Eva einen Brief, in welchem sie die Untaten von Felix bezeugte und mit ihrem Fingerabdruck unterschrieb. Ruth bat mich nun, diese Briefe zu übersetzen und zusammen mit den Originalen an die Töchter Melanias in Deutschland zu verschicken.

Daraufhin rief mich Florian aus Hannover an und wir vereinbarten eine Aussprache bei ihm, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Er und seine Frau Yenny nahmen mich zunächst freundlich auf in ihre Wohnung, und wir sprachen erstmal gelassen über unsere Familien, zumal wir uns über ein Jahr lang nicht gesehen hatten. Doch dann kam ich auf den eigentlichen Grund meines Besuches zu sprechen, und es entstand eine spürbare Spannung im Raum. Yenny erklärte, dass die Anklageschrift von Eva so dermaßen schrecklich sei, dass es für sie kaum erträglich war, die Details zu lesen. „Das kann unmöglich die Wahrheit sein, denn meine Mutter ist ein Engel. Sie würde so etwas niemals tun. Das traue ich ihr nicht zu.“ Ich erwiderte: „Ich kann gut verstehe, dass du deine Mutter in Schutz nimmst und all dieses nicht glauben willst. Aber frag dich doch mal, warum deine Tante Eva all dies erfunden haben sollte und schon seit 35 Jahren die gleichlautenden Vorwürfe erhebt. Warum sollte sie das tun?

Florian gab zur Antwort: „Weil Melania sie damals oft geschlagen hat und sie zudem eifersüchtig ist auf den Erfolg ihrer Schwester!“ – „Das leuchtet mir nicht ein“ sagte ich, „denn es gibt unzählige Geschwister auf der Welt, die sich nicht mögen oder aufeinander eifersüchtig sind, aber sie gehen sich dann einfach aus dem Weg und denken sich nicht solche detaillierten Geschichten aus. Das würde keinen Sinn machen.“ Und an Yenny gewandt, fuhr ich fort: „Versuch dich doch mal zu erinnern, was damals war. Deine Schwester Fanny hat erzählt, dass du damals sehr wütend warst auf deinen Vater, weil er euch zu Pflegefamilien brachte und du laut geschrien hast. Weißt du das noch?“ – Yenny wollte mir etwas sagen, aber Florian spürte offenbar, dass seine Frau drauf und dran war, weich zu werden, weshalb er einwarf: „Was hat das jetzt damit zu tun? Bleib bitte sachlich und hör auf, Yenny zu manipulieren!“ – „Ich rede doch gerade mit Yenny. Lass sie doch selbst antworten.“ – Florian stand nun auf: „Nein, Simon, wir brechen das jetzt hier ab, denn das hat doch keinen Sinn. Hier steht Aussage gegen Aussage, und niemand kann mit letzter Wahrscheinlichkeit sagen, was damals geschah.“ – „Es geht hier aber um das Seelenheil von Deinen Schwiegereltern, selbst wenn du das nicht glauben kannst. Wenn nämlich Yenny und ihre Schwestern ihren Eltern signalisieren würden, dass sie bereit wären, ihnen dies zu vergeben, dann wären sie wahrscheinlich viel eher bereit, ihr Verbrechen zu bekennen, anstatt es immer noch zu leugnen. Oder stört es dich nicht, wenn sie verloren gehen?“ Nun sprach Florian ein Schimpfwort über mich aus und rief dann: „RAUS HIER AUS MEINER WOHNUNG!“ – Ich stand auf und zog meine Schuhe an. Yenny sagte nur: „Es ist alles so schrecklich. Warum kann nicht Frieden sein?“ – „Das liegt in deiner Hand“ sagte ich.

Was für eine Enttäuschung! dachte ich, als ich wieder zurückfuhr nach Bremen. Und dabei schien es mir, als wäre Yenny drauf und dran gewesen, um reinen Tisch zu machen. Denn im Gegensatz zu Florian war sie wirklich gläubig und wusste deshalb, dass man als Christ selbst die schlimmsten Untaten vergeben muss – und seien sie sogar von den eigenen Eltern begangen. Yenny spürte wohl auch, dass Florian kein echter Christ war, weshalb sie die ganze Wohnung mit evangelistischen Bibelversen vollgehängt hatte in der Hoffnung, dass sie dadurch den Florian für den HErrn gewinnen könnte. Dabei war auch Florian in seiner Jugend mal gläubig und hatte in seiner ersten Liebe sogar mal das gesamte Neue Testament von Hand abgeschrieben, um – wie er sagte – den Inhalt dadurch besser zu lernen. Aber als ich 1984 gläubig wurde, kehrte sich Florian allmählich immer weiter ab und wurde zum Skeptiker. Irgendwann las er mal die Werke des Theologen Paul Tillich (1886-1965), der einen rein philosophischen Zugang zu Gott hatte, als ob Gott nur ein Platzhalter für das Bedürfnis des Menschen nach Sinn sei. Florian sagte sich daraufhin: „Wenn Paul Tillich noch als Christ galt, dann würde ich mich auch wieder als Christ bezeichnen können.“ Als ich Florian einmal mit der Tatsache konfrontierte, dass er nach biblischer Sichtweise ungläubig sei, antwortete er mir: „Vielleicht habe ich sogar einen viel größeren Glauben als Du, Simon, denn ich glaube sogar, dass Gott mich trotz meines Unglaubens annimmt.“

Dies machte für mich keinen Sinn. Wie kann er denn glauben, dass Gott ihn annimmt, wenn Gott für ihn gar nicht existiert? fragte ich mich. Wenn jemand so kompliziert und verknotet ist im Kopf, dann wunderte es mich nicht, dass er auch Evas Leidensgeschichte nicht als echt erkennen wollte/konnte. Aber ich selbst hatte ja bis vor kurzem selbst so geredet. Auch ich war verfinstert am Verstand und entfremdet dem Leben Gottes, wie es in Epg.4:18 heißt. Als ich noch Gottesleugner war hatte ich ja sogar einen antichristlichen Büchertisch auf dem Kirchentag, mit einem großen Schild, auf dem stand: „Glaubst du noch oder lachst du schon?“ Und dann war da jenes Gemälde, auf dem ich den Feuersee gemalt hatte mit einer Kaimauer, auf der wie in Auschwitz Menschen aus Zügen geladen und in den Feuersee geworfen wurden, wodurch ich Gott mit Hitler gleichsetzte. Als ich 2014 zum Glauben kam, zerstörte ich dieses Bild sofort. Aber oben im Treppenhaus hingen noch immer viele andere abscheuliche Bilder, auf denen ich mich über die Religionen als Aberglaube lustig machte und religiöse Führer wie Osama bin Laden oder Papst Benedikt XIV verhöhnte. Auf einmal wurde mir klar, dass ich diese Gemälde, an denen ich mal viele Stunden gearbeitet hatte, nicht länger behalten durfte, sondern sie verbrennen musste. Deshalb fuhr ich mit Ruth am Samstag den 18.02.2017 nach Oyten auf die Parzelle meines Vaters und verbrannte dort alle diese Bilder zum Zeugnis vor der sichtbaren und unsichtbaren Welt (https://youtu.be/0wOhxqjiacM?si=lOkLU_7e_V5WPgHf).

 

 

– Zu wem sollen wir beten?

 

„Wenn ihr betet, so sprecht: ‚Unser Vater, der Du bist in den Himmeln, geheiligt werde Dein Name; Dein Reich komme…‘.“   (Mt.6:9)

Bremen, den 05.11.2023

Liebe Geschwister,

gepriesen sei der Gott und Vater unseres HErrn Jesus Christus!

Jedes Mal, wenn mir unsere Geschwister in Uganda schreiben oder mich anrufen, dann ist der erste Satz immer „Praise God….!“ Man könnte dies als eine Floskel abtun, die man ihnen beigebracht hat. Ich würde aber sagen, dass es an sich eine gute Angewohnheit ist, die ich mir nach monatelanger Skepsis inzwischen auch selber angeeignet habe von ihnen, denn auch Paulus und Petrus begannen ihre Briefe oft mit dieser Aufforderung: 2.Kor.1:3, Eph.1:3, 1.Petr.1:3. Dabei stellt sich die Frage, warum es ihnen immer so wichtig war, dass der himmlische Vater nicht nur unser Gott ist, sondern auch der Gott unseres HErrn Jesus Christus.

Wenn man als Unkundiger in unsere Brüdergemeinde oder unseren Hauskreis geht, könnte man beim Gebet denken, dass wir zu zwei Göttern beten, denn die einen beten zum Vater und die anderen zum HErrn Jesus (Wir können froh sein, dass es nicht auch noch welche gibt, die zu Maria oder zu den Heiligen beten, denn dann wäre das Chaos perfekt). Auch heute Vormittag war es wieder so im Gottesdienst: Ein Bruder predigte über Joh.15:1-17, wo der HErr in Vers 16 am Ende sagt: „…damit was auch immer ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, Er euch gebe“. Und kurz darauf betet dann ein anderer Bruder: „HErr Jesus, wir beten Dich an, denn nur Dir allein gebührt alle Ehre und Anbetung! …“ Und dann sagen alle wie gewohnt „Amen!“, ohne dass einer sich mal fragt, ob das eigentlich stimmt. – Nein, es stimmt eben nicht! Denn es steht geschrieben: „Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“ (Joh.4:23).

Man wird lange suchen müssen im Neuen Testament, um irgendeine Stelle zu finden, die uns erlauben könnte, zu Jesus zu beten, zumal uns dies auch nirgends geboten wird. Hingegen finden wir Dutzende Stellen, die uns lehren, zum Vater zu beten. Hier seien nur mal einige genannt:

Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: ‚Du sollst den HErrn, Deinen Gott, anbeten und Ihm allein dienen“ (Mt.4:10)

Du aber, wenn du betest, so geh in deine Kammer… Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten“ (Mt.6:6)

Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! (Röm.8:15)

Damit ihr einmütig mit einem Munde den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht“ (Röm.15:6)

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,…“ (Eph.3:14)

Sagt allezeit für alles dem Gott und Vater Dank im Namen unseres Herrn Jesus Christus!“ (Eph.5:20)

Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, allezeit, wenn wir für euch beten“ (Kol.1:3)

Alles tut im Namen unseres HErrn Jesus Christus, danksagend Gott dem Vater, durch Ihn“ (Kol.3:17)

Mit ihr (der Zunge) preisen wir den HErrn und Vater…“ (Jak.3:9)

Der HErr Jesus hat nie mit sich Selbstgespräche geführt, als Er betete, sondern betete immer zu Seinem Vater (Mt.14:23, 26:36+39+42+44, Mk.1:35, 6:46, 14:32+35+39, Luk.3:21, 5:16, 6:12, 9:18+28+29, 22:41+44), und als Nachahmer Christi sollten doch auch wir zum Vater beten!

Nun gibt es immer wieder den Einwand, dass doch auch Stephanus scheinbar zu Jesus betete, als er in Apg.7 von den Juden gesteinigt wurde. Bei genauerem Hinsehen wird aber deutlich, dass er den HErrn Jesus zur Rechten Gottes SAH und Ihn deshalb direkt ansprach: „HErr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ (Apg.7:55+59). Die gleiche Situation finden wir auch in Offenbarung 22, wo der HErr Jesus direkt zu Johannes sprach und dieser am Ende erwiderte: „Amen! Komm HErr Jesus!“ (V.20). Zuvor beugte er sich vor Ihm anbetend nieder und wurde überraschend ermahnt: „Siehe zu, tu es nicht. Ich bin dein Mitknecht und der deiner Brüder … Bete Gott an!“ (V.9-10).

In 1.Kor.1:2 lesen wir: „…samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres HErrn Jesus Christus anrufen, sowohl ihres als unseres HErrn“. Was es bedeutet, den Namen des HErrn anzurufen, lesen wir in Psalm 116:4 „Und ich rief an den Namen des HErrn: ‚Bitte, HErr, errette meine Seele!“ Und wiederum steht geschrieben: „Jeder, der den Namen des HErrn anrufen wird, wird errettet werden“ (Joel 2:32, Apg.2:21, Röm.10:13). Durch die Anrufung des Namens des HErrn wird man also errettet, und die Schrift bezeugt ganz klar, dass einmal „alle“ den Namen des HErrn anrufen werden (Zeph.3:9, Phil.2:9-11). Der Name selbst bedeutet ja wörtlich: „Jahwe ist Rettung“, und jeder, der dies bezeugt, empfängt damit das Heil. Wenn man dann jedoch Christus angehört, dann sollen wir Ihm gehorsam sein und regelmäßig zum Vater beten, wie Er es uns geboten hat: „Bete zu deinem Vater!“ (Mt.6:6+9).

 

Nachrichten von unseren leidenden Geschwistern in:

Uganda

Auch im Oktober sind wieder insgesamt 3.110,- Euro von Deutschland aus an die armen Geschwister in Uganda geflossen durch Bruder Lawrence Ssentono. Leider ist diese Spende nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, dass es hier um etwa 1000 Schulkinder, 70 Lehrerinnen und eine unbekannte Zahl an Witwen geht, die auf unsere Spenden angewiesen sind. Hier sind wieder ein paar Fotos, die mir Peter und Lawrence geschickt haben:

            

 

Israel

In einem Al-Arabiya-Interview (https://www.youtube.com/watch?v=DnPauU16L4s) bekannte ein Ex- Hamas-Führer, dass es der Hamas nicht vorrangig um die Befreiung des Gaza-Streifens geht, sondern um die Vernichtung der Juden. Der Tod von 2 Millionen Palästinensern wird von ihm dafür nicht nur ausdrücklich in Kauf genommen, sondern sei sogar als „Opfer“ erwünscht, damit die ganze Welt dann Israel den Krieg erklärt. Hier stellt sich die Frage, warum die Araber nicht gegen die Hamas protestieren und die Katarer die in Luxus lebende Hamas-Führung nicht an die Israelis zur Bestrafung ausliefert.

Trotzdem sollten wir bedenken, dass 50 % aller Menschen im Gaza-Streifen unschuldige Kinder sind, weshalb wir dafür beten sollten, dass sie nicht leiden müssen.

Seid dem HErrn befohlen!

Simon

 

 

 

„Stich-Worte“ Teil 5

 

  1. Nachfolge

„Denk daran, was Amalek dir getan hat auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt, wie er dir auf dem Weg entgegentrat und deine Nachzügler schlug, alle Schwachen hinter dir, als du erschöpft und müde warst, und dass er Gott nicht fürchtete.“ (5.Mo.25:17-18)

Dieses Gebot, das genau wie alles Geschriebene zu unserer Belehrung, Überführung, Zurechtweisung und Unterweisung in der Gerechtigkeit geschrieben wurde (1.Kor.10:11, 2.Tim.3:16), können wir nur befolgen, wenn wir es geistlich richtig verstehen. Auch wir sind ja vom HErrn aus der Welt hinausgeführt worden, um in das gelobte Land, d.h. ins Reich Gottes zu kommen. So wie der HErr jenen in einer Wolken- und Feuersäule voranging, führt der HErr uns auch heute. Aber in dieser Nachfolge werden auch wir von „Amalek“ angegriffen.

Der Name AMaLeQ leitet sich möglicherweise von hebr. AM = „Volk“ und LaQaQ = „lecken, saugen“ ab, also „der das Volk aussaugt“. Interessant ist, dass Amalek sich nicht an die Regeln des Krieges hielt, sondern feige eine Schwäche nutzte, indem es das Volk nicht von vorne, sondern von hinten angriff, wo die schwachen Nachzügler langsam und erschöpft nachzogen und beinahe den Anschluss verloren. Wir kennen das von den Krokodilen, die geduldig warten, bis die starken Gnus oder Garzellen durch den Fluss gezogen sind, um dann am Ende die unerfahrenen und wehrlosen Jungtiere anzugreifen. Dieses Verhalten ist absolut böse und teuflisch. Der Teufel sucht, wen er verschlingen kann (1.Petr.5:8), und wenn er ein Opfer erspäht hat, dann saugt er es innerlich aus.

An diese Heimtücke des Feindes sollen wir uns immer wieder erinnern. Zugleich sollen wir aber „die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel auslöschen“ (V.19). Besteht darin nicht ein Widerspruch? Nein, denn wir können einen Gedanken oder eine Anfechtung nur dann bewusst bekämpfen und unter unsere Kontrolle bringen, wenn wir uns täglich neu der Gefahr bewusst werden, die von diesem ausgeht (2.Kor.10:5). Um Amalek zu besiegen, musste Mose stundenlang seine beiden Arme erheben, eine Pose des Gebets (vergl.1.Tim.2:8). In 2.Mo17:8-16 erfahren wir, dass das Erschlaffen der Hände immer zum Sieg Amaleks führte, weshalb Mose Unterstützung brauchte. Man könnte also sagen, dass Amalek für die körperliche Schwäche, sprich das Fleisch steht, das gegen unsere Seele streitet. Dies kann sich z.B. durch ein inneres Murren, durch Sorgen oder durch Wut auf Menschen äußern, deren Verhalten uns reizt und vergessen lässt, dass auch Prüfungen auf dem Weg zu Gott dazugehören und Gott alles unter Kontrolle hat.

Die erhobenen Hände stellen die Verbindung zu Gott dar wie ein geschlossener Stromkreis. Sie können symbolisch für die zwei Holme der Himmelsleiter stehen, auf der die Engel dem Jakob im Traum auf und abgestiegen sind (2.Mo.28:12, Joh.1:51). Solange wir auf den HErrn schauen, kann uns das Gift der alten Schlange nichts anhaben (Joh.3:14, Ps.34:5, Hebr.12:2). Aber wenn wir uns ablenken lassen, gewinnt der Amalek in uns wieder die Oberhand. Deshalb soll der Gedanke an Amalek ausgelöscht werden. Das Wort MaChaH kann man besser mit „ausradiert“ i.S.v. „unleserlich gemacht werden“ übersetzen, wie wenn ein Computer Daten überschreibt, so dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können. Wir sollen der Schlange den Kopf zermalmen bevor sie uns in die Ferse beißt (1.Mo.3:15).

In Mark.14:54 lesen wir: „Petrus folgte Ihm von ferne…“. Er folgte dem HErrn also nicht mehr auf dem Fuß, sondern mit Abstand, weil er sich fürchtete. Und kurz darauf kam die Versuchung. Als er gefragt wurde, ob nicht auch er einer von Jesu Jüngern sei, leugnete er bekanntlich, Ihn überhaupt zu kennen. In unserem Alltag muss eine Verleugnung des HErrn nicht notwendigerweise mit Vorsatz geschehen – schon allein durch das Schmähen von Politikern oder das Lachen über schlüpfrige Witze sagen wir im Grunde indirekt: „Ich kenne diesen Menschen nicht“. Denn die unsichtbare Welt beobachtet ganz genau, was wir tun und sagen, und sie bringt unsere leichtfertigen Worte zur Anklage vor Gott (Pred.10:20, Offb.12:10).

Amalek war der Urenkel Esaus, der für ein Linsengericht sein Erstgeburtsrecht an Jakob verkaufte. Die Verachtung und Gleichgültigkeit gegenüber allem Heiligen – das ist Amalek! Es ist jener Geist, der Dich von Deinen Verpflichtungen abhält, sei es irdischen oder geistlichen (z.B. Gebet). Seine „Frucht“ ist die Verheerung und das Chaos wie bei einer Heuschreckenplage (Richt.6:3-5). Aber so wie Saul Kompromisse machte in der gänzlichen Vernichtung Amaleks, so machen auch wir immer wieder Zugeständnisse an unser Fleisch, so dass wir unser Königtum verlieren können (1.Sam.15:3+15-28).

Um vor der Macht des Fleisches geschützt zu sein, empfiehlt uns der HErr sowohl das beständige Wachen im Gebet als auch den Wandel im Geist (Mk.14:38, Gal. 5:16). Im alten Bund sagte der HErr immer wieder zu den Kindern Israel, dass sie Ihn nicht nur fürchten, dienen und von Herzen lieben, sondern Ihm auch „anhangen“ sollen (5.Mo.10:20, 13:4, Jos.23:8). Jakobs Frau Lea hatte ja gehofft, dass ihr Mann ihr durch die Geburt ihres dritten Sohnes endlich anhangen würde und nannte ihn deshalb Levi, d.h. „Anhänglicher“ (1.Mo. 29:34). Und schließlich sollte gerade dieser Stamm als Besitzloser dem HErrn völlig anhänglich werden (5.Mo. 18:2). Was das Anhangen bedeutet, lerne ich gerade wieder in dieser Woche, wo wir unsere 2-jährige Enkelin bei uns haben. Sie erlaubt uns nicht, sie auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen, sondern fordert unsere ständige Aufmerksamkeit, sei es beim Spielen, Rumtoben oder Schmusen. Und auch wir sollen wie die Kinder ganz nah beim HErrn bleiben durch das Gebet. Hierzu hatte Bruder Hans-Peter Royer eine der besten Predigten gemacht: https://youtu.be/6N5vQ1HupQE.

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  1. Geruch

„HErr, er riecht schon, denn er ist vier Tage hier“ (Joh.11:39)

Bei der Wärme im Orient kann man sich gut vorstellen, wie schnell eine Leiche anfängt, zu stinken. Wir wohnen hier ja in der Nähe eines Friedhofs und kennen daher den Geruch von Verwesung – besonders an einigen Sommertagen, wenn es vor dem Krematorium mal wieder einen Stau gibt. Aber das Wort Gottes kennt neben natürlichen Gerüchen auch geistliche Gerüche. In 2.Kor. 2:14-16 lesen wir: „Gott aber sei Dank, der…den Geruch Seiner Erkenntnis an jedem Ort durch uns offenbart!  Denn wir sind ein Wohlgeruch Christi für Gott in denen, die gerettet werden, und in denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tod zum Tode, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben“. Von treuen und hingegebenen Gläubigen geht immer ein geistlicher Wohlgeruch aus, der von anderen Gläubigen „gerochen“ wird, da sie Christus in ihnen wahrnehmen; aber für einen Weltmenschen stinkt ein Kind Gottes, weil sein alter Mensch mit Christus gestorben ist. Aus Gottes Sicht sind es aber die Ungläubigen, die durch ihr Sündenleben übel riechen – so wie Moab, von dem es heißt: „Sorglos war Moab von seiner Jugend an, und still lag es auf seinen Hefen und wurde nicht ausgeleert von Faß zu Faß…, daher ist sein Geschmack ihm geblieben und sein Geruch nicht verändert“ (Jer.48:11).

Was ist aber, wenn ein Christ wieder anfängt, in Sünde und damit im Fleisch zu leben? Wenn er z.B. stolz wird auf seine Erfolge und wieder nach menschlichem Ruhm und Bewunderung strebt? Viele Christen glauben ja, das sei gar nicht möglich, zumal es ihrem Lehrverständnis widerspricht. Aber die Realität straft sie Lügen, denn nicht nur in der Bibel, sondern auch aus eigener Erfahrung kennen wir genügend Fälle, wo Gläubige mal ganz viel Eifer für den HErrn hatten, aber im Lauf der Jahre lau und weltangepasst wurden. Was sie früher noch als Sünde ansahen, hat dann inzwischen Einzug gehalten in ihr Haus und in ihr Leben. Der Sünde Sold ist aber der Tod (Röm.3:23), und wenn auch nicht sofort der irdische dann doch aber der geistliche Tod (Eph.2:1, Offb.2:23). Wenn z.B. Gläubige mit ihren irdischen Anschaffungen protzen oder sich gerne über gute Restaurants und leckere Gerichte unterhalten, dann spürt ein geistlicher Christ sofort einen gewissen „Fäulnisgeruch“, der ihn stutzig machen sollte. Es wird dann höchste Zeit, sich mit anderen Geschwistern zum Gebet zu treffen, damit der HErr einen solchen Gläubigen wieder aus den Toten auferweckt wie bei Lazarus.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass von Gläubigen ein „duftender Wohlgeruch“ ausgeht, wenn sie z.B. barmherzig und großzügig sind wie die Philipper, die für bedürftige Gläubige gespendet haben (Phil.4:18). Opfer sind geistlich betrachtet für Gott schon immer ein „lieblicher Wohlgeruch“ (1.Mo.8:21, 3.Mo.1:9,13,17 etc.) und zwar nicht im olefaktischen Sinn, sondern weil Gott sich über die Liebe des Opfernden freut.

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  1. Lust

 „Liebet nicht die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“ (1.Joh.2:15-17)

Eigentlich braucht man einem echten Kind Gottes nicht erklären, was hier „Welt“ bedeutet, denn es weiß, dass es nichts anderes als das alte Leben ist, das „Sklavenhaus“, aus dem der HErr uns herausgeführt hat (2.Mo. 20:2). Es ist „dem Verderben entflohen, das in der Welt ist durch die Lust“ (2.Petr.1:4). Wer durch den Geist Gottes erneuert wurde, will „die im Fleisch noch übrige Zeit nicht mehr den Lüsten der Menschen, sondern dem Willen Gottes leben“. Die vergangene Zeit hat ihm gereicht, der Familie, alten Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen zu gefallen, als man in Ausgelassenheit, Partys, Alkohol-, Drogen- und heimlichem Pornokonsum lebte. „Wobei sie es merkwürdig finden, dass ihr auf einmal nicht mehr mitmacht bei ihren ausschweifenden Veranstaltungen und verspotten euch deshalb“ (1.Petr.4:2-4).

Es gibt im obigen Vers eine unheilige Dreifaltigkeit der Lust, der wir auch bei der Versuchung Jesu begegnen: Der Teufel erinnerte Ihn zunächst an seine leiblichen Bedürfnisse – der „Lust des Fleisches“. Dann zeigte er Ihm alle Reiche der Welt – die „Lust der Augen“. Und am Ende missbrauchte er sogar eine Bibelstelle, um dem HErrn zu einer Provokation gegen Gott zu verleiten – der „Hochmut des Lebens“. Ein weiteres Mal finden wir die drei Lüste bei der Verführung Evas: „Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise [die Lust des Fleisches] und dass er eine Lust für die Augen [!] und dass der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben [der Hochmut des Lebens]“ (1.Mo.3:6). Hier haben wir also drei Kriterien, durch die wir immer wieder herausfinden können, ob es sich bei einem Begehren um ein erlaubtes Bedürfnis handelt oder um eine böse Lust (Kol.3:5).

Interessant ist auch, dass der Baum der Erkenntnis auf einmal für Eva „in der Mitte des Gartens“ stand, wo dort doch eigentlich der Baum des Lebens sein sollte (vergl. 1.Mo.2:9 mit 3:3). Er war sozusagen in die Mitte ihres Interesses gerückt, denn das Verbotene hat ja eine magische Anziehungskraft. Dadurch hatte die Schlange ein leichtes Spiel, um der Eva einzureden, dass sie ausgerechnet diese Frucht unbedingt essen müsse, da sie für ihr Leben unverzichtbar sei. Ist es aber nicht auch bei uns so, wenn wir versucht werden, dass wir uns einreden: „Gott wird hier ein Auge zudrücken, denn Er kennt ja meine Schwachheit“. Ein Pastor, der das Jagen liebt, erklärte mir einmal: „Solche Hobbys und Leidenschaften sind uns von Gott erlaubt wie die Sexualität“. Da fragte ich ihn, ob wahre Christen denn nicht ihr Fleisch gekreuzigt haben sollten „samt den Leidenschaften und Lüsten“ (Gal. 5:24). Ein Banker erdreistete sich sogar mal in einer Predigt zu sagen: „Gott hat mir einen neuen Porsche geschenkt, weil Er wusste, welch eine Freude es mir macht, damit zu fahren“. Welcher Gott mag das wohl gewesen sein? Der biblische Gott hätte sich sicherlich mehr darüber gefreut, wenn er die 122.493€ für den Porsche lieber hungernden Kindern gespendet hätte.

Bruder Wolfgang sprach in diesen Tagen mal im Gebet von seiner „Lieblingssünde“, womit er in ironischer Weise andeuten wollte, wie schwer es ihm falle, von dieser zu lassen. Wenn man bedenkt, dass er schon über 50 Jahre im Glauben ist, kann man sich vorstellen, wie die Lust des Fleisches auch im Alter noch anficht. Um sie zu überwinden, zerschlägt er seinen Leib und führt ihn in Knechtschaft – im Bilde gesprochen – indem er sich seit sechs Jahren fast ausschließlich nur noch von Brot und Wasser ernährt (1.Kor.9:27). Man kann dies für übertrieben halten, aber wenn es nötig ist, sollen wir der Sünde bis aufs Blut widerstehen (Hebr.12:4).

Obwohl das Überwinden eigentlich ein zentrales Thema in den Sendschreiben ist (Offb.2+3), kommt es in den meisten Predigten heute so gut wie gar nicht mehr vor. Man spricht lieber von dem, was der HErr für uns am Kreuz von Golgatha getan hat und blendet unseren Teil an Verantwortung in der Nachfolge völlig aus. Dabei verhalten wir uns wie Adipöse (Fettleibige), die gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus eingeliefert wurden, um vor einem Herzinfarkt gerettet zu werden und dann anschließend ohne irgendwelche Ernährungsratschläge wieder entlassen werden, um unser bisheriges Leben in Völlerei und Rauschsucht weiterzuleben. Dabei ist der HErr doch deshalb für uns gestorben und auferstanden, damit Er Herr werde über unser Leben, d.h. alleiniger Besitzer und Entscheider über uns (Röm.14:9). Wie können wir nur auf die Idee kommen, unser Leben nicht ändern zu müssen?! „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, und unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf“ (Tit.2:11-12).

Die Lüste zu verleugnen bedeutet natürlich nicht, dass wir anderen gegenüber so tun sollen, als hätten wir sie gar nicht mehr – das wäre Heuchelei -, sondern wir sollen uns durch den Geist Gottes daran erinnern, dass der HErr uns zur Freiheit berufen und befähigt hat, so dass wir verpflichtet sind, so rein und heilig zu leben, wie der HErr es uns vorgelebt hat (1.Joh.2:6). Um uns dabei zu helfen, beschneidet der HErr uns an „der Vorhaut unseres Herzens“ (5.Mo.10:16). Der HErr sagt: „Jede Rebe, die Frucht bringt, die reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe“ (Joh.15:2b). Jetzt im Sommer schneiden die Winzer ja die wilden und fruchtlosen Triebe ihrer Reben weg, damit die Energie nicht mehr „ins Kraut schießt“, sondern in die Frucht. So hatte schon die Beschneidung der Vorhaut bewirkt, dass die männliche Sexualität gedrosselt wurde, um den Israeliten die Enthaltsamkeit zu erleichtern. Gott meint es nur gut mit uns.

Ach wie elend ist ein Leben, das der Freiheit mangeln muss!
Denn wer Gott nicht völlig dienet, hat nur Angst, Müh und Verdruss. Der nur kämpfet recht vergnügt, der die liebste Lust besiegt
.“

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  1. Fluchen

Göttern darfst du nicht fluchen und von den Obersten deines Volkes sollst du nicht übel reden (2.Mo.22:27)

Vor einem Monat betete der Prediger einer christlichen Sekte in Pforzheim am Ende einer Hetzpredigt, indem er Bruder Dr. Lothar Gassmann mit folgenden Worten verfluchte: „Ich bitte dich, Herr, dass Lothar Gassmann so schnell wie möglich sterbe und in die Hölle komme. Nimm seinen Namen aus dem Buch des Lebens! Wirf ihn zusammen mit dem Bösen hinaus. Herr, bevor du ihn in die Hölle schickst, bitte ich dich, dass du ihm zuerst alle Zähne und alle Knochen brichst, so schmerzhaft wie möglich…“ (http://youtu.be/tgBk0xENJMQ).

So erschreckend und absurd uns solch ein Fluch aus dem Mund eines Predigers erscheinen mag, bin ich mir sicher, dass er dies ohne ein schlechtes Gewissen tat, indem er sich auf mehrere Psalmen berufen konnte, wo auch David solche Verwünschungen gegen seine Feinde aussprach (z.B. Ps. 69:22-28). Da Bruder Lothar richtigerweise an die Verlierbarkeit des Heils glaubt, ist diese Sekte der Ansicht, dass er „ein anderes Evangelium“ verkünde und man ihn deshalb verfluchen dürfe. Dabei gebietet Paulus aber doch in Röm.12:14, dass wir „nicht fluchen“, sondern segnen sollen (vergl. Mat.5:44). Wie kann Paulus dann selbst einen Fluch aussprechen?

Das Wort ANA’ThÄMA in Gal.1:8-9 bedeutet wörtlich „Hinauf-Gesetztes“, d.h. dass man in einem Rechtsstreit die Streitfrage im Gebet Gott vorlegt zur richterlichen Entscheidung. David hat dies z.B. gegenüber Saul getan, als er sprach: „Der HErr richte zwischen mir und dir!“ (1.Sam.24:12+15). Das ist die Haltung eines Gläubigen, dass er sich nicht selbst recht verschafft, sondern es dem HErrn überlässt, das ihm angetane Unrecht zu richten und zu rächen (Röm.12:19). Leider geschieht es viel zu selten, dass ein Streit unter Gläubigen gemeinsam Gott zur Entscheidung vorgelegt wird, um dadurch eine schwelende Zwietracht beizulegen.

Das in 2.Mo.22:27 verwendete Wort für fluchen (hebr. QaLa´L) bedeutet wörtlich jemanden „leicht machen“ i.S.v. „geringschätzen“. Im Gegensatz dazu ist das hebr. Wort für „ehren“ (KaBhe´D) wörtlich eine Person „schwer machen“, also ihr Gewicht beimessen. Man muss also z.B. gar nicht buchstäblich einen Politiker geflucht haben, sondern es reicht schon, dass man sich über ihn lustig macht oder ihn als trottelig darstellt, um sich dadurch vor Gott zu versündigen. Denn Gott selbst hat ja die Obrigkeit eingesetzt, so dass sie von Ihm auch eine gewisse Immunität bekommen hat (Röm.13:1-7); und wer sich anmaßt, über sie zu richten, der erhebt sich dadurch nicht nur über sie, sondern auch über Gott. Saul z.B. war zwar ein sehr eigensinniger und ungehorsamer König, aber dennoch hat David nicht zugelassen, dass ihn irgendjemand seiner Würde beraubt, denn er war ja ein „Gesalbter des HErrn“ (2.Sam.1:14-16).

Bedeutet dies nun, dass man noch nicht einmal Kritik üben darf an einem Politiker oder Würdenträger? Nein, keineswegs. Aber es ist ein Unterschied, ob ich die Entscheidungen der Regierung sachlich beurteile oder ob ich den Amtsträger als Person herabwürdige, sei es durch Schmähworte oder durch Witzelei. Ein gutes Beispiel für diesen Unterschied finden wir in Richter 9. Dort lesen wir von Gaal in Vers 28, dass er den Herrschaftsanspruch von König Abimelech grundsätzlich infrage stellte: „Was ist Abimelech und wer ist der Sohn Sichems, dass wir ihm dienen sollen?“ Jotham hingegen, der als einziger den Mord an seinen 70 Brüdern überlebt hatte, verglich den Mörder zwar mit einem „Dornstrauch“ (V.14), überließ es aber Gott als gerechten Richter, über ihn und seine Anhänger zu urteilen und sie entsprechend zu bestrafen (V.16 – 20).

Wir leben heute in einer Zeit, in welcher die Auflehnung etwas Allgegenwärtiges ist. Aufruhr und Empörung ist aber nicht gleichzusetzen mit berechtigter Kritik. Das Wort „Aufruhr“ ist ja hergeleitet von „rühren“. Wenn ich als Maler z.B. Gipsspachtel mit Wasser verrühre, dann reagieren beide Komponenten miteinander und verwandeln sich in einen schnell reagierenden Werkstoff. Ebenso ist es aber auch mit Informationen: Wenn ich bestimmte (einseitige) Nachrichten immer wieder erzählt bekomme, dann können sie bei mir Unruhe bis hin zu Wut auslösen. ANregung führt zu ERregung, sei es im Guten wie im Bösen. Das hebr. Wort SchaNa´H heißt eigentlich „wiederholen“ und findet sich auch in Spr.17:9 „Wer Vergehen zudeckt, strebt nach Liebe; wer aber eine Sache immer wieder aufrührt, entzweit Vertraute“.

Durch das ständige Wiederholen von Narrativen in den Medien verfestigen sich Meinungen. Eigentlich sind die  öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verpflichtet, wahrheitsgetreu zu berichten; da sie jedoch in den letzten Jahren von Links unterwandert wurden, findet nur noch eine sehr einseitige Berichterstattung statt, die man als Propaganda und z.T. als Hetze bezeichnen kann, nicht nur gegen Rechte und Konservative, sondern auch gegen uns Christen. Dies hat gerade in den letzten drei Jahren dazu geführt, dass sich auch Gläubige an den z.T. irrationalen Entscheidungen der Regierung ereifert haben bis hin zur Schmähung der Politiker. Die Schrift sagt jedoch: „Nicht einmal in deinen Gedanken darfst du einen Regenten verfluchen, und nicht einmal im Schlafzimmer fluche nicht über den Reichen; denn die Vögel des Himmels werden die Stimme entführen und das Geflügelte wird das Wort anzeigen“ (Pred.10:20). Gemeint ist hier eine Anzeige bei Gott durch den „Verkläger unserer Brüder“ (Offb.12:10), und die „Vögel des Himmels“ stehen für die Dämonen (Luk.8:5+12, Offb.18:2).

Die Geschichte aus Richter 9 ist ganz aktuell, denn wir haben ja auch heute eine Regierung, die ihre Wähler aufgrund von Lüge („Keine Waffen in Kriegsgebiete“), zur Wahl verführt hat (V.2), die mit Hilfe der Medien Rufmord betreibt durch Verleumdungen gegen Andersdenkende (z.B. gegen die AfD) (V.4-5) und die aufgrund einer Klima-Ideologie „durch einen Hinterhalt … mit dem Volk machen kannst, was immer du willst“ (V.32-33), um es zugrunde zu richten, wie etwa Energiepreiserhöhung, Unterstützung der Klimakleber, Wärmepumpenzwang, Verbot von Verbrennerfahrzeugen ab 2035 etc. Auch in den Schulen und Kindergärten findet gerade eine von vielen Eltern noch nicht einmal bemerkte Kulturrevolution statt durch Genderzwang in Hochschulen, Kuschelecken in Kitas, Frühsexualisierung, Porno im Unterricht, Legitimierung von Pädophilie und staatlich unterstützte Geschlechtsverstümmelung von Minderjährigen.

Wir leben heute in einer Zeit, in welcher allmählich alle Dämme der Moral und des Anstands brechen und stehen in großer Gefahr, dass wir unsere von Gott eingesetzte Regierung nicht mehr anerkennen, sondern über sie spotten oder lästern, so wie es auch die Welt tut. Die Schrift sagt aber, dass wir noch nicht einmal schlecht über den Teufel sprechen dürfen, d.h. auch nicht gegen Allah, sondern müssen das Gericht Gott überlassen: „Sie erzittern nicht, Herrlichkeiten zu lästern, während Engel, die an Stärke und Macht größer sind, nicht ein lästerndes Urteil gegen sie beim HErrn vorbringen. Diese aber, wie unvernünftige, natürliche Tiere… lästernd über das, was sie nicht wissen…“ (2.Petr.2:9-12, Jud.8-10).

Wir können die Verirrten nicht dadurch für Christus gewinnen, indem wir sie verhöhnen oder ihnen beim CSD stolz unsere moralische Überlegenheit vor Augen führen, sondern indem wir in aller Demut und Selbstverleugnung herzliches Erbarmen und Mitgefühl für sie empfinden und uns daran erinnern, dass wir früher auch nicht besser waren: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen … Erinnere sie, staatlichen Gewalten und Mächten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten, zu jedem guten Werk bereit zu sein, niemand zu lästern, nicht streitsüchtig zu sein, milde zu sein, an allen Menschen alle Sanftmut zu erweisen! Denn einst waren auch wir unverständig, ungehorsam, gingen in die Irre, dienten mancherlei Begierden und Lüsten, führten unser Leben in Bosheit und Neid, verhasst, einander hassend. Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Retter-Gottes erschien, rettete er uns, … nach seiner Barmherzigkeit“ (Tit.3:1-5).

„Prophetische Ereignisse“ Teil 6

 

Die vier Wagen  –  Sacharja 6:1-8

In dem achten und letzten Nachtgesicht sehen wir wieder farbige Pferde wie in Kap.1:8-10, die jedoch diesmal jeweils einen Streitwagen ziehen. Die Erwähnung, dass sie „zwischen zwei Bergen hervorkamen“, die „aus Erz“ waren ist bedeutsam: Berge bedeuten Erhabenheit und Erz meint etwa widerstandsfähig, undurchdringlich und unüberwindbar (vergl. 5.Mo.28:23, Jer.15:12). Die zwei Berge könnten der Berg Sinai und der Berg Zion sein (Hebr.12:18-23), der alte und der neue Bund (Gal. 4:24-26). Aus der Erklärung des Engels in Vers 5 wissen wir, dass es sich bei den vier Wagen um vier Geister bzw. Winde handelt, die zuvor vor dem HErrn der ganzen Erde gestanden haben, um dieselbe nun zu richten (Jer.49:36). Diese Gerichtsmächte Gottes sollen nun die Erde durchziehen, um den Zorn Gottes zu besänftigen (wörtl. „Ruhe finden lassen“, besonders im „Land des Nordens“ (nördliche Hemisphäre?).

Aus Offb.6 wissen wir, dass es sich bei den verschiedenfarbigen Pferden um bestimmte Gerichte Gottes handelt, wobei das fahlgrüne Pferd des vierten Reiters hier ersetzt wird durch „scheckige, starke“ Pferde. Dadurch wissen wir nun, dass „rot“ mit Krieg verbunden ist und „schwarz“ mit Inflation und Hungersnot. „Weiß“ steht für Verführung durch Ideologien und „scheckig“ müsste dann wohl eine Mischung aus den vorgenannten Plagen sein. Das „Land des Nordens“ ist meist ein Synonym für Babel, jedoch im weiteren Sinn für die gesamte heidnische Welt, deren Fürst der Teufel ist. Die nördliche Welt (Industrienationen) wird also nach einem großen Krieg von einer Hyper-Inflation heimgesucht, in deren Folge wieder vielerlei Ideologien Erklärungsversuche und Scheinlösungen anbieten werden. Der Süden (Afrika? Südamerika?) wird scheinbar nur vereinzelt davon betroffen werden („scheckig“= punktuell).

Bei genauerer Betrachtung erleben wir in den letzten drei Jahren ein ganz ähnliches Szenario in der Welt: Die Medienkampagnen um die Corona-Pandemie und den Klimawandel waren wahrscheinlich nur ein Testlauf für die Eliten, um zu prüfen, wie bereitwillig sich die Menschheit auf globale Herausforderungen einlassen und zusammenschweißen lässt. Durch die mit dem Ukrainekrieg begründete Sanktionspolitik des Westens, durch die sich Europa vor allem selbst geschadet hat, sind zuerst die Energiekosten und dann sämtliche Erzeuger- und Transportkosten dermaßen angestiegen, dass die Investitionen zurückgehen und viele Firmen Konkurs anmelden werden. Es droht ein entsprechender Kreditausfall; und da viele Konzerne („Zombieunternehmen“) ohnehin nur noch durch das billige Fiat-Geld künstlich am Leben gehalten wurden, wird ihnen die rasante Zinserhöhung der EZB nun den Todesstoß versetzen. Die Folge wird dann ein globales Bankensterben sein durch eine Massenpanik (bank run). Die galoppierende Inflation wird zu einer Verarmung und Verelendung der Bevölkerung führen, die sich selbst Grundnahrungsmittel kaum noch leisten können wird. Schon jetzt ist das verfügbare Einkommen der Deutschen um 15 % gefallen gegenüber dem Vorjahr. Mangelndes Warenangebot (Deflation) und aufgeblähte Preise (Inflation) führen unvermeidlich zu einer Stagflation und damit zu einer noch nie dagewesenen Weltwirtschaftskrise.

Diese Krise (griech. KRISIS = Gericht), die durch die sieben Hungerjahre in Ägypten vorgeschattet ist (1.Mo.41: 57), wird viele Menschen dazu veranlassen, wieder nach Gott zu fragen. Gleichwohl werden auch wieder falsche Propheten aufstehen, die den Leuten eine bessere und glorreiche Zukunft verheißen, wenn sie nur ihre Führer verehren (Islam, Kommunismus, Faschismus etc). Aber wie bei Josef werden sowohl die Gläubigen aus Juden und Christen, als auch große Teile der noch verstockten Heidenwelt Buße tun und bereit sein, Leib und Leben dem HErrn Jesus zu übergeben, um zu überleben (Sach. 8:23, 1.Mo.47:18-20). Dadurch wird sich dann das Wort erfüllen, dass „der Geist des HErrn Ruhe finden wird im Lande des Nordens“ [vermutlich Russland gemäß Hes. 38:15, aber auch der gesamte (ex)christlichen und jetzt antichristlichen Nationenblocks, zu dem außer Russland die europäischen Länder (einschließlich der EU-Staaten) und Amerika (+ Australien und Neuseeland) gehören].

Fazit: Sach.6:1-8 gibt Hoffnung auf eine Hinwendung vieler Menschen zu Christus und zum Glaubensgehorsam schon bald nach Beginn der letzten 7 Jahre. Was wir jetzt vor tauben Ohren bezeugen, kann und wird dann noch reiche Frucht bringen. Wir sollten uns für die Teuerung rüsten, indem wir jetzt schon Lebensmittelvorräte anlegen, nicht nur für uns, sondern vor allem für andere Menschen, denen wir dann damit helfen und dem Zeugnis für Christus Nachdruck verleihen können. Auch sollten wir uns einerseits rüsten, als kluge Jungfrauen würdig für die baldige Entrückung zu sein. Andererseits sollten wir bereit sein oder gar dafür beten, dass der HErr einige von uns trotz Entrückungsbereitschaft zurücklässt, um den Zurückbleibenden Halt und Führung zu geben. Unter dem Verfolgungsdruck durch die Hure Babylon werden viele von uns gemeinsam mit Juden ins Land Israel einreisen (Jer.5:4, Hos.2:2), und zwar besonders aus unserem Land des Nordens (Jer.3:18, 16:15, 23:8, 31:8), um als Benjamin-Christen bei der Bekehrung eines großen Teils der Juden 2 Jahre nach Beginn der 7 Jahre dabei zu sein (1.Mo.43ff.).

 

Der Tempel des HErrn –  Sacharja 6:9-15

Wie bereits in Kap. 3 erwähnt, kommt dem Josua die Aufgabe zu, als gekrönter Hohepriester den zukünftigen Messias darzustellen, der aus kleinen Verhältnissen aufsprossen und in welchem sich das Amt des höchsten Königs mit dem des höchsten Priesters verbinden sollte. Während Serubbabel nur einen zweiten und bescheidenen Tempel erbaute, baut der HErr Jesus den wahren Tempel aus lebendigen Steinen, d.h. Seine Gemeinde.

Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt soll Sacharja darauf hinweisen, dass sowohl der gerade geweihte Priester als auch der im Bau befindliche Tempel nicht der endgültige Ratschluss Gottes ist. So wie Melchisedek („König der Gerechtigkeit“) das König- und Priestertum in sich vereinigte, so soll auch der Messias einmal die alttestamentliche Trennung aufheben und am Ende über alles herrschen (Ps.110:1-4). Aber auch wir Gläubige heute sind schon jetzt ein „königliches Priestertum“ (1.Petr.2:9, Offb.1:6) und sollen als solches die Tugenden des HErrn nicht nur in Worten, sondern vor allem durch unser Leben verkündigen.

Beachtenswert ist, dass es nach Vers 12 nicht nur der „Spross“ Jesus Christus ist, der Seine Gemeinde bauen wird (Mt.16:18), sondern nach V. 15 auch die „Fernen“, also wir: „Er kam und verkündigte Frieden, euch den Fernen und Frieden den Nahen… ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen… In Ihm wächst der ganze Bau zu einem heiligen Tempel im HErrn“ (Eph.2: 17-21). Deswegen heißt es ja auch immer wieder, dass wir „einander erbauen“ sollen (1.Thes.5:11 etc). Doch der Bau Gottes wächst nicht nur durch unsere Anwesenheit im Gottesdienst oder durch freundliche Worte danach, sondern durch ein aktives Einstehen füreinander, sei es durch praktische Hilfe oder durch Geldspenden. Wenn wir zudem alle darauf achten, dass jedes Glied am Leib das Haupt (den HErrn Jesus) festhält, dann werden wir alle durch die „Gelenke und Bande unterstützt und zusammengehalten“, so dass wir dann alle heranwachsen „in dem von Gott gewirkten Wachstum“ (Kol.2:19 – wörtl. „das Wachstum Gottes durch Wachsen wirken“).

Ganz praktisch wächst der Leib Christi aber auch durch immer neue Glieder, die errettet werden. Deshalb fordert uns der Prophet Haggai sinnbildlich auf, dass wir unser Herz auf unsere bisherigen Wege richten sollen, um zu erkennen, dass wir nur deshalb ein so elendiges und armes Christenleben führen, weil wir samstags lieber in den Baumarkt gehen, um unser eigenes Haus zu verschönern, anstatt das Haus Gottes zu vergrößern, indem wir uns z.B. an die Eingänge der Einkaufszentren und Marktplätze stellen, um dort evangelistische Flyer zu verteilen und am christlichen Büchertisch mitzuhelfen: „Dieses Volk sagt: Die Zeit ist noch nicht gekommen, das Haus des HErrn erbaut werde. … Ist es denn für euch selber an der Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während Mein Haus verödet daliegt? … Steigt hinauf ins Gebirge und bringt Holz herbei und bauet Mein Haus! Dann werde ich Gefallen daran haben und Mich verherrlichen, spricht der HErr. Ihr habt nach vielem ausgeschaut, und siehe, es wurde wenig. Und brachtet ihr es heim, so blies ich hinein. Weshalb das?, spricht der HErr der Heerscharen. Wegen Meines Hauses, das verödet daliegt, während ihr lauft, jeder für sein eigenes Haus“ (Hag.1:2-8).

 

Richtiges Fasten –  Sacharja 7

Inmitten all der Gerichts- und Trostankündigungen, die sich in weiter Zukunft erfüllen sollen, wird der Prophet auf einmal mit einer ganz gegenwärtigen Frage konfrontiert von Seiten der Bewohner Bethels: „Soll ich weinen im fünften Monat und mich enthalten, wie ich schon so viele Jahre getan habe?“ Was war geschehen? Die Fußnote in der Elberfelder Bibel erklärt, dass diese Juden während der Gefangenschaft bestimme Tage zum Gedenken an die Belagerung und den Fall Jerusalems zu Fastenzeiten erklärt hatten, um dadurch die Güte und das Erbarmen Gottes zu erflehen mit dem Ziel, wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Jetzt aber, da sie inzwischen zurückkehren durften, erbaten sie indirekt die Erlaubnis, diese Fastentage aufzugeben, da sich ihr Anliegen ja erfüllt habe. Wir sehen hier auf der einen Seite Demut, dass sie es nicht selber einfach für sich beschließen wollten, sondern vom HErrn wissen wollten, ob Er damit einverstanden sei. Andererseits hat die Frage aber auch etwas Rhetorisches, als ob sie sich sicher waren, dass der HErr ihnen diese Bürde endlich abnehmen und auf weiteres Fasten verzichten würde. Doch die Entgegnung des HErrn überrascht: Er fragt sie zurück, ob sie eigentlich wirklich für Ihn gefastet haben, oder nicht vielmehr zum eigenen Nutzen mit nur vorgeblichen Frömmigkeitsgründen (V. 5-6).

Diese Frage haben wir uns sicher schon alle mal gestellt. Waren unsere Absichten immer lauter und ungeteilt, wenn wir gefastet haben oder dachten wir nicht insgeheim daran, wieder ein paar Kilo zu verlieren, um attraktiver auszusehen? Solche Motive haben aber kein dauerhaftes Durchhaltevermögen – wie wir hier sehen – sondern kommen schnell an ihre Grenzen.  Hier mag das Motiv wohl eher die Lust an Selbstmitleid, Melancholie und Wehmut gewesen sein, die einer tiefen Buße täuschend ähnlich sein können. Eine gottgewirkte „Buße zum Heil“ erkennt man aber daran, dass sie nicht folgenlos bleibt, sondern Unwillen, Entrüstung, Sehnsucht, Furcht, Eifer, Fleiß und Verantwortung bewirkt (2.Kor. 7:10-11). Ein solches Umdenken setzt ein zur Ruhe kommen im Gebet voraus, damit Gott zu uns reden kann.

Gott führt ihnen und uns vor Augen, dass das Essen wie auch das Fasten, nie frei von Eigennutz sind, aber es auch nicht sein müssen. Freude hat Gott an beidem, sofern wir Ihm gehorsam sind und Seine Gebote ernstnehmen (Röm.14:7-8+17). Hier findet auch Jes.58:6-14 einen Anklang, wo Gott ebenfalls hervorhebt, dass es Ihm nicht um das rein Äußere Selbstkasteien geht, sondern um die tätige Barmherzigkeit als natürliche Frucht der Buße. Gottes Wesen soll sich im Verhalten der Glieder des Volkes Gottes untereinander widerspiegeln.  (2.Chr. 19:7). Weil wir selbst die unausschöpfliche helfende Liebe Gottes erfahren, sollen wir Sein Erbarmen an unsere Nächsten weitergeben. Und da Sacharja ein Prophet war, deutet der Heilige Geist hier an, dass sich der Ungehorsam und die falsche Prioritätensetzung im Alten Bund auch im Neuen wiederholen wird, was wir ja heute überall sehen.

 

Der Segen für Israels Überrest –  Sacharja 8

Für jemanden zu „eifern“, wie Gott es für Sein Volk tut, ist weit mehr, als sich nur für ihn einzusetzen. Gott will den Hochmut der Feinde Israels nicht länger ertragen, sondern Sein Volk erfreuen mit dem Versprechen, dass Er selbst nach Jerusalem zurückkehrt und es wieder in Besitz nehmen will (2:14). Jerusalem soll endlich einen ganz neuen Namen (d.h. Ruf) bekommen: „Stadt der Treue“ (Jes.1:26). Gottes Wesen verändert die Menschen. Die Straßen werden mit Alten, den Wehrlosesten des Volkes, gefüllt sein, und Kinder werden auf ihnen spielen (Jes.65:19). Im Warschauer Ghetto waren die Kinder und Alten und noch die ersten, die verhungerten.

Gott weiß, dass all diese Verheißungen nach menschlichem Ermessen unmöglich sind. Aber Er überrascht uns immer wieder mit Seiner Macht und Weisheit (V.5). Vor 150 Jahren hätte sich keiner vorstellen können, dass es nochmal eine Rückkehr der Juden in ihr Land geben würde, aber Gott erfüllte dieses Versprechen! Immer wieder erinnert der HErr uns daran, dass für Ihn nichts unmöglich ist, sei es bei Abraham (1.Mo.18:14), bei Hiob (Hi.42:2), bei Jeremia (Jer.32:17+27), bei Maria (Luk.1:37) oder bei den Jüngern (Mt.17:20, 19:26). „Alles was Ihm wohlgefällt, das tut Er…“ (Ps.115:3, 136:6). Schade, dass trotzdem so viele Gläubige den in 1.Tim. 2:4 genannten Willen Gottes für unmöglich halten…

Dass der HErr Sein Volk auch „vom Land des Untergangs der Sonne“ (USA) sammeln wird, ist ein Beweis dafür, dass sich diese Prophezeiung damals noch nicht erfüllt hatte, denn die Heimkehrer kamen ja nur aus Babel, also vom Osten. Vermutlich werden auch viele Christen in der Drangsalszeit nach Israel auswandern, weil es eines der wenigen Länder sein wird, wo sie zunächst noch nicht verfolgt werden. Deshalb sprach der HErr auch zu Seinen Jüngern: „Wenn IHR den Gräuel der Verwüstung stehen sehet an heiliger Stätte…“ Interessant ist, dass der HErr hier nicht allgemein von Israel, sondern nur von Jerusalem spricht. Möglicherweise wird die Hauptstadt Israels die einzige Fluchtinsel für fromme Juden und Christen sein, während das übrige Land völlig dem antichristlichen Zeitgeist verfallen ist. Diese sich anbahnende Spaltung lässt sich auch jetzt schon beobachten.

Sacharja erinnert sie in Vers 10 an jene Tage kurz nach der Rückkehr aus Babel, als sie wegen ihrer Lethargie gegenüber den Interessen Gottes noch völligen Mangel an Segen hatten (Hag.1:2-11). Das ist auch eine ernste Mahnung an uns, die wir ja ebenso aus einer „babylonischen Gefangenschaft“ entflohen sind und teilweise noch immer zuerst unsere eigenen Interessen verfolgen (Haus, Garten, Auto, Urlaub etc.), anstatt den Interessen Gottes den Vorzug zu geben (Mat.6:33).

Nun aber verspricht Gott, dass Er Frieden aussähen wird für die Stadt und ihre Bewohner (V.12). Vor ihrer Errettung waren sie (und wir) ein Fluch für andere, nun aber sollen sie ein Segen sein, so wie Gott es dem Abraham versprach. Es soll ja heute kabbalistische Juden geben, die sich auf Sach.8 berufen, besonders auf Vers 23, dass sie als auserwähltes Volk Gottes ein Recht haben, über die Gojim (Heidenvölker) zu herrschen und die se zu versklaven. Dies widerspricht jedoch der Bestimmung des HErrn, dass Er sie zum Segen machen will. Solange wir nicht in völliger Abhängigkeit zum HErrn leben, werden wir andere Menschen eher durch unser Verhalten ein Schaden sein, weil sie den HErrn nicht durch uns erkennen. Und wir können uns auch nicht auf irgendeine Vollmacht des HErrn berufen, wenn wir eigenwillig handeln.

Der HErr fordert uns in Vers 16 auf, gerecht zu handeln und die Wahrheit zu sprechen. Er ermutigt uns, Liebe und Mitgefühl füreinander zu zeigen. Dann werden unsere Fastentage auch nicht mehr mit Trauer verbunden, sondern in Freudentage verwandelt (V.19). Durch unser gerechtes und aufrichtiges Verhalten werden wir die Menschen für den HErrn Jesus gewinnen, – so wie es hier auch von Jerusalem heißt, dass viele Nationen zu ihr kommen werden, um Gott anzubeten. Die Menschen aus verschiedenen Ländern werden im 1000-jährigen Reich die Juden bitten, sie zu Gott zu führen, da sie wissen, dass Gott mit ihnen ist. Kann es eine bessere Evangelisation geben als unser treues Leben, dass die Leute sich wie Ruth so sehr angezogen fühlen, dass sie sagen: „Dein Gott soll mein Gott sein! (Ruth 1:16)?

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi Teil 9

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 25:

Raimundus Lullus (1232 – 1316 n.Chr.)

Während heute fast jeder Franz von Assisi kennt, ist einer seiner Schüler leider bis heute weitgehend unbekannt geblieben, obwohl er nicht nur der erste große Missionar in der arabischen Welt war, sondern auch der Begründer der Orientalistik und der katalanischen Literatur, ja sogar der „Ahnherr des digitalen Zeitalters“ (lt. Wikipedia). Umso mehr verdient er größere Beachtung.

Die politisch motivierten missionarischen Versuche der Katholischen Kirche während des Mittelalters hatten wenig Erfolg, verglichen mit ihren größten Expansionsbestrebungen – den Kreuzzügen. Diese Bewegung, die sich über 200 Jahre erstreckte (1095-1291), hatte ja zum Ziel, das Heilige Land zurückzuerobern. Es handelte sich also kaum um eine missionarische Bewegung. Das Ziel bestand darin, die christliche Herrschaft territorial zu erweitern, und nicht darin, die Muslime zu bekehren. Es war ein blutiger Kampf, Zehntausende von Menschen fanden den Tod. Viel weitreichender in ihren Konsequenzen war jedoch die Tatsache, dass alle Möglichkeiten zu einem Dialog zwischen den Sarazenen und den Christen verlorengingen. Eine Folge der Gräueltaten der Kreuzritter war eine Vertiefung der Feindschaft zwischen Muslimen und Christen. Die Erinnerung daran wirkt sich bis zum heutigen Tag aus und macht die Missionsarbeit unter den Muslimen äußerst schwierig.

Nicht alle Christen glaubten, dass militärische Gewalt das geeignete Mittel sei, um Muslimen zu begegnen. Franz von Assisi war z.B. der Überzeugung, dass die Muslime mit Liebe anstatt mit Hass gewonnen werden müssten. Seine beiden ersten Versuche, ihnen das Evangelium zu bringen, scheiterten jedoch vollkommen. Doch beim dritten Versuch im Jahre 1219 erhielt er Audienz beim Sultan von Ägypten. Obwohl Franziskus durch die Sprachbarriere in seinen Möglichkeiten eingeschränkt war, unternahm er den Versuch, das Evangelium zu verkünden. Zwar gibt es keine Hinweise dafür, dass sich Anhänger des Islam auf diese Verkündigung hin bekehrt hätten, doch diente Franziskus mit seinem Vorbild als Wegbereiter, so dass andere Christen die Muslime als potentielle Brüder in Christus zu betrachten. Zu ihnen gehörte Raimundus Lullus, auch genannt Ramón LLull, ein herausragender Missionar jener Zeit.

Raimundus kam 1232 in einer wohlhabenden katholischen Familie auf Mallorca zur Welt. Kurz vor seiner Geburt war die Insel der Herrschaft der Araber wieder entrissen worden. Er zog als junger Mann auf das spanische Festland und diente am königlichen Hof in Aragon. Dort führte er ein zügelloses Leben. Obwohl er Frau und Kinder hatte, hatte er ständig Geliebte, und er selbst bezeugte später, dass er ein leben in äußerster Unmoral geführt hatte. Sein Lebensstil schien sich aber nicht negativ auf seine intellektuelle Begabung und sein schöpferisches Talent auszuwirken, und bereits in jungen Jahren wurde seine Gelehrsamkeit von allen gepriesen.

Als Lullus (ausgesprochen: Lujus) Anfang dreißig war, kehrte er nach Mallorca zurück. Dort hatte er ein tiefgreifendes Erlebnis mit Gott. Es handelte sich um ein mystisches Erlebnis mit Visionen. Die erste Vision hatte er an einem Abend, als er gerade dabei ein weltliches Liebeslied zu komponieren. Plötzlich sah er den Heiland am Kreuz hängen, das Blut tropfte von den Händen, den Füßen und der Stirn, und Er blickte ihn vorwurfsvoll an. Eine Woche später hatte er wieder dieselbe Vision. Dieses Mal beschloss er, sich Christus ganz auszuliefern. Doch im selben Moment kamen ihm Zweifel auf: „Wie kann ich, der ich voll Unreinheit bin, ein Leben der Heiligkeit beginnen?“ Dieses Gefühl der Schuld veranlasste Lullus dazu, dem Wohlstand und Ruhm den Rücken zu kehren und sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen.

Als Raimundus Anfang dreißig war, kehrte er nach Mallorca zurück. Dort hatte er ein tiefgreifendes Erlebnis mit Gott. Eines Abends, als er gerade ein weltliches Liebeslied komponierte, sah er auf einmal in einer Vision den Heiland am Kreuz hängen. Das Blut tropfte von seinen Händen, den Füßen und der Stirn und blickte ihn vorwurfsvoll an. Von da ab beschloss er, sich Christus auszuliefern. Doch im selben Moment kamen Zweifel in ihm auf: „Wie kann ich, der ich voller Unreinheit bin, es wagen, ein Leben der Heiligkeit zu beginnen?“ Dieses Schuldgefühl veranlasste ihn, den Wohlstand uns Ruhm den Rücken zu kehren und sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen. Er begann ein Leben nach der Art der Mönche zu führen – mit Beten, Fasten und Meditation.

Doch bald darauf hatte er eine zweite Vision: Er war ganz allein im Wald mit Gott, weit entfernt von allen weltlichen Ablenkungen, als er auf einmal einem Pilger begegnete. Dieser tadelt ihn für seine Ichbezogenheit und fordert ihn auf, in die Welt zu gehen und anderen Menschen die Botschaft zu verkündigen. Diese Vision führte dazu, dass Lullus beschloss, seine Kraft nun ganz für die Mission einzusetzen, und zwar besonders die Mission unter den Sarazenen, den verhasstesten und gefürchtetsten Feinden Christentums. Raimund schrieb: „Ich sehe viele Ritter, die in das Heilige Land jenseits des Meeres ziehen und glauben, sie könnten mit Waffengewalt dort etwas bewirken. Doch am Ende steht ihr Niedergang, sie erreichen nicht, was sie sich gewünscht haben. Woraus ich schließe, dass die Eroberung des Heiligen Landes durch Liebe und Gebet versucht werden sollte und nicht durch das Blut- und Tränenvergießen.“

Nach dieser Vision widmete sich Raimundus neun Jahre lang dem Erlernen der arabischen Sprache, um daraufhin in die Mission aufzubrechen. Rückblickend stellte er später fest: „Ich hatte eine Frau und Kinder; ich besaß beträchtlichen Reichtum und führte ein weltliches Leben. All diese Dinge verließ ich freudig, um das Gute zu fördern und den heiligen Glauben zu verbreiten“. Lullus legte genügend Geld zur Seite, um seine Frau und die Kinder zu versorgen, doch den Rest gab er den Armen und folgte damit dem Beispiel des Franz von Assisi.

Raimunds missionarische Tätigkeit erstreckte sich auf drei Gebiete: er verfasste apologetische Schriften, gründete Lehreinrichtungen und war selbst missionarisch tätig. Sein Beitrag als christlicher Apologet unter den Muslimen war sehr groß. Er schrieb etwa 60 theologische Bücher, die größtenteils auf einen Dialog mit den islamischen Gelehrten zielten. Er sah seinen Auftrag darin, wenigstens einige der Gelehrten durch Diskutieren im christlichen Geist von der Inkarnation des Sohnes Gottes zu überzeugen, wie auch von der Dreieinigkeit in Gott selbst. Er wollte ein „Parlament der Religionen“ einrichten und dem einseitigen Monotheismus des Islam die Offenbarung des einen Gottes im Vater, Sohn und Heiligen Geist gegenüberstellen.

Was die theologische Ausbildung betraf, folgte Raimund der Tradition Columbans, der Klöster als ideale Ausbildungszentren für den missionarischen Dienst betrachtete. Raimund unternahm weite Reisen, verhandelte mit kirchlichen und politischen Verantwortlichen und versuchte, deren Unterstützung zu gewinnen. König Jakob II. von Spanien war von seinen Plänen begeistert und unterstützte Raimund finanziell beim Bau eines Franziskanerklosters auf Mallorca. Der Lehrplan des klösterlichen Seminars enthielt auch Kurse in arabischer Sprache. Lullus träumte davon, überall in Europa derartige Missionsschulen zu gründen; doch um dieses Ziel zu erreichen, musste er die katholische Kirchenleitung von deren Wert überzeugen, was keine leichte Aufgabe war. Bei seinen verschiedenen Besuchen in Rom wurden seine Ansichten vom Papst und den Kardinälen entweder lächerlich gemacht oder ignoriert. Die Würdenträger schienen weitaus größeres Interesse an weltlichen Vergnügungen und persönlichem Machtstreben als an Mission zu haben. Doch obwohl Lullus an vielen Stellen keine Unterstützung fand, hatte er Erfolg mit der Gründung neuer Klöster, die im Dienst der Mission standen.

Als er dann bei seiner ersten Missionsreise nach Tunis auf dem Schiff im Hafen von Genua stand, überfiel ihm plötzlich eine Angstattacke. Er war wie gelähmt, als er sich vorstellte, was ihm in dem fremden Land erwarten könnte, in das er ziehen wollte. Der Gedanke an Folter oder lebenslängliche Haft drängte sich ihm so machtvoll auf, dass er seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sein Gepäck wurde wieder entladen, und das Schiff verließ den Hafen ohne ihn. Fast im selben Moment wurde von Reue überwältigt, und er nahm sofort das nächste Schiff, ganz gleich was ihn erwarten würde. Seine Ängste im Blick auf die Missionsarbeit in Tunis waren alles andere als unbegründet, denn es war ein wichtiges Zentrum des Islam in Nordafrika. Feindliche Invasionen waren mehrfach erfolgreich abgewehrt worden, aber die Muslime waren voll von Hass und Bitterkeit gegen die Kreuzfahrer. Die Feindseligkeit, auf die Raimundus bei seiner Ankunft stieß. War jedoch nicht so groß, wie er befürchtet hatte. Man gab ihm Gelegenheit nach seinem Eintreffen mit den führenden islamischen Gelehrten zu sprechen, um über die Vorzüge des Christentums zu diskutieren. Er versprach sogar, dass er sich der islamischen Religion zuwenden würde, sollte diese sich als überlegen herausstellen. Und so gelang es ihm, dass er überall seine evangelistisch-apologetischen Vorträge halten durfte vor aufmerksamen Zuhörern.

Doch die Mehrheit empfand Lullus´ Verteidigungsrede als einen Angriff, so dass man ihn ins Gefängnis warf. Später wurde ihm befohlen, das Land zu verlassen, aber er widersetzte sich diesem Befehl. Neben den Muslimen widmete er sich vermehrt nun auch den Juden, die aus England und Frankreich vertrieben wurden. Er begegnete ihnen mit Liebe, ebenso wie den Muslimen, und verkündigte ihnen den Christus als Messias. Er wurde erneut gefangen genommen, doch einige bekehrten sich und wurden Christen. Schließlich wurde er 1315 als 83-jähriger Greis, der sich zeitlebens nach dem Märtyrertod sehnte, nach einer Rede auf dem Marktplatz von Bugia ergriffen, aus der Stadt geschleift und gesteinigt.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 26:

Jan Hus (1369 – 1415 n.Chr.)

Jan Hus wurde 1369 in Husinec im Böhmerwald als Sohn einer armen tschechischen Bauernfamilie geboren. Da er sehr lernbegierig war, ließen ihn seine Eltern zum Studium nach Prag ziehen, wo er sich mit kleinen kirchlichen Hilfsdiensten den Lebensunterhalt verdiente. Die Hauptstadt des Königreichs Böhmen zog damals tausende Juden und Deutsche an. Italienische Künstler und bedeutende Kaufleute ließen sich in Prag nieder, und die Kirchenvertreter genossen mit dem Adel Reichtum und Vergnügungen. Die einfachen Priester kritisierten indes das Treiben der Kirchenleitung und forderten Bescheidenheit, Askese und Nächstenliebe, sowie eine Rückbesinnung auf die neutestamentliche Urgemeinde.

1393 schloss Hus das Grundstudium mit dem Bachelor der freien Künste ab. Ein Jahr darauf war er Bachelor der Theologie und 1396 Magister der freien Künste. 1401 war er bereits Dekan der Philosophischen Fakultät und ein Jahr später Rektor der Prager Universität. Zu diesem Zeitpunkt konnte man Hus als frommen Katholiken bezeichnen, wie die meisten seiner Zeitgenossen. Er nahm an Prozessionen teil, investierte viel Geld in den kirchlichen Ablass, die Lossprechung von der jenseitigen Sündenstrafe, und besuchte regelmäßig die Messe. Durch sein Studium stieß er immer wieder auf die Schriften des umstrittenen englischen Reformators John Wycliff (1330-1384), der sich massiv gegen kirchlichen Ämtermissbrauch, gegen Vermischung von Glaube und Politik sowie gegen Reliquienverehrung ausgesprochen hatte. Außerdem förderte Wycliff das Lesen in der eigenen Muttersprache und den Wert des einfachen Glaubens.

Nachdem Hus 1402 zum Priester geweiht worden war, begann er mit seiner Tätigkeit als Prediger in der Prager Bethlems-Kapelle. Hier sprach er jeden Sonntag vor rund 3000 Gottesdienstbesuchern in Tschechisch, damals eine Seltenheit. Die Zuhörer schätzten seine unbedingte Wahrheitsliebe und die Bereitschaft, sich gegebenenfalls korrigieren zu lassen. Hus forderte die Erneuerung der Kirche, die Reinheit des Glaubens und die Betonung des Evangeliums. Deutlich kritisierte er den Reichtum der Kirche, die mehr als ein Drittel des Bodens besaß und selbst noch bei der Vergabe der Gnadenmittel (Taufe, Beichte, Abendmahl, Ablass, Begräbnis) Geld einforderte. Statt auf Macht und Besitz sollte sie sich lieber auf ihre geistlichen Aufgaben konzentrieren.

Jesus hatte Seine Jünger nicht zu irdischer Herrschaft berufen, argumentierte Hus: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt es auch“ (Mt.10:8). Von den gewinnsüchtigen Ablass-Händlern, den Bettelmönchen, sprach Hus als einem „offen am Tag liegenden Übel“, sie plünderten „durch vorgebliche Wunder und lügenhafte Vorspiegelungen“ das niedrige Volk aus. Wunderheilungen durch das angebliche Blut Jesu wurden im Nachhinein nämlich als Schwindel entlarvt. Hus meinte, ein Christ könne auch ohne spektakuläre Wunder auskommen. Stattdessen solle er sich stärker an die Heilige Schrift binden. Unangenehm deutlich prangerte Hus Prunksucht, sexuelle Ausschweifungen, Bestechlichkeit und Erbschleicherei unter den Kirchenvertretern an. Er warb für das Recht frommer Laien, das Evangelium zu lehren, obwohl das Predigen damals nur den ordinierten Geistlichen erlaubt war.

Ende des 14. Jh. wetteiferten drei Päpste um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Westeuropa. Keiner von ihnen zeichnete sich durch besondere Frömmigkeit aus, im Gegenteil: Einer von ihnen, Baldassare Cossa aus Bologna ließ sich durch Ämterkauf (Simonie) 1410 innerhalb von 48 Stunden erst zum Priester, dann zum Bischof und gleich danach zum Papst weihen. Schon im ersten Jahre seiner Herrschaft wurde ihm vorgeworfen, an die zweihundert verheiratete Frauen, Witwen, Jungfrauen und Nonnen verführt und immense Summen für Feste, Luxus und Prunk verschwendet zu haben. Aus diesem Grund setzte sich König Sigismund 1414 für ein Konzil in Konstanz ein, dass den Streit dreier konkurrierender Päpste schlichten sollte. Um die Hussiten einzubinden, wurde auch Hus vor das Konzil geladen mit dem Versprechen, dass man ihm Freiheit und Sicherheit garantiere.

Anlässlich des Konzils waren nicht nur 33 Kardinäle, 57 Erzbischöfe, 228 Bischöfe, zahlreiche Mönche, Priester und Adelige in die Stadt gereist, sondern auch über 700 Huren, mit denen sich der Klerus in den folgenden vier Jahren vergnügte. Als Hus im Oktober 1414 in der Stadt ankam, wurde er schon bald darauf verhaftet und als Erzketzer angeklagt. Da Ketzer ihre bürgerlichen Rechte verlieren, konnte König Sigismund sich darauf berufen, um sein Versprechen nicht mehr einhalten zu müssen. Man legte Hus ein Schriftstück vor mit 42 Anklagepunkten. Hus konnte die ihm vorgeworfenen „Irrlehren“ allesamt mit Zitaten aus der Bibel widerlegen. Hus wollte mit den Konzilstheologen diskutieren. Gerne sei er bereit, sich anhand der Bibel und der Kirchenväter korrigieren zu lassen. Auf unwürdige Art schrie man ihn einfach nieder, ohne auf seine Argumente einzugehen.

Im weiteren Verlauf drängte man ihn immer wieder, klein beizugeben und zu widerrufen, da man ihn dann vielleicht gnädig laufen lassen könne. Hus wollte sich jedoch auf keine faulen Kompromisse einlassen. Er machte sich keine Illusionen, sondern wusste, dass man ihn ohnehin verurteilen würde. Am 06. Juli verurteilte man ihn publikumswirksam im Dom von Konstanz. Noch einmal versuchte er seine Position zu erklären. Als das ergebnislos blieb, versank er im Gebet und suchte für die bevorstehende Hinrichtung Trost bei Gott. Während er von den versammelten Kirchenvertretern verflucht wurde, betete er laut für seine Gegner. Man setzte ihm eine mit Teufeln bemalte Papierkrone auf den Kopf. Das Priestergewand wurde ihm ausgezogen. Außerhalb der Stadt wurde er ganz entkleidet an den Pfahl gebunden, mit Holz, Stroh und Pech umgeben und angezündet. Bis die Flammen ins Gesicht schlugen, sang er Loblieder. Um jede Erinnerung an ihn auszulöschen, wurden seine verkohlten Gebeine eingesammelt und in den Rhein geworfen.

Hus Anhänger in Böhmen waren nicht eingeschüchtert, wie die Kirchenleitung in Konstanz erhofft hatte, sondern entsetzt und verbittert. Die Hussiten waren nicht länger bereit, mit der katholischen Obrigkeit zu verhandeln. 452 böhmische Adelige schlossen sich zusammen und sandten im September 1415 einen feierlichen Protest an das Konstanzer Konzil. Man nahm sich vor, die freie Predigt zu verteidigen und den Papst nur insoweit anzuerkennen, wie er mit der Bibel übereinstimmte. Aufgrund der Einschränkungen ihrer Religionsausübung trafen sich tausende Hussiten zum Gottesdienst in freier Natur. Der tschechische König Wenzel, Bruder von Sigismund, versuchte, die Hussiten zu unterdrücken und sie aus staatlichen und weltlichen Ämtern zu entfernen. Das führte zum Bürgerkrieg. 1420 begann Papst Martin V. einen Kreuzzeug zur Unterwerfung der Hussiten. Die Heere von Papst und deutschem Kaiser kämpften bis 1436 wenig erfolgreich gegen die Aufständischen. Die Hussiten rangen um ihre nationale und religiöse Unabhängigkeit. Erst durch die Aufspaltung der Bewegung gewannen die katholischen Heere die Oberhand. Reste der Hussiten vereinigten sich später als Böhmische Brüder mit den deutschen Lutheranern.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 27:

Girolamo Savonarola (1452 – 1498 n.Chr.)

Ein Mann Gottes, der wegen seines starken Temperaments eher aus dem Rahmen fällt und auf den ersten Blick nicht wie ein wahrer Knecht Jesu Christi erscheint, war sicherlich Savonarola. Seine scheinbare Selbstgerechtigkeit und sein Übereifer gegen alles Fleischliche und Eitle, war seiner Zeit geschuldet, als der gesetzlose Klerus alles andere als ein Vorbild war.

Girolamo (lat. für Hieronymus) wurde 1452 in Ferrara, Italien, in eine angesehene Bankiers-Familie hineingeboren. Bereits in jungen Jahren zeigte er ein starkes Interesse an religiösen Fragen und eine tiefe Spiritualität. 1474 brach er sein Medizinstudium ab und trat in den Dominikanerorden ein, um – wie er sagte – „nicht wie ein Tier unter Schweinen, sondern als vernünftiger Mensch“ zu leben. Er wurde zunächst Diakon und dann Prediger. In den folgenden Jahren vertiefte er seine theologischen Studien und entwickelte früh eine Leidenschaft für die christliche Moral und die dringende Notwendigkeit einer Reform der Kirche. Sein Ruf als Bußprediger führte ihn 1490 nach Florenz, einer Stadt, die zu dieser Zeit ein bedeutendes kulturelles und politisches Zentrum Europas war. Zugleich war Florenz aber auch von Dekadenz und Korruption durchdrungen. 1491 ernannte man ihn zum Prior. Dies nutzte er sogleich, um das Klosterleben zu reformieren. So sollten die Ordensregeln wieder in der ursprünglichen Strenge eingehalten werden, inkl. dem Armutsgelübde. Seine endzeitlichen Predigten waren leidenschaftlich und voller Feuer, und er kritisierte unerschrocken die moralische Verderbtheit der Kirche sowie die Pracht und Dekadenz der Medici-Herrscher von Florenz.

Im Jahr 1494 ergriffen die Franzosen die Kontrolle über Florenz, was die politische Landschaft der Stadt dramatisch veränderte. Savonarola erkannte diese Gelegenheit, um seinen Einfluss zu stärken. Er verkündete, dass Florenz die „Stadt Gottes“ sein sollte und rief zu einer sittlichen und religiösen Erneuerung auf. Seine Anhängerschaft wuchs rapide, und er wurde de facto Herrscher über Florenz. 1495 untersagte Papst Alexander VI. Savonarola, weiterhin zu predigen. Für kurze Zeit hielt dieser sich auch daran, prangerte aber bald wieder die Missstände in der Kirche an. Anfang Februar 1497 ließ Savonarola große Scharen von Jugendlichen und Kindern („Fanciulli“) durch Florenz ziehen, die „im Namen Christi“ alles beschlagnahmten, was als Symbol für die Verkommenheit der Menschen gedeutet werden konnte.  Dazu zählten nicht nur „heidnische Schriften“ oder pornographische Bilder, sondern auch Gemälde, Schmuck, Kosmetika, Spiegel, weltliche Musikinstrumente und -noten, Spielkarten, aufwendig gefertigte Möbel oder teure Kleidungsstücke. Teilweise lieferten die Besitzer diese Dinge auch selbst ab, sei es aus tatsächlicher Reue oder aus Angst vor Repressalien. Am 7. Februar 1497 und am 17. Februar 1498 wurden all diese Gegenstände auf einem riesigen Scheiterhaufen, dem „Fegefeuer der Eitelkeiten“ auf der Piazza della Signora verbrannt. Der Maler Botticelli warf einige seiner Bilder selbst in die Flammen. Nicht alle, auch nicht alle Ordensmänner und Kleriker, unterstützten diese Verbrennungsaktionen. Dieser Akt zog die Aufmerksamkeit der Kirche in Rom auf sich, und Papst Alexander VI. wurde besorgt über Savonarolas Macht und die mögliche Verbreitung der Reformation. Während seiner kurzen Herrschaft wurde er zum Inbegriff des Moralapostels, wie vor ihm schon der Viehhirte Hans Böhm (1458-1476) aus Niklashausen, der 1476 bereits mit 18 Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Die Spannungen zwischen Savonarola und der Kirche erreichten ihren Höhepunkt. Papst Alexander VI. exkommunizierte Savonarola und beschuldigte ihn der Häresie und des Ungehorsams. Florenz wurde von einer Belagerung bedroht, und die Stadt begann, sich gegen Savonarolas Vorherrschaft zu erheben. Die religiöse Bewegung, die er angeführt hatte, brach zusammen, und er wurde 1498 gefangen genommen. Während seiner Gefangenschaft wurde Savonarola schwer gefoltert und gezwungen, seine Schuld zuzugeben und seine Predigten zu widerrufen. Unter Folterqualen räumte er zunächst seine Schuld ein, widerrief jedoch seine Geständnisse kurz vor seiner Hinrichtung; doch man fälschte seine Prozessakte diesbezüglich.  1498 wurde Girolamo Savonarola zusammen mit zweien seiner engsten Anhänger öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Da einige Frauen versuchten, Knochen als Reliquien mitzunehmen, wurde die Piazza gesperrt und am nächsten Tag Savonarolas Asche in den Fluss Arno geworfen

Obwohl Savonarolas Leben tragisch endete, inspirierte ein mutiger Kampf gegen die Korruption der Kirche und sein Engagement für die moralische Erneuerung spätere Reformatoren wie Martin Luther. Trotzdem kann die Entscheidung, ein gottgefälliges Leben in Armut zuzubringen, nur für jeden Gläubigen selbst getroffen werden und kann unmöglich durch eine übergriffige Bevormundung auf Mitbürger und deren Eigentum veranlasst werden. In diesem Sinne wird Savonarola nicht nur als kontroverser Prediger, sondern auch als Symbol für die Suche nach christlicher Reinheit und sozialer Gerechtigkeit in einer Zeit des Wandels und der Umbrüche in Erinnerung bleiben.

 

„Such, wer da will, ein ander Ziel“  Teil 4

 

April bis Juni 2016

Redet Gott heute noch zu Menschen?

Durch den Rauswurf aus der Freien Evangelischen Gemeinde standen wir nun seit zwei Monaten ohne Gemeinde da, was sich unbedingt ändern musste. Wir beteten, dass der HErr uns leiten möge, in welche Gemeinde wir nun gehen könnten. Da fiel mir ein, dass es in Rollinghausen bei Bassum, etwa 25 km südlich von Bremen, eine bibeltreue Gemeinde gab, die von Bruder Carsten geleitet wurde. Jahre zuvor, als ich noch ungläubig war, brachte ich Ruth und Rebekka mal dorthin, da dort auch Ruths Freundin Raquel hinging. Bei der Begrüßung sagte ein kleiner Junge auf dem Flur zu Rebekka: „Wenn Mädchen Hosen tragen, dann freut sich der Teufel.“ Carsten wohnte mit seiner Frau und seinen vielen Kindern auf einem ehemaligen Gehöft, das seine Mutter vor Jahren mal erworben hatte. Unten gab es einen großen Versammlungsraum mit Auslagen von christlichen Schriften. Viele bekannte Prediger waren hier schon über Jahre ein- und ausgegangen und hielten Bibeltagungen ab. Sofort sah man, dass der HErr den Carsten reich gesegnet hatte.

Nachdem ich mich mit Bruder Carsten aufs Sofa gesetzt und ihm kurz von meinem Werdegang erzählt hatte, erklärte er mir, dass er sich gar nicht sicher sei, ob er seinen Dienst überhaupt noch länger ausüben könne. Ich war sehr überrascht, das zu hören und fragte ihn, was denn passiert sei. Und dann erzählte er mir, dass seine Frau Judith ihn gerade verlassen habe, da sie sich in einen anderen Mann verliebt habe. Selbstkritisch bemerkte er, dass er sich in den letzten Jahren viel zu sehr mit christlichen Projekten beschäftigt habe und sich seine Frau dabei wohl vernachlässigt fühlte. Zuletzt sei er auch noch regelmäßig nach Indien gereist, um dort Spendengelder an die Ärmsten der Armen zu verteilen. Als er gerade von seiner letzten Indienreise zurückkehrte, fand er einen Abschiedsbrief von seiner Frau auf dem Tisch. Obwohl sie andere Gründe vorgab, vermutete er, dass sie sich in den Vater des Verlobten seiner Tochter verliebt hatte. Sollte sich dies bewahrheiten, würde er die Scheidung einreichen, könne dann aber auch nicht mehr dem HErrn dienen, da ein Gemeindeleiter ja gemäß 1.Tim.3:2+5 zwingend verheiratet sein müsse.

Carsten tat mir sehr leid, und ich versprach ihm, für ihn zu beten, dass seine Frau doch zu ihm zurückkehren möge. Am darauffolgenden Sonntag fuhren Ruth und ich zum Gottesdienst nach Rollinghausen. Man spürte eine gedrückte Stimmung bei den Brüdern wie auf einer Beerdigung. Mir fiel auf, dass bei den kurzen Predigten und Gebeten kein einziges Wort der Buße fiel, sondern man die entstandene Situation wie ein zufälliges Unglück betrachtete, auf dass sie keinen Einfluss hatten. Dann bat mich Carsten, ein Zeugnis zu geben, wie ich 20 Jahre zuvor meinen Glauben verlor und der HErr mich dann wieder zurückholte. Ich nutzte die Gelegenheit, um anhand von Offb.3:14-20 vor der Selbstgerechtigkeit zu warnen und die Notwendigkeit der Buße zu betonen.

Nach dem Gottesdienst war gemeinsames Grillen angesagt, und wir setzen uns mit unseren Tellern an einen der Tische auf der großen Wiese hinterm Haus. Auf einmal setzte sich einer der Brüder mit seinem Teller uns gegenüber an den Tisch und sagte: „Hör mal, was Du da vorhin gesagt hast in Deinem Zeugnis, ist aber eine Irrlehre!“ – „Was genau meinst Du?“ fragte ich. „Na, Du hattest gesagt, dass Du vor zwei Jahren im Gebet die Stimme Gottes gehört hättest.“ – „Ja, und?“ – „Das ist gar nicht möglich, denn Gott redet heute gar nicht mehr zu Menschen, sondern nur noch durch Sein Wort, die Bibel.“ Ich war überrascht: „Und was ist mit Joh.10:27, wo der HErr Jesus sagt: ‚Meine Schafe hören meine Stimme…‘?“ Der Bruder war für einen Moment verunsichert und wusste nicht, was er erwidern sollte. Doch dann sprach er: „Der HErr meint damit kein akustisches Reden, sondern nur ein geistliches, indem Er durch die Bibel zu uns redet.“ – „Woher willst Du das wissen?“ fragte ich. „Denn Gott HAT ja durch Seinen Geist zu mir geredet, und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es nicht so war.“ – „Aber vielleicht war dies ein fremder Geist?“ – „Warum sollte ein fremder Geist mich zur Bekehrung führen? Das KANN doch nur der Geist Gottes gewesen sein, denn erst danach kam mir die volle Erkenntnis Seines Willens.“ Die Skepsis des Bruders – so schien mir – lag wohl offensichtlich darin begründet, dass er selbst dieses Reden des Geistes schon lange nicht mehr erfahren hatte (wenn überhaupt je) und deshalb schloss er von sich auf andere. Überdeutlich war auch eine völlige Ablehnung der Charismatik bei ihm spürbar, durch die er dem anderen Extrem verfallen war.

Seine eigene Denkweise als alleingültigen Maßstab anzusehen, anstatt sich gemäß Jak.3:17 auch mal wohlwollend etwas Neues zeigen zu lassen mit einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Korrektur – dieses Phänomen beobachtete ich zu jener Zeit auch im Austausch mit Bruder Helmut (80) aus Siegen, der uns Mitte April mit seiner Schwester besuchen kam. Helmut betreibt seit 35 Jahren eine sog. Heimschule, durch welche er gläubige Eltern mit Rat und Tat zur Seite steht, die ihre Kinder aus Glaubensgründen nicht in staatliche Schulen schicken wollen. Wir hatten uns bereits 25 Jahre zuvor mal kennengelernt bei den Brüdern Hans-Jürgen und Eberhard aus Plech, als es um die Frage der Prophetie ging. Denn Helmut ist ein sog. Antimillenialist, d.h. er glaubt nicht an eine wörtliche Auslegung der biblischen Prophetie, sondern vergeistlicht alles, indem er die Ereignisse nur bildlich verstanden haben möchte. Das Malzeichen des Tieres deutete er z.B. als dreidimensionale Vergöttlichung des Menschen, der in seinem Wunsch nach Vervollkommnung nicht mehr nach Seinem Schöpfer fragt, sondern sich selbst zum autonomen Maßstab aller Dinge erklärt. Dass es über die durchaus zutreffende Bedeutung aber auch noch ein buchstäbliches Malzeichen gibt, das von außen erkennbar und dadurch überprüfbar wird (wie damals der Hitlergruß), um alle Verweigerer wie in Daniel 3 verfolgen zu können, daran glaubt er nicht.

Wegen dieser Einseitigkeit war Helmut bereits vor Jahren aus der Brüdergemeinde ausgeschlossen worden und war deshalb auf diese auch nicht gut zu sprechen. Er schenkte mir eines seiner Bücher, in welchem er das ganze Buch der Offenbarung allegorisch auslegte, um dadurch die Schrecknisse der Apokalypse umzudeuten, die er als absurd und viel zu grausam empfand, um sie dem Gott der Bibel zuzuschreiben. Als ich ihm daraufhin bekannte, dass ich ebenfalls von den meisten Gläubigen abgelehnt werde, da ich an die in Kol.1:20 bezeugte Versöhnung Gottes mit Seinen Geschöpfen glaube, lehnte auch Helmut meine Überzeugung ab, obwohl eine unendliche Qual im Feuersee doch weitaus absurder und grausamer wäre als die irdische Bestrafung Gottes in der Apokalypse. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Helmut, der ja auch wie ich ein Verstoßener war, Verständnis hatte für die Notwendigkeit gegenseitiger Toleranz und dem demütigen Eingeständnis eigener Fehlbarkeit in der Erkenntnis. Stattdessen glaubte er, dass ich nach meiner Rück-Bekehrung „einen anderen Geist“ bekommen hätte, der mich und andere betrügen würde.


Geschlossene Brüder

Nachdem ich vor zwei Jahren wieder zurückgekehrt war zum HErrn Jesus, hatte ich auch meine gläubige Pflegemutter Hedi (82) informiert und mehrere Male besucht. Sie war hoch erfreut über meine Rückbekehrung und berichtete mir, wie ihr Mann, Bruder Edgard, sechs Jahre zuvor mit 84 Jahren durch eine schwere Gallenblasenentzündung heimgegangen war. Und obwohl Hedi selbst auch an Leukämie litt, war sie sehr tapfer und ertrug ihre Einsamkeit durch viel Gebet und tägliche Hausarbeit. Mir fiel auf, dass sie sehr ängstlich geworden war, indem sie jede Tür im Haus immer abgeschlossen hielt, da sie panische Angst vor Einbrechern hatte. Gelegentlich bekam sie noch Besuch von der sog. „Alten Versammlung“ (exklusiven Brüdergemeinde), in die sie zuletzt ging. Die Brüder rieten ihr, das Haus in Bremen-Blumenthal zu verkaufen und den Erlös für das Werk des HErrn zu spenden. Sie boten ihr einen Platz in einem christlichen Pflegeheim an, doch Hedi war der Ansicht, dass man „einen alten Baum nicht verpflanzen dürfe“. Hedi schwärmte von den Predigten der Brüder und schenkte mir eine ganze Menge Predigt-Kassetten. Da sie in der Ernsthaftigkeit sehr der Belehrung des alten Bruders Daniel ähnelten, kam mir die Idee, dass dies unsere neue Gemeinde werden sollte.

Als ich dann am darauffolgenden Sonntag den Gemeinderaum der „Christlichen Versammlung“ in der Haferwende 10a in Bremen-Horn betrat, hatte ich das Gefühl, dass viele Augen misstrauisch auf mich blickten (später erfuhr ich, dass einige mich kannten und sich fragten, was ich als „Atheist“ in ihrer Gemeinde wolle). Männer und Frauen saßen getrennt voneinander, und zwar die Frauen im hinteren Teil des Gemeinderaums. Die älteren Brüder saßen um einen langen Tisch herum, während die jüngeren oder unbedeutenderen (wie ich) in zweiter oder dritter Reihe hinter ihnen saßen. Alles war im Grunde wie früher Anfang der 90er, als ich mit Ruth zusammen häufig die Brüdergemeinde besuchte. Wie damals hatten sie noch immer den Brauch, dass man während der Lieder, dem Gebet und der Predigt immer lange Pausen machte von bis zu 5 Minuten, bis dann einer der Brüder aufstand und mit ernster Stimme sagte: „Lasst uns beten!“ Dieses andächtige Warten hatte wahrscheinlich mal seinen Ursprung in dem Wunsch, möglichst nicht aus einem menschlichen oder traditionellen Motiv heraus zu handeln, sondern sich stattdessen vom Heiligen Geist stimulieren zu lassen. Deshalb war es auch „verboten“, sich für die Predigt vorzubereiten, sondern jede Handlung sollte möglichst spontan vom Geist Gottes gewirkt sein. Während dieser langen Unterbrechungen kamen mir jedoch immer wieder Zweifel, ob diese angebliche Geistleitung nicht einfach nur eine gewohnte Inszenierung sei, denn warum sollte der Heilige Geist jedes Mal so eine gleich lange Pause machen wollen, bis Er einen der Brüder zum Reden animiert?

Nach dem Gottesdienst kam ein Bruder namens Günther auf mich zu und fragte mich nach meiner Herkunft und meinem Glaubensstand. Ich erklärte ihm, dass ich schon mal Christ war, aber dann Atheist wurde und jetzt erst seit kurzem wieder gläubig sei. Wir sprachen dann allgemein über die Frage, ob man überhaupt sein Heil wieder verlieren könne (was nach ihrem Verständnis unmöglich war). Am darauffolgenden Sonntag nahm ich Ruth mit, die ebenso wie ich einen positiven Eindruck hatte. Sie wunderte sich nur, dass es außerhalb des Gebäudes eine Raucherecke gab, wo hauptsächlich die jüngeren Gläubigen zusammenstanden und rauchten. Ruth fragte sich, wie man es überhaupt dulden könne, dass einzelne Gemeindeglieder noch rauchten, was doch nur in der Welt üblich sei. Sie wusste nicht, dass auch der deutsche Gründer der Brüderbewegung, Carl Brockhaus (1822-1899), ein Raucher war. Mich persönlich störte dies nicht so sehr, da wir ja alle unsere Schwächen haben. Was ich viel problematischer fand, war, dass die Predigten zwar alle sehr informativ waren, aber ganz häufig keinen Bezug zum eigenen Leben hatten. Ich tat mich schwer damit, sie als geistlich zu bezeichnen, da sie eher der deutschen Verkopftheit Rechnung trugen. Ich erinnere mich noch, wie einmal einer über Apg.18 sprach, indem er einfach nur mit vielen eigenen Worten das wiederholte, was dort ohnehin stand und es mich nur langweilte. Auch verstand ich nicht, warum ich (noch) nicht am Abendmahl teilnehmen durfte, obwohl ich doch schließlich ein Kind Gottes war und die Bedeutung des Abendmahls längst verstanden hatte.

Einer der Brüder mit Namen Ralf (48) bot mir an, mich einmal in der Woche besuchen zu kommen, um mit mir über biblische Fragen zu diskutieren. Zunächst dachte ich in naiver Weise, dass es dem Ralf einfach nur darum ging, mit mir als einem Gleichaltrigen und ebenbürtig biblisch Bewanderten locker und unkompliziert über schwierige Themen der Bibel zu plaudern. Erst nach vielen Wochen, in denen er mich von nun an regelmäßig besuchte, wurde mir klar, dass es ihm eigentlich gar nicht um einen freundschaftlichen und unbeschwerten Austausch mit mir ging, sondern darum, mich von meinen aus seiner Sicht falschen Ansichten zu befreien, um mich dadurch auf Linie zu bringen. Mir aber gaben diese wöchentlichen Treffen bei mir im Wohnzimmer die Gelegenheit, die Ansichten der Brüderbewegung immer detaillierter kennenzulernen, ohne dass ich die Notwendigkeit sah, sie mir zu eigen zu machen. Merkwürdig fand ich, dass mich Ralf nie zu sich nach Haus einlud, um auch mal seine Frau kennenzulernen. Überhaupt ließ sich Ralf nie auf persönliche Gespräche ein, sondern verhielt sich mir gegenüber eher wie ein Nachhilfelehrer, der mir nichts mehr beibringen konnte, es aber trotzdem immer wieder beharrlich versuchte.


An allen Wassern säen
(Jes.32:20)

Nicht nur durch Facebook, wo ich inzwischen über 1000 Freunde hatte, sondern auch durch das regelmäßige Evangelisieren an den Samstagen in der Bremer Innenstadt lernte ich im Lauf der Zeit immer wieder neue Gläubige kennen aus den unterschiedlichsten Richtungen. Da ich ja selbst in einer Sekte aufgewachsen war mit z.T. traumatischen Erinnerungen, versuchte ich nun mit Gottes Hilfe eine Liebe zu allen Heiligen zu üben, auch wenn sie noch so skurril und gewöhnungsbedürftig waren. So lernte ich eines Tages die Schwester Margret (30) aus Kamerun kennen, die zwar nur gebrochen Deutsch sprach, jedoch eine sehr eifrige und fast schon aufdringliche Evangelistin war, die keine Hemmungen hatte, jeden Menschen auf der Straße vom HErrn Jesus zu erzählen und ihn oder sie zu einem Übergabegebet zu drängen. Wir luden sie und andere Brüder aus ihrer schwarzen Gemeinde zu uns ein und spürten sofort eine ganz enge Vertrautheit. Sie wiederum luden mich zu ihren evangelistischen Veranstaltungen ein, wo Margret in ihrer traditionellen afrikanischen Kleidung das Evangelium predigte und englische Lieder sang. Sie brachte mich auch in Kontakt mit einer sehr jungen Evangelistentruppe, die sich „Werde-Licht-Mission“ nannte und hauptsächlich aus aramäischen Christen bestand. Einer von ihnen mit Namen Raymond (17) nahm mich in ihre WhatsApp-Gruppe auf, in welcher sie sich über biblische Fragen austauschten.

Bei einer dieser Evangelisationseinsätze marschierten wir mit Schildern und Traktaten durch die Bremer Innenstadt, während einer der Brüder mit Lautsprecher den Triumph Christi am Kreuz verkündigte. Während ich gerade einem Geschäftsmann am Straßenrand einen Flyer geben wollte, rief der Bruder laut durch das Megaphone: „EUER REICHTUM WIRD EUCH NICHTS NÜTZEN, DENN IHR WERDET IN DIE EWIGE VERDAMMNIS KOMMEN!“ Da fragte mich der Mann entgeistert: „Gehören Sie auch zu diesen Irren?“ – Ich weiß nicht mehr, was ich ihm antwortete, aber spürte in mir eine tiefe Verlegenheit. Haben wir überhaupt das Recht dazu, den Ungläubigen die Hölle heiß zu machen, indem wir sie bedrohen und einschüchtern? Wo bleibt denn hier der freie Wille, wenn man die Menschen mit unvorstellbar grausamen Folterqualen erpresst? Wirkt es nicht geradezu abstoßend, den Leuten von oben herab anzukündigen, dass sie einmal für alle Ewigkeit von Gott verstoßen werden?  Wie konnte ich überhaupt mich mit einer solchen Botschaft eins machen, wenn ich doch glaube, dass Gott wirklich alle Menschen erretten will und Sein Wille sich auch eines Tages erfüllen wird, indem der HErr ihnen einmal nahezu alle Schuld erlassen wird?

Als ich wieder zuhause war, schrieb ich am Abend in die WhatsApp-Gruppe: „Ich hab mal eine Frage an Euch alle, und zwar in gewisser Weise ein Gedankenexperiment: Stellt Euch mal vor, Gott würde Euch einmal am Gericht des Weißen Thrones als »Schöffen« zu Rate ziehen und Euch fragen, wie Er mit all den Ungläubigen der gesamten Menschheit verfahren solle, indem Ihr über das Strafmaß entscheiden sollt; und zwar entweder:

  1. alle zu begnadigen,
  2. alle zu einer zeitlich begrenzten Höllenstrafe zu verurteilen, oder
  3. alle zu einer nie mehr endenden Höllenstrafe zu verurteilen.

Ganz ehrlich: Wie würdet Ihr Euch entscheiden?“

Schon bald darauf kamen die Reaktionen. Der erste schrieb: „In aller Ehrfurcht hätte ich Nr. 2 genommen. Aber der ewige, vollkommene Gott ist gerecht mit Seiner ewigen Strafe. Eigentlich will ich mir das gar nicht vorstellen, denn ich fühle mich noch nicht einmal würdig, daran zu denken, dass Gott ausgerechnet mich um Rat fragt, denn das ist eine unglaublich große Verantwortung, die ich nie verdient hätte.“ Daraufhin fragte ich zurück: „Kann denn überhaupt meine Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit größer sein, als die von Gott?“ Ein anderer entgegnete: „Solche Fragen dürfen wir uns gar nicht stellen, Bruder, denn es ist völlig irrelevant, wie wir uns entscheiden würden! Tatsache ist doch, dass Gott eine absolute Heiligkeit und Gerechtigkeit hat. Und es steht auch fest, dass die Unerretteten für alle Ewigkeit verloren sind. Andernfalls würden ja alle gerettet werden nach einer Zeit. Warum sollte Gott am Ende die belohnen, die nicht mit Ihm leben wollten?“ – „Aber wir wollten doch auch nicht mit Ihm leben und hatten uns das ewige Leben auch nicht als Belohnung verdient, sondern es war reine Gnade, dass Er uns den Glauben geschenkt hat. Warum denkst Du, dass Gott nicht auch ihre Herzen eines Tages noch gewinnen kann, wo Er doch alles vermag und Ihm nichts unmöglich ist?

Nun hatte einer von ihnen einen Verdacht: „Was sollen diese Fragen? Du redest schon wie ein Allversöhner. Bist Du etwa ein Allversöhner?“ Ich erklärte ihnen, dass ich gar kein Allversöhner sein kann, da nur Gott selbst in der Lage war, das All mit sich selbst zu versöhnen. Daraufhin hagelte es Kritik von allen Seiten: „Das ist der jetzige Zeitgeist, der uns eine falsche Art der Liebe Gottes in unsere Herzen pflanzen will, sodass wir entweder Gott ungerecht sehen oder Ihn uns zurechtbasteln.“ Als ich sie dann daran erinnerte, dass Gott doch alle Menschen erretten will und sie zur Erkenntnis der Wahrheit, bzw. des HErrn Jesus bringen will (1.Tim.2:4), schrieb einer: „Genauso fangen auch die Zeugen Jehovas an! Die meisten christlichen Sekten sind aus solchen Gründen entstanden, weil sie nach ihren menschlichen Maßstäben alles immer verstehen wollen. Manchmal müssen wir einfach wie Kinder das Wort so wie es ist annehmen, auch wenn es in unser eigenes Gerechtigkeitsverständnis nicht reinpasst. Aber Du musst wissen, dass Gott unseren freien Willen respektiert, und deshalb errettet Er nicht jeden, obwohl Er gerne wollte.“ Als ich dann immer mehr Bibelstellen ins Feld führte, schrieb einer von ihnen, dass die Allversöhnungslehre ein „süßes Gift“ sei und man sich vor mir hüten müsse, weil ich das Potential hätte, die Schwachen zu verführen. Sie baten Raymond als Gruppen-Admin, mich zu blockieren, was dieser dann tat.

Das war’s also. Jetzt wussten sie mein Geheimnis. Schade, dass sie mir keine Chance geben wollten, meine Überzeugung näher zu begründen. Aber ich wollte diese Trennung aus Gottes Hand annehmen und weiter für sie beten.

Am darauffolgenden Samstag wollte ich wie immer in die Obernstraße gehen an den Büchertisch der Brüdergemeinde zum Traktate-Verteilen. Aber dann erfuhr ich, dass es an jenem Tag auch ein öffentliches Gemeindefest auf dem Ansgaritorplatz gab, wo ebenfalls auf einer Bühne gepredigt und musiziert wurde. Als ich dorthin kam, sah ich einen mir bekannten Pfingstler namens Ralf, den ich schon oft beim Evangelisieren getroffen hatte. Da er ein Mikrophon in der Hand hatte, ging ich zu ihm hin und fragte ihn, ob ich vor der Menge mal ein evangelistisches Zeugnis geben könne. Sofort gab mir Ralf sein Mikrophon und ich begann, laut darüber zu berichten, was Gott an mir getan hatte und wie man errettet werden könne. Auf einmal zog eine Demo von Muslimen die Obernstraße entlang, und ich nutzte die Gelegenheit, um zu erklären, dass Mohammed ein falscher Prophet sei und nur der HErr Jesus als Sohn Gottes der einzige Retter und Messias sei. Dann erklärte ich noch, dass auch die Evangelische und Katholische Kirche mit ihrer Säuglingstaufe verkehrt sei und die Menschen verführe. Auf einmal nahm ich links im Augenwinkel einen kleinen Mann war, der auf der Bühne zu mir kam, als ob er mir das Mikrophon wieder wegnehmen wollte. Ich beendete meinen Vortrag und überreichte ihm das Mikro. Daraufhin nahm er mich beiseite und sagte: „Schau mal bitte auf das Fahnenbanner hier oben! Was siehst Du dort? Welches Symbol erkennst Du?“ – Ich antwortete: „Das der Evangelischen Kirche?“ – „Ja, genau!“ sagte er. „Dies hier ist eine Veranstaltung der Bremischen Evangelischen Kirche, und ich bin ein Vorstandsmitglied und Leiter vom Lighthouse. Du kannst doch hier auf einer Veranstaltung der Evangelischen Kirche nicht gegen die Evangelische Kirche predigen! Wer bist du überhaupt?“ Noch bevor ich etwas sagen konnte, fuhr er im flüsternden Ton fort: „Ich kann Deine Kritik ja nachvollziehen und Dir in Teilen sogar recht geben. Aber stell Dir nur vor, wenn einer von der Synode Dich jetzt gehört hätte,- was ich dann für einen Ärger gekriegt hätte! Wir Evangelikalen wollen die Menschen doch mit einer positiven Botschaft gewinnen und nicht mit einer negativen abschrecken!“

Als nächstes sprach mich ein anderer an und erzählte mir irgendwas von einer Emerging Church, was ich aber nicht verstand. Wie im Taumel verließ ich sie und ging zum Büchertisch der Brüdergemeinde, der etwa 100 Meter entfernt war. Ich begrüßte die Geschwister und wollte gerade anfangen mit dem Traktate-Verteilen, da sprach mich von hinten auf einmal Schwester Margret an, die mir gefolgt war. In ihrem gebrochenen Deutsch bezeugte sie mir und den Brüdern, dass sie das ganz wichtig fand, was ich gerade gepredigt hatte und ermutigte mich zum Weitermachen. Als sie weg war, fragten mich die Brüder, wer diese schwarze Charismatikerin sei und wovon sie sprach. Ich erklärte ihnen, dass ich gerade auf der Veranstaltung der BEK war und eine Rede halten durfte. Daraufhin sagte einer der Brüder namens Tayfun: „Simon, ich verstehe nicht, warum Du Dich dort herumtreibst, wo Du doch eigentlich wissen solltest, dass dies eine rein kirchliche Veranstaltung ist, mit der wir nichts zu tun haben wollen. Als Christen müssen wir aus Babylon hinausgehen und dürfen uns nicht mit ihnen eins machen.“ Ich erklärte ihnen, dass wir das Evangelium an allen Wassern säen sollten, wo immer sich eine Gelegenheit biete. Tayfun war hingegen der Meinung, dass die Kirche böse sei und wir uns von allem Bösen fernhalten müssen.

Am nächsten Tag war Gottesdienst in der Brüdergemeinde und zu meiner Überraschung ging diesmal der kleine Bruder Tayfun nach vorne. Als er uns bat, wir mögen doch Ruth 2 aufschlagen, da wusste ich schon genau, was er predigen wollte, denn seine Botschaft bezog sich auf den Vorfall mit mir am Vortag: „Höre mir zu, meine Tochter! Geh nicht zum Auflesen auf ein anderes Feld, geh auch nicht von hier fort, sondern halte dich da zu meinen Mägden! Richte deine Augen auf das Feld, wo man schneidet, und geh hinter den Sammlerinnen her!“ Wie zu erwarten rügte Tayfun die Haltung mancher Christen, die sich auf fremden Feldern rumtrieben, anstatt sich nur dort aufzuhalten, wo der Tisch des HErrn sei und man sich allein zum Namen des HErrn Jesus versammeln würde. Als ich Bruder Tayfun Jahre später darauf ansprach, dass er diese Predigt auf mich gemünzt hatte, bestritt er dieses vehement, betonte jedoch: „Vielleicht wollte der Heilige Geist dadurch zu Dir sprechen…


Juli bis September 2016

Hochzeit in weißer Malerhose

Obwohl mein Zwillingsbruder Marcus schon seit 2005 mit einer charismatischen Schwester aus Hannover namens Viola (43) befreundet war, machte er ihr erst 2014 einen Heiratsantrag. Marcus hatte lange mit dieser Entscheidung gezögert, obgleich er jeden Abend mit Viola telefonierte, jedes Wochenende mit ihr in Hannover verbrachte und mit ihr zusammen jahrelang auf Bibelfreizeiten, evangelistischen Einsätzen und Kirchentagen ging. Da sie jedoch nicht bereit war, auf ihre Zungenrede zu verzichten, ihren Beruf aufzugeben und nach einer Hochzeit mit ihm in Bremen zu leben, hatte Marcus Zweifel, ob sie wirklich die Richtige für ihn war. Schließlich aber verzichtete Marcus auf einen Großteil seiner Bedingungen und bat Viola um ihre Hand.  Zu seiner großen Überraschung war es aber nun Viola, die zögerte und sich noch Bedenkzeit erbat. Zufällig lernte Marcus zu jener Zeit noch eine andere Schwester namens Christine (51) kennen, die wie er regelmäßig nach Rotenburg zur Hausgemeinde von Bruder Andreas fuhr. Da Marcus sie häufig im Auto mitnahm und sie ihm sagte, dass sie geschieden sei, erklärte Marcus ihr schon bei der ersten Begegnung, dass er niemals eine Geschiedene heiraten würde.

Doch im Verlauf des Jahres 2015 war Marcus diesbezüglich zu einem anderen Bibelverständnis gelangt, nämlich dass man eine unschuldig Geschiedene sehr wohl heiraten dürfe, wenn der erste Mann die Ehe gebrochen und eine andere Frau geheiratet hatte, da es ja in einem solchen Fall gar keine Möglichkeit mehr gab, dass die Gläubige sich mit ihrem Ex-Ehemann versöhnen könne. Dennoch wollte Marcus noch einen allerletzten Versuch starten und Viola noch ein weiteres Mal fragen, indem er sich vornahm, im Falle einer Ablehnung dann um Christines Hand anzuhalten. Da Viola auch diesmal noch zögerte, hatte Marcus endlich Gewissheit und machte am nächsten Tag Christine einen Heiratsantrag, den diese annahm. Als Marcus sich eine Woche später noch ein letztes Mal von Viola verabschieden wollte, gab Viola ihm grünes Licht. Aber es war zu spät.

Viola gab sich jedoch nicht geschlagen, sondern war sich sicher, dass Marcus der Mann für ihr Leben sei. Deshalb betete sie jeden Tag, dass der HErr doch die Hochzeit mit ihrer Rivalin vereiteln möge. Sie rief auch mich an und bat mich, dass ich ihr am geplanten Hochzeitstag, den 28.07.2016, doch sofort nach dem Ja-Wort der beiden eine Bestätigung per SMS schicken möge, damit sie wisse, dass sie nicht weiter dagegen anbeten brauche. Marcus indes hatte die spontane Idee, dass er anlässlich seiner Standesamtlichen Hochzeit ganz in Weiß heiraten wolle, jedoch nicht im feinen Anzug, sondern in Malerkleidung, was wir alle sehr lustig fanden. Bis zuletzt war Viola jedoch felsenfest davon überzeugt, dass Gott den Marcus für sie bestimmt hatte. Als ich ihr dann die Nachricht mitteilte, dass sich die beiden das Ja-Wort gegeben hatten, brach Viola voller Trauer zusammen und brauchte mehrere Jahre, um sich von dieser Enttäuschung zu erholen.

Unterdessen hatte mein Vater Georg (75) mehr Glück in der Liebe: Bereits 2010 hatte er eine Dame kennengelernt namens Irmtraut (84), die schon eine leichte Demenz hatte, aber umso zutraulicher und unkomplizierter war. Ihr Sohn bot ihm an, ihm monatlich 350,- € zu zahlen, wenn er sie pflegen würde (mein Vater ist gelernter Krankenpfleger). Irmtraut vergaß zwar alles schon nach wenigen Minuten, aber war ansonsten körperlich noch topfit. Seither nahm mein Vater sie überall mit hin, mal nach Tunesien, mal auf seine Parzelle – sie lief ihm immer treu hinterher und beklagte sich nie – trotz zuweilen widriger Umstände – sondern war immer nur fröhlich lächelnd.

Auch unsere Tochter Rebekka (20) war sich inzwischen sicher, dass ihr Freund Dennis (19) die Liebe ihres Lebens war, und sie unternahmen immer häufiger Ausflüge zusammen. Da sie jedoch (noch) nicht verheiratet waren, erlaubten wir ihnen nicht, bei uns allein in Rebekkas Zimmer zu verbringen, sondern sie durften sich nur im Wohnzimmer aufhalten. Als Rebekka im Mai 2016 ihr Abitur bestanden hatte, entschied sie sich, Lehrerin zu werden und bewarb sich um einen Studienplatz für Germanistik und Spanisch. Um nebenbei etwas Geld zu verdienen, kellnerte sie zunächst in Restaurants, entschied sich jedoch

dann, auch als Fotomodel für verschiedene Modelagenturen zu arbeiten – was wir mit großer Sorge verfolgten. Als wir dann die ersten Fotos sahen, fiel uns die Kinnlade runter. Unsere Tochter war tatsächlich ausnehmend schön. Kein Wunder, dass sie nun überall Termine erhielt, um auf Foto-Shootings abgelichtet zu werden zusammen mit Schauspielern und Prominenten. Wir beteten nur, dass sie nicht auf die schiefe Bahn kommen möge.


Eva kommt nach Deutschland

Anfang August kam Ruths Cousine Eva (45) nach Deutschland. Wir luden auch bald darauf ihre Nichte Fanny zu uns ein, die ja in Bremen wohnte. Zu unserer Überraschung war das Gespräch zwischen Fanny und Eva ganz entspannt – trotz des Missbrauchsvorwurfs, der im Raum stand. Fanny gab sogar zu, dass sie sich ganz schwach erinnern könne, wie ihre Mutter Melania damals im Innenhof hinter ihrer Schwester hinterherrannte, um sie zu schlagen. Den Missbrauch ihres Vaters hielt sie für möglich bzw. konnte diesen zumindest nicht ausschließen. Dadurch fiel Eva ein Stein vom Herzen, denn das war das erste Mal, dass jemand von den Töchtern Melanias ihr glaubte. Fanny sagte auch, dass sie sich erinnern konnte, wie ihr Vater die Familie verlassen wollte und ihre Mutter die drei Töchter damals vorübergehend zu Verwandten brachte. Von dem Missbrauch selbst hatte sie nichts mitbekommen, da sie noch zu klein war.

Am darauffolgenden Samstag fuhr ich mit Eva in die Bremer Adventgemeinde, weil Eva als Adventistin unbedingt mal eine deutsche Adventgemeinde kennenlernen wollte. Nach dem Gottesdienst, der mir sehr gut gefiel, sprach uns ein bulgarischer Bruder an namens Jordan Stoimenov (44), der fließend Spanisch konnte, weil er als LKW-Fahrer viel Zeit hatte, um sich mehrere Sprachen beizubringen. Bruder Jordan hatte nie geheiratet und war ein fleißiger Evangelist, der sogar mal Präsident Gorbatschow bei einem Empfang eine russische Bibel schenkte, worüber die BILD-Zeitung einen ganzseitigen Artikel schrieb. Da Jordan sehr eifrig und sympathisch war, luden wir ihn zu uns in den Hauskreis ein, an dem er fortan regelmäßig teilnahm.

Im September fuhren wir dann mit Eva nach Ludwigsstadt zu meinem väterlichen Freund Bernd Fischer (77) und seiner Frau Brigitte (78), die für mich schon wie geistliche Eltern geworden waren. Als Eva ihnen noch einmal mit eigenen Worten alles berichtete, was ihr in ihrer Kindheit angetan wurde, brach sie immer wieder in Tränen aus, so dass die beiden innerlich sehr bewegt waren. Inzwischen hatte Bernd auch einen Brief von Florian und Yenny bekommen, in welchem sie die Untaten ihrer Eltern abstritten und die Glaubwürdigkeit von Eva infrage stellten. Bernd hielt es für nahezu ausgeschlossen, dass Eva sich diese ganze Geschichte nur ausgedacht hatte, zumal sie die Vorwürfe schon seit über 30 Jahren gleichlautend erhob, obgleich sie in ihrer Kindheit noch nicht einmal verstand, was Felix mit ihr angestellt hatte, da sie noch nicht aufgeklärt war. Florian hingegen berichtete von Melanias ältester Tochter Madeleine, dass Eva aus heiterem Himmel auf einmal eine unerklärliche Feindschaft gegen ihre 15 Jahre ältere Schwester Melania entwickelt habe, die in der Folge dann zu diesem Missbrauchsvorwurf führte. Warum aber sollte ein kleines Mädchen plötzlich ohne jeden Grund ihre Schwester hassen und ihr den Tod wünschen?

Bernd war der Überzeugung, dass der Missbrauchsvorwurf durch die Gemeinde in Lima aufgeklärt werden müsse, in welche die Eltern jetzt gingen, da sie ja nach Mat.18:15-17 auch trotz der Zeugen noch nicht Buße getan hätten. Dazu aber seien Zeugenaussagen der Eltern Melanias und Evas ebenso wertvoll wie die Zeugenaussage ihrer leiblichen Brüder Benigno, Santiago und Abad, sowie der von ihrer Tante Lucila, an die sie sich damals als Kind ja zuerst gewandt hatte. Wenn all diese Zeugen von damals den Missbrauchsvorwurf bestätigten, dann tendiere die Wahrscheinlichkeit einer frei erfundenen Verleumdung gegen Null. Umso wahrscheinlicher und nachvollziehbarer hingegen sei das Motiv der Täter, eine so schreckliche Tat abzustreiten und die Klägerin einfach als Lügnerin zu diffamieren. Wären sie aber wirklich unschuldig, würden sie die Taten nicht einfach nur abstreiten, sondern aus Liebe zur Wahrheit aktiv an der Selbstentlastung mitwirken. Durch ihre Verweigerung, mit uns zu sprechen, taten sie aber genau das Gegenteil – wohl in der Hoffnung, die Vorwürfe einfach aussitzen zu können, bis sie irgendwann einfach in Vergessenheit geraten.

Eva genoss die Liebe und das Vertrauen, das ihr von Bernd und Brigitte entgegengebracht wurde, und Bernd versprach ihr, sich für sie einzusetzen und durch Fürsprache eine Versöhnung zwischen ihr und ihren Nichten Yenny und Miriam herbeizuführen oder wenigstens anzustreben. Am nächsten Tag unternahmen wir einen Ausflug ins ehemalige Konzentrationslager Buchenwald, das sich in der Nähe der Stadt Weimar befand. Durch den Schrecken, dem wir dort in Bildern und Worten begegneten, wurde Eva wenigstens mal für einen Tag völlig von ihrem eigenen Leid abgelenkt. Nach drei Tagen fuhren wir dann weiter zu Johannes, Bernds Sohn, der mit seiner Frau Diana und ihren fünf Söhnen in der Nähe von Bautzen wohnte, da diese uns eingeladen hatten. Zusammen mit der Familie machten wir u.a. einen Ausflug in die sog. Sächsische Schweiz mit ihren berühmten Felsformationen.

Als wir wieder zuhause in Bremen waren, ereignete sich ein schwerer Unfall, der meiner Frau Ruth und der Eva beinahe das Leben gekostet hätte: In einer Nacht fuhren Ruth und Eva gerade von einem Besuch bei ihrer Freundin Raquel heim. Ruth fuhr mit etwa 110 Std/km auf der rechten Spur der A 27 als gegen 22:30 Uhr plötzlich ein Wagen mit sehr hoher Geschwindigkeit einem überholenden Fahrzeug auf der Überholspur ausweichen musste und dabei quer nach rechts auf Ruths Wagen stieß, indem er diesen wie eine Billardkugel von hinten rammte. Durch die enorme Wucht des Stoßes wurde ihr Wagen gegen die Mittelleitplanke geschleudert und drehte sich dabei mehrfach um die eigene Achse bis er auf der Überholspur rückwärts zum Stehen kam. Durch ein Wunder Gottes sind dann die nachfolgenden Autos trotz hoher Geschwindigkeit rechts an ihr vorbeigezogen, anstatt mit ihr frontal zusammenzuprallen. Zunächst ließen sich die Türen nicht öffnen, doch dann lief ein mutiger Türke zu ihnen und befreite sie aus dem Wagen. Ruth hielt diesen zunächst für den Unfallverursacher und schimpfte mit ihm. Dieser aber griff Ruth und Eva am Arm, rannte mit ihnen quer über die Autobahn und brachte sie hinter der Leitplanke in Sicherheit. Der Unfallverursacher lag indes schwer verletzt im Koma und wurde zusammen mit Ruth und Eva in eine nahe gelegene Klinik gebracht. Er war vermutlich auch gläubig, denn in seinem Wagen fanden sich zwei Bibeln und Notizen zu Bibelstellen. Als sich in der Folge nun ein Stau bildete, fuhr ein Transporter versehentlich in das Stauende und wurde daraufhin ebenso bewusstlos ins Krankenhaus gebracht. Trotz der gefährlichen Lage hatte der HErr aber nicht zugelassen, dass irgendjemand in der Nacht starb, und sogar Ruth hatte trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit kein Schleudertrauma erlitten.


Mein Rauswurf aus der Exklusiven Brüdergemeinde

Bereits im Juli hatte ich bei den Ältesten der Gemeinde einen Antrag gestellt, dass ich gerne am Abendmahl teilnehmen würde. Da ich jedoch noch immer an die Verlierbarkeit des Heils glaubte, war es für die Brüder schwierig, meinem Antrag so ohne weiteres zuzustimmen.  Bruder Ralf, der mich noch immer jede Woche zum privaten Bibelaustausch besuchte, gab mir den Tipp, mich einfach nicht mehr zur Verlierbarkeit des Heils zu äußern, denn wenn ich sie für mich behielte, wäre ich ja noch kein Irrlehrer. „Würdest Du von etwas schweigen, wenn Du es von der Schrift her als Wahrheit erkannt hast?“ fragte ich ihn. „Das kommt darauf an. Wenn ich mit meiner Lehrmeinung in einer Gemeinde alleine bin, würde ich mich der Mehrheit unterstellen und solange um die richtige Erkenntnis beten, bis entweder ich oder die anderen von ihrem Irrtum überführt werden.“ – „Aber was ist so schlimm daran, wenn Brüder in Lehrfragen eine andere Erkenntnis haben?“ – „Das weißt Du genau, Simon, denn die Schrift spricht z.B. in 2.Johannesbrief vom lehrmäßig Bösem im Unterschied zum moralisch Bösem. Für beides darf beim Tisch des HErrn kein Platz sein.“ Ich wusste auf dieses Argument keine Erwiderung und bot dem Bruder Ralf an, dass ich in Zukunft einfach schweigen würde zu diesem Streitthema.

Inzwischen hatte ich mich jedoch auch schon auf meiner Hahnenschrei-Seite im Internet zu dieser Frage geäußert, ohne zu ahnen, dass einige der Brüder sie bereits untersucht hatten. Sie teilten mir mit, dass es zu einer „Anhörung“ komme (so als ob ich auf einmal ein bereits verhafteter Verbrecher sei). Als mich dann zwei ältere Brüder eines Abends besuchen kamen, war die Stimmung zunächst sehr freundlich und friedlich. Sie meinten jedoch, dass ich „durch die Leugnung der biblischen Lehre von der Unverlierbarkeit des Heils das vollkommene Werk unseres HErrn auf Golgatha schmälern“ würde. Ich entgegnete, dass der HErr gemäß Hesekiel 18 aufgrund Seiner Gerechtigkeit einem Christen, der vom Glauben abfällt, nicht bevorzugen würde gegenüber allen anderen Gesetzlosen, da Er nicht die Person ansehe (Röm.2:11). Eine Schmälerung des Opfers Christi sei es doch eher, wenn man auch jenen noch das Heil zugestehen würde, die durch ihre Werke den HErrn noch einmal kreuzigen und anspucken würden. Als wir uns verabschiedeten, fragte ich sie, ob ich denn nun am Abendmahl teilnehmen dürfe oder nicht. Sie sagten, dass sie das alleine nicht entscheiden dürften, sondern dass der Brüderrat darüber beraten und es dann anschließend entscheiden würde.

Als wir uns dann drei Wochen später noch einmal verabredeten, geschah mir ein Missgeschick, denn ich musste noch letzte Aufräumarbeiten auf der Baustelle erledigen und konnte deshalb nicht pünktlich bei unserem Treffen sein. Die Brüder jedoch nutzten die Gelegenheit, um erst einmal Ruth zu befragen, um ihre Ansichten zu erfahren. Als ich dann eine halbe Stunde später Ruth anrief um ihr mitzuteilen, dass ich gleich käme, teilte sie mir mit, dass die Brüder irgendwie herausgefunden hätten, dass ich an die Allversöhnung glaube. Ich dachte nur: Okay, das war’s dann…  Als ich dann eintraf, war die Stimmung deutlich unterkühlt. Wie zu erwarten, fragten sie mich gerade heraus, ob ich an die Allversöhnung glaube. „Ja, natürlich! Denn sie steht ja klar geschrieben in Kolosser 1:20. Glaubt Ihr denn etwa nicht daran, dass Gott das All mit sich selbst versöhnt hat?“ Leider waren sie nicht bereit zu einem Gespräch über diese Aussage, sondern teilten mir mit, dass ich in ihren Augen „weitergegangen und nicht in der Lehre des Christus geblieben“ sei, da ich jetzt nicht nur an die Verlierbarkeit des Heils glaube, sondern auch noch an die Allversöhnung. „Aber Eure Lehre an die Unverlierbarkeit des Heils ist ja im Grunde auch eine Allversöhnungslehre, allerdings eine egoistische Variante, die sich nur auf diejenigen beschränkt, die sich einmal bekehrt haben. Außerdem sagt Ihr ja zugleich damit, dass ich ‚Gott nicht habe‘ und verleugnet dadurch all das, was Gott in mir gewirkt hat durch Seinen Geist in den letzten zwei Jahren.“ –

Das steht uns nicht zu, zu beurteilen“ antwortete der Bruder. „Aber Dir scheint nicht klar zu sein, wie ernst Gott über die Sünde denkt, und Du hast auch nicht verstanden, dass wir es verdient hatten, für immer aus der Gegenwart Gottes ausgeschlossen zu sein und Seinen ewigen Zorn und die ewige Pein zu erleiden.“ – Ich entgegnete: „Demnach ist der HErr Jesus Eurer Meinung nach gar nicht gekommen, um die Welt zu erretten, sondern um sie größtenteils zu verdammen? Und im Grunde schuf Gott die Menschheit dann auch nur deshalb, um sie später in alle Ewigkeit zu quälen und hat dies quasi dadurch moralisch rechtfertigen können, indem Sein Sohn starb, um einer winzigen Schar von Auserwählten gnädig zu sein? Du sagst, dass eine zeitliche Bestrafung eine Schmälerung des Werkes Christi sei, dabei ist es doch nüchtern betrachtet genau anders herum: Der HErr Jesus soll nach Eurer Vorstellung nicht den vollen Lohn bekommen für all Sein Leid am Kreuz von Golgatha, sondern sich schon mit einer mickrigen Schar von Erstlingen zufrieden geben. Wenn nicht die Menge an Erlösten wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist, gilt, sondern die Verweildauer der Ungläubigen im Feuersee die Frucht wäre, an der sich der HErr Jesus ‚von der Mühsal Seiner Seele sättigen‘ wird, dann wäre der Sinn von Golgatha nicht die Errettung aller Menschen, sondern eine fragwürdige Rechtfertigung, die übrigen Menschen für ewig und ohne Gewissensbisse quälen zu dürfen.“ – Die Brüder standen nun auf, um zu gehen. Als sie auf dem Flur standen, sagte ich noch, dass es schade sei, dass sie nicht gewillt seien, andere Erkenntnisse zu prüfen oder wenigstens stehenzulassen. Ich machte die Haustür auf und reichte ihnen zur Verabschiedung die Hand. Aber sie wollten mir die Hand nicht geben, sondern gingen wortlos weg.


Merkwürdige Besucher

Ende September klingelte es eines Abends an der Tür. Vor mir stand ein sehr schlanker, junger Mann mit ernstem Gesicht. „Bist du Simon Poppe?“ – „Ja.  Was kann ich für dich tun?“ – „Ich muss mit dir sprechen!“ Und noch ehe ich ihn hereinbitten konnte, ging er mit ernster Miene an mir vorbei, so dass ich etwas stutzig war. Wir gingen die Treppe hoch in mein Zimmer, und er legte los: „Ich habe gehört, dass du wieder zu Jesus zurückgekehrt bist. Aber eigentlich ist das gar nicht möglich, denn in Hebr.6 steht, dass jemand, der einmal gläubig war und dann abgefallen ist, nicht mehr zur Buße erneuert werden kann. Erzähl mal, wie es dazu kam, dass du jetzt wieder Christ bist!“  Ich war ziemlich irritiert: „Wird das hier jetzt ein Verhör? Ich finde, du solltest dich doch erst einmal vorstellen, wer du eigentlich bist.“ – „Ach so, ´schuldigung, ich heiß Dennis, bin aus Ausmushausen. Dein Bruder Marcus kennt mich.“ – „Ach, du bist aus Asmushausen! Dann kennst du vielleicht Bruder Ralf Schiemann?“ fragte ich. „Ja, natürlich. Der ist ja mit seiner Frau Angelika nach Belize ausgewandert. Aber vor ein paar Monaten kam er zurück, weil er Darmkrebs hatte und sich hier in Deutschland behandeln wollte.“ – „Und konnte ihm geholfen werden?“ – „Nein, denn er verlangte von der Ärztin, dass er nur von einem Mann behandelt werden wolle, und weil sie es nicht ernst nahm, hat er das Krankenhaus sofort wieder verlassen.“ – „Und wie geht es ihm jetzt?“ – „Er ist inzwischen tot, lag zum Schluss nur noch mit Schmerzen auf dem Sofa.“ – Ich war bestürzt. „Ach, der Arme! Und wie hast du davon erfahren?“ – „Seine Frau Angelika rief den Thomas sofort an und bat ihn um Hilfe. Und weil sie kein Geld für eine Beerdigung hatte, sind wir dann zusammen zu ihr gefahren. Wir haben ihn in eine Decke gehüllt und ihn in Thomas´ Transporter gelegt.“ – „Und dann?“ – „Dann hat Thomas noch einen Spaten mitgenommen und wir sind zum Friedhof gefahren, um ihn zu begraben. Aber der Friedhofswärter meinte, dass das nicht so gehe, sondern er müsse sich erstmal vom Arzt einen Totenschein ausstellen lassen. Und die Leiche einfach so irgendwo verbuddeln, ginge auch nicht.“

Dann erzählte mir Dennis, dass er eigentlich aus Bremen sei und sich 2008 mit 20 Jahren bekehrt habe. Da er aber während seiner ganzen Jugendzeit magische Rituale praktiziert habe, griffen ihn plötzlich die Dämonen an, so dass er auf einmal nur noch Lästerstimmen in seinem Kopf hörte. Aus Verzweiflung wollte er sich das Leben nehmen. Er fuhr dann zu seinem drogenabhängigen Zwillingsbruder und ließ sich aus Frust und Gleichgültigkeit eine Spritze Heroin geben. Seither sei er schwer drogenabhängig. Es gelang ihm schon einmal mit Gottes Hilfe, für kurze Zeit vom Heroin frei zu kommen, aber jetzt hing er wieder voll an der Nadel. Er wollte wissen, ob Gott ihm noch einmal vergeben könne oder ihn völlig verworfen habe. Deshalb sei er zu mir gekommen, um Näheres von meiner Rück-Bekehrung zu erfahren. Als wir uns verabschieden wollten, fragte er mich, ob ich ihm etwas Geld leihen könne, um sich Essen zu kaufen. Ich ging nach unten und ließ mir von Ruth Geld geben. Ich rief ihn, er möge doch runterkommen. Dann gab ich ihm die Spende und verabschiedete ihn. Als ich danach wieder nach oben kam, sah ich, dass alle Schubladen im Büro und Schlafzimmer offenstanden. Dennis war tatsächlich schwer heroinabhängig.

Ein paar Tage später bekamen wir auf einmal Besuch aus der Lutherstadt Wittenberg von einem unbekannten Bruder namens Jens. Er war rothaarig wie ich und hatte überall auf seinem Fahrrad und an seinem T-Shirt evangelistische Bibelverse, was ich sehr sympathisch fand. Er sagte, er sei auf der Durchreise und habe durch Dennis von mir gehört; er gehörte auch mal eine Zeitlang zur Hausgemeinde in Asmushausen. Dann fragte er mich, ob er ein paar Tage bleiben könne, um in Bremen zu evangelisieren, und ich sagte sofort Ja, aufgrund von 3. Joh.7-8, wo es heißt: „Wir nun sind schuldig, solche aufzunehmen, damit wir Mitarbeiter der Wahrheit werden“. Er blieb etwa eine Woche, und wir hatten viele Gespräche über den Glauben. Mir fiel auf, dass Jens immer einen sehr guten Appetit hatte und die Käsescheiben auch gerne ganz ohne Brot aß.

Am letzten Tag sagte Jens nach dem Abendessen auf einmal etwas völlig Überraschendes, womit Ruth und ich gar nicht gerechnet hatten: „Bevor ich gehe, möchte ich Euch etwas bekennen: Ihr ward immer sehr großzügig und gastfreundlich zu mir, aber dennoch bin ich doch etwas enttäuscht von Dir, Simon.“ Ich war etwas irritiert und fragte sofort: „Na sowas. Was habe ich denn falsch gemacht?“ Jens hatte es sich im Wohnzimmer bequem gemacht und sagte: „Weißt du, ich hatte insgeheim gehofft, dass du ein sehr geistlicher Bruder bist. Jetzt aber habe ich gesehen, dass du doch ziemlich fleischlich bist.“ Ruth verschlug es die Sprache, ich aber musste eher lächeln: „Ach, tatsächlich. Und woran machst du das fest?“ fragte ich. Er überlegte und sagte dann: „Du bist immer sehr nett, sanft und demütig, aber dir fehlt noch etwas ganz Wichtiges, nämlich der würdige Ernst.“ – „Kannst du mal ein Beispiel nennen?“ Doch bevor er antworten konnte, mischte sich Ruth in das Gespräch: „Ich finde das schon ganz schön dreist von dir, lieber Jens, dass du – trotz all unserer Gastfreundschaft – dich jetzt als den großen Richter aufspielst und…“ – Ich unterbrach Ruth und sagte: „Lass mal, denn er hat ja recht. Mir fehlt wirklich noch der würdige Ernst, von dem Paulus im 1.Timotheusbrief schreibt. Das hat Jens schon gut beobachtet. Tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe. Lass uns dafür beten, dass der HErr mir heiligen Ernst schenke!

Einige Zeit später klingelte es wieder an der Tür. Ein gewisser Michael (24) wollte sich eigentlich nur um einen Praktikumsplatz bei mir bewerben, erfuhr aber dann, dass auch ich Christ sei. Ich bat ihn herein, und er erzählte uns, dass er sich gerade vor zwei Monaten bekehrt habe und taufen ließ. „Das war so: Ich bin der jüngste Sohn von´ner polnischen Familie. Meine Eltern und Brüder leben alle von Hartz 4 und saufen den ganzen Tag Alkohol. Mich ham sie immer geschlagen und wie ´n Sklaven behandelt. Ich sollte immer die Wohnung sauber machen. Kam dann auch mal in Knast wegen Kartenbetrug. Das war die reinste Hölle! Als ich wieder rauskam, hab‘ ich mir gesagt, dass ich mein Leben ändern will und wollte mir eine Bibel zulegen. Ich fuhr also inne Stadt und ging in den Dom. Da war alles dunkel. Ich wollte eigentlich nur jemand fragen, wie man Christ wird. Dann ging ich wieder raus und sah von weiten, dass da welche einen Büchertisch hatten. Plötzlich fasste mich eine Frau an und fragte mich, ob ich Jesus kennenler‘n wolle. Da hab‘ ich total geheuelt und ihr schluchzend erzählt, dass ich genau deswegen inne Stadt gekommen bin, weil ich Gott suche. Sie hat mich dann umarmt und in ihre Gemeinde eingeladen. Kurz danach wurde ich dann in Soltau getauft. Sie haben mir auch eine Bibel geschenkt, in der ich jetzt immer lese.“

Ruth und ich waren hoch erfreut über dieses schöne Zeugnis. Michael strahlte über das ganze Gesicht. Wir sprachen dann über die Möglichkeit eines Praktikums in meiner Firma, und dass ich sehr froh sei, einen gläubigen Mitarbeiter zu haben. Und dann erklärte ich ihm, dass es nun sehr wichtig sei, dass er regelmäßig in eine Gemeinde gehe, um im Glauben zu wachsen und von anderen unterstützt zu werden. Ich bot ihm an, dass er auch gerne zu uns kommen könne in den Hauskreis, aber er sagte, dass man ihn schon immer regelmäßig mitnehme in eine Gemeinde in Delmenhorst, wo auch ein gewisser Raymond sei, der ihm von mir erzählt habe. „Ja, den Raymond kenne ich vom Evangelisieren. Übrigens, Michael, weil du sagtest, dass du schon mal im Knast warst: Ich habe mich gerade mit einem Herrn Kümmel in der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen verabredet, um dort Gefangene seelsorgerlich zu betreuen. Wenn du willst, lade ich dich ein mir dabei zu helfen.“ Michael war einverstanden und wir verabredeten uns. Dann standen wir auf und Michael sagte selbstbewusst: „Kommt, Geschwister, lasst uns mal zusammen beten!“ Nach dem Gebet umarmte uns Michael, und ich dachte: Na der hat aber Persönlichkeit!

Eine Woche später fuhr ich mit Michael zu jenem Gefängnis, wo auch er mal seine Strafe abgesessen hatte. Der Justizbeamte Kümmel erklärte mir, dass ich gerne regelmäßig Gefangene besuchen dürfe, jedoch vorher einen Vollzugshelfer-Kurs machen müsse. Michael hingegen dürfe aufgrund seiner Vorstrafe nicht daran teilnehmen. „Wissen Sie, Herr Poppe, die Inhaftierten sind immer sehr froh, wenn sie mal Besuch bekommen. Sie können mit ihnen auch gerne über ihren christlichen Glauben reden – das begrüßen wir ausdrücklich! Nur bei den Muslimen hat das keinen Sinn. Denn die verachten uns Deutsche. Wir haben hier einen ganzen Trakt, in welchem sich nur arabische Gefangene aus den Magreb-Staaten befinden. In ihren Ländern werden sie im Gefängnis geschlagen und gefoltert. Daher sehen sie uns als Weichlinge, weil wir sie zivilisiert behandeln.“

Unwissenheit schützt vor Strafe


„Jener Knecht aber, der den Willen seines Herrn wusste und sich nicht bereitet noch nach seinem Willen getan hat, wird mit vielen Schlägen geschlagen werden. Wer ihn aber nicht wusste, aber getan hat, was der Schläge wert ist, wird mit wenigen geschlagen werden.“
                (Luk.12:47-48)

Liebe Geschwister,

die Gnade und der Friede unseres Vaters und des HErrn Jesus Christus seien mit Euch!

Mit „Knechten“ sind wir Gläubigen gemeint, denn einen Ungläubigen wird der HErr nicht in Seinen Dienst stellen. Trotzdem hat ein unwissender Gläubiger eine Ähnlichkeit mit einem Ungläubigen (V. 46), denn beide kennen nicht den Willen Gottes. Demzufolge wird ein ungehorsamer Christ für ein Vergehen eines Tages weit mehr bestraft, als ein Ungläubiger, der das gleiche tat, weil er das Vorrecht hatte, den Willen Gottes zu kennen. Das gleiche sagt der HErr auch zu den Pharisäern: „Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde. Nun aber sagt ihr: Wir sehen. Daher bleibt eure Sünde“ (Joh.9:41). Erst das Wissen vom Evangelium und den Geboten Gottes macht einen Menschen vor Gott verantwortlich. Der weltliche Spruch: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ gilt also nicht bei Gott; vielmehr gilt im Grunde: „Unwissenheit schützt vor Strafe!“ Das ist ja auch der Grund, warum Kinder oder geistig Behinderte von vornherein zu den Erretteten zählen, weil ihnen die Sünde wegen ihrer Schuldunmündigkeit nicht angerechnet werden kann. Aber auch die Ungläubigen werden nur in dem Maße von Gott für schuldig gesprochen, in welchem sie durch ihr schlechtes Gewissen und ihr Verurteilen von anderen beweisen, dass sie sehr wohl wussten, was vor Gott richtig und falsch ist (Röm.2:1, 14-16).

Zu Israel sagte Gott im Alten Bund: „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt; darum werde ich alle eure Missetaten an euch heimsuchen“ (Am.3:2). Jetzt könnte man ja einwenden, dass es für einen Gläubigen ja fast besser gewesen wäre, wenn er den Willen Gottes nie erkannt hätte. Ja, genau: Deshalb schreibt Petrus: „Es wäre ihnen (den abgefallenen Christen) besser gewesen, den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt zu haben, als, nachdem sie ihn erkannt haben, umzukehren von dem ihnen überlieferten heiligen Gebot“ (2.Petr.2:21). Sogar die homosexuellen Bewohner von Sodom, die gemäß Jud.7 die Strafe des „äonischen Feuers“ erleiden, werden am Tag des Gerichts ein „milderes Urteil“ bekommen (Mt.11:23-24), indem sie am Ende der Tage aus der „Gefangenschaft“ befreit werden und „wieder in ihren früheren Stand“ gesetzt werden (Hes.16:53-55). Viele, die nicht zu Gottes Volk gehören, werden eines Tages trotzdem im Reich der Himmel sein, während die „Söhne des Reiches“, die der HErr in Mt.13:38 als „guter Same“ bezeichnet, eines Tages in die äußere Finsternis geworfen werden (können) gemäß Mt.8:11-12. Daher ist die Überheblichkeit, mit welcher manche evangelikale Straßenprediger den Unwissenden die Hölle androhen, völlig fehl am Platz.

Wie aber kann ein Gläubiger, der noch in Sünde lebt, der Bestrafung Gottes entgehen? Erstens sollte er aufhören, andere zu richten; denn dann wird er auch selbst nicht mehr gerichtet. Und mit dem gleichen Maß, mit welchem er seinen Bruder misst, wird ihm eines Tages selbst gemessen werden (Mt.7:1-2, Röm.2:1-4). Zweitens sollte er Barmherzigkeit üben, denn „die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden“ (1.Petr.4:8). Barmherzigkeit äußert sich auch dadurch, dass man anderen Gläubigen nicht mit kalter Strenge und übertriebener Kritik begegnet, die sie gar nicht verkraften können (Vers 45a: „seine Knechte schlägt“). Und drittens sollte er sich in der Enthaltsamkeit üben und konsequent alles aus seinem Leben vernichten, was ihn zur Sünde verleiten kann (Mt.5:29-30). Dazu zählt, dass wir uns an den erlaubten Dingen nicht „berauschen“ sollen (V.45b). Wenn der HErr aber im Gericht Vergeltung übt, dann wird er selbst den strengen Knecht nicht in alle Ewigkeit schlagen, sondern so, wie Er es in 5.Mo.25:2-3 geboten hat mit maximal 40 Schlägen (vergl. Joh.5:45).

 

Nachrichten von unseren leidenden Geschwistern in:

Uganda

Mit großer Bestürzung erfuhr ich heute Morgen, dass unsere Schwester Manuela Singer (60) aus Bad Essen gestern Nachmittag überraschend vom HErrn ins Paradies abberufen wurde. Sie hatte in den letzten Jahren die Projekte von True Light Mission in Uganda mitbetreut und mithilfe ihres Vereins Freundeskreis Tabita e.V. Spenden für die Mitarbeiter und Kinder gesammelt. Nach ihrer letzten Ugandareise im Juni musste sie ihre kranke Mutter pflegen, die Mitte Juli starb. Und dann wurde sie selber krank und verbrachte die letzten Wochen nur noch im Krankenhaus. Die Unterstützung wird aber fortgesetzt durch ihren Ehemann Siegfried und die anderen Mitarbeiter von Tabita.

Die Weiterleitung von eingesammelten Spenden durch Schwester Marlies Krauss über die Brüder Lawrence und Peter hat auch im September reibungslos geklappt – dem HErrn sei Dank! Über jedes einzelne Anliegen und jede Bargeldübergabe haben sie uns sowohl Fotos als auch Unterschriften der Empfänger geschickt, so dass wir ihre Zuverlässigkeit erneut immer wieder prüfen konnten. Trotzdem brauchen diese beiden Brüder viel Fürbitte, denn es ist nicht nur eine große Verantwortung, sondern natürlich auch eine große Versuchung, wenn Menschen auf einmal so viel Geld zur Weiterleitung an Bedürftige verwalten müssen. Bitte betet auch mit uns dafür, dass der HErr doch einen Bruder oder ein Ehepaar aus Deutschland willig machen möge, diese Spendengelder vor Ort mit zu verwalten.

Peru

Wenn Gott will und wir leben werden Ruth und ich vom 10.01. – 26.02.24 nach Peru reisen, um dort zu überwintern und die Gläubigen dort geistlich und materiell zu unterstützen. Bitte betet auch weiter für die armen und kranken Brüder im Hauskreis von Bruder Francisco Lopez (62), die sich regelmäßig bei ihm in der Tierarztpraxis versammeln: Pedro (65) ist im Rollstuhl und wegen Diabetes auf einem Auge blind, Seferino (60) hat Lungenfibrose und Luis (70) hat Fibromyalgie und Cluster-Kopfschmerzen. Alle diese leben quasi von der Hand in den Mund und werden von Francisco und Heraclio regelmäßig finanziell unterstützt. Wenn Ihr Ihnen also ebenfalls helfen wollt, könnt Ihr uns eine Gabe auf folgendes Konto überweisen: Simon Poppe, IBAN: DE88 2905 0101 0080 4353 16 bei der Sparkasse Bremen.

Die politische Situation in Peru hat sich leider immer weiter verschlimmert. Das Hauptproblem sind die venezolanischen Mafiabanden, die sich überall in Lima ausgebreitet haben und von den Laden- und Firmeninhabern Schutzgeld erpressen. Wer nicht zahlt, wir z.T. auf grausame Weise ermordet, indem er langsam mit der Kettensäge zerstückelt oder mit Benzin verbrannt oder lebendig begraben wird. Inzwischen bereuen die Peruaner, dass sie vor fünf Jahren so viele venezolanische Einwanderer ins Land gelassen hatten. Denn was sie nicht ahnten, war, dass der kommunistische Präsident Maduro sämtliche Schwerverbrecher aus den Gefängnissen Venezuelas außer Landes brachte, die dann ins relativ reiche Peru eingewandert sind. Wenn die peruanische Polizei mal ein Verbrechernest der Venezolaner aufgespürt hat, fand sie dort häufig einen Altar, auf dem Satan geopfert wurde. Die Kriminalität ist inzwischen so ausgeufert, dass sich viele Peruaner einen Präsidenten wie Najib Bukele aus El Salvador wünschen, der aus einem der schlimmsten kriminellen Länder der Welt mit radikalen Maßnahmen einen Musterstaat gemacht hat, um die ihn alle Südamerikaner beneiden. Ein Hoffnungsträger für die meisten Gläubigen in Peru ist der strenggläubige Bürgermeister von Lima namens Rafael López Aliaga, der sich den ebenfalls gläubigen Präsidenten Bukele zum Vorbild genommen hat, um das Land von aller Gesetzlosigkeit zu säubern. Peru ist übrigens auch das Land mit der höchsten Femizid-Rate auf Erden (d.h. Mord an der Ehefrau).

Seid dem HErrn Jesus Christus anbefohlen!

Simon

 

 

Der Sprachort

 

„Und die Priester brachten die Lade des Bundes des HErrn an ihren Platz, in den Sprachort des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim.“ (2.Chr.5:7)

 

Liebe Geschwister im HErrn,

seid herzlich gegrüßt und gesegnet von unserem himmlischen Vater!

Das hebr. Wort DöBhiR, das die alte Elberfelder mit „Sprachort“ übersetzt (von hebr. DaBhaR = sprechen), wird in der engl. King James Bibel mit „Orakel(raum)“ wiedergegeben und trifft damit ziemlich genau das, um was es geht. Es war jener Ort der Begegnung mit Gott innerhalb des „Zeltes der Zusammenkunft“ (hebr. OHäL MOE´D), wo der Priester im Gebet Gott befragte und Gott ihm antwortete. „Und wenn Mose in das Zelt der Zusammenkunft hineinging, um mit Ihm zu reden, dann hörte er die Stimme zu ihm reden von der Deckplatte herab, die auf der Lade des Zeugnisses war, zwischen den beiden Cherubim hervor; und Er redete zu ihm“ (4.Mose 7:89). Der HErr bekannte sich zu Seinem Heiligtum, indem Er sich hier dem Mose offenbarte, auf dessen Bitten und Fragen antwortete und Ihm Weisungen erteilte.

In unserer modernen Welt befragen die meisten Menschen nicht mehr Gott, sondern Google bzw. Wikipedia, um sich im Leben zu orientieren. Und wenn es um die Zukunft geht und das Nahen des antichristlichen Reiches, interessieren sich viele Christen heute viel mehr für die Prognosen von Börsengurus wie Dirk Müller, Marc Friedrich oder Ernst Wolff, anstatt sich allein an den prophetischen Aussagen der Bibel zu orientieren. Dabei ist es für uns Gläubige heute viel leichter, Gott um Rat zu fragen, als damals. David benötigte noch das Ephod, um mithilfe der Urim und der Thumim den Mund des HErrn zu befragen (2.Mo.25:30, 4.Mo.27:21, 1.Sam.23:9, 30:7). Laut Bibellexikon waren dies Stäbchen oder Steinchen in der Brusttasche des Hohenpriesters, die man nach einem Gebet wie Würfel auf den Boden warf, um ein Ja oder Nein von Gott zu bekommen. Wenn ich in einer Alltagssituation eine schnelle Antwort vom HErrn benötige, dann mach ich das noch heute gelegentlich so, dass ich erst bete und dann eine Münze werfe im Vertrauen darauf, dass Gott mir dadurch eine Antwort gibt (vergl. Spr.16:33, 1.Sam.14:42, Jona 1:7, Apg.1:26).

Viel besser ist es ohne Frage, wenn wir mit Gott einen so intimen Umgang pflegen wie Abraham und Mose, dass wir immer sofort durch den Geist die Stimme Gottes erkennen, wenn Er zu uns redet (1.Mo.18:17, 4.Mo.12:6-8, Joh.10:27). Aber woher erkennen wir, dass es wirklich Gottes Stimme ist und nicht unsere Einbildung? In Jer.33:3 sagt Gott: „Rufe mich an, dann will Ich dir antworten und will dir Großes und Unfassbares mitteilen, das du nicht kennst“. Wenn der HErr also zu uns spricht, dann sagt Er uns oft Dinge, von denen wir noch nie zuvor gehört haben und die wir uns selbst gar nicht hätten ausdenken können. Häufig erinnert mich der HErr an ein Bibelwort, das ich bis dahin überhaupt nicht beachtet hatte. Gefährlich wird es, wenn uns die Antwort des HErrn in der Bibel nicht gefällt und wir deshalb nochmal den HErrn befragen in der Hoffnung, dass Er uns eine angenehmere Antwort gibt. Denn dann verhalten wir uns wie Bileam, der glaubte, dass er Gott versuchen könne durch ein frommes Experimentieren. Eine Schwester aus unserem Hauskreis, die gerne einen Mann heiraten wollte, der sich von seiner ersten Frau scheiden ließ, bat mich z.B. einmal, dass ich doch für sie den HErrn befragen solle. Doch ich weigerte mich, da der HErr ja bereits eine Antwort gegeben hatte in 1.Kor.7:11. Darauf sagte sie: „Dann werde ich Gott bitten, dass Er mir eine Wiederheirat erlauben möge. Und wenn Gott mich nicht daran hindert, dann werde ich den S. noch in diesem Jahr heiraten!“ Ich warnte sie deshalb, denn den Willen Gottes durch ein provoziertes Tatsachenschaffen herauszufinden, ist im Grunde ein Gottversuchen und eine schwere Sünde. Gott sei Dank tat sie darüber Buße und verzichtete auf eine Wiederheirat.

Die meisten von uns reden lieber ÜBER Gott anstatt MIT Gott. Denn von anderen wahrgenommen und anerkannt zu werden, ist vielen von uns wichtiger, als von Gott wahrgenommen und anerkannt zu werden (Joh.5:44, 12:43). Deswegen muss Gott manchmal schwere Enttäuschungen in unserem Leben erlauben oder uns einen geliebten Menschen wegnehmen, damit wir uns endlich an Den wenden, der uns niemals enttäuscht. Diese Erfahrung musste im vergangenen Monat auch mein Zwillingsbruder Marcus machen, als der HErr ihm seine gläubige Frau Christine (58) nahm. Jede Rebe, die fruchtbar ist, beschneidet Er, damit sie mehr Frucht bringe. Der HErr will, dass wir uns zurückbesinnen an den Anfang unseres Glaubens, als wir noch in der Wüste waren und es nichts für uns gab als nur den HErrn (Jer.2:2-3). Die Vielfalt des Lebens hat uns seither immer wieder abgelenkt von der Einfalt gegenüber Christus (2.Kor.11:2-3). Mögen wir doch immer stiller werden, um die Stimme des HErrn zu vernehmen, der uns an jenen geheimen Ort des Gebets zurückruft, wo wir ganz allein mit dem HErrn sind: „Meine Taube im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände, lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig“ (Hohel. 2:14).

Nachrichten von unseren leidenden Geschwistern in:

Uganda

Inzwischen läuft die Weiterleitung der monatlichen Schulgebühren sowie der Spenden für die Patenkinder im Kinderheim von Masajja reibungslos und ohne Widerstand von Seiten des TLM-Vorstands, mit dem wir ja die Zusammenarbeit wegen des Verdachts der Veruntreuung aufgekündigt haben. Wir danken dem HErrn, dass sich die Brüder Peter und Lawrence trotz aller Einschüchterungs- oder Anbiederungs-versuche nicht haben korrumpieren lassen, sondern weiterhin dem HErrn treu dienen wollen.

  

Noch immer beten wir dafür, dass sich doch ein deutscher Bruder oder ein gläubiges Ehepaar finde, um die Betreuung der Schulen und des Kinderheims vor Ort zu erleichtern.

Deutschland

Noch immer hat die Familie von Bruder Bujor keine neue Wohnung gefunden, und ihr ehemaliger Vermieter weigert sich, ihnen das Deponat von 3.500 Euro zurückzuerstatten, weil er dieses für die angebliche Renovierung der Wohnung verwenden wolle.

Auf dem Christopher-Street-Day am 26.08. in Bremen wurden Bruder David und ich auch diesmal wieder massiv angegriffen und erhielten am Ende sogar eine Anzeige. Dennoch hat es sich gelohnt, zumal auch ein gewisser Axel sich am Ende bekehrte.

  
Meine Schwägerin Christine (58) ist am 09.08.23 zum HErrn abberufen worden. Bitte betet für meinen Bruder Marcus, der sehr leidet unter diesem Verlust, dass er bald eine neue Frau finde.

Seid dem HErrn befohlen!

Euer Bruder Simon

 

 

„Such, wer da will, ein ander Ziel“  Teil 2

Juli bis Dezember 2015

Ein verlorener Sohn

An einem Samstagvormittag Ende Juni klingelte es bei uns an der Haustür. Als ich die Tür öffnete, stand vor mir ein peruanisch aussehender, schlanker junger Mann zusammen mit einer älteren Frau. Bevor sie sich vorstellten, wusste ich sofort, wer der Junge war und musste übers ganze Gesicht grinsen. Es war der Sohn von unserem früheren Au-pair-Mädchen Rossana Maldonado, die 1997 auf einmal ein Baby zur Welt brachte, dem wir den Namen Mose gaben (span. Moisés). Da Rossana ihren Sohn nicht mitnehmen wollte, gaben wir ihn zur Adoption frei. Nun waren 18 Jahre vergangen, und aus dem Baby von damals ist ein junger Mann geworden. „Du bist Moisés, nicht wahr?“ – „Ja, genau.“ – „Und Sie sind dann wohl seine Adoptivmutter, richtig? Dann kommt nur herein!“ Während ich die ganze Zeit grinsen musste, schauten mich beide so ernst an, als hätten sie mir eine schlimme Nachricht zu überbringen. Ich versuchte, die Stimmung aufzuhellen: „Du siehst ja wirklich genauso aus wie Deine Mutter!“ Zögerlich bekannte Moisés den Grund seines Besuchs: „Ich möchte gerne wissen, wer meine Mutter war und warum sie mich nicht wollte.“

Jetzt verstand ich, warum er so angespannt und bedrückt wirkte. Behutsam erklärte ich ihm in allen Einzelheiten die Umstände seiner Geburt und welche Überlegungen damals Ausschlag gaben für Rossana, ihn lieber zur Adoption zu geben. „Deine Mutter wollte nur das Beste für dich, aber sie fürchtete, dass sie dir dies nicht geben könnte; denn du würdest mit ihr in sehr ärmlichen Verhältnissen ohne Vater aufwachsen und dann – wie so viele andere – wohl auf die schiefe Bahn geraten. Denn sie selbst fühlte sich damals völlig überfordert mit der Situation, zumal man uns sagte, dass du wahrscheinlich geistig behindert sein würdest.“ – „Nein, ich bin völlig gesund, außer dem Nystagmus im Auge. Aber ich leide sehr darunter, dass meine leibliche Mutter mich damals nicht wollte.“ Ich bot Moises an, dass er gerne mit seiner Mutter in Peru telefonieren könne und ich würde dann übersetzen. Er wollte unbedingt. Dann rief ich Rossana an und erzählte ihr, dass ihr damaliger Sohn gerade neben mir stehe. Sie war außer sich, brach in Tränen aus und sagte ihm mit schluchzender Stimme, wie sehr es ihr leidtäte, dass sie ihn damals nicht mitgenommen hätte. Sie bat ihn um Vergebung und erklärte ihm noch einmal die Umstände, in der sie sich damals befand. Moises zeigte kaum Affekte, sondern blieb bis zum Ende des Telefonats völlig ungerührt. Nachdem dann auch Ruth ins Wohnzimmer kam und die beiden begrüßte, fragte Moisés, wie er so war als Baby. Ruth berichtete, wie hübsch er aussah und wie unsere kleine Tochter Rebekka immer mit ihm gespielt habe. Er erbat ihre Handynummer, und wir verabschiedeten sie.

Was ich nicht ahnte war, dass Moisés bereits vor seinem Besuch bei uns alle möglichen Recherchen über mich angestellt hatte. Nachdem er mit Rebekka Kontakt aufgenommen hatte, erfuhren wir später von ihr, wie er wirklich über mich dachte. Er glaubte, dass ich ein Psychopath sei, der ihn in den ersten Monaten seines Lebens ständig geschlagen habe, weshalb er heute dieses Augenflackern habe. Dies glaubte er, weil ich Jahre zuvor mal auf der atheistischen Webseite www.religionskritik.net mit anderen über meine Vergangenheit geplaudert hätte und ich damals die Vermutung äußerte, dass ich vielleicht ein Psychopath sei, da ich weder Trauer noch Wut von anderen nachempfinden könne, sondern mitunter völlig gleichgültig sei. Aufgrund seiner Vermutung stellte er nun in den Tagen danach wie ein Privatdetektiv Ermittlungen gegen mich an, indem er z.B. zum Flughafen ging, um meine Aussagen zu überprüfen. Sogar zu der psychisch labilen Nachbarin Elena Pleus, die damals bei uns im Haus wohnte und zeitweise auf Moisés und Rebekka aufgepasst hatte, wurde von ihm befragt und erhielt von ihr zur Antwort: „Ja, manchmal hatte ich dich schreien hören oben in der Wohnung, und ich kann es nicht ausschließen, das Ruth und Simon dich misshandelt haben, um dich zur Ruhe zu bringen…“ Sie hatte also dadurch auch noch Öl ins Feuer gegossen und Moisés in seinen bösen Verdächtigungen noch unterstützt. Später wollte sie sich daran nicht mehr erinnern können. Es brauchte noch viele Monate, bis wir Moisés von unserer Unschuld überzeugen konnten.

„Lass uns doch das Evangelium im IS-Staat predigen!“

Die Ausbildung meines Lehrlings Tim Berndt ging Anfang Juli zu Ende, und da ich mit seiner Leistung sehr zufrieden war, wollte ich ihn nach der Gesellenprüfung übernehmen. Doch dann passierte auf einmal ein Vorfall, der mich zwang, meine Entscheidung noch einmal zu revidieren: Entgegen meiner Anordnung war Tim mit dem Firmenwagen nach der Arbeit nach Haus gefahren. Als ich ihn dafür rügte, reagierte er frech und aggressiv, was meine Frau mitbekam. Als sie dann das Smartphone übernahm und ihn tadelte, baffte er auch sie an. Diese Respektlosigkeit wollte Ruth aber nicht durchgehen lassen, weshalb sie mich bat, ihn nicht zu übernehmen: „Dieser Junge hat keine guten Manieren, weshalb du immer wieder Ärger mit ihm haben wirst.“ Für mich war Tim aber sehr wertvoll, weshalb ich nicht mein Wort brechen wollte. Da ich aber auch die Vorwürfe von Ruth scheute, machte ich ihr einen Vorschlag: „Da ich den Mitarbeitern sehr nahestehe, fällt es mir jedes Mal schwer, eine Kündigung auszusprechen. Was hältst du davon, wenn ich deshalb dich als Personalchefin benenne, so dass nicht mehr mein, sondern dein Urteil letztlich zählt. Ich versorge dich mit den nötigen Informationen, aber du allein triffst die Entscheidungen. Was hältst du davon?“ Ruth war natürlich sehr froh über diese Möglichkeit der Einflussnahme.

So lud ich Tim zu uns auf die Terrasse, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich bei mir zu entschuldigen, was er auch überschwänglich tat. Dann erklärte ich ihm, dass die Entscheidung nicht mehr bei mir liege, ob er bleiben könne oder nicht, sondern bei Ruth. Ich rief sie dann runter, und er bat auch sie unter Tränen um Vergebung. Doch Ruth sagte: „Es tut mir leid, Tim, aber ich kann dich nicht einstellen, denn du hast schon viele Male gezeigt, dass du noch unreif bist und schnell die Kontrolle über dein Temperament verlierst.“ Da fing Tim völlig zu heulen an, was schon etwas skurril war, wenn man bedenkt, dass er ein Hüne ist mit Muskeln, die so übertrieben dick sind, wie ich sie noch nie gesehen habe. Ruth tröstete ihn und sagte, er würde ja schnell eine Anstellung in einer anderen Firma finden.

Im Juli hatte Rebekka mit Bestehen ihres Abiturs ihre Schulzeit beendet. Zum Abschluss waren wir auf einen großen Ball eingeladen, an dem auch Rebekkas Freund Dennis (19), ein Medizinstudent, teilnahm. Bevor Rebekka jedoch ihr Studium auf Lehramt in den Fächern Deutsch und Spanisch begann, wollte sie noch für ein paar Monate nach Australien und Bali reisen, zusammen mit der Tante von Dennis. Und da ihr Freund in Hannover studierte, hatte auch Rebekka beschlossen, anschließend dort zu studieren, um – wie sie sagte – die Unabhängigkeit zu erlernen. Zum ersten Mal wurde Ruth und mir bewusst, dass unsere Tochter nun erwachsen war und wir sie nicht länger an uns binden konnten.

Im Sommer 2014 hatten Islamisten aus ganz Europa die chaotischen Verhältnisse in Syrien und im Irak genutzt, um einen Islamischen Staat zu gründen. Dabei gingen sie bekanntlich mit äußerster Grausamkeit vor, indem sie Tausende Kriegsgefangene systematisch erschossen und besonders an den Christen schreckliche Gräueltaten verübten. Viral ging jenes Video, wo etwa 15 schwarz gekleidete Islamisten eine Gruppe von 15 orange gekleideten Gefangenen an einem Strand in Libyen entlangführte. Die Gefangenen waren koptische Christen. Dann blieben sie in einer Reihe stehen, wobei die Christen sich jeweils vor einem der Islamisten hinknien sollten. Dann wurde das Urteil über diese Christen verlesen, wobei die Kamera ganz nah an den Gesichtern der Gläubigen vorbeiging, so dass man sah, wie sie z.T. leise beteten. Und dann wurde einem nach dem anderen mit einem Messer der Kopf abgeschnitten. Als ich dies sah, wurde mir so schlecht, dass ich es nicht mehr weitersehen konnte. Aber nun hatte ich eine Vorstellung, was es bedeutet, ein Märtyrer für den HErrn Jesus zu sein. Diese IS-Leute waren im Grunde Diener des Teufels, die die Christen unter Androhung grausamster Gewalt zum Abschwören bewegen wollten. Unter solchen Bedingungen konnte ich gut verstehen, warum so viele Menschen sich nun auf den Weg gemacht haben, um in Europa noch einmal neu anzufangen. Würden wir das denn nicht auch tun?

Meine Frau Ruth litt unterdessen an einem Leid ganz anderer Art: nachdem sie in den letzten 5 Jahren schon bei vielen Rheumatologen, Orthopäden und Schmerztherapeuten war, sowie zwei einwöchige Krankenhausaufenthalte hinter sich hatte, gab es zwar endlich eine Diagnose für ihre starken Schmerzen, unter denen sie schon seit fünf Jahren litt – sie hatte Fibromyalgie, das ist eine nahezu unheilbare Schmerzüberempfindlichkeit der Muskelfasern besonders im Rücken, in den Schultern, aber auch in den Armen und Beinen. In den fünf Jahren war diese Krankheit immer weiter fortgeschritten, sodass schon kleine Anstrengungen bewirkten, dass sie am nächsten Tag besonders litt. Da auch die Schmerzmittel, die sie nahm, nur eine geringe Erleichterung brachten und immer mehr an Wirksamkeit nachließen, konnte Ruth kaum noch in ihrem Tierarztberuf arbeiten und fühlte sich wertlos. Wir hatten zwar immer wieder Gott um Gnade und Heilung angefleht, aber der HErr hatte ihr lediglich etwas Linderung geschenkt, aber keine echte Heilung. Die Ältesten aus zwei Gemeinden hatten auch für sie gebetet und sie mit Öl gesalbt im Namen des HErrn (Jak.5:14), aber es hatte alles nichts geholfen. Deshalb sagte Ruth schließlich zu mir:

Simon, ich kann so nicht mehr leben. Diese ständigen Schmerzen, besonders morgens und abends, halte ich auf Dauer nicht mehr aus. Mir scheint, dass Gott mich verworfen hat und mein Gebet deshalb nicht mehr erhören will. Das macht mich aber erst recht völlig fertig und ich frage mich, warum Er mich dann nicht einfach sterben lässt. Welche Sünde habe ich begangen, die so schlimm ist, dass Er mich so hart bestraft? Und warum zeigt Er mir nicht wenigstens, was ich falsch gemacht habe, damit ich Ihn um Vergebung bitten und es wieder richtig machen kann? Und da Er unsere Fürbitte völlig ignoriert, kommen mir immer öfter auch Zweifel, ob das Beten überhaupt noch etwas bringt.“ Ich tröstete Ruth und erinnerte sie daran, dass uns als Gläubigen viele Trübsale auferlegt sind, die nichts mit Züchtigung zu tun haben müssen, sondern einfach nur der Bewährung im Glauben dienen. Der HErr wolle ja, dass wir Sein Kreuz aufnehmen und bis zum Ende ausharren sollen, um dann vollen Lohn zu bekommen.

Aber Gott hat auch versprochen, dass Er uns nicht mehr auferlegt, als wir zu Tragen imstande sind. Ich breche aber unter dieser Last zusammen und verstehe nicht, warum es so viele Christen gibt, die in Sünde und Ehebruch leben – wie etwa Alexandra und Rita, meine Schwägerinnen – und trotzdem von Gott mit Leid verschont werden.“ Unter Tränen fügte sie hinzu: „Wie kann ich denn weiter auf einen gerechten und liebenden Vater vertrauen, wenn Er mich jeden Tag mit Schmerzen quält?“ Ich umarmte sie und erinnerte sie an Hiob und an all das Gute, was der HErr ihr auch im Leben gewährt hatte. Ruth ließ sich aber kaum trösten: „Mindestens so schlimm wie die Schmerzen ist die Vorstellung, dass Gott mich verworfen haben könnte. Ich kann diese Ungewissheit kaum noch aushalten. Am liebsten würde ich mich umbringen, aber ich habe Angst, dann wirklich für immer in der Hölle zu sein. Aber ich bin nicht so stark, dass ich dieser Versuchung auf Dauer standhalten kann. Und jetzt, wo Rebekka das Haus verlassen hat, werde ich noch nicht einmal mehr als Mutter gebraucht, denn sie wird jetzt nur noch ihre eigenen Interessen verfolgen und uns vergessen. Was soll ich also noch auf der Erde?!“ Noch immer hielt ich Ruth umarmt und sagte: „Ich kann das verstehen, dass du bei Gott in der Herrlichkeit sein willst. Aber wenn du gehst, dann will ich mit dir gehen. Wir können das doch so machen: Wir fliegen nach Syrien oder in den Irak und verbreiten dort Traktate auf Arabisch. Dann werden sie uns töten, aber dann sind wir wenigstens als Märtyrer gestorben für den HErrn.“

Leider glaubte Ruth nicht, dass ich diesen Vorschlag ernstmeinte. Sie konnte nicht ahnen, dass ja auch ich sehr unter ihrer Verzweiflung litt und mich ebenso fragte, warum der HErr ausgerechnet ihr so viel aufbürdete. War es vielleicht doch eine Züchtigung, weil Ruth immer so oft laut wurde, wenn sie wütend war? Oder lag es daran, dass sie sich noch immer weigerte, immer einen Rock zu tragen, anstatt ständig Hosen, obwohl ich ihr schon so oft erklärt hatte, dass Hosen männertypisch sind und deshalb gemäß 5.Mo.22:5 nicht von Frauen getragen werden sollten? Ruth hatte ja immer darauf bestanden, dass es ja schließlich Frauen- und Männerhosen gäbe, und dass diese jeweils unterschiedlich geschnitten seien. Da aber bis 1970 kaum eine Frau Hosen getragen hat, wollte ich dieses Argument nicht gelten lassen, konnte sie aber auch nie überreden, doch dann wenigstens aus Liebe zu mir Röcke zu tragen. „Röcke stehen mir nicht. Außerdem sind sie im Winter ungeeignet, weil sie nicht vor der Kälte schützen.“

Dann lass uns doch mal einen Test machen so wie Daniel und seine Freunde es taten: Trage doch einfach mal zehn Tage lang nur noch einen Rock. Und vielleicht schenkt der HErr es, dass Er dir die Schmerzen dann wegnimmt.“ – „Diese Idee hatte ich auch schon gehabt und es heimlich versucht, aber es hat nichts geholfen. Obwohl ich Röcke und Kleider trug, hatte ich trotzdem Schmerzen. Das kann also nicht der Grund sein.“ – „Und wenn wir dabei zusätzlich fasten?“ – „Ach, Simon, lass es lieber, denn am Ende werden wir nur noch mehr enttäuscht sein, wenn es wieder nicht funktioniert. Ich habe schon alles versucht – bitte hör auf, mich weiter mit Ratschlägen zu quälen! Wenn Gott mich nicht heilen will, kann ich nichts machen, sondern will es aus Seiner Hand annehmen. Vielleicht wird Er eines Tages mein Gebet erhören und mich aus meinem Leid erlösen.“


Besuch in Sachsenheim

Damit Ruth ein wenig Erleichterung habe, luden wir wieder ihre Mutter Lucila aus Peru nach Deutschland ein. Sie war jedoch mit ihren 82 Jahren schon in einem Alter, dass es diesmal die letzte irdische Reise in ihrem Leben sein würde. Zugleich kündigte sich auch Melania Canto an, die Mutter von Jenny und Fanny, denen wir drei Jahre zuvor geholfen hatten, jeweils einen deutschen Ehemann zu finden. Ebenso wollte nun auch Miriam, eine weitere Tochter von Melania, mit nach Deutschland kommen, wohl in der Hoffnung, dass auch sie einen gläubigen Mann kennenlernen würde. Da Melania die Cousine von Ruth ist, war uns ihr Familienglück auch ein persönliches Anliegen. Melanias Ehemann Felix interessierte sich sehr für die Deutsche Geschichte und war deshalb stolz darauf, dass schon zwei seiner Töchter mit Deutschen verheiratet waren (jetzt fehlten nur noch die anderen zwei noch ledigen Töchter). Er hatte mir bei unserer letzten Perureise in 2013 schon angeboten, sein Geschäftspartner zu werden, indem er wieder in den Handel mit der sog. Cochinilla-Laus einsteigen wollte. Eigentlich ist dieses Ungeziefer eine Plage und befällt vorzugsweise Feigen-Kakteen (Opunzien). Aber schon vor 4000 Jahren erkannte man, dass beim Zerdrücken dieser Laus ein dunkelroter Farbton entsteht, den man Karmesin oder Scharlach nennt und mit dem schon im Altertum Textilien gefärbt wurden. Heute ist dieser natürliche Farbstoff immer noch sehr wertvoll für die Lebensmittelindustrie, weil er sich zur Herstellung vieler Produkte eignet vom Lippenstift bis zu den Gummibärchen. Felix Canto (ca. 60) hatte ein großes Stück Land im Gebirge, auf dem er Kakteen anbaute, um dann regelmäßig die Cochinilla-Laus zu ernten. Er versprach mir, dass man damit sehr viel Geld verdienen könne, weil es ein seltenes Produkt sei und die Nachfrage entsprechend groß sei. Ich war jedoch skeptisch und hatte kein Interesse.

Da Ruth ihren Chef in der Tierarztpraxis immer vertreten durfte, wenn er im Urlaub war, und dann den ganzen Tag außer Haus war, nutzte ich die Gelegenheit, um eine Besuchsreise durch Deutschland zu machen. Diesmal wollte ich neben den Brüdern Friedemann und Bernd auch die Brüder in Sachsenheim besuchen und sie fragen, ob wir jetzt, nachdem Bruder Daniel 2009 heimgegangen und ich wieder zurückgekehrt war zum HErrn, nicht Frieden schließen sollten, um wieder miteinander in Gemeinschaft zu sein. Die Sachsenheimer hatten mich ja 1991/92 aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, da ich mit Christen aus anderen Kreisen Kontakt pflegte. Jetzt aber waren 24 Jahre vergangen, und die Söhne der Familie Oertelt, die damals noch klein waren, hatten jetzt das Erbe von Bruder Daniel angetreten. Meine Hoffnung war, dass sie inzwischen erkannt hatten, dass eine Abschottung von allen anderen Christen, die nicht in allen Punkten ihrem eigenen Lehrverständnis entsprechen, falsch und sektiererisch ist.

Zunächst aber fuhr ich zu Bruder Friedemann Bottesch, der inzwischen geheiratet hatte und mit seiner Frau Doris in Weil der Stadt lebte. Er freute sich sehr, dass ich wieder gläubig geworden war und lud mich zu einer Bibelstunde in Möttlingen ein, wo Bruder Thomas Monshausen predigte. Am Samstag fuhr ich mit Friedemann nach Stuttgart, um dort in der Innenstadt zu predigen. Als wir fertig waren und schon gehen wollten, sahen wir einen anderen jungen Mann, der unter einem Baum predigte. Es war Samuel Oertelt (35) aus Sachsenheim! Ich grüßte ihn herzlich und erklärte, dass ich sie am Montag ohnehin besuchen wollte, und er hieß mich willkommen. Als ich am Montag dann losfahren wollte, fragte mich Friedemann, ob er mitkommen könne, und so fuhren wir zusammen dorthin. Als wir ankamen und ich klingelte, fing es gerade an zu regnen. Samuel machte die Tür auf und war überrascht, auch den Friedemann zu sehen. Er sagte: „Simon, Du hattest nicht gesagt, dass Du jemanden mitbringen würdest. Wir haben nur mit dir gerechnet.“ – „Aber das macht doch nichts, wenn Friedemann beim Gespräch dabei ist, oder?“ fragte ich. „Wir wollten aber nur mit dir allein sprechen. Dein Freund kann ja solange in der Küche warten.“ – Ich empfand dies als Kränkung, aber Friedemann sagte sofort: „Das macht mir nichts aus, denn ich hab‘ ja meine Bibel dabei und warte solange.“

Daraufhin führte mich Samuel ins Wohnzimmer, wo ich im Halbdunkel einen alten Mann sah: es war Elieser (86), der jüngere Bruder von Daniel Werner! Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass er noch lebte. Voller Freude und Ehrfurcht begrüßte ich ihn und fühlte mich geehrt, dass er extra wegen mir aus Bretzfeld gekommen war. Dann sah ich auch die Brüder Stephanus (36) und Benjamin (38), die alle noch unverheiratet waren und trotz der sommerlichen Wärme alle am Hals auch noch den letzten Knopf ihres langärmligen Hemdes zugeknüpft hatten, wie Daniel es ihnen beigebracht hatte. Wir setzten uns, und ich berichtete ihnen, wie der HErr mich ein Jahr zuvor völlig unerwartet nach 18 Jahren Atheismus wieder zum Glauben geführt hatte. Als ich fertig war, sagte Elieser: „Ich finde nirgends in der Bibel einen Menschen, der erst gläubig war, dann ungläubig wurde und zum Schluss wieder gläubig wird.“ – „Und was ist mit dem verlorenen Sohn in Luk.15?“ fragte ich. „Ja, aber der war vorher auch nicht gläubig!“ entgegnete Elieser. „Doch. Er war Sohn, so wie auch ich vorher Sohn war. Und der Vater sagte, dass es sich gezieme, fröhlich zu sein, denn sein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden. Ihr aber zeigt überhaupt keine Freude über meine Rückkehr.“ – „Wir müssen ja erstmal prüfen, ob du jetzt wirklich wieder gläubig geworden bist. Denn normalerweise kann ein echtes Kind Gottes auch nicht einfach seinen Glauben verlieren.“ – „Vielleicht nicht nach eurem Schriftverständnis; aber ich lese es anders in der Bibel. Der HErr Jesus sagt: ‚Jede Rebe in mir, die nicht Frucht bringt, wird abgeschnitten und ins Feuer geworfen‘ (Joh.15:6). ‚In Christus‘ kann man aber nur sein, wenn jemand wiedergeboren ist gemäß 1.Kor.5:17.“ – „Das ist sehr schade, Simon, dass du dem HErrn jetzt nicht mehr glauben willst, dass niemand Seine Schafe aus Seiner Hand rauben kann (Joh.10:27).“ – „Doch, das glaube ich auch weiterhin! Aber Er sagt damit nur, dass Er gewissenhaft auf uns achthat, nicht aber, dass Er uns gegen unseren Willen gefangen hält.“ Wir sprachen dann noch über eine Stunde über dieses Thema und kamen dann auf die Allversöhnung zu sprechen. Wieder ging es hin und her mit den Argumenten, wobei ich mir immer mehr Sorgen machte um Friedemann, der ja immer noch in der Küche wartete.

Nach etwa drei Stunden kam ich endlich auf mein eigentliches Anliegen: „Wir werden uns in diesen Lehrfragen sicherlich jetzt nicht einig werden, aber sie sind aus meiner Sicht auch eher zweitrangig. Ich bin auch eigentlich vor allem gekommen, weil ich euch die Hand reichen möchte und euch bitten will, mich wieder in eure Gemeinschaft aufzunehmen. Und damit es keine Irritationen gibt, verspreche ich euch, dass ich die Punkte, in denen wir unterschiedliche Erkenntnis haben, einfach in Zukunft verschweige, um niemandem ein Anstoß zu sein, denn so wichtig sind sie mir nicht. Seid ihr einverstanden?“ Nun erhob sich Elieser mit einem Lächeln und sagte: „Simon! Simon! WIE KANNST DU NUR erwarten, dass wir dich jetzt noch aufnehmen! Wie kannst du nur bei all den Unterschieden in der Lehre ernsthaft geglaubt haben, dass wir einfach darüber hinwegsehen könnten! Du musst uns doch kennen, dass das für uns unmöglich ist! Die Schrift ist diesbezüglich doch eindeutig!“ – „Nein, die Schrift sagt: ‚Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat‘ (Röm.15:7). Ich finde keine Stelle in der Bibel, die uns das Recht gibt, uns wegen zweitrangiger Lehrfragen zu trennen, sondern wir sollen zusammenhalten und bei unterschiedlichen Ansichten nicht gegeneinander sondern miteinander um die richtige Erkenntnis ringen. Denn wir können uns alle irren, wie Jakobus sagt, deshalb dürfen wir nicht glauben, das alleinige Wahrheitsmonopol zu besitzen.“ – „Die Schrift sagt aber auch, dass wir niemanden aufnehmen dürfen, der nicht die Lehre des Christus bringt, und deine Allversöhnung hat der HErr nicht gelehrt!“ – „Doch. Der HErr sagt, dass alle Sünden und Lästerungen den Menschen einmal erlassen werden, entweder in diesem oder im nächsten Zeitalter, mit Ausnahme der Geisteslästerung. Und wenn Ihr der Meinung seid, dass 2.Joh. 9-11 auf mich zuträfe, dann sagt ihr damit auch, dass ich angeblich ‚Gott nicht habe‘ und dass ihr mich noch nicht einmal ins Haus aufnehmen dürftet. Das habt ihr aber getan. Von daher seht ihr selbst, dass diese Stelle nicht auf mich zutrifft.“ Und zu Elieser gewandt sagte ich: „Ihr seid verpflichtet, mich aufzunehmen, und wenn ihr es nicht tut, dann ist dies eine Sünde, die der HErr nicht ungestraft lassen wird.“ Elieser lächelte aber nur und sagte nichts.

Als schließlich vier Stunden vergangen waren, brachen wir das Gespräch ab, und ich stellte mit Erschrecken fest, dass Friedemann noch immer in der Küche saß. Der Arme! Ich entschuldigte mich viele Male bei ihm, aber er winkte freundlich ab und sagte, dass es ihm nichts ausgemacht habe. Als wir im Flur dann unsere Jacken anzogen, klingelte mein Handy. Ruth war es. Sie war ganz aufgebracht und schluchzte, weil etwas Schlimmes passiert sei. Ich verabschiedete mich noch schnell von den Brüdern und ging mit Friedemann zum Wagen, um in Ruhe mit Ruth zu reden.

Sie sagte, dass mein 2-Meter-großer Ex-Lehrling Tim vor der Tür gestanden habe, als sie gerade los wollte zur Arbeit. Er wollte seine Arbeitspapiere haben. Ruth suchte sie, aber fand sie nicht auf die Schnelle. Er solle doch wiederkommen, wenn ich wieder da sei, sagte sie. Da wurde Tim laut und schimpfte mit ihr, warum sie ihn überhaupt gekündigt habe. Sie versuchte nun, die Haustür zuzudrücken, doch in diesem Moment drückte Tim so heftig dagegen, dass Ruth nach hinten geschupst wurde. Sie war außer sich vor Angst und Wut und schloss schimpfend die Tür. Nun brüllte Tim weiter, so dass auch die Nachbarn es hörten. Völlig aufgelöst rief Ruth nun mich an, was sie tun solle. „Ruf doch die Polizei“ sagte ich. „Wir wollen ihm zwar nichts Böses, aber er soll lernen, dass sowas nicht geht. Du kannst ja eine Anzeige machen und sie später wieder zurückziehen, dann kriegt er wenigstens einen Schrecken.“ Ruth befolgte meinen Rat.

„Trägst du Röcke?“

Bevor ich Friedemann wieder zurückfuhr, machten wir einen kleinen Abstecher bei einer Schwester namens Elisabeth (82), die ganz in der Nähe wohnte und die ich vor Jahren mal in Sachsenheim kennengelernt hatte. Sie war überschwänglich und herzlich, weshalb sie überrascht war, als sich Friedmann nicht von ihr umarmen lassen wollte. Sie gab uns ein gutes Mittagessen und war sehr interessiert an meinem Werdegang in den letzten Jahren. Eine Woche später sollte ich dann erfahren, dass Bruder Elieser überraschend gestorben war. Nicht nur ich, sondern auch die Oertels fragten sich mit recht, ob diese plötzliche Abberufung etwas mit meiner Ankündigung zu tun haben könnte, dass der HErr diese Abweisung nicht ungestraft lassen würde.

Am nächsten Tag fuhr ich dann weiter nach Ludwigsstadt, wo am Abend wieder Bibelstunde war bei den Schwestern von Bernd. Im Verlauf des Austauschs über die Bibel kamen wir auf die aktuelle Flüchtlingskrise zu sprechen. Sofort erregten sich die Gemüter, und die Schwestern waren einhellig der Meinung, dass Angela Merkel die Flüchtlinge nicht hätte anlocken dürfen durch ihren Apell: ‚Wir schaffen das‘. Doch Bernd und ich sahen das ganz anders. Ich erinnerte sie daran, dass in Zeiten der Armut und des Hungers die Christen schon immer ausgewandert sind in andere Erdteile, und dass doch jeder von uns nach ein wenig Glück strebe, weshalb wir es auch ihnen zugestehen sollten. Bernd gab noch ergänzend zu bedenken, dass uns die Flüchtlinge aus den arabischen Ländern von Gott gesandt wurden, damit wir ihnen das Evangelium verkündigen können. Denn in den arabischen Ländern ist es ja nahezu unmöglich, das Evangelium zu predigen, ohne sofort verhaftet, gefoltert und getötet zu werden. Wie sollten sie denn sonst von Jesus Christus erfahren, wenn nicht durch solch eine Gelegenheit?

Dieses Argument überzeugte mich voll und ganz. Wir haben nicht die irdischen Interessen der Deutschen zu verteidigen, sondern sollten uns allein für das Heil der Mohammedaner engagieren. So nahm ich mir vor, nach meiner Rückkehr mit Ruth die Flüchtlingsheimen aufzusuchen. Überhaupt wollte ich jetzt meine bisher eher philosophisch ausgerichtete Internetseite www.zeitaufzustehen.de von nun an ganz evangelistisch gestalten, um dadurch speziell Atheisten vom Glauben zu überzeugen. Später sprach ich mit Bernd auch über die Möglichkeit, eine Website nur für Gläubige einzurichten, um biblische Lehre zu vermitteln. Damit Ungläubige sie nicht lesen können, wollte ich sie verschlüsseln lassen, aber Bernd hielt nichts von dieser Idee. Alle Menschen sollten prinzipiell die Möglichkeit haben, auch von der Lehre und den Geboten Jesu zu hören, wenn es sie interessiert, denn auch dies sei Teil des Missionsbefehls (Mt.28:19-20).

Am Freitagabend saß ich mit Bruder Bernd allein in seiner Schreibstube und erzählte ihm aus meinem früheren Leben. Als ich an jene Stelle kam, dass Ruth und ich seit wir verheiratet sind, schon mehrere Ehen gestiftet hätten, indem wir ledige peruanische Glaubensschwestern mit ledigen, aber schüchternen deutschen Männern in Kontakt brachten, unterbrach mich Bernd und sagte: „Das ist ja interessant, denn mein Freund und Bruder Henry Tippner sucht auch noch eine Ehefrau. Und gerade morgen will er uns besuchen kommen. Vielleicht kannst du dann mal mit ihm sprechen, ob er auch eine Schwester aus Peru heiraten würde.“ Da fiel mir ein, dass ja die Miriam Canto gerade nach Hannover gekommen war, um ihre Schwestern Fanny und Jenny zu besuchen, die wir bereits vermittelt hatten. Sollte das nicht eine Fügung Gottes sein?

Als Henry am nächsten Tag ankam, erklärte ich ihm die Situation, und er war sofort willig. „Es gibt aber diesmal eine kleine Einschränkung: und zwar musste ich meiner Frau Ruth versprechen, dass ich keine Ehevermittlung mehr betreiben möge, weil wir dann auch die Verantwortung vor Gott trügen, wenn es schief geht. Daher kann ich dir diesmal nicht beim Kennenlernen helfen, sondern gebe dir nur die Handynummer von Miriam, aber alles andere musst du dann allein machen. Zum Glück spricht sie wenigstens ein wenig Englisch.“

Bald darauf rief Henry in Hannover an. Das Gespräch soll wie folgt verlaufen sein:

Henry: „Hallo Miriam, mein Name ist Henry. Sag mal: glaubst du an den HErrn Jesus Christus?

Miriam: „Ja!

Henry: „Trägst du Röcke?

Miriam: „Ja.“

Henry: „Würdest du mich heiraten?

Miriam: „JAAA!!!

Daraufhin kaufte Henry zwei Verlobungsringe, fuhr nach Hannover und verlobte sich mit Miriam, die er in diesem Moment das erste Mal sah. Noch nie zuvor habe ich eine so schnelle Eheanbahnung gesehen. Wir vereinbarten daraufhin, gemeinsam im Januar nach Peru zu reisen, wo die beiden dann heiraten wollten.

Besuche in der Flüchtlingsunterkunft

Als ich wieder zurück in Bremen war, erzählte ich Ruth von der Idee, in den Flüchtlingsheimen zu evangelisieren, und sie war sofort bereit, mich zu begleiten. Da ich jedoch kein Arabisch konnte, rief ich einen ehemaligen Mitarbeiter aus Syrien an, um mich zu übersetzen. Bei dieser Gelegenheit konnte auch er dann gleich das Evangelium hören. Als wir ankamen, erklärten wir einem Aufseher, dass der Mensch ja nicht von Brot allein lebe, sondern auch etwas für seinen Geist und seine Seele brauche, und dass der Glaube Menschen gerade in schweren Zeiten Halt und Trost geben könne. Daraufhin brachte er uns in einen großen Aufenthaltsraum, wo die Flüchtlinge um viele Tische herumsaßen. Wir setzten uns an den Tisch eines etwa 60-jährigen Mannes, dessen Frau von oben bis unten in schwarzen Stoff gehüllt war, wie es in arabischen Ländern üblich ist. Während Ruth nun begann, der Frau mit einem Bleistift die Buchstaben des Alphabets beizubringen, begann ich, dem Mann vom HErrn Jesus zu erzählen und was Er für uns getan hat. Nachdem mein Mitarbeiter es übersetzt hatte, sagte der Mann aufgeregt auf Arabisch: „Bei aller Liebe, aber verschonen Sie mich bitte mit ihrer Religion! Ich habe die Nase so voll von all diesen Religiösen, denn sie sind daran schuld, dass ich mein Land jetzt verlassen musste. Ich hatte eine gut laufende Firma in Syrien mit vielen Angestellten, und jetzt musste ich wegen diesen Idioten alles aufgeben und noch einmal ganz von vorne anfangen. Das ist einfach eine Schande!“ Ich versuchte, ihm den Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum zu erklären, aber er winkte ab und wollte vom Glauben gar nichts mehr wissen. Es hatte keinen Zweck.

Wir hatten aber dann auch erfreulichere Gespräche, wobei wir uns nicht sicher waren, ob die Flüchtlinge wirklich am Glauben oder nur an materieller Hilfe interessiert waren. Einer versuchte sogar mehrfach, mit meiner Frau zu flirten und machte ihr ständig Komplimente. Wir brachten ihnen jede Menge gebrauchte Kleidung und Schuhe, aber vieles war leider zu groß für sie oder es gefiel ihnen nicht. Wir stellten fest, dass diese Syrer nicht unbedingt aus einem armen Land kamen und dass der christliche Glaube in Syrien gar nicht so fremd war. Wenn wir ihnen Traktate auf Arabisch gaben, nahmen sie diese bereitwillig an und sagten: „Ja. Isa!“ und machten ein Kreuzzeichen. Da unser Übersetzer jedoch nur die ersten beiden Male mitkam, war es schwer, uns mit den Leuten zu verständigen.  Es war alles doch gar nicht so einfach, wie wir gedacht hatten.

Inzwischen war auch Melania Canto (62) nach Deutschland gekommen und verbrachte ein paar Tage bei uns in Bremen. Wir erfuhren, dass sie und ihr Mann Felix sich vor Kurzem haben taufen lassen. Trotzdem gab es immer wieder Dinge, die uns irritierten. Z.B. war Melania noch immer sehr abergläubisch und erzählte etwas von Dingen, die man nur bei Vollmond machen dürfe oder nur an einem strömenden Fluss (ich hatte nicht genau zugehört). Ruth schimpfte mit ihr, dass dies nicht biblisch sei, sondern vom Okkultismus herkomme. An einem Tag war Ruth mit Melania auf dem Flohmarkt, wo die Leute zum Schluss ihre nicht verkauften Waren einfach liegen ließen. Melania nahm sich ein paar Kleidungsstücke und brachte sie anschließend mit Ruth zu ihrer Tochter Fanny, um ihr diese zu schenken. Fanny fragte sie: „Hast du diese für mich gekauft?“ Sie sagte: „Ja.“ Später schimpfte Ruth wieder mit Melania und sagte: „Du kannst doch nicht deine eigene Tochter belügen!“ Melania sagte nur: „Ach was! Hätte ich ihr gesagt, dass ich die Kleidung gefunden habe, hätte sie sie nicht angenommen.“ Verglichen mit dem, was wir aber später noch über Melania erfahren sollten, war dies noch absolut harmlos.

An einem anderen Tag lud uns Martin zu einem Rundflug mit einer Cesna ein (Martin war Hobbypilot und musste regelmäßig Flugstunden ableisten, um seine Lizenz nicht zu verlieren). So flogen wir mit Melania zusammen zur Insel Borkum, verbrachten dort etwa eine Stunde mit Spaziergängen und flogen dann wieder zurück. Auf dem Weg erzählte Martin uns immer wieder, wie sehr er darunter leide, dass seine Frau Heidi sich einfach so von ihm getrennt hatte, obwohl er immer gut zu ihr war. Er war froh, dass wir ihm geduldig zuhörten und gaben ihm immer dieselben Ratschläge.

„Sie schulden uns etwa 53.000, – Euro“

Während ich bei Bernd war, hatte ich ihm bekannt, dass ich früher während meiner Zeit als Abgefallener häufig schwarzgearbeitet hatte, nun aber diesen Schaden wiedergutmachen wolle. Bernd hatte mir zu einer Selbstanzeige geraten, weshalb ich meinem Steuerberater davon erzählte. „Sind Sie noch zu retten, Herr Poppe?! Auf gar keinen Fall! Sie haben keine Ahnung, was das bedeutet. Denn Sie müssten in diesem Fall jede einzelne Tat der letzten zehn Jahre genauestens aufklären. Die Fahnder schauen in solchen Fällen nämlich ganz genau hin, weil sie sich sagen: ‚Wo Rauch ist, ist auch Feuer‘. Und wenn Sie auch nur eine einzige Einnahme dabei übersehen, dann sind Sie dran wegen Steuerhinterziehung! Und dann wandern Sie in den Knast! Ist Ihnen das klar? Und Sie haben eine Familie zu versorgen. Machen Sie das bitte auf keinen Fall!“ Verunsichert wand ich ein: „Ich will aber dieses Unrecht irgendwie gutmachen…“ – „Dann spenden Sie doch einfach einen höheren Betrag an eine charitative Einrichtung, um ihr Gewissen zu entlasten“ riet er mir.

Nun war ich natürlich erstmal ratlos und betete, damit der HErr mir zeigen möge, was ich zu tun habe. Und dann kam plötzlich zwei Wochen später die Gebetserhörung, aber auf eine ganz andere Weise, als ich gedacht hätte: Mein Steuerberater rief mich an und sagte: „Herr Poppe, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie. Ich habe Post bekommen vom Finanzamt, und die dortigen Sachbearbeiter wollen Sie gerne in den nächsten Tagen prüfen. Das bedeutet, dass Sie alle Ihre Unterlagen der letzten vier Jahre hier ins Steuerbüro vorbeibringen müssen, und die werden etwa eine Woche lang alle Zahlen mithilfe einer speziellen Software auswerten, um herauszufinden, ob da Ungereimtheiten sind. Ich kann Ihnen sagen, dass die mit Sicherheit fündig werden, denn Ihre Buchhalterin hat sehr häufig fehlerhaft abgebucht, und das wird denen gar nicht gefallen. Sie müssen damit rechnen, dass Ihre gesamte Buchhaltung verworfen wird und Sie dann geschätzt werden. Das kann sehr teuer für Sie werden!“ Während ich ihm zuhörte, war mir sofort klar, dass diese „Prüfung“ von Gott war wegen meiner jahrelangen Schwarzarbeit, aber dass ich jetzt die Chance bekam, reinen Tisch zu machen. Im Grunde war’s also eine gute Nachricht, auch wenn es mir jetzt ans Leder ging.

Eine Woche lang wurden dann sämtliche Ordner und Datenträger meiner Firma aus den letzten vier Jahren von zwei Prüfern des Finanzamts nach Auffälligkeiten untersucht. Am Ende der Woche sollte ich dann zur Besprechung des Ergebnisses bei meinem Steuerberater erscheinen. Wie zu erwarten, erklärten mir die beiden Prüfer, dass sie jede Menge Fehler entdeckt hätten, die den Verdacht der Steuerverkürzung nahelegen würden. So hatte ich z.B. freiwillig über Jahre immer eine Liste all meiner Ausgangsrechnungen abgegeben – wozu ich nicht verpflichtet war – was aber die Arbeit des Steuerberaters erleichterte. Gelegentlich gab es aber Missverständnisse in der Abstimmung mit meiner Bürokraft, so dass manche Rechnungsnummern versehentlich zweimal vergeben, manche Rechnungsnummern aber auch gar keinem Kunden zugewiesen wurden. Diese Nachlässigkeit erweckte nun den Eindruck, als habe ich diese Rechnungsbeträge in bar erhalten bzw. schwarz, weshalb ich zwar den Namen des Kunden gelöscht haben könnte, nicht aber die dazugehörige Rechnungsnummer. Tatsächlich war es nicht so, aber warum sollten mir die Finanzbeamten dies glauben?

Nachdem der Prüfer mir mehrere Beispiele von Fehlern genannt hatte, erklärte er mir, dass diese hinlänglich ausreichten, um die gesamte Buchhaltung zu verwerfen und eine Schätzung vorzunehmen. Da ich damit gerechnet hatte, regte sich bei mir kein Protest, sondern ich fragte höflich, mit welcher Nachzahlung ich zu rechnen habe.  „Maximal schulden Sie uns etwa 53.000,- €. Aber wir sind gerne bereit, Ihnen entgegenzukommen.“ Ich lächelte und sagte ruhig: „Dann muss ich Insolvenz anmelden.“ – „Wie sieht es denn mit 40.000,- € aus?“ fragte er mich. „Das ist auch viel zu hoch.“ – „Und 30.000,- €?“ – „Auch das ändert nichts, denn so viel Geld habe ich nicht.“ – „Dann mal andersherum gefragt: Wie viel könnten Sie denn bezahlen? Denn auch uns ist ja nicht mit Ihrem wirtschaftlichen Ruin gedient, sondern wir streben nur ein Höchstmaß an Steuergerechtigkeit an.“ Ich überlegte und antwortete zögerlich: „Vielleicht 20.000,- € mit Ach und Krach, wenn alles gut läuft…“ – „Gut, ich notiere mir das“ sagte der Beamte, „aber ich kann das selbst nicht entscheiden, sondern muss Ihren Vorschlag meiner Chefin vorlegen, und die wird das dann endgültig festlegen.“ Wir standen auf und verabschiedeten uns.

Zwei Wochen später teilte man mir mit, dass das Finanzamt mindestens 33.500,- € als Kompromiss von mir haben wolle oder aber einmal gründlich nach Indizien für Steuerhinterziehung fahnden würde. Mein Steuerberater riet mir dringend, diesen Vorschlag zu akzeptieren und nötigenfalls einen Kredit aufzunehmen. Ich willigte ein, spielte jedoch mit dem Gedanken, meine Firma danach abzumelden. Denn wenn meine Firma nicht mehr existiere, würde ich nur noch etwa 12.000,- € zahlen müssen, und ich hatte ohnehin keine Lust mehr zu meiner Selbstständigkeit. Dieser Kompromiss musste jedoch noch vertraglich vereinbart werden und so holte mich Herr Zengel ab, um mit ihm zu meinem Termin beim Finanzamt zu fahren. Ich erzählte ihm in meiner Einfalt, dass ich pleitegehen wolle, was ihn völlig irritierte: „Wieso das denn?! Sie haben doch gar keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen, denn substantiell ist ihre Firma doch völlig gesund!“ – „Ja, aber ich bin jetzt schon 17 Jahre selbstständig und es inzwischen einfach überdrüssig. Ich würde gerne mal etwas ganz anderes machen, wie z.B. Berufsschullehrer.“ – „Dann sagen Sie das bitte auf keinen Fall den Sachbearbeitern dort, denn sonst kann es passieren, dass sie diesen Deal platzen lassen!

Überraschenderweise waren in dem Raum etwa 10 Finanzbeamte, die alle ebenso wie ich den Vertrag unterschrieben, als würde es um eine große Sache gehen. Doch während des Treffens schlug mir plötzlich das Gewissen, weil ich ja so tat, als hätte ich vor, die 33.500,- € wirklich zu zahlen, was ja aber ja nicht der Fall war. Als Christ durfte ich aber nicht täuschen, sondern musste ehrlich sein. Vor allem sollte ich doch auf Gott vertrauen, dass Er meine Firma schon aus dieser Krise hinausbringen würde, ohne dass ich mich durch Kündigungen schuldig machen würde an meinen Mitarbeitern, die schließlich alle ihre finanziellen Verpflichtungen hätten. Vor allem aber trug ich ja auch Verantwortung für meine Familie und musste also weitermachen. Aber wie sollte ich das Geld bezahlen?  Ich betete und bat Gott um Hilfe.

Auf einmal kam mir eine Erinnerung: Vor elf Jahren hatte ich u.a. eine Lebensversicherung abgeschlossen, die uns beim Erreichen des Rentenalters ausgezahlt werden sollte. Im Jahr zuvor hatte jedoch die Glaubensschwester Maria im Hauskreis beiläufig berichtet, dass sie ihre private Rentenversicherung aufgelöst hatte, weil ja geschrieben stehe: „Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde“ und außerdem: „Sorget euch nicht um den morgigen Tag“. Dieses Zeugnis nahm ich mir zum Vorbild, um bald darauf ebenso meine Sparverträge und Lebensversicherungen zu kündigen, soweit dies möglich war. Seitdem hatte ich zwar eine Eingangsbestätigung erhalten, aber noch keine Auszahlung des Betrages. Ich dachte, ich sollte da doch mal nachhaken, wann und wieviel ich nun bekommen würde. Doch das war nicht mehr nötig, denn „zufällig“ bekam ich gleich am nächsten Tag ein Schreiben, dass nun meine Lebensversicherung wunschgemäß aufgelöst sei und ich einen Betrag von 40.035,82 € ausgezahlt bekäme in den nächsten Tagen. Dies konnte ich nur als Gebetserhörung ansehen und zugleich als eine Bestätigung vom HErrn, dass mein Entschluss vom Vorjahr richtig gewesen war, denn sonst hätte ich die Steuerschulden nicht bezahlen können.

Zum Ende des Jahres wollte ich mit Ruth nochmal die Geschwister Bernd und Brigitte besuchen, damit auch Ruth diese mal kennenlernt. Zur gleichen Zeit fuhren auch Henry und Miriam zu ihnen, so dass ich mit Henry bei Bernds Schwester Adelheit schlief, während Ruth und Miriam in Bernds Wohnung übernachteten. Miriam war ausgesprochen fröhlich und impulsiv, während Henry von Natur eher ruhig und besonnen war. Aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Wir übersetzten ihren gemeinsamen Austausch und besprachen unsere geplante Reise nach Peru Anfang Januar, sowie die Hochzeit der beiden dort. Dann fuhren Ruth und ich weiter nach Bautzen, um auch mal Johannes (46), den Sohn von Bernd und Brigitte, sowie seine Frau Diana und ihre fünf Kinder kennenzulernen. Bei ihnen wohnte ein Bruder namens Klaus Rost (45), der schon seit 25 Jahren mit Johannes eng befreundet war. Beide waren selbstständige Baumfäller, und Klaus organisierte zusätzlich noch für Bruder Hans-Udo Hoster Hilfstransporte nach Rumänien.

Zum Schluss fuhren wir dann noch nach Berlin, um Hans-Udo und seine Frau Elsbeth nach Jahren mal wieder zu besuchen und uns mit ihnen wieder zu versöhnen. Es war ja so, dass ich Hans-Udo sehr viel Kummer und Probleme verursacht hatte, als ich 1995 die Kinderheimarbeit in Ecuador einfach aufgab und ein Jahr später dann auch noch meinen Glauben verlor. Die beiden freuten sich jedoch, dass ich nun wieder zurückgekehrt war zum himmlischen Vater und für Gott arbeiten wollte. Als wir schließlich wieder nach Bremen zurückfuhren, erzählte mir Ruth, dass sie eine Nachricht von ihrer Cousine Eva Curo Ccencho (44) bekommen habe. Diese wolle uns nach 23 Jahren, die wir keinen Kontakt mehr miteinander hatten, im Januar mal in Lima besuchen. Ruth sagte: „Eva wurde als Kind einmal von Melanias Ehemann Felix missbraucht. Genaueres weiß ich aber auch nicht.“ Wir ahnten nicht, dass es in Wirklichkeit noch viel schlimmer war…

Unwirksames Predigen

 

„Sie kommen in Scharen zu dir und setzen sich als Mein Volk vor dich hin und hören zwar deine Worte an, aber sie richten sich nicht danach. Sie tun so, als seien sie begierig danach, aber insgeheim sind sie nur mit ihrem eigenen Gewinn beschäftigt. Du bist ihnen wie einer, der mit schöner Stimme Liebeslieder singt und gut dazu spielen kann. Aber sie denken nicht daran, deine Worte ernst zu nehmen. Doch wenn dann deine Ankündigungen eintreffen – und das werden sie mit Sicherheit –, werden sie erkennen, dass ein Prophet unter ihnen gelebt hat.“ (Hes.33:31-33)

Liebe Geschwister im HErrn Jesus Christus,

Die Gnade und der Friede unseres Gottes und unseres HErrn Jesus Christus seien mit Euch!

Bei den obigen Worten sollten wir uns zwei entscheidende Fragen stellen bzw. uns beantworten:
1. Bezieht sich die Kritik nur auf die damalige Situation oder ist sie auch heute noch gültig?

  1. WER ist mit „sie“ und „ihnen“ gemeint: Nur die anderen (lauen) Gläubigen oder auch WIR selbst?

Es ist ja wie ein natürlicher Reflex, wenn wir so eine scharfe Kritik lesen, dass wir sie gar nicht erst an uns herankommen lassen, sondern sofort denken: „Ja, das trifft wirklich zu – auf die anderen!“ Aber seien wir doch mal ehrlich: Sind unsere Gedanken wirklich immer aufmerksam auf die Predigt gerichtet und überlegen wir uns, wie wir das Gesagte in unserem Alltag umsetzen können? – Oder sind wir gedanklich häufig meist ganz woanders und tun nur so, als ob wir aufmerksam zuhören?

Wer schon viele Jahre gläubig ist und regelmäßig in eine Gemeinde geht, der hat mit Sicherheit schon alles mal gehört und gerät deshalb in Versuchung, die Ohren im Gottesdienst von vornherein auf Durchzug zu schalten. Und oftmals richtet sich unsere Aufmerksamkeit dann eher darauf, die Augen offen zu halten, um nicht den Eindruck zu vermitteln, dass die Predigt zum Einschlafen wäre. Eine Schwester hatte immer die Angewohnheit, während des ganzen Gottesdienstes bei geschlossenen Augen mit dem Kopf zu nicken, so als ob sie in tiefen Gedanken versunken jeden einzelnen Satz bejahen und genießen würde. Ich dachte damals, dass dies eigentlich ein guter Trick sei, um auf legale Weise sein Nickerchen machen zu können, ohne dass jemand Verdacht schöpfen kann.

Wenn uns jedoch heutzutage bei manchen Predigten die Augen zufallen, liegt das nicht nur daran, dass wir unausgeschlafen sind, sondern dass die Prediger nur noch leidenschaftslos eine Predigt von der Stange präsentieren, um ihre Pflicht erfüllt zu haben. Man merkt sofort, ob jemand ein echter Hirte oder nur ein Mietling (bezahlter Prediger) ist, der sich um die Schafe nicht wirklich kümmert (Joh.10:13). Paulus hatte jeden einzelnen der Gläubigen in Ephesus drei Jahre lang Nacht und Tag unaufhörlich ermahnt und ermutigt (Apg.20:31). Ich kenne nur wenige Prediger in Deutschland, bei denen ich den Eindruck habe, dass ihnen das geistliche Wachstum ihrer Schafe ein Herzensanliegen ist (zu ihnen gehören die Brüder Peter Schild und Tobias Riemenschneider aus Frankfurt, die ich an dieser Stelle wärmstens empfehlen möchte, z.B. hier: https://youtu.be/XdC5TgSGe7U).

Wie ich es bereits in meiner Stellungnahme zu Roger Liebi ausgeführt habe, krankt die Gemeinde in Deutschland an Kopflastigkeit. Sie begnügt sich damit, einfach nur alles wissen zu wollen, ohne dass der durch den Geist Gottes erneuerte Mensch in ihnen geistliche Nahrung zum Wachstum bekommt. Es gibt Christen, die sich nur noch mit Endzeitentwicklungen befassen, was im Grunde eine Art Junk Food (Pommes mit Mayonnaise) ist für das christliche Leben und auf Dauer zur geistigen Überfettung und Selbstgefälligkeit verführt. Wenn es einem Prediger nicht gelingt, einen Bezug herzustellen zur eigenen Lebenswirklichkeit der Gläubigen, um ihnen Anweisungen und Hilfestellung zu geben für ihre echten Sorgen und Probleme, dann hätte man sich den Gottesdienstbesuch im Grunde sparen können. Letztens hörte ich einen Bruder über Laodizea predigen, aber trotz dieses dringlichen und dramatischen Themas erwähnte er nicht mit einer einzigen Silbe, dass WIR Laodizea sind und dass WIR aus dem Munde des HErrn ausgespien werden, wenn wir nicht Buße tun von unserer Lauheit und Selbstgefälligkeit! Stattdessen blieb es mal wieder bei einer belanglosen Kritik an irgendeiner unwichtigen Gemeinde in Kleinasien, deren Briefempfänger schon seit 1900 Jahren tot sind. Wie tragisch ist es, wenn der Geist den Versammlungen heute nichts mehr sagen kann!

 

Nachrichten von unseren leidenden Geschwistern in:

Uganda

Unser Bruder Lawrence hat unsere Spenden wieder an verschiedene arme Brüder im Land verteilt: links gibt er 100 € an Pastor Fred Luaga, daneben 300 € an Schwester Christine aus Entebbe und rechts 120 € an Vickie, eine Enkelin von Rev. J. Katumba, die gerade wegen eines Magengeschwürs im Krankenhaus ist. Schwester Marlies hat mitgeteilt, dass die Waisenkinder aus Massaja von nun an nicht mehr über TLM, sondern direkt durch Lawrence und Peter die monatlichen Schulgelder von ihren Paten in Deutschland erhalten sollen. Wer von Euch ebenso ein Waisenkind regelmäßig unterstützen möchte, möge sich an mich oder Marlies Krauss wenden.

Deutschland

Am 18.07.23 durften David und ich unsere neuen Geschwister im Hauskreis, Bujor und Alexandrina Tesaur aus Rumänien in der Weser taufen, nachdem beide zuvor ihren Glauben an den HErrn Jesus bezeugt haben. Bitte betet für die beiden, denn sie werden gerade schwer geprüft, da ihr Vermieter ihnen gekündigt hat zum 31.07.23. Sie haben 4 Kinder und brauchen daher eine größere Wohnung.

 

Bei meinem Zwillingsbruder Marcus und seiner Frau Christine hat sich noch nichts geändert: Sie ist noch immer auf der Erde und Marcus leidet sehr darunter, dass sie in den nächsten Tagen heimgerufen wird, da er nicht weiß, wie es dann weiter gehen soll. Er ist völlig verzweifelt

und hat auch im Glauben ziemlich Schiffbruch erlitten. Bitte betet für ihn, dass er doch Trost und Zuversicht in Gott wiederfinden möge.

Seid dem HErrn Jesus Christus anbefohlen,

Euer Bruder Simon  (Tel.: 01796707074)

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(Jim Elliott)