9. Glaube
„HErr, wenn Du es bist, so befiel mir, über das Wasser zu Dir zu kommen…“ (Mt.14:28)
Mit was für einer Selbstverständlichkeit geht Petrus hier davon aus, dass auch er – wie sein Herr – über das Wasser gehen könne, wenn dieser es nur befehle! Wir haben hier eine wunderbare Veranschaulichung des lebendigen Glaubens. Denn Petrus konnte zwar schwimmen (Joh.21:7), aber sie waren ja weit auf dem Meer in stockdunkler Nacht bei hohem Wellengang, so dass die Gefahr des Ertrinkens groß war.
Auch heute in Zeiten einer drohenden Impfpflicht befinden sich viele Gläubige in Seenot und drohen, im Glauben Schiffbruch zu erleiden (1.Tim.1:19). Die „Winde“ bedeuten in der Bibel die irrigen Lehren (Eph.4:14) und die Wellen und Wogen des Meeres stehen allegorisch für die Gesetzlosen, die „wie das aufgewühlte Meer sind; denn es kann nicht ruhig sein, und seine Wasser wühlen Schlamm und Kot auf“ (Jes.57:20). Das Tier der Endzeit wird ja aus dem Meer hervorgehen, aber eben nicht aus einer stillen See, denn der HErr spricht von „brausendem Meer und Wasserwogen“ (Luk.21:25). „Was toben die Nationen und sinnen Eitles die Völkerschaften?“ (Ps.2:1). Eine Gemeinde, die nicht tut, was der HErr geboten hat, wird in der zunehmenden Drangsal der Endzeit kaum bestehen können (Mt.7:26-27).
Doch gefährlicher als die ungehemmte Aggression auf der Straße ist für den Gläubigen die Gesetzlosigkeit in seinem Inneren, wenn sie versucht, die Oberhand zu gewinnen. Ob nun unkontrollierte Wut oder visuelle Anfechtungen – wenn sich die Fleischeslust in uns wie eine Woge erhebt, dann kann nur noch der Glaube und das Aufblicken auf den HErrn uns vor der Sünde bewahren, da uns sonst die Schlange in die „Ferse“ schnappt (hebr. aQe´Bh, vergl. Jakob = „Überlister“ von aQa´Bh = „einen Umweg gehenmachen“). Allein die Glaubenstreue vermag die Welt zu überwinden (1.Joh.5:4). In diesem Sinne ist unser Glaubensleben ein Wandel auf dem Wasser. „Der Geist schwebte über dem Wasser“ (1.Mo.1:2), deshalb sagt Paulus: „Wandelt im Geist, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen“ (Gal.5:16). Rebekka fragte den HErrn, warum da solch ein Schmerz ist in ihrem Inneren, und der HErr erklärte ihr, dass es zwei Mächte sind, die gegeneinander streiten, so wie das Fleisch gegen den Geist (Gal.5:17). Aber Er gab ihr auch einen Befehl: „Der Vielfähige (hebr. RaBh, vergl. Rabbi) soll dem Geringen dienen“ (1.Mo.25:23). Ja, das Fleisch ist zu Vielem fähig, daher muss es in Zucht genommen werden.
Petrus war als Fischer kein Theoretiker, sondern ein Mann der Tat. Sein Aktivismus und seine Spontanität führten nicht immer dazu, dass er wusste, was er sagte (Mk.9:5-6), aber in diesem Fall machte er alles richtig. Während die anderen noch vor Angst schrien, stieg er mutig aus dem Boot, um dem HErrn entgegen zu gehen. Der Hinweis auf die „4. Nachtwache“ (ab 3:00 Uhr früh), ist allegorisch wohl ein Hinweis auf die Entrückung: denn nach Ps.90:4 sind 1000 Jahre nicht nur wie ein Tag, sondern auch wie eine Nachtwache. Entsprechend fiel die Welt nach dem Sündenfall in eine „Nacht“, die 4000 Jahre (4 Nachtwachen) dauern sollte, bis durch das erste Kommen des HErrn der „Tag“ anbrach (Joh.9:4-5, Jes.21:12). Als der HErr dann ging, wurde es wieder Abend (Luk.24:29). Nachdem aber inzwischen wieder 2000 Jahre (2 Nachtwachen) vergangen sind, ist „die Nacht weit vorgerückt“ (Röm.13:12, 2.Petr.1:19). Wir brauchen aber jetzt nicht mehr weitere 2000 Jahre warten, da der HErr die letzten beiden „Tage verkürzt“ hat (Mt.24:22), und zwar auf zweimal 3,5 Jahre (7-jährige Drangsal). Das Verhältnis von 1000 : 3,5 findet sich in 2.Mo.20:5 und 34:7 bestätigt („Die Jahre der Frevler werden verkürzt“ Spr.10:27). Demnach wird der HErr uns kurz nach der Mitte der 7-jährigen Drangsal entrücken, was auch in Hab.3:2 und Offb.10:7 bestätigt wird.
Das Geschrei der Jünger im Boot, die gedacht hatten, sie würden ein Gespenst sehen, erinnert an Mt.25:6, den Mitternachtsruf „Siehe, der Bräutigam! Kommt heraus Ihm entgegen!“ Aber so wie die Jünger damals völlig verängstigt und unvorbereitet waren, so sind auch heute viele Christen verunsichert, schon allein wegen der Wogen, die sich gerade in ihrem Leben erhoben haben. Daher brauchen auch wir den Zuspruch unseres HErrn: „Seid getrost, Ich bin’s (JHWH=ich bin) fürchtet euch nicht“. Die Definition von Glaube ist: 1. „Gutes tun“ und 2. „Keinerlei Schrecken fürchten“ (1.Petr.3:6). Diese Stelle im Petrusbrief richtet sich übrigens besonders an die heutigen Frauen, die sich Sara zum Vorbild nehmen sollten, da sie ihren Mann als Herrn ansah und sich bei ihm geborgen wusste.
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10. Urteilen
„Urteilt nicht etwas vor der Zeit, bis der HErr kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott.“ (1.Kor.4:5)
Als vor ein paar Wochen hier in Bremen der Gerichtsprozess gegen unseren Pastor Olaf Latzel wegen Volksverhetzung stattfand, habe ich einiges gelernt über das Wort „urteilen“: Obgleich eigentlich alle Menschen mehrfach am Tag Dinge beurteilen müssen, unterscheidet man z.B. zwischen dem erwünschten Urteil eines Richters und dem unerwünschten Urteil eines Pastors. Ob ein Urteil indes berechtigt ist oder nicht, hängt wiederum entscheidend davon ab, ob man Menschen AUSgrenzen will oder ob man sich von ihnen ABgrenzen will. Bruder Olaf hatte als Pastor ein berechtigtes Interesse daran, dass wir uns als Gemeinde abgrenzen sollten von der Sünde der Homosexualität. Und obgleich die Staatsanwältin und das gemeine Volk solch eine Abgrenzung aufs Schärfste missbilligen, hat eine Gruppe innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft das Recht, einen Standpunkt zu vertreten, der außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses liegt. Ein Pastor hat wiederum die Pflicht, seine Schafe immer wieder zu erinnern an die gemeinsamen Glaubensüberzeugungen.
Als ich vor Jahren mal einen Streit vor Gericht verloren hatte, sagte mir mein Anwalt: „Sie müssen sich von der Illusion freimachen, als würde ein Richter immer ein gerechtes Urteil fällen müssen – denn damit wäre er völlig überfordert. Tatsächlich trifft ein Richter in seinem Urteil lediglich eine Entscheidung, die durchaus falsch sein kann. Aber diese Entscheidung hat er kraft seiner ihm verliehenen Vollmacht getroffen und ist daher bindend.“ In dem Wort „entscheiden“ steckt das Wort „scheiden“. Gott schied das Licht von der Finsternis und traf damit eine Ent-Scheidung. Eine Entscheidung zu treffen heißt im Spanischen „tomar una decision“. Hier haben wir sogar gleich zweimal die Wortwurzel „scheiden“, denn das griechische TOME´ heißt „schneiden“ (z.B. 2.Tim.2:15!) und das Wort „decision“ ähnelt dem engl. „scissors“ = „Schere“. Selbst im Wort „urteilen“ sehen wir, dass es um ein „Teilen“ geht, nämlich dem Zuteilen von Recht oder dem Zuteilen einer Strafe. Das Urteilen hat also im Wesentlichen den Zweck, klare Verhältnisse zu schaffen, indem Recht und Unrecht bzw. Wahrheit und Lüge klar unterschieden oder voneinander getrennt werden.
Nun wurde ich ja damals durch meinen Anwalt daran erinnert, dass es zum berechtigten Urteilen einer Vollmacht bedarf, und so ist es auch in der Bibel. Es gibt ein legales Urteilen, z.B. in 1.Kor.5:12 – 6:5, und ein illegales Urteilen, z.B. in Mt.7:1-2, Röm.14:4, Jak.4:11-12. Bei dem legalen Urteilen geht es um sichtbare Sünden oder Irrlehren, vor denen die Verantwortungsträger einer Gemeinde die übrigen schützen müssen, damit sich das Böse nicht wie ein Sauerteig ausbreitet. Und beim illegalen Urteilen handelt es sich um völlig überflüssiges Spekulieren oder gar Tratschen über mögliche verborgene Motive oder Gesinnungen eines Dritten mit der Absicht, sich selbst dadurch als besser darzustellen.
Ich kenne einen Gläubigen, der schon seit 12 Jahren mir regelmäßig Emails schickt, in denen er mir fortlaufend den echten Glauben abspricht, mir immer nur böse und verlogene Motive unterstellt und immer nur über meine angeblich nicht vorhandene Beziehung zu Gott spekuliert, anstatt auch mal über seine eigene Beziehung zum HErrn zu schreiben. Dieser Bruder hat wirklich einen Narren an mir gefressen, was man schon fast als Nachstellung (Stalking) bezeichnen kann. Ich habe ihn schon oft gefragt, warum er sich ausgerechnet mich als Opfer ausgesucht hat und warum er seine wertvolle Zeit nicht mit sinnvolleren Dingen verbringt, anstatt mir jeden Monat zu schreiben. Er erwiderte, dass es ihm allein um die Rettung meiner Seele gehe. Ich hielt dagegen, dass seine psychologischen Ferndiagnosen absolut nichts bei mir bewirken, er aber ständig gegen das Richtverbot in 1.Kor.4:5 verstoßen würde. Das ignoriert er aber nur.
An sich ist es ja erfreulich, wenn andere sich um einen Sorgen machen. Es gibt aber unerbetene Ratschläge, die wie bei den Freunden Hiobs eher als Schläge empfunden werden, als dass sie irgendeinen Nutzen bewirken. Wie verlogen solche Seelenrettungswünsche sind, lässt sich am Beispiel Eliphas, des Temaniters verfolgen: Zu anfangs ist er noch voller Lob für Hiob und zählt all seine Verdienste auf: „Siehe, du hast viele unterwiesen, und erschlaffte Hände stärktest du, den Strauchelnden richteten deine Worte auf, und sinkende Knie hast du befestigt“ (Hi.4:3-4). Als Hiob seine Freunde jedoch dann als „leidige Tröster“ bezeichnete, auf deren Mahnungen er gerne verzichten wollte, zeigte Eliphas auf einmal seine boshafte Seite, indem er dem Hiob alle möglichen Gräueltaten unterstellte (Hi.16:2, 22:5-10). Dabei war ihm nicht bewusst, dass er durch seine ungebührlichen Beleidigungen im Grunde das Werk Gottes in Hiob infrage stellte! Und obwohl er kein lästerliches Wort über Gott selbst sagte, warf der HErr ihm später vor: „Nicht geziemend habt ihr von MIR geredet“ (Hi.42:7), d.h. Gott identifiziert sich hier voll und ganz mit Hiob!
Manche Christen attackieren zwar nicht direkt ihre Geschwister, aber tratschen gerne hinter dem Rücken über andere, entweder unter dem frommen Vorwand: „Wir müssen für ihn/sie beten“, oder aber mit der Ausrede, man müsse doch „die unfruchtbaren Werke der Finsternis bloßstellen“ (Eph.5:11). Zu den „unfruchtbaren Werken“ zählt aber doch gerade dieser Klatsch und Tratsch über andere! Fruchtbar kann unser Werk nur dann sein, wenn es „in aller Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit besteht, indem ihr prüft, was dem HErrn wohlgefällig ist“ (Vers 9-10). Andere schlechtzumachen, um sich selbst als besser darzustellen, kann aber niemals dem HErrn wohlgefällig sein und ist zudem auch fruchtlos.
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11. Verantwortung
„Welcher von den zweien hat den Willen des Vaters getan? Sie sprachen: Der zweite. Jesus spricht zu ihnen: Wahrlich, Ich sage euch, die Zöllner und Huren werden vor euch ins Reich Gottes eingehen.“ (Mt.21:31)
Dieser Vergleich des HErrn mit den Ja-sagenden Untätigen und den Nein-sagenden Tätern des Willens Gottes wird von uns leider bisher viel zu wenig beachtet, weil wir durch die anschließende Erklärung des HErrn dazu geneigt sind, ihn nur auf die damaligen Pharisäer, Zöllner und Huren zu beziehen. Wie bequem schieben wir doch immer wieder gerne die mahnenden Worte des HErrn auf andere Adressaten, während wir uns selbstzufrieden im sicheren Besitz dessen wähnen, was uns von Gott geschenkt wurde, um den Rest unseres Lebens unseres Daseins froh zu werden. Doch bei näherer Betrachtung vermögen wir uns nicht mehr so recht beruhigt zurückzulehnen, da uns ein gewisses Unbehagen beschleicht bei dem Gedanken, dass es doch auch heute noch immer gelten könnte, und zwar für uns…
Der Geist Gottes will uns heute aus diesem Schlaf der „Seligen“ wachrütteln und uns daran erinnern, dass das Gericht am Haus Gottes anfängt (2.Petr.3:9) und dass wir einmal alle vor den HErrn treten müssen, um Rechenschaft darüber abzulegen, was wir zu Lebzeiten getan haben (Mt.25:14-30, 2.Kor.5:10). Und dann wird es ja keineswegs nur Lohn geben, sondern auch Verlust, im schlimmsten Fall sogar den Verlust des ewigen Lebens (1.Joh.3:15). Zu diesem Zweck wird jede einzelne Tat während unseres Lebens beobachtet und registriert, sowohl die gute als auch die böse, was soweit bekannt sein dürfte und sollte (Röm.14:12, Offb.22:12).
Nun haben wir ja schon alle hinlänglich die Erfahrung gemacht wie Paulus, dass wir das Gute tun wollen, aber stattdessen das Böse tun (Röm.7:15-20). Wer aber könnten heute jene sein, die „Nein“ gesagt hatten zum Willen Gottes, ihn aber letztlich dann doch taten? Ich denke hier gerade an all die Ungläubigen, die sich aufopfernd um die Nöte anderer kümmern, sei es in ehrenamtlichen Engagements oder auch einfach nur wie selbstverständlich in häuslicher Fürsorge für die Familienangehörigen und Nachbarn. Ich denke da gerade an einen gewissen Felix aus Lima (ca. 50 J.), ein autistischer Mulatte, der schon seit Jahren auf ein eigenes Leben verzichtet hat und sich Tag und Nacht um seinen – durch einen Schlaganfall gelähmten Nachbarn kümmert. Er sitzt den ganzen Tag zusammen mit ihm in einem 10 m² großen Schlafzimmer und wartet darauf, bis Augusto (74 J.), ein ehemaliger Geschäftsmann, mal wieder sein Geschäft verrichten muss, um ihn dann auf Toilette zu bringen. Felix ist nicht wiedergeboren, aber er tut ein gutes Werk an diesem alten Mann, ohne dass er dafür Anerkennung von Gläubigen bekommen würde. Denn heutzutage sind ja „gute Werke“ bei den meisten Gläubigen völlig verpönt und werden sogar als Hinderungsgrund gesehen, um zu Christus zu finden. Bei Kornelius hingegen waren gerade seine Almosen und Gebete eine Voraussetzung, dass Gott ihn zum HErrn Jesus führte (Apg.10:1-4). Und wenn nach Röm.2:7 am Ende auch jenen das „ewige Leben“ zugesprochen wird, die „mit Ausharren in gutem Werke Herrlichkeit und Ehre und Unverweslichkeit“ lediglich GESUCHT haben, dann gilt das für weitaus mehr Menschen als nur der Christenheit. Selbstverständlich kommt zwar niemand zum Vater als nur durch den HErrn Jesus, aber wie und wann das geschieht, das geht uns nichts an. Wir haben einfach nur die frohe Botschaft zu bezeugen.
Aber auch unter den vielen Christen, die wir kennen, gibt es eine ganze Menge, von denen wir sagen würden, dass sie „noch nicht richtig wiedergeboren sind“, weil sie z.B. eine uneheliche Beziehung pflegen („Hurer“) oder noch einer örtlichen Fußballmannschaft regelmäßig ihre Bewunderung zollen („Zöllner“). Trotzdem können solche Mitläufer-Christen sehr treu sein, in dem wenigen, dass sie (schon) erkannt haben, z.B. indem sie regelmäßig in eine Gemeinde gehen (Hebr.10:25). Wie viele von uns schriftgelehrten Gläubigen gehen heute z.B. kaum oder gar nicht mehr in irgendeine Gemeinde, weil all die uns bekannten unter unserem geistlichen Niveau sind? Worin unterscheiden wir uns aber dann noch essentiell von jenem Pharisäer („Abgesonderten“), der im Tempel betete: „HERR, ich danke Dir, dass ich nicht so bin, wie die Übrigen…“?
Wir tragen eine große Verantwortung und dürfen uns nicht mit den Schwächeren vergleichen (Röm.15:1). Vielmehr sollten diejenigen, die in der Schule Gottes ihrer Meinung nach schon kurz vor dem „Abitur“ stehen, jenen in den „Grundschulklassen“ Nachhilfe erteilen. Dabei sollten wir aber auch drauf achten, dass wir selbst beim HErrn nicht durchfallen, denn: „wem viel gegeben ist, von dem wird auch umso mehr verlangt werden“ (Luk.12:48). Der HErr macht ebenso unmissverständlich klar, dass uns gerade unser Wissen um die Gebote Gottes vor Ihm schuldig macht, wenn wir sie dann nicht halten (Joh.9:41). Eine noch größere Verantwortung tragen wir sogar, wenn wir andere auch noch belehren (Röm.2:21-27, 1.Kor.9:27, Jak.3:1). Denn da bei Gott kein Ansehen der Person ist, wird Er die Unwissenheit der Ungläubigen genauso berücksichtigen, wie Er den Wissensstand der Gläubigen zum Maßstab nehmen wird. Und dann wird es viele Ungläubige geben, die errettet werden und viele Gläubige, die verloren gehen (Mt.8:11-12). Ein Adventisten-Missionar predigte mal über das Thema Vollkommenheit und sagte in Bezug auf andere Religionen und Weltanschauungen: „Wenn ein Schüler der dritten Klasse alle Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit seines Lehrers erledigt hat, ist er ein vollkommener Schüler und in keinster Weise jenem 12-Klässler unterlegen, der noch nicht alle seine Aufgaben zufriedenstellend erfüllt hat“. Mit Letzteren meinte er wohl die Christen.
In Bezug auf die Alkoholiker oder Drogenabhängigen am Hauptbahnhof verhalten wir uns meist wie jener Priester oder Levit, der den unter die Räuber Gefallenen zwar sieht, aber sich selbst nicht für zuständig hält – und wenn doch, dann nur für eine kurze Zeit. Ein Mitarbeiter der Bremer Justizvollzugsanstalt sagte mal: „Von Zeit zu Zeit melden sich vereinzelt Christen hier, meist aus Pfingstgemeinden, und bieten sich als Vollzugshelfer an, um die Gefangenen zu betreuen. Doch schon nach kurzer Zeit ebbt der Eifer wieder ab und sie kommen nicht mehr.“ Eigentlich wirklich bedauerlich, denn wo findet man schon mehr Aufmerksamkeit für das Evangelium als in einem Gefängnis?
Nun ist sicherlich nicht jeder Christ ein begabter Evangelist, sondern jeder hat vom HErrn seinen eigenen Wirkungsbereich zugewiesen bekommen. Wenn man jedoch bedenkt, wieviel ungenutzte Erkenntnis wir alle besitzen, die noch nicht einmal ansatzweise in die Tat umgesetzt wird, sollten wir wirklich erschrecken. Denn ähnlich wie beim Rommee wird uns alles nicht angewandte Bibelwissen am Ende als Minuspunkte angerechnet. Normalerweise sollte jede einzelne Predigt, die wir gehört haben, uns eine klare Handlungsanweisung für die kommende Woche geben. Wenn wir aber die Botschaften nur als „schön“ und „richtig“ ansehen, ohne uns selbst angesprochen zu fühlen, dann gleichen wir jenen Hörern von Hesekiel, über die Gott sagt: „Und sie kommen scharenweise zu dir und sitzen vor dir als mein Volk und hören deine Worte, aber sie tun sie nicht; sondern sie tun, was ihrem Munde angenehm ist, ihr Herz geht ihrem Gewinne nach. Und siehe, du bist ihnen wie ein liebliches Lied, wie einer, der eine schöne Stimme hat und gut zu spielen versteht; und sie hören deine Worte, doch sie tun sie nicht“ (Hes.33:31-32).
Aus 5.Mos.32:21 und Jer.18:3-10 wissen wir, dass Gott ohne Probleme einem Volk, dem Er den Segen verheißen hat, ihm diesen auch wieder entziehen und einem anderen Volk geben kann, das mehr Aussicht auf würdige Frucht verspricht. Das tut Gott aber nicht, weil Er keine Geduld mehr hat, sondern weil Er das nachlässige Volk dadurch beschämen und zur Buße leiten will. Ein selbstkritischer Vergleich mit anderen Christen, die uns glaubensmäßig „überholt“ haben auf der Rennbahn, kann durchaus heilsam sein (vergl. 1.Mo.47:9, Spr.30:2). Wenn wir aber in falscher Sorglosigkeit alle eifrigen Christen an uns vorbeiziehen sehen und uns sagen: „Ich muss gar nicht viel Frucht haben, Hauptsache ich bin errettet“, dann übersehen wir, dass die Frucht ja nicht für uns ist, sondern für den HErrn. Nur deshalb hat Er uns überhaupt errettet (Joh.15:16); d.h. wir betrügen den HErrn um Seinen verdienten Lohn! Zudem sind wir erst dann wirklich errettet, wenn wir beim HErrn sind, denn es steht geschrieben: „Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! Über DIESE hat der zweite Tod keine Gewalt…“ (Offb.20:6). BIS ZUR AUFERSTEHUNG HAT DER ZWEITE TOD NOCH MACHT ÜBER DEN GLÄUBIGEN. Erst wenn der Gläubige das Ziel erreicht hat und an der ersten Auferstehung Teil hatte, kann Ihm nichts mehr passieren.
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12. Wachen
„Ich kenne deine Werke, dass du den Namen hast, dass du lebst, und bist tot… Gedenke nun, wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße. Wenn du nun nicht wachen wirst, so werde Ich über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche Stunde Ich über dich kommen werde.“ (Offb.3:1+3)
Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Wort ist mal wieder nicht für uns bestimmt, sondern selbstverständlich nur für die anderen, nicht wahr? Ist das nicht unsere erste Reaktion, wenn wir dies lesen? Denn wir fühlen uns ja durchaus nicht tot, sondern quicklebendig. Aber wie beurteilt der HErr uns?
Einen Namen zu haben, bedeutet, einen bestimmten Ruf zu haben. Der HErr will damit sagen: „Man glaubt von dir, dass du geistliches Leben hast…“ Rein äußerlich müssen die Gläubigen von Sardes wohl auch diesen Eindruck erweckt haben. Auch wir täuschen uns und anderen vielleicht Leben aus Gott vor, aber der HErr sieht uns auch im Verborgenen und weiß, wie oft wir wachen im Gebet mit Danksagung (Kol.4:2). Es zählt letztlich nicht, welchen Eindruck wir auf andere Gläubige machen, sondern, welchen Ruf wir vor Gott und den heiligen Engeln haben. Denn im Himmelreich redet man über dich und mich! Wird der HErr sich auch über uns rühmen können gegenüber dem Feind, wie Er es in Bezug auf Hiob getan hat?
Wenn der HErr hier von Wachen spricht, meint Er mit Sicherheit nicht den natürlichen Schlafverzicht. Denn im Unterschied zu den törichten Jungfrauen wachten die klugen, obwohl sie ebenso einschliefen (Mt.25:5). Und auch das ständige Informiert-sein über die neuesten Endzeitentwicklungen hat nichts mit ‚Wachen‘ im biblischen Sinn zu tun, sondern ist eigentlich das genaue Gegenteil davon. Denn Informationen, nach denen man nicht gezielt sucht, sondern von denen man sich ungefragt und unkontrolliert berieseln lässt, bewirken im Kopf das genaue Gegenteil: sie formen uns in eine von Menschen vorgegebene Richtung, anstatt dass uns der Heilige Geist leitet, wohin Er will.
Gerade jetzt in diesen Tagen wird unser Denken und unsere Aufmerksamkeit durch die Medien unwillkürlich auf den Ukraine-Krieg gelenkt. Dabei ist die mediale Berichterstattung keineswegs neutral, sondern nimmt Partei für die Ukraine, während der Aggressor Russland als grausam und erbarmungslos dargestellt wird. Ob es sich aber wirklich so verhält, können wir gar nicht mit Sicherheit wissen, da im Krieg immer viel gelogen wird, um z.B. Steuerausgaben für Waffenkäufe zu rechtfertigen. Dabei wird meist nicht direkt gelogen, sondern vor allem wesentliche Fakten einfach verschwiegen, so dass ein falsches Bild entsteht. Denn was wir glauben wird ja ganz wesentlich davon bestimmt, was wir hören und sehen. Man wirft z.B. Russland vor, dass die dortige Bevölkerung über den realen Sachverhalt getäuscht wird, kann sich aber gar nicht vorstellen, dass unsere westlichen Medien dies genauso tun. Zu wachen hieße daher, dass man sich nicht manipulieren lässt, sondern wartet, bis der HErr einmal alles ans Licht bringen wird (Luk.12:2).
Wachen bedeutet nicht, dass wir zu allem irgendeine Meinung haben oder uns für alles Mögliche interessieren, sondern dass wir uns in einer plötzlichen Anfechtung oder einem dringenden Anliegen, das auf einmal an uns herangetragen wird, uns sofort an das erinnern, was wir aus der heiligen Schrift gelernt haben, um dann die richtige Entscheidung zu treffen. Dies erfordert natürlich eine gute Übung, sprich: eine BEWÄHRUNG. Die klugen Jungfrauen hatten bereits ausreichend Bewährungs-Öl in ihren Behältern, daher konnten sie sich getrost niederlegen und schlafen (Ps. 4:8) bzw. entschlafen. Denn als es darum ging, im Glauben auf Angriffe von außen richtig zu reagieren, waren sie wachsam und erkannten die unvermittelte Situation sofort als Prüfung. Die törichten Jungfrauen glänzten zwar nach außen mit ihren Lampen, aber waren „zu jedem guten Werk unbewährt“ (Tit.1:16), weil sie die vielen Gelegenheiten zum Dienst fruchtlos und damit unwachsam verstreichen ließen.
Die Braut im Hohelied war sich darüber im Klaren, dass ihr geistliches Leben einem Schlafzustand glich, meinte aber, dass ihr „Herz wache“ (Hohl.5:2). Auch heute berufen sich viele Gläubige darauf, dass der HErr ja ihr Herz anschaue, ohne sich überhaupt selbst bewusst zu sein, was der HErr dort alles finde. Erst als der HErr an ihre Herzenstür anklopfte und sie erneut in die Nachfolge rief, zeigte sich, dass sie keineswegs bereit war, sich noch einmal für den HErrn die Füße schmutzig zu machen und meinte, sich auf ihr verdientes Ruhekissen (Heilsgewissheit) berufen zu dürfen (Hohel.5:3). Der Bräutigam streckte Seine Hand nach ihr aus, um Seine Sehnsucht in ihr zu wecken. Doch konnte Er nicht länger warten, sondern ließ sie allein zurück. Hier sehe ich eine Parallele auf die törichten Jungfrauen, die plötzlich feststellen, dass sie bei der Entrückung der wachsamen Gläubigen nicht dabei waren. Das verzweifelte Suchen nach ihrem Geliebten und die anschließende Bereitschaft, sich von den „Wächtern der Stadt (Engel) schlagen“ zu lassen und den „Schleier nehmen zu lassen“, sind deutliche Anzeichen der Buße, weshalb ich annehme, dass auch die törichten Jungfrauen noch errettet werden.
Wenn wir eine längere Reise vorhaben, dann bereiten wir uns schon lange vor und sitzen quasi auf gepackten Koffern. Wir schieben Dinge, die wir unbedingt vorher noch in Ordnung bringen müssen, nicht mehr auf die lange Bank, sondern machen uns eine To-do-Liste, was noch alles erledigt sein muss. Wir bezahlen unsere Schulden, räumen unser Zimmer auf, laden unseren Akku und erledigen die letzten Briefe und Telefonate. Und genauso sollten wir auch jetzt in der unmittelbar bevorstehenden Endzeit leben: Hast Du noch mit anderen eine Rechnung offen? Musst Du Dich noch mit jemandem aussöhnen? Hast Du genug Frucht gebracht für die Ewigkeit? Ist Dein geistlicher Energiespeicher voll geladen? Und vor allem: Bist Du rein und heilig, um Deinem HErrn zu begegnen?
„Ohne Heiligung wird niemand den HErrn schauen“ (Hebr.12:14). Heilig bedeutet „abgesondert (für den HErrn)“. Das lateinische Wort sanctus (heilig) ist wie im Deutschen abgeleitet vom Wort sanus (heil). Das bedeutet, dass die biblische Heiligung auch in der Heilung von Beziehungen besteht. Ich kann mich nicht darauf berufen, dass ich mich gegenüber meinem Nächsten, Bruder oder Angehörigen, mit dem ich in Unfrieden lebe, klar genug ausgedrückt habe, wenn ich doch selbst zu einem nicht geringen Anteil auch selbst schuld bin an dem Zerwürfnis. Der HErr warnt uns eindringlich, dass wir es nicht darauf ankommen lassen sollten, dass der HErr eines Tages zwischen uns richte, sondern rät uns, dass wir noch rechtzeitig eine Einigung anstreben sollten mit dem Bruder (Mt.5:25).
Der HErr sagt auch: „Wenn der Hausherr gewusst hätte, in welcher Wache der Dieb kommt, so würde er wohl gewacht und nicht erlaubt haben, dass sein Haus durchgraben würde“ (Mt.24:43). Wachen bedeutet also auch, dass wir z.B. Missstände, die sich in unserer Gemeinde oder Familie eingeschlichen haben, nicht einfach hinnehmen, sondern rechtzeitig die Lücken wieder schließen. In einem großen Konzern gibt es z.B. Prüfer (Controller), deren Aufgabe darin besteht, die Wirtschaftlichkeit einzelner Abteilungen und Abläufe zu untersuchen, um dann durch eingeleitete Konsolidierungsmaßnahmen das Unternehmen langfristig vor drohenden Verlusten zu schützen. Und genauso sollten auch wir Verantwortung für einzelne Geschwister und die Gemeinde des HErrn übernehmen. Das Wort Konsolidierung bedeutet eigentlich „Dicht machen“ (lateinisch solidare = solide machen, spanisch soldar = schweißen). Hier passt wunderbar das Wort in Jesaja 58: „Und die aus dir kommen, werden die uralten Trümmer aufbauen; die Grundmauern vergangener Geschlechter wirst du aufrichten, und du wirst genannt werden: Vermaurer der Lücken, Wiederhersteller bewohnbarer Straßen“ (Jes.58:12).