Warum ich jetzt die Sozialen Netzwerke verlassen habe
Liebe Geschwister,
Schon vor ein paar Wochen habe ich mich entschieden, dass ich ab den 01.03.2023 meine digitale Erreichbarkeit einschränken will, indem ich mich aus allen sozialen Netzwerken im Internet zurückziehen werde. Ob mir das am Ende gelingen wird, dauerhaft auf WhatsApp, Telegram und Facebook zu verzichten, kann ich jetzt noch nicht sagen, aber ich vertraue dem HErrn, dass Er mich darin unterstützen wird.
Gerne möchte ich aber auch mal die Gründe für meinen Entschluss benennen. Wir kennen das alle: Seit wir die unzähligen Chancen und Möglichkeiten des Internets entdeckt haben, halten wir es inzwischen für unverzichtbar, weil es unsere Beziehungen deutlich vereinfacht. Wir brauchen diese Kontakte mit unseren Geschwistern, und sie brachen den Kontakt mit uns. Wir fühlen uns auch selbst so unersetzbar. Die Kehrseite der ständigen Erreichbarkeit durchs Mobiltelefon sind dauernde Unterbrechungen und Ablenkungen. Und wenn wir nicht von außen gestört werden, stören wir uns eben selbst, indem viele von uns während des ganzen Tages aufs Handy schauen, um zu sehen, ob wieder einer was geschrieben hat. Wenn man – wie ich – über 250 Kontakte pflegt mit Geschwistern und Kunden, dann hält das am Tag schon ganz schön ab von den eigentlichen Aufgaben!
„Meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet“ beklagt die Braut selbstkritisch im Hohelied 1:6.
Meine viele Aktivität im Netz – sei es auf Facebook, in WhatsApp-Gruppen oder auf Telegram – hat mir immer die Illusion gegeben, dass ich sehr produktiv und effektiv bin, weil ich mich um so viele Anliegen gleichzeitig kümmere. Aber in Wirklichkeit habe ich immer nur meinen Lieblingsinteressen hingegeben, nämlich Debatten über die biblische Lehre zu führen und habe meine Büroarbeit viel zu sehr vernachlässigt. Ja, die traurige Wahrheit ist: ich hätte schon längst ein erfolgreicher Malereibetrieb sein können mit 20 Mitarbeitern und 10 Firmenwagen, wenn ich einfach disziplinierter gewesen wäre und meine Chancen genutzt hätte. Stattdessen hielt ich mich mit meiner kleinen Firma nur gerade eben so über Wasser, indem ich gerade einmal nur das Nötigste tat und tun konnte, da ich einfach zu viele andere Verpflichtungen hatte. Denn vor lauter Ad-hoc-Aktionen verlor ich immer häufiger aus den Augen, was eigentlich wirklich wichtig war, nämlich das Gebet und die Besuche bei einsamen Geschwistern (Jak.1:27).
Jederzeit erreichbar sein zu können, ist ein Phänomen, das unsere Eltern oder Großeltern sich nicht mal in ihren kühnsten Träumen hätten vorstellen können. Wir waren ja bis Anfang der 90er Jahre nur leibhaftig oder über Briefe für andere Menschen ansprechbar. In den 1990er-Jahren eroberten dann Computer und Emails die Welt. Plötzlich flitzen Anfragen in Sekundenschnelle um den Globus, und die Ungeduld der Absender auf Antwort stieg. Ergo stieg der Druck auf den Empfänger bitte so schnell wie möglich zu reagieren. Die innere Alarm-Bereitschaft wuchs. Und dann wurde es mobil. Mit dem Siegeszug der Handys gaben es viele Menschen aus der Hand, wann sie erreichbar sein wollten und wann nicht. Fasziniert von den neuen Möglichkeiten fanden es viele „cool“ ständig ansprechbar zu sein. Und legten damit den Grundstein, wie sehr wir jetzt im Stand-by-Modus sind.
Heute kommunizieren wir ja meist asynchron, d.h. wir müssen nicht mehr gleichzeitig online sein, um uns auszutauschen. Mit dem Ergebnis, dass minütlich Mails, SMS-, WhatsApp-Textnachrichten oder Audio-Nachrichten über uns hereinbrechen. Bei jeder Gelegenheit kannst Du irgendwo etwas beantworten, und der Zufluss reißt nicht ab. Ständig gibt es neue Push-Nachrichten. Und immer ist der Druck da, antworten zu müssen, damit der andere nicht beleidigt ist. Während dessen bestehlen wir unsere Ehefrauen, unsere Kinder und besonders unsere Vorgesetzten, wenn wir privat am Mobiltelefon hängen oder surfen. Denn wer hängt die verdaddelte Arbeitszeit schon wirklich hinten an? Ein junger Bruder, der ein ehemaliger Mitarbeiter von mir war, entschuldigte sich letztens bei mir, weil er während der Arbeitszeit häufig in unbeobachteten Momenten heimlich immer an seinem Smartphone gespielt hat, um sich zu zerstreuen.
Die Sucht nach ständiger Erreichbarkeit hat ihre Ursache in dem Wunsch, unseren menschlich begrenzten Wirkungskreis auszudehnen und damit mehr Einfluss auf andere zu erlangen. Dies kann für einen Evangelisten oder Produktverkäufer durchaus sinnvoll sein. In dem Wert „erreichbar“ steckt ja das Wort „Reich“ – d.h. jeder möchte sein kleines Reich ausdehnen und neue Gebiete erobern. Da jedoch alle den gleichen Wunsch haben, stoßen diese Reiche aneinander und es kommt zu jeder Menge Reibungen durch Endlosdiskussionen. Viele möchten in den Debatten gern als Sieger hervorgehen, um ihren Beliebtheitsstatus zu erhöhen. Also im Grunde ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Selbst gestandene und abgeklärte Brüder erlagen auf Facebook oftmals der Versuchung, über das Stöckchen zu springen, das ihnen von notorischen Trollen durch provozierende Falschaussagen vor die Füße gelegt wurde und gerieten mir nichts dir nichts in einen Strudel der Besserwisserei.
Wenn wir jedoch merken, dass uns eine neue Technologie am Ende mehr Schaden als Nutzen bringt, indem sie uns „überwältigt“ (1.Kor.6:12) und zur Sünde verleitet, dann sind wir laut der Aussage des HErrn Jesus in Mt.5:29 dazu verpflichtet, den Anstoß zu unseren dauernden Fehltritten ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen – und sei es durch eine Form freiwilliger „Amputation“. Der HErr warnt uns hier eindringlich, dass die sündhaften Lüste uns in das Höllenfeuer bringen können, wenn wir nicht bereit sind, auf diese zu verzichten! Selbst Ungläubige haben schon eingesehen, dass die ständigen Ablenkungen durch das Smartphone sie in eine ausweglose Sklaverei gebracht haben und haben dann durch einen radikalen Verzicht ihr Leben wieder „auf Werkseinstellung zurückgesetzt.“ Für eine solche mediale Entgiftungskur gibt es sogar einen Namen „Digital Detox“, zu Deutsch: „Digitalentgiftung“. Wenn also sogar die Welt dieses Phänomen ernst nimmt, wieviel mehr sollten dann jene frei werden, zu denen gesagt wurde: „Für die Freiheit hat Christus euch frei gemacht; stehet nun fest, und lasset euch nicht wieder unter einem Joch der Knechtschaft halten“ (Gal.5:1)!
Als Selbstständiger kann ich natürlich nicht völlig auf das Internet verzichten; aber ich reduziere meine Erreichbarkeit auf das Telefon und den Email-Versand. Und immer dann, wenn es mich überkommt und ich gerne wieder meinen Gedanken „nachhuren“ würde (4.Mose 15:39), dann will ich mich still hinsetzen und auf den HErrn Jesus schauen, bis die Versuchung vorüber ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Entwöhnungsprozess gar nicht so schmerzhaft sein wird, zumal die Freude am Sieg als solche schon eine große Belohnung ist. Zugleich ist die digitale Wüste für mich eine gute Vorbereitung auf den geistlichen Dienst in der Zukunft, wenn der Antichrist alle Bereiche des Lebens überwachen will. Wie sehr würde ich mich freuen, wenn auch der ein oder andere von Euch mich bei diesem Experiment durch Mitmachen unterstützen würde! Ansonsten würde ich mich schon freuen, wenn Ihr für mich betet.
Euer Bruder Simon
P.S.: Selbstverständlich möchte ich auch weiterhin – wenn der HErr Gnade schenkt – Artikel für den „Hahnenschrei“ schreiben und auf dieser Seite veröffentlichen – bis der HErr kommt. Vor zwei Wochen habe ich zudem begonnen, kurze Wortbetrachtungen auf YouTube zu veröffentlichen (https://www.youtube.com/watch?v=ObobSySP7qA)