„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

Aktuelles

– „Such, wer da will, ein ander Ziel“ Teil 17

Januar 2020

Augustos Zerbruch

Nachdem wir inzwischen schon sechs Wochen in Peru waren, beschlossen wir, auch mal einen Ausflug ins Hochgebirge zu machen. Doch am Abend zuvor wollte Ruth nochmal kurz ihren kranken Nachbarn Eulogio (92) aufsuchen. Während ich im Flur wartete, sah ich im Zimmer nebenan durch die halboffene Tür den Schwager von Eulogio, Don Augusto (74), der nach einem Schlaganfall vor sechs Jahren die meiste Zeit des Tages im Bett verbrachte, da er nur mit Mühe gehen konnte. Von Ruth wusste ich, dass er ein eingefleischter Atheist war, mit dem Ruths Freundin Raquel, d.h. Augustos Nichte, schon viele Male vergeblich Gespräche über den Glauben geführt hatte. Ich klopfte an die Tür und fragte, ob ich mich zu ihm setzen dürfe. Sofort fing er an zu weinen und dankte mir immer wieder, dass ich ihn besuchen wolle. Ich spürte einen stechenden Uringeruch im Zimmer, weshalb ich mich nahe ans Fenster setzte. Er klagte mir, dass er seit sechs Jahren wie in einem Gefängnis völlig alleine sei und nur morgens und abends mal Besuch von seinem Nachbarn Felix (62) bekäme, einem Schwarzen, der sein Pfleger sei und ihn bei den körperlichen Bedürfnissen behilflich sei. Mit diesem teile er sich seine geringe Rente, habe aber ansonsten absolut keine Freunde, die sich mal nach ihm erkunden würden. Er weinte wie ein kleines Kind, so dass ich ihn streichelte und mit liebevollen Worten tröstete. Ich sagte: „Der HErr Jesus liebt Sie, deshalb hat Er es so geführt, dass ich Sie besuchen komme. Wollen Sie nicht auch an den HErrn Jesus glauben?“ Er verzerrte sein Gesicht zu einem wimmernden Weinen und sagte: „Ja, ich glaube jetzt auch an Jesus Christus!“ Ich war etwas verwundert und fragte weiter: „Beten Sie auch zu Gott?“ – Wimmernd und stotternd sagte er: „Ja, ich bete immer wieder zu Gott, dass Er mir doch meine Sünden vergeben möge und mir gnädig sei, denn ich fühle mich so unendlich elend hier...“ Ich dachte: Diese Einsamkeit muss für ihn die Hölle geworden sein, die sein Herz gebrochen hat. Sein ganzer Stolz ist jetzt zerbrochen und er ist weich geworden wie ein kleines Kind. All dies musste passieren, damit der HErr ihn zur Buße führen konnte. Aber jetzt wurde mir klar, dass ich mich um ihn kümmern sollte.

Ich fragte Don Augusto, ob ich ihn mal spazieren fahren dürfe im Rollstuhl. Er sagte sofort: „Ja, das wäre ganz lieb von Ihnen, bitte, bitte!“ Dann hob ich ihn aus dem Bett und schnürte ihm die Schuhe an. Vorsichtig zog ich ihn hoch und ging mit ihm in langsamen Schritten auf den Flur. Nun mussten wir die Treppe runter, was nicht ganz einfach war. Als wir endlich unten waren, rief ich Ruth hoch, dass ich mal eben mit Augusto im Rollstuhl spazieren fahren würde. Sofort schlug Eulogio Alarm und sagte: „Auf keinen Fall!“ Ich könne unmöglich mit ihm von der 3. Etage zu Fuß die Treppen runtergehen, da dies viel zu gefährlich sei. Zu Augusto gewandt sagte Eulogio: „Por favor, Augusto, no abuses de la situación!“ („Bitte, Augusto, nutz die Gelegenheit nicht aus!“). Ruth ermahnte mich eindringlich, dass ich ihn mit dem Rollstuhl nur auf der 20 m langen Loggia (Balkongang) hin- und herschieben dürfe, aber nicht die Treppen hinunterbringen solle. Ich schob ihn etwas hin und her und ging dann wieder mit ihm in die Wohnung. Dann setzte ich ihn auf das Sofa und fragte ihn, ob ich ihm etwas aus der Bibel vorlesen dürfe. Er bat darum. Zuerst las ich ihm die Geschichte vom barmherzigen Samariter vor und erklärte ihm, dass dies auch seine Geschichte sei, da auch er gerade „halbtot“ am Boden liege und der HErr ihn retten wolle. Dann las ich ihm die Geschichte des Gelähmten von Bethesda vor, der 38 Jahre keine Hilfe bekam bis der HErr Jesus ihn von seiner Krankheit heilte. „Möchten Sie, dass der HErr Jesus Sie retten soll?“ fragte ich ihn. „Ja, das möchte ich.“ sagte er unter Tränen. „Darf ich für Sie beten?“ – „Ja, bitte“. Ich kniete mich nieder und bat den HErrn, dass Er Augusto doch retten und wenn möglich auch heilen möge. Dann las ich ihm noch die Geschichte vom Blindgeborenen vor und von Lazarus in Joh. 9 und 11, aber ihm überkam immer wieder die Müdigkeit, so dass er nicht lange zuhören konnte. Als Ruth dann gehen wollte, verabschiedete ich mich von Augusto und bot ihm an, dass ich morgen wiederkommen würde zusammen mit Bruder Ricardo. Er freute sich sehr und wir gingen.

Am nächsten Morgen rief ich Ricardo an und bat ihn, mich bei einem weiteren Besuch bei Augusto zu unterstützen. Mir ging es darum, dass auch Ricardo die Notwendigkeit erkennen möge, dass Augusto nun möglichst jeden Tag Besuch bekommen sollte. Als er kam, gingen wir hoch in die dritte Etage und klopften. Felix machte uns die Tür auf, weil er zufällig gerade da war. Wie selbstverständlich setzte sich Felix zu uns ins Wohnzimmer, um mitzuhören, was wir dem Augusto sagen wollten. Ich begann, indem ich Augusto noch einmal eine Zusammenfassung der Evangeliumsbotschaft gab und auch ein persönliches Zeugnis. Dann machte Ricardo weiter, der sehr bewegend und nachvollziehbar von der Tristesse des menschlichen Lebens sprach um dann überzuleiten zu der Freude und dem Frieden, den der Mensch erfährt, wenn er sich unter die Herrschaft des HErrn Jesus stellt. Die beiden hörten die ganze Zeit aufmerksam zu. Am Ende fragte ich den Felix, wie denn sein Verhältnis zu Gott sei. „Ich bete immer jeden Abend, bevor ich ins Bett gehe“ – „Bist Du Katholik?“ – „Ja natürlich“ – „Aber Dir ist klar, dass nicht die Kirche Dir die Sicherheit des Heils vermitteln kann, wie sie behauptet, sondern allein der HErr Jesus?“ – Er nickte, schaute mich aber unsicher an. Ricardo erzählte dann, dass die katholische Kirche die Menschen durch viele Riten in einer falschen Sicherheit wiegen würde, indem sie ihn glauben ließe, er könne sich das Heil durch bestimmte Übungen selbst verdienen. Wir wechselten uns so noch eine Weile ab, bis Ruth vorbeikam, da wir zu unserer Abreise aufbrechen mussten. Ich verabschiedete mich schnell, aber Ricardo blieb noch, um weiter über den Glauben zu sprechen. Am Abend kamen wir dann durch Gottes Güte wohlbehalten in Arequipa an. Wir fanden ein Hostal, gingen auf die Knie und dankten Gott für alle Bewahrung und Seinen Segen.

Abenteuer in Arequipa

Arequipa liegt im Süden von Peru im Gebirge auf etwa 2.300 m in einem Tal, das von drei 6000 m hohen schneebedeckten Vulkanen umschlossen ist. Da das Klima hier das ganze Jahr über mit 23 °C sehr angenehm ist, haben die Spanier im 17. und 18. Jahrhundert diese Stadt als bevorzugten Wohnort gewählt, so dass heute 70 % der 55.000 Einwohner eher hellhäutig sind. Die Stadt ist durch den Abbau von Kupfer, Silber und Gold reich geworden; heute sind es aber auch Fleisch- und Käseprodukte, Kartoffeln, Zwiebeln und Spargel (Peru ist der größte Spargelexporteur der Welt), die den Bewohnern ein überdurchschnittliches Einkommen beschert haben, sodass sich die Stadt in der Vergangenheit sogar schon vom restlichen Peru für unabhängig erklären wollte.

Als wir am Sonntagmorgen in der Herberge aufwachten, hatte Ruth starke Kopfschmerzen, was wohl an der Höhenluft lag, die deutlich dünner ist, d.h. sauerstoffärmer. Nach dem Frühstück gingen wir ins historische Stadtzentrum auf der Suche nach einer Gemeinde. Als wir plötzlich vor einer katholischen Kirche standen, fragte ich Ruth: „Was hältst Du davon, wenn wir uns mal solch einen Gottesdienst anschauen?“ Wir gingen hinein. Die Kirche war zwar alt, aber weiß gestrichen und hell erleuchtet. Rechts und links standen auf Säulenpodesten lebensgroße Statuen der Apostel und Propheten. Einige Besucher standen oder knieten andächtig vor dem goldglänzenden Altar. Dann fing die Messe an und ein junger Priester erschien in weiß gekleidet und begann mit der Liturgie. Ich versuchte mich auf den HErrn zu konzentrieren, aber da kam mir plötzlich Psalm 1:1 in den Sinn, dass wir nicht auf dem Sitz der Spötter sitzen sollen. Verspottet die RKK den HErrn? Nein, aber sie verspottet die Seinen, indem sie auf alle Evangelikalen und freikirchlichen Christen verächtlich mit Spott und Hohn herabschaut und nur sich als legitimiert ansieht (so wie die Pharisäer sich damals auf Abraham beriefen und nicht erkannten, dass Gott sich aus Steinen Kinder zu erwecken vermag). Auf einmal konnte ich nicht länger in der Katholischen Kirche sein, sondern bat Ruth, dass wir wieder hinaus gehen mögen. Nachdem wir weitergegangen waren, fanden wir zum Glück eine Freikirche, die sich nach dem Namen von John Wesley benannte. Der Gottesdienst hatte schon angefangen und die 150 Plätze fassende Kirche war fast bis auf den letzten Platz besetzt. Es war sehr heiß in der Kirche, so dass viele sich Luft zufächelten. Der ältere Prediger sprach über den unwandelbaren Charakter Gottes, dass Er also immer gütig und barmherzig, aber auch gerecht und strafend sei. Er sagte: „Unsere Vorfahren, die Inkas, hielten die Götter für böse und meinten deshalb, dass sie ihren Zorn besänftigen müssten durch Menschenopfer. Jahrzehntelang hat die Wissenschaft geleugnet, dass die Inkas Menschen opferten, aber in den letzten 25 Jahren hat man immer mehr mumifizierte Kinder gefunden, die von den Inkas den Göttern geopfert wurden, wie z.B. jene Juanita, die man auf dem Vulkan Ampato gefunden hat.“ Dann brachte er an die 30 Bibelstellen, die alle die Unwandelbarkeit der Güte Gottes bestätigten, und ich fragte mich, warum die meisten Christen heute dennoch glauben, dass mit der Strafe im Feuersee das Erbarmen Gottes mit dem Sünder plötzlich aufhöre und Gott nicht mehr die Möglichkeit hätte, gemäß Jes.57:16 oder Hes.16:53-63 am Ende Begnadigungen auszusprechen. Das scheint irgendwie doch ein blinder Fleck in der evangelikalen Theologie zu sein, wo man sich selbst ein Denkverbot auferlegt hat. Nach dem Gottesdienst wollten wir zum Hostal zurückgehen, denn durch die dünne Luft war ich kreislaufmäßig ziemlich schlapp geworden.

Auf dem Marktplatz hörte man laut, wie eine Gruppe von sog. „Israeliten“ Werbung machte für ihre Partei FREPAP. Männer mit Bärten und Frauen mit langen Kopftüchern schwenkten ihre Fahnen und sangen dabei im Chor. Ich ging auf einen der älteren Männer zu, der sich wie ein Prophet im Alten Testament gekleidet hatte, und fragte ihn, aus welcher Bibelstelle sie denn das Recht ableiten würden, eine politische Partei zu gründen, die eine irdische Theokratie anstrebe. Sofort sprang ihm ein jüngerer Anhänger dieser Sekte zur Seite, der vermeintlich mehr Ahnung zu haben glaubte und versuchte, das Gespräch mit Gegenfragen in die gewünschte Richtung zu lenken. ich bestand jedoch beharrlich auf eine Antwort meiner Frage und bat ihn, nicht vom Thema abzulenken. Doch statt mir auch nur eine einzige Bibelstelle zu nennen, konzentrierte sich der junge Bursche offensichtlich ganz auf ein bestimmtes Frage-und-Antwort-Schema wie bei den Zeugen Jehovas, bei dem er mir nur die Möglichkeit geben wollte, Ja oder Nein zu sagen. So kam er z.B. immer wieder mit den zehn Geboten und dass der HErr Jesus diese ja nicht aufgelöst habe. Inzwischen hatten sich sehr viele Besucher des Parks um uns herum versammelt, so dass ich die Gelegenheit nutzte, ihm mal einen Vortrag über die schattenhafte Bedeutung der Gebote im Neuen Bund zu halten. Ich verteilte dann noch von meinen Schriften und wir machten uns auf den Weg zu einem Reiseveranstalter, um die nächsten Tage zu planen.

Am nächsten Morgen fuhren wir dann mit dem Reisebus zum Canyon von Sillar, wo wir durch eine 800 m lange und 2 m breite Felsenschlucht gingen, die früher mal ein Flussbett war, als es noch genügend Gletschereis gab auf dem Vulkan Misti, das aber inzwischen größtenteils abgeschmolzen ist und zu einer Bodenerosion geführt hat. Dann fuhr der Kleinbus in einen Steinbruch aus Tuff-Gestein, das von den Steinmetzen vieler Generationen von Hand abgebaut wurde. Einer von diesen zeigte uns, wie man einen Steinblock mit Hammer und Meißel innerhalb von 5 Minuten in die richtige Form meißelt. Er ließ auch mich dann mal einen Steinblock spalten und bearbeiten, aber das war so anstrengend, dass ich nach 10 Minuten völlig erschöpft war. Wenn man bedenkt, dass er für einen Stein von 40 x 30 x 20 cm Größe gerade einmal nur 5 Soles (1,35 €) erhält, dann kann man gut verstehen, warum er sagte, dass er zur „letzten Generation“ von Steinmetzen zähle, da sich immer weniger dazu bereit erklärten, diese kräfteaufreibende Arbeit für so wenig Lohn zu machen.

Als wir mittags wieder in Arequipa waren, aßen wir etwas und gingen dann wieder in die Innenstadt, um ein Museum zu besuchen. Dort gab es u.a. auch die berühmte Mumie der 12-jährigen, die 1995 durch Zufall auf dem vom Gletschereis befreiten Ampato-Vulkan von einem Amerikaner in 6000 m Höhe gefunden wurde. Die 500 Jahre alte Mumie war durch die kalte, trockene Luft so gut erhalten geblieben, dass man nicht nur ihre Haare und Kleidung noch nahezu unversehrt vorfand, sondern sogar durch Untersuchung ihres Mageninhalts wusste, dass sie vor ihrem gewaltsamen Tod noch einen Gemüseeintopf gegessen hatte. Die Inkas hatten Juanita auserwählt, um als reines und unschuldiges Opfer den Göttern geweiht zu werden, damit ihr Volk nicht von Plagen und Vulkan-Ausbrüchen heimgesucht werde. Sie starb freiwillig (wenn auch durch Gehirnwäsche manipuliert) und wurde mit einem gezielten Schlag an die Schläfe angeblich nahezu schmerzfrei erschlagen. In der Folgezeit entdeckte man dann auch weitere Mumien auf dem gleichen Vulkan und auch noch auf 14 weiteren Vulkanen in Peru und Chile, die alle mit sehr vielen Grabbeigaben freigelegt wurden, wie z.B. wertvolle Ponchos und feingewebte Decken, Figuren aus Silber und Kupfer etc. Man konnte in den Vitrinen auch genau die Sandalen sehen, mit denen sie damals den 6000 m hohen Berg bestiegen hatten bei Frosttemperaturen.

Als wir wieder draußen waren, wollte sich Ruth Kunsthandwerk anschauen, während ich auf den großen Platz ging zum Traktateverteilen. Ich hatte gerade erst drei Zettel verteilt, als mich plötzlich ein Junge ansprach, der mit seiner Freundin auf den Treppenstufen der großen Kathedrale saß: „Hallo, Mister, Sie haben mir noch keinen Zettel gegeben. Was steht denn da drauf? Worum geht es? Setzen Sie sich doch bitte einen Moment zu uns und erzählen Sie uns, was Sie da verteilen, denn das würden wir echt gerne wissen.“ Während ich ihnen dann erklärte, was meine Mission ist und was jeder Mensch tun müsse, um errettet zu werden, schaute mich Jonatán (22) mit großen Augen und offenem Mund an. Als auf einmal ein Kaffeeverkäufer vorbeikam, rief ihm Jonatán zu, er wolle mir einen Kaffee spendieren. Ich lehnte zunächst ab, weil das doch nicht nötig täte, aber er bestand darauf, mir die 2 Soles für den Kaffee zu spendieren. Es fing leicht an zu nieseln, und ich erklärte den beiden Frischverliebten das Evangelium an Hand der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Doch scheinbar war dem Jonatán die Geschichte zu lang, weshalb er mich immer wieder unterbrach und mir Fragen stellte, die sich auf die Katholische Kirche bezogen. Er erzählte mir, dass er als Kleinkind mal von einem Kobold unter das Bett gezogen wurde, aber dass sein Vater ihn dann im letzten Moment wieder rausgezogen hatte. Dann habe er ihn taufen lassen, und seitdem wurde er nicht mehr von Kobolden oder dämonischen Wesen bedrängt. Ich versuchte, das Gespräch wieder auf die Notwendigkeit der Bekehrung zu lenken, da merkte ich, dass die beiden leicht angeschwipst waren und sah auch eine Flasche Alkohol. In dem Moment kam Ruth zu mir und hörte das Gespräch mit an. Ruth sprach dann seine Freundin Stefani (22) an, die ihr offen bekannte, dass sie Probleme mit Alkohol und Drogen habe, und dass sie schon oft versucht hatte, damit aufzuhören, aber durch ihre Freundinnen immer wieder neu dazu angestiftet werde. Ruth empfahl ihr, jene Freikirche zu besuchen, wo wir gestern waren und beschrieb ihr den Weg. Ich ermahnte den Jonatán unterdessen, dass er sein bisheriges Leben aufgeben und sich bekehren müsse. Mit glasigen Augen bekannte er mir dann jedoch, dass er dazu derzeit nicht in der Lage sei.

Dinosaurier im Wüstensand

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Kleinbus vier Stunden lang die Bergserpentinen rauf und runter bis wir auf 4.910 Meter angelangt waren. Dort oben sah man nur noch eine Steinwüste und schneebedeckte Bergspitzen. Die Luft war noch viel dünner und die Temperatur betrug trotz Sonnenschein nur noch 7 °C. Wir sahen große Alpaka- und Vicuña-Herden die auf der kargen Pampa das wenige Wildgras, Ichhu genannt, abfraßen. Nach dem Essen wurden wir in ein kleines Dorf am Fluss gefahren, wo es 73 °C heißes Wasser gab, das aus einer sehr mineralhaltigen Vulkanquelle kam und wo man deshalb ein Thermalbad errichtet hat, in dem wir eine Stunde lang baden konnten, um uns aufzuwärmen. Umgeben war das Freibad von riesigen Felswänden, die in den reißenden Fluss endeten, der durch eine Hängebrücke überquert werden konnte – eine wirklich malerische Landschaft! Später fuhren wir zum Canyon de Colca, der mit 3000 Metern größten Schlucht der Welt, in welcher sehr viele Anden-Kondore zu sehen waren. Es war ein fantastischer Ausblick, so tief ins Tal zu blicken, während Wolken wie Nebelschwaden an uns vorbeizogen, und über uns sah man die schneebedeckte Bergkette. Plötzlich sahen wir am Wegesrand eine ganze Kondorfamilie in unmittelbarer Entfernung, so dass der Kleinbus anhielt, um Fotos zu machen. Dann fuhren wir in ein Dorf namens Maca, wo der Reiseführer uns eine Plantage von Feigenkakteen (Opuntien) zeigte, die nicht nur zur Feigenernte genutzt wurden, sondern an denen auch die wertvolle Kaktuslaus Cochenille angesiedelt war, aus der der wertvolle Farbstoff Karmesin gewonnen wurde. Dann sollten wir noch alle einen Kaktus-Likör trinken und ein Kaktus-Eis essen, das wie Kiwi aussah und nach Zitrone schmeckte.

Unser nächstes Reiseziel war die Wüstenstadt Ica, wo Ruths Bruder Israel mit seinen Söhnen lebte. Als ich Israel (66) zur Begrüßung umarmte, wirkte er auf mich auf einmal alt und müde. Seit der Heirat seines Sohnes Joel (32) vor vier Jahren schien sich niemand mehr um das Haus in Ica zu kümmern, so dass es ziemlich verwahrlost war und im Verfall begriffen. Es wurde nichts mehr erneuert, sondern alles nur noch verwaltet. Dies betraf aber nicht nur das Grundstück, sondern leider auch die kleine Hausgemeinde, die sich bei Israel versammelte. Während früher der Versammlungsraum mit etwa 40 Geschwistern überfüllt war, kommen heute nur noch maximal 6 – 8 Geschwister regelmäßig zu den Versammlungen. Niemand schien mehr die Kraft und den Elan zu haben, das Haus und die Gemeinde wieder auf Vordermann zu bringen. Das Haus von Israel ist hier sprichwörtlich ein Abbild für das geistliche „Haus Israel“ heute, indem jeder nur noch auf das Seinige schaute und nicht auf das, was Jesu Christi ist (Phil.2:21).

Am Tag nach unserer Ankunft bot Joel uns an, einen Ausflug in die Wildnis zu machen, und zwar nach Ocucaje, wo man vor einiger Zeit Meeresdinosaurierknochen in 300 m Höhe über dem Meeresspiegel gefunden hat, die so riesig waren, dass man sie einfach im Wüstensand gelassen hatte. Sofort waren wir fasziniert von dieser Idee und machten uns auf den Weg in die Wildnis auf einer staubigen und holperigen Piste. Nach etwa einer Stunde hielt er an einer Stelle an. Wir gingen eine Anhöhe aus Sand hoch und standen auf einmal vor einem riesigen Walfossil, ein Mystacodon, bei dem man sogar die feinen versteinerten Lamellen seines Oberkiefers sah. Dann gingen wir ein Stückchen weiter hoch und fanden den Kopf eines Peregocetus, der wie der Kopf eines großen Krokodils aussah. Die Augen waren parallel und die Schnauze lief spitz und symmetrisch an. Ich konnte es kaum fassen. Joel erklärte uns, dass die Paläontologen in diesem staubtrockenen Gebirge bis jetzt schon Hunderte von Riesensauriern gefunden hätten in den letzten zehn Jahren, die aufgrund der Trockenheit erstaunlich gut erhalten seien. Aber man vermute in diesen vertrockneten Schlammschichten noch weit mehr Saurier. Man habe Zähne eines Megalodon gefunden, die mehr als zehnmal größer sind als die des weißen Hais.

Am Abend war Gottesdienst in Ica. Ich hatte eine Predigt vorbereitet über das Thema “Treue bis zum Ende”. Ich wies die Geschwister darauf hin, dass das Wort “bald” (griech. TAChY) in Offb.22:20 wörtlich “eilig” bedeutet, im Sinne von “unverzüglich” bzw. “so schnell wie möglich” (vergl. Luk.15:22). Dass das Kommen unseres HErrn schon seit fast 2000 Jahren andauert, läge nur daran, weil vorher noch so viel für Ihn zu erledigen sei, z.B. die Missionierung der ganzen Welt (Mt.24:14). Dann ging ich zu 2.Petr.3 und wies die Geschwister darauf hin, dass wir das Kommen unseres HErrn sogar “beschleunigen” könnten, indem wir möglichst unverzüglich “alle zur Buße kommen” (V. 9), je nachdem, wo wir noch untreu sind.

Taufe mit Hindernissen

Am nächsten Tag war nach dem Gottesdienst eine Taufe geplant. Schwester Rosa Angela (ca. 30) hatte den Wunsch, sich taufen zu lassen. Da es an diesem Morgen schon um 9:00 Uhr über 30°C heiß war, entschied sich Israel, dass wir den Gottesdienst draußen machen sollten auf der Fußballwiese. So bauten wir die Bänke und Stühle in einem großen Kreis auf, und gegen 9:45 Uhr kamen dann die ersten Geschwister. Israel machte die Einleitung und bat mich dann, ein paar Worte über die Taufe zu sagen. Ich las 1.Petr.3:21 vor und erklärte, dass es bei der Taufe auch um eine Art “Vertrag mit Gott” ginge, den man absolut ernst nehmen müsse: “Wenn ein Mensch heiratet oder sich ein Haus kauft und den Vertrag unterschreibt, kann er auch nicht auf einmal sagen: ̕̕ Ich habe mir das anders überlegt und will jetzt doch nicht mehr̕, sondern ist daran gebunden – wie viel ernster ist es, wenn jemand mit Gott ein Bündnis eingeht! Deshalb sollten wir uns gut überlegen, was für Konsequenzen das hat, wenn wir Christ werden wollen!” Dann predigte ich über die Notwendigkeit, dass man als Christ wirklich die Welt verlassen müsse und nannte das Beispiel der ersten Siedler Amerikas, die – nachdem sie an Land gegangen waren – ihre Schiffe verbrannten, um nicht in Versuchung zu geraten, später in ihr altes Leben zurückzukehren. Genauso sollten auch Gläubige sich von allem trennen, was der Teufel benutzen könnte, um sie heimlich wieder in die Welt zurückzuziehen. Ich erzählte ihnen dann die Geschichte vom Trojanischen Pferd, das die Danaer (die vom Stamme Dan waren) den Bewohnern Trojas angeblich als Geschenk gaben, und dadurch mit Schlangenlist Zutritt in die ansonsten uneinnehmbare Stadt Trojas bekamen, indem ihre Soldaten des Nachts heimlich aus dem Holz-Pferd stiegen und die Trojaner auf diese Weise heimtückisch überfielen (1.Mo.49:17). “Genauso lassen es auch gläubige Eltern zu, dass ihre Kinder jeden Tag ein bis zwei Stunden vor dem Fernseher oder im Internet verbringen und wundern sich dann, dass sie die Fäkalsprache der Welt erlernt haben und am Ende auch nicht gläubig wurden, weil sie durch den weltlichen Einfluss ihre Kinder unbewusst dem Gott dieser Weltzeit geopfert haben. Ein Fernseher hat in einem für Gott geweihten Haus nichts mehr zu suchen!” – Das war natürlich ein direkter Affront auch gegen Israel, der ja noch Fernseher besaß. Aber Paulus ermahnte uns: “Predige das Wort, halte darauf in gelegener oder ungelegener Zeit; überführe, strafe, ermahne mit aller Langmut und Lehre” (2.Tim.4:2).

Nach dem Gottesdienst gingen wir dann alle hinter das Haus, wo das kleine 3 x 7 m große Schwimmbecken war. Leider hatte ich vergessen, eine Ersatzhose mitzunehmen, aber ich dachte, dass meine Hose in der Sonne schon schnell genug wieder trocknen würde und stieg ins Wasser. Was ich jedoch nicht wusste, war, dass die Schwester Rosa Angela nicht nur nicht schwimmen konnte (wie die meisten Peruaner), sondern auch wasserscheu war. Sie hatte also eine völlig irrationale Angst vor Wasser, weshalb sie sich schon beim Herabsteigen ins Becken sehr ängstigte. Während die Gemeinde ein Loblied sang, erklärte ich ihr kurz den Ablauf. Sie nickte immer wieder, zitterte jedoch am ganzen Leib. Als das Lied dann verstummte, wollte ich beginnen, aber sie hatte solche Angst, dass sie nochmal um einen Aufschub bat. Die Geschwister sangen also ein weiteres Lied und mehrere Schwestern machten ihr vor, wie sie die Luft anhalten und sich sie Nase zuhalten müsse. Dann war es so weit, dass ich zu ihr sagte: “Liebe Rosa Angela, glaubst Du, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der auch für Deine Sünden am Kreuz von Golgatha starb und nach drei Tagen auferstand, um auch Dich zu retten und Dir Vergebung Deiner Sünden und das ewige Leben zu schenken, dann antworte mit ¨Ja¨!” Sie sagte: “Ja, ich glaube das!” Dann sagte ich: “Aufgrund Deines Bekenntnisses taufe ich Dich hiermit im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.” Ich griff sie, aber sie schreckte zurück und bat um eine weitere Unterbrechung, da sie noch nicht so weit sei. Ich dachte: Na sowas, was machen wir jetzt? Oder sollte ich sie vielleicht aus Rücksicht nur mit Wasser beträufeln? Doch dann gab sie mir ein Nicken und ich tauchte sie mit Schwung nach unten. Als ich sie dann wieder hochzog, schnappte sie wie wild nach Luft und hängte sich verzweifelt an meinen Kragen fest aus Angst zu ertrinken. Die Geschwister klatschten und riefen: “Haleluja! Gracias al Señor!

Als die Taufe vorbei war, wollte ich mir gerade ein anderes T-Shirt anziehen, da sagte Israel zu mir, ich solle noch damit warten, denn es gäbe da einen plötzlichen “Notfall”: Eine junge Schwester namens Natalia (26), die schon von klein auf in der Kinderstunde bei Israel war, aber dann vorübergehend auf Abwegen gekommen sei, habe sich mit 18 Jahren in einer Pfingstgemeinde “überrumpeln” und taufen lassen, obwohl sie damals “noch völlig in Sünden lebte”. Sie habe nun Angst, dass diese Taufe gar nicht richtig war vor Gott und wollte sich vorsichtshalber noch einmal taufen lassen, um nichts falsch zu machen. Ich sagte zu Israel, dass ich erst mal mit ihr sprechen würde. Dann kam Natalia, und ich erklärte ihr, dass eine wiederholte Taufe aus meiner Sicht nicht nötig sei, sofern diese biblisch korrekt durchgeführt wurde und sie vorher geglaubt habe. Sie erzählte mir dann sehr ausführlich, dass sie seit kurzem ständig von dämonischen Stimmen und Halluzinationen verfolgt werde, so dass lästerliche Zwangsgedanken in ihren Kopf stiegen. Sie hatte nun bei der Taufe gedacht, dass der Teufel sie nachträglich peinigen würde, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Taufe heimlich in Hurerei gelebt habe. Ich erklärte ihr, dass es durchaus möglich sei, dass sie durch eine schwere Sünde dem Teufel Anlass gegeben habe, sie bei Gott zu verklagen und Gott diese Wahnideen deshalb als Prüfung erlaubt habe. Aber sie könne diese Sünde nicht mit einer erneuten Taufe wiedergutmachen, sondern müsse Buße tun und sich von Gott zeigen lassen, ob es nur wegen der Hurerei oder noch wegen einer anderen Gräuelsünde geschehen sei. Aber auch das müsse der HErr ihr klar machen und wir sollten dafür beten.

Nachdem wir mit der ganzen Gemeinde auf der Wiese ein Liebesmahl gegessen hatten, rief man uns zum Abendmahlsgottesdienst. Da ich keine Hose zum Wechseln hatte, ging ich mit nasser Hose barfuß in den Versammlungsraum und hoffte, dass niemand daran Anstoß nehme. Israel betonte, dass gemäß 1.Kor. 14:26 jeder der Geschwister sich am Gottesdienst mit einem Beitrag beteiligen möge, so wie der Heilige Geist einem jeden eine Gabe geschenkt habe. Dieses Angebot wurde dann auch reichlich genutzt, indem viele Schwestern ein Zeugnis gaben oder ein Gedicht vortrugen. Unterdessen hatte sich auf dem Fliesenfußboden unter meinem Stuhl schon richtig eine Pfütze gebildet. Wir feierten dann das Abendmahl mit ungesäuertem Brot und frischem Traubensaft, wie es dem Lehrverständnis dieser Geschwister entsprach. Nach dem Schlussgebet gab es dann noch Brotkuchen (Panetón) und “Chicha morada” (lila Maissaft) für alle, und wir unterhielten uns noch lange, während die Geschwister nach und nach gingen. Alle waren am Ende sehr glücklich und dankbar für den schönen Tag, den der HErr uns geschenkt hatte.

Mario ist wieder da!

Als wir am späten Nachmittag wieder zurück in Lima waren, blieben mir nur noch fünf Tage in Peru. Deshalb nahm ich mir vor, jeden Abend den Augusto zu besuchen, um ihm aus der Bibel vorzulesen. Und so tat ich es noch am selben Abend. Sein schwarzhäutiger Nachbar Felix (62) schloss mir die Tür auf und ging dann wieder. Doch als ich in Augustos Zimmer kam, jammerte dieser, dass er dringend auf Toilette müsse. Ich zog ihn am Arm hoch und hielt ihn mit aller Kraft aufrecht, da er ja halbseitig gelähmt war. Vorsichtig mit kleinen Schritten schob ich ihn zur Toilette, zog ihm die Hose runter und setzte ihn auf die Klobrille ab. Inständig hoffte ich, dass er nur Pipi musste, aber dem war leider nicht so. Würde er sich selber den Po sauber machen können? Noch ehe ich den HErrn um Hilfe bitten konnte, hatte Er mir diese schon gesandt, indem ich plötzlich die Haustür hörte und Felix die Treppe hochkam. Er sah sofort, was los war, nahm souverän das Toilettenpapier in die Hand und kümmerte sich um den Rest, während ich draußen im Flur wartete. Ich dachte an meine Schwester Diana, die dies schon seit über 20 Jahren als Altenpflegerin macht – was für ein demütiger Dienst am Menschen! Und auch Felix, der noch nicht einmal Altenpflege erlernt hat, ist für mich ein Engel. Wir setzten uns danach in Augustos Zimmer und ich erzählte ihnen, wie ich sechs Jahre zuvor zum Glauben zurückfand durch Gottes Güte und wie dann anschließend meine Mutter heimging, die wir mit einer großen Gottesdienstfeier zuvor verabschiedet hatten. Beide saßen die ganze Zeit still da und hörten mir zu. Dann beteten wir gemeinsam und ich verabschiedete mich.

Am nächsten Morgen klingelte schon um 5:54 Uhr das Handy. Es war Francisco, der uns nur daran erinnern wollte, dass an jenem Samstag um 6:30 Uhr wie immer bei ihm Gebetsstunde sei. Ruth stand auf und wir machten uns fertig, um zu ihm zu fahren. Bevor wir mit der Gebetsgemeinschaft begonnen, hielt Francisco mit uns und den Brüdern Luis Hurtado (65) und Heuraclio Figueroa (64) eine kurze Wortbetrachtung, in der er am Rande erwähnte, dass sich Rockefeller bekehrt habe und danach einen Großteil seines Vermögens für wohltätige Zwecke gespendet habe. Ich konnte es kaum glauben und hakte nach: „Aber Rockefeller war doch Jude!“ – „Von Geburt, ja,“ sagte Francisco, „aber er hat sich später zum christlichen Glauben bekehrt.“ Ich dachte: Das kann ich mir gar nicht vorstellen; das muss ich unbedingt mal im Internet überprüfen, wo doch alle immer so schlecht von ihm reden. Wir beteten dann fast eine Stunde lang für sämtliche Geschwister in ihrer Not, sowie für die Ungläubigen, wobei mir auffiel, dass Francisco einen besonderen Schwerpunkt auf die Obrigkeit und speziell für konkrete politische Entscheidungen legte, als würde er sich damit an einen himmlischen „Petitionsausschuss“ wenden. Ohne Zweifel war Francisco ganz und gar von der politischen Wirksamkeit unserer Gebete überzeugt, was mich sehr beeindruckte. Anschließend wurde dann wie immer die Kollekte eingesammelt, die auch diesmal ausschließlich und direkt an den anwesenden Bruder Luis Hurtado ging. Bei der Vorstellung, dass dieser schwerstkranke Halbchinese völlig darauf angewiesen war, dass wir drei Spender genügend einlegen mussten, damit er in der nächsten Woche überleben kann, hatte dieses Einsammeln vor seinen Augen schon geradezu etwas Archaisches. Ich fragte ihn deshalb, wie viel denn mindestens zusammenkommen müsse pro Woche, damit er wenigstens gerade genug zum Essen habe. Er sagte „70 Soles“, d.h. 10 Soles pro Tag (2,50 €). Wenn man bedenkt, dass schon ein einziges Ceviche-Gericht durchschnittlich 20 Soles kostet, dann können 10 Soles ja gerade mal für ein wenig Reis und Gemüse reichen. Wir hatten leider viel zu wenig mitgenommen, weil wir nicht an die Kollekte gedacht hatten. Ruth fragte, ob er denn noch das dringend benötigte Schmerzmittel Tramal bekomme gegen seine Cluster-Kopfschmerzen. „Nein, das kann ich mir nicht leisten. Aber ab Mitte Februar werde ich voraussichtlich wieder in die Krankenversicherung kommen.“ Ich fragte: „Wie kannst Du denn dann den Kopfschmerz ertragen ohne Schmerzmittel, denn der muss doch ganz furchtbar sein?“ Er sagte: „Wenn ich im Gebet ganz auf den HErrn schau und an nichts anderes als den HErrn denke, dann geht es auf einmal besser.“ Mir schossen die Tränen in die Augen, und wir versicherten dem Luis, dass wir ihm am Montag eine größere Spende zukommen lassen würden von den Geschwistern in Deutschland (es waren noch 550 € vorhanden).

Im Anschluss fuhren Ruth und ich erstmal nach Hause und von dort aus später in die Innenstadt zum Evangelisieren. Als wir auf dem Plaza de San Martín ankamen, verteilte ich zunächst ein paar Traktate und setzte mich dann an die Seite eines Mannes namens Cesar (ca. 35 J), den ich auf den HErrn Jesus ansprach. Leider zeigte er mir nur wenig Interesse, sondern sagte nur, dass er zwar an Jesus glaube, aber „kein Kirchgänger“ sei. Es hatte keinen Zweck, deshalb verabschiedete ich mich. Dann setzte ich mich neben jemanden, der Ohrringe trug und scheinbar homosexuell war. Er hörte mir eine ganze Weile zu und beantwortete auch meine Fragen; allerdings wurde er ständig angerufen und telefonierte zuletzt so lange, dass ich die Geduld verlor und weiterging. Und dann wurde ich von jemandem angesprochen, der mich wiedererkannte. Sofort kam ein Zweiter und Dritter hinzu, so dass ich nacheinander die Fragen beantwortete (z.B. Wenn Gott doch den Teufel geschaffen habe, ist Gott dann nicht auch für das Böse in der Welt verantwortlich? Oder: Wenn man durch die Wiedergeburt zu einem neuen Menschen wird, warum gibt es dann so viele Prediger, die durch den Zehnten zu Millionären wurden und dadurch ein ganz schlechtes Zeugnis abgaben für die katholische Öffentlichkeit?). Dann sprach mich ein gewisser José an, der die Bibel auffallend gut kannte, aber ich hatte bis zuletzt eigentlich keine Ahnung, warum er mir ständig widersprach und worin eigentlich seine eigenen Überzeugungen bestanden. Dem HErrn sei Dank, dass ich den inzwischen 30 bis 40 Zuhörern unseres Dialoges immer wieder die Evangeliumsbotschaft und die Notwendigkeit der Neugeburt bezeugen konnten. Viele erbaten zwischendurch mein Traktat über den Mariengötzendienst, wo auch eine Einladung zu unserer Bibelstunde war. Ehe ich mich versah, waren schon bald zwei Stunden vergangen und es war dunkel geworden. Als Ruth dann kam, gab ich ihr den Hinweis, sie solle noch kurz warten, da ich gleich zum Abschluss käme.

Als ich dann gehen wollte, sprach mich ein junger Mann an, der mir bekannt vorkam. Er sagte: „Ich habe Dich schon viele Male auf dieser Telefonnummer auf dem Handzettel angerufen, aber da geht nie jemand ran. Weißt Du noch wer ich bin?“ Ich schaute ihn an und erkannte ihn wieder. Es war jener Doppelmörder, der sich vor einem Jahr auf diesem Platz bekehrt hatte und von dem ich seither nichts mehr gehört habe. „DU BIST MARIO!“ sagte ich überrascht. „Ja“ sagte er „und Du bist der Simon. Du hattest mich ja vor einem Jahr zu Dir nach Matute eingeladen.“ – „Ja genau. Ich freu‘ mich richtig, Mario, Dich wiederzusehen, und ich habe auch immer wieder für Dich gebetet, dass der HErr doch ein Wiedersehen schenken möge. Und nun hat der HErr mein Gebet erhört! Was machst Du denn jetzt? Bist Du noch im Glauben?“ Er antwortete: „Ja natürlich. Ich halte mich derzeit so über Wasser und verkaufe Süßigkeiten...“ Er zeigte mir eine geöffnete Tüte mit verpackten Schoko-Riegeln, wie sie die Straßenhändler in Lima typischerweise verkauften. Dann stellte ich ihn Ruth vor, die sehr überrascht war, als ich ihr sagte, wer er ist. Mario berichtete uns, dass er jetzt sogar in eine Gemeinde gehe (ich konnte es kaum glauben). Ich sagte Mario, dass wir jetzt nur noch fünf Tage in Peru sind und dann nach Deutschland zurückfliegen, und dass ich mich deshalb freuen würde, wenn er am Sonntagabend um 18:00 Uhr in unsere Bibelstunde käme, damit auch die anderen Geschwister ihn kennenlernen könnten. Mario versprach, zu kommen.

Am Abend ging ich wieder zu Augusto, um ihm aus der Bibel vorzulesen. Auch sein Pfleger Felix setzte sich wie selbstverständlich mit aufs Bett und hörte mit zu, während ich die ersten beiden Kapitel aus dem Johannesevangelium vorlas. Dann gab ich ein paar Erklärungen dazu ab und hoffte, dass sie mir vielleicht Fragen stellen oder Anmerkungen machen würden. Doch beide schauten mich nur mit ernster Miene an und sagten kein einziges Wort. Ich fragte mich, ob sie sich überhaupt in meiner Abwesenheit mal unterhalten würden. Offensichtlich schien Felix einen psychischen Knacks zu haben, dass er vielleicht menschenscheu oder gar ein Autist ist. Nach etwa einer Stunde verabschiedete ich mich von den beiden. und lud sie zur Bibelstunde ein. Da sie beide unbedingt mitkommen wollten, versprach ich, dem Augusto beim Herabsteigen aus dem 3.Stock zu helfen.

Am nächsten Tag kam uns Evelyn besuchen und berichtete uns lange über ihre neuen Eheerfahrungen. Da ich viel zu tun hatte, überließ ich Ruth das Gespräch mit ihr und zog mich zurück. Am Abend holte ich dann um 18:00 Uhr Augusto und Felix ab, indem ich den Rollstuhl runtertrug, während Felix den halbseitig Gelähmten Schritt für Schritt langsam vom 3.Stockwerk nach unten begleitete. Zu meiner Freude kam neben Ricardo auch noch Julio und Walter, sowie etwas verspätet auch noch Heraclio. Als wir bereits begonnen hatten, kam schließlich auch noch Mario, mit dem ich schon nicht mehr gerechnet hatte. Nachdem wir gebetet hatten, sprach ich über das Thema „Wenn Christen ein Doppelleben führen“ und bezog dieses auf Mt.7:22-23 und 2.Tim.2:12, wo es um das Verleugnen ging. „Jedes Mal, wenn wir Christen z.B. einen obszönen Witz machen, ist es gleichsam so, als würden wir den HErrn verleugnen und sagen: ‚Ich kenne diesen Menschen nicht!‘ (Petrus)“. Wir sprachen dann auch kurz über „die Höhen, die nicht wichen“ – bezogen auf unser Leben: die verharmlosten Leidenschaften und Lüste, die wir von Anfang an in unser Glaubensleben mitgeschleppt haben, anstatt sie konsequent hinter uns zu lassen. Zum Schluss hielten wir uns noch sehr lange bei der Frage auf, wen der HErr eigentlich meint, wenn Er von den „Lauen“ spricht in Offb.3:15). Julio sagte mit einem breiten Lächeln: „Mit dieser Botschaft, Simon, sprichst Du mir so sehr aus dem Herzen! Ich merke, dass wir wirklich total eins sind im Geist. Ich möchte davon noch viel mehr hören! Hier in Peru hört man so eine Botschaft sonst nirgends!“ Das hat mich natürlich sehr gefreut.

Nachdem wir gebetet und alle ein Eis bekamen, bat ich Mario, doch einmal ein Zeugnis zu geben von seiner Vergangenheit und was der HErr vor einem Jahr in ihm gewirkt habe. Was er allerdings sagte, hat mich völlig überrascht, weil ich damit gar nicht gerechnet hatte: „Meine Kindheit war die Hölle auf Erden. Meine Eltern haben mich beide nicht gewollt. Mein Vater war nie da, sondern immer unterwegs wegen seiner Arbeit, und wenn er mal da war, hat er sich an meiner älteren Halbschwester vergangen und sie gequält – das kann ich hier jetzt gar nicht alles erzählen, und es ist auch zu schrecklich. Meine Mutter hatte auch keine Lust, sich um mich zu kümmern, sondern ist stattdessen immer mit ihrer Freundin Einkaufen gefahren und hat mich dann bei deren Mann in Obhut gegeben, angeblich um Haare zu schneiden. Der hat mich dann regelmäßig sexuell vergewaltigt…“ Seine Stimme stockte und er konnte nicht weiterreden, weil er versuchte, die Tränen zu unterdrücken. „Ich hasse meine Mutter dafür, dass sie mir das angetan hat!“ Evelyn hakte nach: „Wusste Deine Mutter von dem sexuellen Missbrauch?“ – „Nein, bis heute weiß sie nichts…“ – „Und hast Du das Deinem Vater mal bekannt?“ – „Ja, aber der hat völlig gleichgültig reagiert und meinte nur, ich könne mich ja umbringen, wenn ich damit nicht klarkomme, denn von solchen Nichtsnutzen wie mir gebe es ja sowieso schon genug auf der Welt...“ Evelyn übernahm nun voll und ganz die Gesprächsführung und erklärte ihm: „Du bist aber wertvoll, und Du hast an diesem Missbrauch auch keine Schuld. Lass Dir das von niemandem einreden, denn Du warst damals schließlich noch ein Kind!“ – „Ich weiß, “ sagte Mario, „aber ich kann mit diesen Hassgefühlen nicht leben. Ich werde immer wieder daran erinnert, und es macht mich völlig fertig. Ich denke unentwegt nur an Rache“. – „Wie hättest Du Dich denn rächen wollen?“ fragte ich „hättest Du ihn am liebsten umgebracht?“ – „Unmöglich, denn dieser Mann ist Polizist, und sogar ein hohes Tier.“ – „Du darfst Dich aber auch ohnehin nicht rächen, denn das Wort Gottes sagt: ‚Mein ist die Rache, ich will vergelten‘. Du musst die Sache ganz in Gottes Hände legen.

Evelyn erzählte ihm dann von einem Mädchen, das mit 10 bis 11 Jahren von ihrem Schwager zwei Jahre lang vergewaltigt wurde und beschrieb dann, wie dieses Mädchen dann trotz dieses Traumas Frieden in Gott fand. Mario sagte daraufhin, dass er selbst auch die Erfahrung gemacht hatte, dass es ihm sehr hilft, wenn er in der Gemeinde Loblieder singen kann, weil es ihn beruhigt und auch ablenkt von sich selbst. Ich sagte dann: „Vielleicht solltest Du einfach mal weiter von Dir berichten, wie Dein Leben dann weiterging und wie Du am Ende den HErrn Jesus kennengelernt hast.“ Mario erzählte dann, dass er einige schwere Straftaten begangen hatte weshalb er zu einer Haftstrafe von 12 Jahren verurteilt wurde im berüchtigten Staatsgefängnis Cañete, jedoch wegen guter Führung schon vorzeitig freikam. Das sei vor zwei Jahren gewesen. In dieser Zeit sei er aber an Tuberkulose erkrankt und habe Stufe 3 (von insgesamt 4) Risikostufen erreicht, so dass er drei Monate im Krankenhaus war. Er magerte völlig ab von ursprünglich 85 kg auf nur noch gegenwärtig 56 kg und mache sich Sorgen, weil er viel zu wenig esse. Er habe schon lange den Wunsch gehabt, mit den Raubüberfällen aufzuhören und ein normales Leben zu führen. Und da geschah es, dass er vor genau einem Jahr mich traf auf dem Plaza de San Martin. Er habe sich neben mich gesetzt, weil er mich mit jemandem verwechselt hätte und war neugierig, worüber ich mit jemandem sprach. Dann hatte ich ihm ja vom HErrn Jesus erzählt und das habe ihn sehr getroffen, so dass er mit mir beten wollte. Danach habe er wirklich aufgehört mit den Überfällen und auch versucht, sich wieder mit seinem Vater zu versöhnen. Er habe nun eine Ein-Zimmer-Wohnung in Lurigancho und halte sich mit dem Verkauf von Süßigkeiten über Wasser. Er träume davon, irgendwann eine richtige Arbeit und vielleicht auch eine eigene Familie zu haben, aber das sei im Moment für ihn noch in weiter Ferne.

Inzwischen waren Walter und Julio schon eingeschlafen, und Ruth gab mir den ernsten Hinweis, dass ich die Versammlung nun für beendet erklären solle, um die älteren Geschwister schon zu verabschieden, besonders Don Augusto. Ich könne ja danach noch weiter reden mit jenen, die noch bleiben wollen. Schließlich verabschiedeten sich jedoch alle außer Mario, und ich begleitete noch den Augusto mit Felix wieder nach oben. Dann sprachen Evelyn und ich noch etwa eine Stunde lang mit Mario, während Ruth ihm ein Lunch-Paket bereitete und ihm eine etwas größere Spende in die Hand drückte. Wir verblieben so, dass er doch am Dienstag noch einmal kommen möge, um bis dahin auszuloten, wer ihn in der Zeit unserer Abwesenheit in Peru geistlich weiter betreuen könnte (z.B. Julio oder Francisco), damit er nicht länger alleine sei, sondern einen Ansprechpartner hätte. Ich begleitete ihn dann noch zur Bushaltestelle und sprach später noch bis 23:00 Uhr mit Ruth und Evelyn über ihre Eindrücke. Die beiden hatten ihn nun völlig in ihr Herz geschlossen, während ich Zweifel hatte, ob seine Geschichten alle der Wahrheit entsprachen, denn sie wichen z.T. doch etwas von dem ab, was er mir vor einem Jahr erzählt hatte.

Am Dienstag hatten wir den ganzen Tag einen Stromausfall, der jedoch tags zuvor angekündigt wurde, da man wohl Reparaturarbeiten im Stromnetz vornehmen müsse. Nach dem Mittagessen nahm ich meine Tasche, füllte sie mit Traktaten und fuhr mit dem Bus zum nahe gelegenen Plaza de Manco Capac. Ich verteilte erst einmal eine halbe Stunde lang mein Traktat über der Mariengötzendienst. Dann suchte ich nach geeigneten Gesprächspartnern unter den vielen Besuchern des parkähnlichen Platzes, was nicht so einfach war, da gut die Hälfte auf ihr Handy starrte. Doch dann sprach mich ein alter Mann von der Tribüne des Manco-Capac-Denkmals an und bat mich, mich neben ihn zu setzen. Raul (70) sagte: „Ich kenne Sie, denn ich habe Sie schon predigen gesehen auf dem Plaza de San Martín. Vielleicht können Sie mir mal erklären, wo in der Bibel steht, dass Maria die Mutter Gottes sei.“ Ich stutzte und antwortete: „Das kann ich nicht sagen, weil es diese Bezeichnung in der Bibel nicht gibt. Absichtlich hat der HErr Seine leibliche Mutter nie als ‚Mutter‘ bezeichnet, sondern immer nur als ‚Frau‘, so als habe Er damit schon andeuten wollen, dass man aus Maria keine Muttergottheit machen soll.“ Raul stellte sich mir dann als Katholik vor, der jedoch vielem in der Katholischen Kirche kritisch gegenüber eingestellt sei. Er hatte eine weit überdurchschnittliche Bildung und kannte sich besonders in der Kirchengeschichte gut aus. Deshalb nutzte ich die Gelegenheit und erklärte ihm an Hand von Offb. 2 und 3 die Bezüge zur Kirchengeschichte, was ihn offenkundig verblüffte, und erklärte ihm dann, dass die Katholische Kirche zwar Thyatira sei, die vom HErrn viel Lob bekommt – im Gegensatz zu Laodizea – aber dass sie teilweise eben auch die Hure Babylon sei, aus der wir Gläubige heute austreten müssen, um nicht ihrer Sünden mitteilhaftig zu werden. Wir sprachen dann über den Heiligen- und Reliquien-Götzendienst aber auch über die Transsubstantiationslehre, ohne dass er mir dabei widersprach, sondern mir interessiert zuhörte.

Beatrix, die Drogenbaronin

Am Abend kam Israel aus Ica angereist, und da Ruth und Evelyn noch nicht da waren, lud ich ihn ein, mit mir nach Augusto hinaufzugehen. Wir lasen mit ihm und Felix zusammen weiter im Johannesevangelium und erklärten ihnen das Gelesene. Als wir uns schließlich verabschiedeten, weil unsere Bibelstunde um 20:00 Uhr anfing, sagte ich beiläufig, dass sie natürlich auch gerne daran teilnehmen könnten. „JA, ich will unbedingt!“ sagte Augusto, und da war die Sache auch schon entschieden. Als ich gerade wieder unten in der Wohnung war, klopfte Mario an der Tür. Ich freute mich, dass er sein Versprechen eingehalten hatte und wir setzten uns ins Wohnzimmer. Ich erklärte Israel kurz, wer der Mario sei und bot ihm dann an, dem Mario mal selbst ein paar Fragen zu stellen, damit sie ins Gespräch kämen. Um 19:30 Uhr kam auf einmal Julio mit seiner ganzen Familie samt Oma zur Bibelstunde. Da es noch etwas Zeit war, fragte ich sie aus Höflichkeit, ob sie schon zu Abend gegessen hätten oder ob ich ihnen ein Abendessen anbieten dürfe. Julio nickte sofort mit breitem Grinsen. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich ja eigentlich gar nichts vorbereitet hatte, sondern diese Frage nur der Form halber gestellt hatte. Doch zum Glück sah ich dann, dass Ruth eine Mais-Käse-Suppe für sich, Evelyn und Israel gekocht hatte. Julios Familie bestand aus fünf Köpfen; hinzu kamen noch Israel und Mario. Also musste ich die Suppe so aufteilen, dass sie wenigstens für diese sieben Esser reichte (Ruth, Evelyn und ich könnten später ja auch etwas anderes noch essen). Also verteilte ich die Suppe in sieben tiefe Teller und Schalen, und es reichte gerade so eben.

Dann kam auch noch Ricardo mit Hugo, sowie Felix mit Augusto, sodass das 16-qm-groβe Wohnzimmer inzwischen mit 12 Personen recht voll geworden war (zum Glück hatte Julios Familie die Teller schon aufgegessen, sodass ich nicht in Verlegenheit geriet, auch den anderen noch etwas anbieten zu müssen. Israel machte dann die Einleitung mit Gebet und einigen coritos (Kurzliedern), und ich verteilte an die Besucher jeweils eine Bibel, die ich ihnen dann auch schenkte. Als ich dann mit meinem eigentlichen Thema beginnen wollte nämlich Psalm 119, merkte ich schon bald, dass die Besucher damit schon überfordert waren, denn ganz offensichtlich hatte über die Hälfte von ihnen noch nie in der Bibel gelesen und deshalb schon Schwierigkeiten, überhaupt diesen Psalm zu finden. Ich wechselte also das Thema und erzählte ihnen einfach mit eigenen Worten die Geschichte von Joseph, wobei ich jeweils auch die Parallelen zum Leben Jesu aufzeigte. Hugo unterbrach mich zwischendurch und fragte, wie ich denn das Verhältnis zwischen Joseph und dem Pharao mit Jesus und Gott vergleichen könne, wo doch der Pharao „ein böser und grausamer Tyrann sei, der seine Berater und Zeichendeuter sofort hinrichten ließ“. Ich korrigierte ihn, dass er ihn hier wohl mit dem Nebukadnezar verwechsele, dass man aber aufgrund von Phil. 2 schon eine deutliche Anspielung auf das Leben Jesu erkennen könne. Ich musste aufpassen, dass nicht durch zu viele Zwischenrufe der „rote Faden“ und damit die eigentliche Botschaft verloren gehe. Auch die Großmutter der Familie, also Julios Mutter Beatrix (85) machte ständig irgendwelche Zwischenrufe, so dass ich annahm, dass sie schon etwas dement sei; z.B. sagte sie ständig „Kiro!“, wenn ich vom HErrn sprach. Aber genau das Gegenteil war der Fall, denn es stellte sich plötzlich heraus, dass sie weit mehr Bibelkenntnis und Geistesfülle besaß, als ich mir je hätte erträumen lassen. Mit dem Wort „Kiro“, wollte sie in Wirklichkeit „ΚΥΡΙΟΣ“ sagen, also das griechische Wort für „HErr“…

Als ich ihr dann mal kurz das Wort gab, sprudelte es nur so aus ihr heraus: Zunächst unterstrich sie, dass der HErr Jesus der einzig wahre Erretter sei und dass jeder in der Runde, der den HErrn noch nicht als HErrn und Retter in sein Leben aufgenommen habe, dies doch unverzüglich tun müsse. Das Wort KÜRIOS bedeute so viel wie der absolute Befehlshaber, und wehe dem, der Seinem Befehl zur Buße und zum Bekenntnis seiner Sünden nicht nachkomme! Dann erzählte sie, wie der HErr sie durch eine schwere Krankheit vor einem Jahr errettet habe, als während kürzester Zeit sämtliche schwere Erkrankungen und Komplikationen auf einmal über sie kamen und die Ärzte im Krankenhaus deshalb schon alle Hoffnung für sie aufgegeben hatten. Sie sagte, dass sie von Dämonen regelrecht verfolgt wurde, die sie malträtierten und mit höllischen Schmerzen quälten, so dass sie nur noch zum HErrn um Gnade und Erbarmen flehen konnte. Diesen Schrei aus höchster Not habe der HErr erhört, sie wieder vollkommen geheilt und sogar zum Glauben geführt, so dass sie heute nicht mehr davon schweigen könne. Früher war sie eine schlimme Sünderin gewesen, indem sie in ihrem Haus ein Drogenkartell geführt habe – so unglaublich das klingt. Ihre beiden Töchter verkauften ebenso Drogen. Die jüngere von beiden fand man eines Morgens erhängt am Eingangstor vor Matute mit aufgeschlitztem Bauch – als Rache für eine nicht bezahlte Schuld. Für die Bandenkriminalität in den 80er Jahren war das Matute-Viertel ja in ganz Lima bekannt und gefürchtet, sogar bis heute noch. Und diese Familie war ein Teil des Kartells. Beatrix galt damals als „schwarze Witwe“ wegen ihrer Kaltblütigkeit, und jetzt hat der HErr sie errettet – was für eine Überraschung!

Dann wandte Beatrix sich an den im Rollstuhl sitzenden Augusto und bezeugte ihm mit Vollmacht, dass auch er nur glauben müsse, und dann würde der HErr ihn schon wieder gehen machen. „EN EL NOMBRE DEL SEÑOR!!!“ beschwor sie ihn, so dass Augusto ganz eingeschüchtert zu ihr hinaufschaute mit Tränen in den Augen. Ich erklärte ihr und den Anwesenden, dass der HErr auch bei Augusto schon ein Wunder bewirkt habe, denn früher war er ein erfolgreicher Geschäftsmann und Atheist, der sich über den Glauben lustig gemacht habe. Aber dass er inzwischen auch an den HErrn Jesus glaube, nachdem er durch einen Schlaganfall sehr vom HErrn gedemütigt wurde und zur Buße kam. „Halleluja!“ sagte Beatrix. Dann fragte sie ihn, wann er sich denn bekehrt habe. Mit zerbrechlicher Stimme sagte er: „Vor drei Wochen.“ Das irritierte mich, weshalb ich ihn fragte: „Aber wir kennen uns doch jetzt schon seit drei Wochen…“ Augusto sagte: „Ja. Als Sie vor drei Wochen das erste Mal zu mir nach oben kamen und mir vom HErrn Jesus erzählt haben, da habe ich mich bekehrt.“ – „Echt? Das habe ich ja gar nicht mitbekommen“ sagte ich. „Aber genauso wirkt der Heilige Geist“ wandte Bruder Hugo ein, „nämlich im Verborgenen. Ich merke, dass der HErr gerade ganz mächtig unter uns am Wirken ist, und das freut mich sehr.“ – „Ja genau, “ sagte Julio „und dieses Feuer darf jetzt nicht so bald wieder erlöschen, sondern wir sollten dafür beten, dass der HErr auch weiter diese Erweckung aufrechterhalte!“ Wir beteten gemeinsam und verabschiedeten uns.

Am nächsten Tag packten wir unsere Koffer und wurden von unserem befreundeten Taxifahrer Jaime abgeholt und zum Flughafen gebracht. Als wir nach 14-stündiger Flugreise in Amsterdam ankamen und in der Schlange der Passabfertigung standen, wunderte ich mich über einige asiatische Frauen, die einen Mundschutz trugen. Ich fragte sie, ob es dafür einen bestimmten Grund gäbe und erfuhr, dass in China ein Virus ausgebrochen sei, der eine schwere Pandemie auslösen könnte…

Der Ursprung und der verheißene Untergang des Islam

 

Viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen“ (Mt.24:11).

Der dämonische Ursprung des Islam

Ohne Frage wurde der Koran von einem dämonischen Geist inspiriert. Dieser Dämon heißt Malik al-Abyad („der weiße König“) oder auch Abu al-Nur („Vater des Lichts“). Er ist nach islamischer Überlieferung der „Herr des Mondes“ (Sayid al-Qomar) und hat die Hörner eines Widders. Er erschien dem Mohammed am Montagabend, des 10. August des Jahres 610, einem Mond-Tag, in Form eines Lichts und gab sich als Engel Gabriel aus. Er forderte Mohammed auf: „Lies!“ Mohammed antwortete: „Ich kann nicht lesen.“ Daraufhin würgte der Dämon ihn, dass er kaum noch Luft bekam. Dann lies er ihn los und forderte ihn erneut auf zu lesen. „Ich weiß nicht, wie man liest“ sagte Mohammed, und erneut wurde er von dem Dämon gewürgt. Dies wiederholte sich dann auch noch ein drittes Mal, bis der Dämon, der sich als Engel Gabriel ausgab, am Ende sprach: „Lies: Im Namen deines Herrn, der (alles) geschaffen hat. Er hat den Menschen aus dem Gerinnsel erschaffen.“ Diese Überlieferung ist von Sahih al-Bukhari 6982 und wird von keinem Muslim bestritten, obgleich sie völlig absurd ist.

Wenn wir diese Begebenheit vergleichen, wie sich der Engel Gabriel z.B. Zacharias offenbarte (Luk.1:18-21), der Maria (Luk.1:26-31) oder dem Prophet Daniel (Dan.8:15-20), dann sollte eigentlich jeder aufrichtige Muslim zugeben, dass es nicht der Engel Gabriel sein konnte, der dem Mohammed erschien. Schon damals machten Juden und Christen ihm den Vorwurf, dass seine angeblichen Offenbarung nichts weiter als „ein Bündel von wirren Träumen“ sei, die er selbst ersonnen habe (Sure 21:5), weshalb sich Mohammed verteidigen musste in Sure 81:25, dass seine Worte „nicht die Worte eines verstoßenen Satans“ seien. Die Leute hielten Mohammed für einen „besessenen Dichter“ (Sure 37:36). Dieser Vorwurf bestätigte sich dann in Sure 22:52, wo wir eine Anspielung auf jene unrühmlichen „Satanischen Verse“ finden, die Satan bzw. der Jinn (Dämon) al-Abyad dem Mohammed eingab: Mohammed hatte in Sure 53 empfohlen, die Göttinnen al-Lāt, al-ʿUzzā und Manāt um Fürsprache anzurufen. Wörtlich sagte Mohammed: „Habt ihr Lāt und Uzzā gesehen und auch Manāt …das sind die erhabenen Kraniche; auf ihre Fürbitte darf man hoffen.“ Als seine Leute ihn aber dann daran erinnerten, dass diese doch Götzen seien, widerrief er diese „Offenbarung“ als vom Satan eingegeben und ließ die entsprechenden Verse, die in einer früheren Koranversion zwischen Versen 53:20 und 53:21 noch vorhanden waren, wieder löschen (gemäß seinem Biograph Ibn Saʿd im Kitāb aṭ-Ṭabaqāt und seinem Chronisten at-Tabarī).

Mohammed konnte also gar nicht selbst unterscheiden, ob seine Eingebungen, die er oft unter epileptischen Anfällen bekam, von Satan oder von einem Engel stammen. Bei seiner ersten Begegnung mit dem Dämon al-Abyad war sich aber sogar Mohammed noch ziemlich sicher, dass dies nicht von Gott gewesen sein könne. Aber statt Gott selbst zu fragen, lief er zu seiner 15 Jahre älteren Frau Chadidscha, berichtete ihr die Geschichte und bekannte ihr seine Zweifel und Ängste. Sie jedoch ermutigte ihn, diesen Irrsinn als göttliche Begegnung zu werten. Da Mohammed (wie zuvor Adam) auf seine Frau hörte, konnte er getäuscht und verführt werden (2.Kor.11:4+14). Seither wurden schon Milliarden Menschen in dieser satanisch inspirierten Religion erzogen und zu einem antichristlichen Glauben verführt, der den HErrn Jesus als Sohn Gottes leugnet (1.Joh.2:22-23). Millionen Christen wurden bereits im Namen Allahs ermordet oder unterdrückt, indem man sich auf die dämonisch inspirierten Lehren des Korans berief.

Der Mondgott Hubal

Mohammed schreibt im Koran: „Ich nehme Zuflucht bei dem Herrn der Morgenröte und vor dem Bösen, das er erschaffen hat“ (Sure 113:1-2). In Jesaja 14:12 lesen wir von Luzifer: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte! Wie bist du zu Boden geschmettert, Überwältiger der Nationen!“ Nahm Mohammed Zuflucht bei Luzifer? Wenn man das Wort Allah auf Arabisch sieht, hat man den Eindruck, das schon das Wort selbst wie eine Schlange aussieht: . Allah ist jedoch nicht nur der Eigenname des islamischen Gottes, sondern wird von arabischen Christen auch als Bezeichnung für Gott verwendet („al“ = der/die/das  und „ilah“ = Gottheit, also wörtlich „der Gott“).  Schon lange vor dem Islam verehrte Mohammeds arabischer Familienstamm, die Quraisch, eine Mondgottheit namens Hubal. Dieser wurde in der Kaaba zum höchsten Gott erklärt und deshalb auch einfach als Allah („der Gott“) bezeichnet. Die Töchter Hubals waren die bereits erwähnten al-Lāt, eine Kriegsgöttin, al-ʿUzzā, die Morgensterngöttin, und Manāt, die Schicksalsgöttin. Herodot deutete al-Lat als Göttin Aphrodite; andere vermuten, dass diese Göttinnen die Sonne, den Mond und die Venus darstellten. Doch über diesen allen beteten die Araber einen schwarzen Stein (Meteorit?) an, den sie als von Hubal gesandt erachteten. Als Mohammed gerade geboren war, ging laut Ibn Ishāq sein Großvater ´Abd al-Muttalib ibn Hāschim mit dem Säugling in die Kaaba um ihn dem Gott Hubal zu widmen. Mohammed lernte später zwar nicht das Lesen, war aber auf Handelsreisen mit seinem Onkel Hamsa immer wieder in Kontakt mit Christen und Juden gekommen, so dass er bei Gesprächen die Überzeugung gewann, dass es nur einen Gott geben könne. Deshalb zerstörte er bei seiner Rückkehr nach Mekka all die vielen Götzen in der Kaaba, ließ aber jenen schwarzen Stein übrig, den die Muslime seither bei ihrer Pilgerfahrt küssen und vor dem sie sich anbetend niederknieen.

Der Mondgott Hubal wurde andernorts auch einfach nur Baal („Herr“) genannt. Vom Baal lesen wir in der Bibel, dass die Menschen vor ihm auf die Knie gegangen und ihn „geküsst“ haben (1.Kön.19:18). Wir sehen hier also, dass durch die Inkonsequenz von Mohammed, den Götzenstein der Kaaba nicht zu vernichten, der Götzendienst um den Mondgott Hubal weiterbetrieben wurde. Hinter diesen Götzen verbergen sich aber Dämonen, die von den Menschen angebetet werden wollen (1.Kor.10:20). Wie wir eingangs gesehen haben, wird der Dämon al-Abyad auch „Herr des Mondes“ (Sayid al-Qomar) genannt. Die kanaanitische Stadt Jericho („Mondstadt“) war eine der vielen Städte, die damals „dem Baal, der Sonne und dem Monde und dem Tierkreise und dem ganzen Heere des Himmels räucherten“ (2.Kön. 23:5), weshalb Josua sie verfluchte. Der Mond steht allegorisch u.a. für den Teufel, denn er ist zwar ein Lichtbringer, hat aber kein Licht aus sich selbst und kann deshalb die Menschen auch nicht erleuchten und wärmen. Er ist der Herrscher der Nacht (Ps.136:9). Die Heiden machten sich Talismane mit Halbmonden als Glücksbringer, weil von den Abbildern des Mondes eine magische Kraft ausging (Richt. 8:21+26, Jes.3:18). Und so haben sich auch die Muslime den Halbmond als Symbol ihrer Macht gewählt, so wie die Christen das Kreuz gewählt haben. Aber so wie die Frau in Offb.12:1-2 als Volk Gottes einmal den Mond zu ihren Füßen haben wird, so wird auch „der Gott des Friedens in kurzem den Satan unter unsere Füße zertreten“ (Röm.16:20).

Der Widder aus dem Osten

Wir hatten schon gesehen, dass der Dämon Malik al-Abyad auf Abbildungen Widderhörner besitzt. Über einen „Widder“ im Nahen Osten, der mit seinen Hörnern in alle Himmelsrichtungen ausschlägt, berichtet uns der Prophet Daniel in Kapitel 8: „Ich sah den Widder nach Westen und nach Norden und nach Süden stoßen, und kein Tier hielt ihm stand, und niemand rettete aus seiner Hand; und er handelte nach seinem Belieben und wurde groß“. Wir wissen aus Vers 20, dass die zwei Hörner des Widders die Könige von Medien und Persien darstellen, die sich zu einem Großreich vereint hatten, das am Ende von Alexander dem Großen 333 v.Chr. bei Issos besiegt wurde und in die Hände des griechischen Weltreichs fiel. Und nach dem Tod Alexanders zerfiel Griechenland bekanntlich in vier Diadochenreiche, von denen das der Seleukiden das größte wurde. Aus diesem ging schließlich Antiochus IV. Epiphanes (215 – 164 v.Chr.) hervor, der Vorläufer des zukünftigen Antichristen (Verse 21-25), der nach 3,5 Jahren Frieden mit Judäa Ende Dezember des Jahres 167 v.Chr. den Tempel in Jerusalem entweihte, indem er darin eine Sau opferte und für sich selbst Anbetung einforderte (vergl. 1. und 2. Makkabäerbuch, 2.Thes.2:3).

Aus Vers 17 erfahren wir, dass diese Prophezeiung „für die Zeit des Endes“ bestimmt sei, bzw. „für die festgesetzte Zeit des Endes“ (V.19). Da sich auch die anderen Prophezeiungen in Kapitel 2, 7 und 11 in ihrem Inhalt und Verlauf ähneln und alle mit dem Kommen des Messias und dem Weltgericht enden, stellt sich die Frage, warum seit der Zeit des Seleukidenkönigs Antiochus IV. schon 2.200 Jahre vergangen sind, ohne dass der HErr Jesus bisher in Macht und Herrlichkeit gekommen ist. Aufgrund diverser Hinweise im Neuen Testament wie z.B. in Mt.24:15 oder Offb.13:2-8 gehen die meisten Ausleger heute von einer zweiten Erfüllung der Prophezeiungen im Danielbuch aus. Die Geschichte wiederholt sich, denn: „Das was gewesen, ist das, was sein wird, und es ist gar nichts Neues unter der Sonne“ (Pred.1:9).

Der Widder im Alten Testament war Persien (Iran), und der Widder im Neuen Testament ist der Islam. Die zwei Hörner des Widders sind die zwei Ausprägungen des Islam in Sunniten und Schiiten. Der Widder ist im Grunde jener Dämon al-Abyad mit seinen Widderhörnern, der seit 1.400 Jahren den gesamten Orient in seine geistige Gefangenschaft gebracht hat. „Islam“ bedeutet ja „Sich-ergeben“ (vom arab. Wort aslama = „sich unterwerfen“, nur dass es sich in diesem Fall um einen teuflischen Geist handelt, dem man sich unterworfen hat. „Der Teufel ist ein Menschenmörder von Anfang“ (Joh.8:44a), und so hat auch der Islam von Anfang an Menschen ermordet und Völker unterdrückt. Zunächst breitete er sich von Arabien nach Westen aus, d.h. in Nordafrika und Spanien; später dann „nach Norden“ und eroberte Teile Russlands, Zentralasien und Osteuropa; und schließlich „nach Süden“), d.h. Afrika. Im Unterschied dazu brauchte er nach Osten nicht mit Gewalt vorstoßen, z.B. Indonesien, das mit 220 Millionen Muslime das größte islamische Land ist, denn es wurde friedlich durch Händler missioniert. In Afrika hingegen wurden die Schwarzen jahrhundertelang von den Muslimen versklavt, verkauft und zwangsbekehrt.

Der Widder stößt noch heute

Das Vorstoßen des Widders ist noch keineswegs beendet. Während das Christentum sich weltweit mit dem Bevölkerungswachstum seit 1945 gerade einmal nur verdreifacht hat (von 700 Millionen auf 2,2 Milliarden), hat sich der Islam im gleichen Zeitraum sogar mehr als verzehnfacht (von 150 Millionen auf 2,0 Milliarden). Bei konstanter Wachstumsrate würde die muslimische Bevölkerung die christliche im Jahr 2031 überholen. Seit 1990 hat sich der Anteil der Muslime in der deutschen Bevölkerung mehr als verdoppelt, nämlich von 2,5 Millionen (3,1 %) auf 5,5 Millionen (6,6 %) im Jahr 2024. Wegen der ganz unterschiedlichen Geburtenraten macht sich dies heute besonders in den Klassenzimmern bemerkbar, wo der muslimische Anteil an den Schülern mit 75 – 86 % deutlich überwiegt gegenüber Nichtmuslimen. Politiker, Verwaltungsbeamte und Medien lassen sich aber leider heute vom Wunschdenken leiten, indem sie nicht wahrhaben wollen, dass der Islam aufgrund seiner restriktiven Lehren gar nicht in der Lage ist, sich zu integrieren, geschweige denn sich zu assimilieren, da er für sich absolute Geltung beansprucht und damit intolerant ist gegenüber Nichtmuslimen (Kuffar). Wer sich als Muslim vom Islam zu Christus bekehrt, ist nach islamischem Recht ein Abgefallener (Murtadd) und muss getötet werden.

In deutschen Städten fordern Muslime inzwischen unverhohlen ein Kalifat, also eine auf der Sharia basierende islamische Theokratie. Auf einer Islamisten-Demo in Hamburg brüllte der junge Redner vor einer jubelnden Menge drohend und unmissverständlich, man würde die Politik- und Medienvertreter einmal zur Rechenschaft ziehen, sobald „der schlafende Riese erwacht“, wenn sie sich heute nicht „wohlbedacht positionieren“. Die Angesprochenen nehmen diese Drohung ernst und beugen sich, indem sie seit Jahren verschweigen, dass die überwiegende Mehrheit an Straftaten wie Morde, Diebstähle, Schlägereien und Vergewaltigungen von illegal eingewanderten Muslimen verübt wird. Kinderehen werden toleriert, und die Rechtsprechung verhängt nur noch milde Strafen bei Migrantengewalt und Ehrenmorden. In den Schulen werden Weihnachten und Ostern z.T. durch Ramadan und das Opferfest ersetzt, sowie Kreuze abgehängt. Lehrerinnen mit Kopftuch und salafistische Imame werden unkontrolliert eingestellt. Es ist wie im Drama Biedermann und die Brandstifter, als der Hausherr seinen Gästen am Ende sogar noch die Streichhölzer schenkt in der Hoffnung, von ihnen verschont zu werden.

Der Ziegenbock aus dem Westen

Der größte Feind des Islam ist „der Westen“, sprich: die USA. Die Amerikaner haben unter Präsident Busch die arabische Welt nicht nur militärisch geschwächt (durch die Kriege im Irak, Lybien und Syrien), sondern auch geistig/seelisch durch Hollywoodfilme, Computerspiele und Pornographie. In diesem Sinne ist der in Vers 5 beschriebene Angriff aus der Luft in einem doppelten Sinn erfüllt, also nicht nur buchstäblich durch Luftangriffe, sondern auch Angriffe aus der Geisterwelt. Der Ziegenbock ist ein Bild auf die Unkeuschheit, bzw den schwarzen Teufel (Baphomet!). Manche sehen diesen auch allegorisch in Asasel, dem Sündenbock aus 3.Mo.16:5, der in die Wüste geschickt wurde. Hinter den irdischen Mächten, die sich auf Erden bekriegen, verbergen sich laut Daniel 10 ja Dämonenfürsten, die sich gegeneinander bekämpfen. Aus diversen Berichten von Ex-Satanisten ist bekannt, dass die Dämonen keineswegs immer Verbündete sind, sondern Rivalen, die sich gegenseitig bekämpfen. Laut dem Zeugnis von John Ramirez verbergen sich Lügengeister nicht nur hinter dem Islam, sondern auch hinter dem Buddhismus oder dem RKK-Götzendienst (Isebelgeist).

Wenn der mazedonische König Alexander jenes Horn des Ziegenbocks war, das erst übermäßig groß wurde und dann zerbrach (Dan.8:8), wer könnte dieses in der endzeitlichen Auslegung sein? Derzeit hat man den Eindruck, dass es Donald Trump ist (Donald = „Weltherrscher“, Trump = „Trumpf“, „übertrumpfen“). Donald Trump hat sich trotz massiver Widerstände und Verleumdungskampagnen des vom Establishment bezahlten und kontrollierten Medienkartells zum zweiten Mal durchgesetzt, indem er „Frieden und Sicherheit“ (1.Thess. 5:3) versprach. Wenn es ihm gelingt, wie angekündigt, den Ukrainekrieg und den Nahost-Konflikt zu beenden, indem er mit Russland und China Frieden schließt durch einen Deal (Abkommen), dann hätten wir de facto ein geeintes Weltreich, und die Macht des Islam wäre gebrochen. Möglich wäre aber auch ein vernichtender Schlag der Verbündeten USA und Israel gegen den Iran und dessen Atomanlagen durch einen Luftangriff („Der Ziegenbock kam von Westen her über die ganze Erde, und er berührte die Erde nicht“ Dan.8:5). Und so wie der Welteroberer Alexander durch einen kleinen Mückenstich starb, könnte Trump plötzlich durch ein Attentat (Rache eines Islamisten) oder durch eine tödliche „Impfung“ (Rache der Pharmaindustrie) sterben.

Der seit dem Hamas-Terroranschlag vom 07.10.23 begonnene Gaza-Krieg hat gezeigt, dass der religiöse Streit zwischen Sunniten (Palästinenser) und Schiiten (Iran, Libanon) längst in Geheimverhandlungen überwunden ist und der Iran die Feinde Israels mit Waffen beliefert hat. Damit ist der Iran, der über eines der größten Arsenale an ballistischen Raketen und Kamikaze-Drohnen verfügt, zur ernsthaften Bedrohung Israels geworden. Da die USA und besonders Trump mit der israelischen Regierung aufs Engste verbunden ist und sämtliche Kongressabgeordnete seit Jahren von jüdischen Lobbyisten (wie AIPAC) „gekauft“ wurden, ist ein Angriff auf den Iran mehr als wahrscheinlich. Schon im US-Wahlkampf warf Trump seinem Herausfordere Biden vor, er hätte den Iran wegen der Attentate auf ihn „in die Vergessenheit bombardieren“ müssen. Der in Dan.7:6 erwähnte „Pardel“ (Panther) mit seinen vier Flügeln (Luftmacht?) verbündet sich laut Offb.13:1-2 in der Endzeit mit dem „Bären“ = Russland und dem „Löwen“ = England+Europa zu einem einheitlichen Weltreich mit amerikanischer (Panther)Prägung. Die „Bärenfüße“ weisen auf die politische Führung des Tieres hin, während sein „Löwenmund“ die ideologische Führung Europas andeuten könnte. Auch wenn dies derzeit noch nicht vorstellbar ist wegen Europas Kritik am russischen Ukrainekrieg, scheint sich der Wind gerade zu drehen, indem überall auf der Welt sozialistische Regierungen von konservativen Regierungen abgelöst werden (Italien, Frankreich, Schweden, Finnland, Ungarn, Polen, Tschechien, Österreich, usw.).

Der Untergang des Irans und der damit verbundenen islamischen Vorherrschaft wurde schon durch Jeremia angekündigt: „Siehe, ich zerbreche den Bogen Elams (Atomanlagen?), seine vornehmste Stärke. Und ich werde die vier Winde von den vier Enden des Himmels her über Elam bringen und es nach allen diesen Winden hin zerstreuen; und es soll keine Nation geben, wohin nicht Vertriebene Elams kommen werden“ (Jer.49:35-36). Das sich im Anschluss dann bildende, vereinigte Weltreich des Ziegenbockgeistes (Satan) wird dann der Antichrist als „kleines Horn“ hervorkommen, der nicht nur „das Volk der Heiligen“, sondern auch „die Über-(windungs)Starken (d.h. Gewissensstarken, Nonkonformisten) vernichten“ wird (Dan.8:24). Viele Muslime, Christen und Juden werden sich dem Antichristen unterstellen, aber es wird auch einige Ungläubige geben, die sich ihm widersetzen und dann hingerichtet werden.

 

 

– Können Menschen Einfluss auf das Klima haben?

 

„Forthin, alle Tage der Erde, sollen nicht aufhören Same und Ernte, und Kühle und Wärme, und Sommer und Winter, und Tag und Nacht […] Und Ich errichte Meinen Bund mit euch; und nicht mehr soll alles Fleisch ausgerottet werden durch die Wasser der Flut, und keine Flut soll mehr sein, die Erde zu verderben.“ (1.Mo.8:22, 9:11)

 

Als ich 12 Jahre alt war, wurde uns in der Schule beigebracht, dass der „saure Regen“ über kurz oder lang alle Wälder vergiften würde. Greenpeace-Aktivisten kamen in unser Klassenzimmer und erklärten uns, dass es nicht 5 vor 12 sei, sondern bereits 5 nach 12. Als Kinder reagierten wir hysterisch. Jedes Mal, wenn ich den Schatten der Wolken am Himmel anschaute, dachte ich, dass es sich um Autoabgase handeln würde. Um die Welt zu retten, ging ich in der Folge regelmäßig zu den Treffen von Greenpeace und träumte davon, mich durch heldenhafte Aktionen als einer von den Guten zu beweisen. Was ich nicht wusste, war, dass alle 10 Jahre eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, um einen nahen bevorstehenden Weltuntergang heraufzubeschwören: In den 1960ern hieß es: „Das Öl geht in 10 Jahren zur Neige!“. In den 1970ern: „Eine neue Eiszeit kommt in 10 Jahren!“ In den 1980ern: „Der saure Regen wird innerhalb von 10 Jahren alle Wälder zerstören!“ In den 1990ern: „Der Ozonschicht wird in 10 Jahren zerstört sein!“ In den 2000er Jahren: „Die Polkappen werden innerhalb von 10 Jahren verschwunden sein!“ Und seit den 2010er Jahren: „Die globale Erderwärmung wird unwiederbringliche Schäden anrichten in den nächsten 10 Jahren, wenn wir nicht sofort handeln!“ Und in den 2020er Jahren: „Tödliche Pandemien werden innerhalb von 10 Jahren die Menschheit dezimieren!“ Keine von diesen Prophezeiungen ist eingetreten. Aber dennoch haben die Menschen nichts dazugelernt, sondern laufen noch immer diesen falschen Propheten hinterher und glauben bereitwillig, was sie sagen, weil es ja angeblich „wissenschaftlich erwiesen“ sei. Kein Wunder, dass Paulus in 1.Tim.4:1 voraussagte, dass einmal „hysterische Fristen“ kommen würden (hYSTÄROIS KAIROIS). Durch die Medienkampagnen lässt sich eben sehr leicht eine Hysterie erzeugen.

Allen diesen Unheilankündigern ist gemein, dass sie keinen Widerspruch dulden. Wer heute den Einfluss des Menschen auf das Klima infragestellt, wird sofort als „Klimaleugner“ diffamiert, obwohl niemand auf der Welt die Existenz des Klimas leugnen würde. Noch nicht einmal der Klimawandel wird angezweifelt, sondern nur die Frage, ob wir deshalb in Panik versetzt werden sollten. In einem Interview gab der IPCC-Lobbyist Stephen Schneider vor Jahren zu: „Deshalb müssen wir Schrecken einjagende Szenarien ankündigen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, brauchen wir dramatische Statements und keinen Zweifel am Gesagten. Jeder von uns muss sich entscheiden, wie weit er ehrlich oder effektiv sein will“. Leider haben sich die vom Staat alimentierten Wissenschaftler zusammen mit den Staatsmedien für die Effekthascherei entschieden, da diese mehr Quote bzw. Fördergelder von der Politik bringen. Bekannt ist der Spruch der 16-jährigen Greta Thunberg vor dem Weltwirtschaftsforum 2019: „Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid, sondern ich will, dass ihr in Panik geratet!“ Das erinnert mich an Jes.3:12: „Mein Volk wird von Kindern bedrückt, und Weiber beherrschen es. Mein Volk, deine Führer verführen dich und haben den Weg verwüstet, den du wandeln sollst“. Das Ziel dieser Panikmache ist nicht nur das Abschöpfen des Wohlstands durch De-Industrialisierung, sondern auch eine Konditionierung (Gewöhnung und Gefügigmachung) der Bevölkerung durch wiederholte Manipulation, um eine gewünschte Reaktion herbeizuführen. Die Welt soll lernen, den antichristlichen Eliten alles zu glauben und blind zu gehorchen.

Eine neue Religion ohne Gott

Die Klimahysterie verfügt über alle Bestandteile einer echten Religion: Es gibt die Warnung vor einem baldigen Weltende („Letzte Generation“), es gibt die Hüter der reinen Lehre (Weltklimarat), es gibt Bußprediger (Fridays-for-Future, Klimakleber), die Anklage gegen die Sünde (CO2-Verbrauch), es gibt Schuldgefühle und Ablasshandel (CO2-Zertifikate, E-Autos, Lastenfahrräder), es gibt die Erlösung (Solaranlagen, Windräder) und nicht zuletzt die Verheißung auf ein de-industrialisiertes Paradies auf Erden. Wenn man noch den Fanatismus und den Unfehlbarkeitswahn hinzunimmt, muss man statt von einer Religionsgemeinschaft eher von einer SEKTE sprechen, deren Anhänger sich im Besitz der einzigen Wahrheit befinden und daher das Recht haben, den Verkehr lahmzulegen oder Meisterwerke mit Farbe zu beschmieren. Sie leben in einer undurchdringlichen „Blase“, in welcher sie immer wieder bestärkt werden von der Richtigkeit ihrer Sache.

Namhafte Klimaforscher und sogar Nobelpreisträger, die schon seit Jahren vor dem Unsinn der angeblichen Klimaschutzmaßnahmen warnen, werden als Ketzer ausgeschlossen und dürfen ihre Beweisführungen noch nicht einmal in den öffentlichen Medien darstellen, weil diese ja selbst mit dem IPCC Klimarat (Sekte) unter einer Decke stecken. Echte Wissenschaft lebt vom ständigen Diskurs, d.h. man lässt Kritiker zu Wort kommen und prüft ihre Argumente, so wie es auch bei uns Christen sein sollte (1.Thes.5:21, 1.Kor.14:29, 1.Joh.4:1). Der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper schrieb einmal: „Unser Wissen ist ein kritisches Raten, ein Netz von Hypothesen, ein Gewebe von Vermutungen […] Selbstkritik ist die beste Kritik; aber die Kritik durch andere ist eine Notwendigkeit“ (aus: Logik der Forschung, Vorwort). Wer also eine vermeintliche Erkenntnis als „eindeutig“ oder „nachgewiesen“ betrachtet, kennt das Wesen der Wissenschaft noch nicht, sondern praktiziert eine pseudowissenschaftliche Dogmengläubigkeit. Gerade wenn wir eine liebgewonnene Erkenntnis als gegeben voraussetzen, ist unsere Forschung nicht mehr objektiv, weil wir geneigt sind, alle neuen Ergebnisse, die nicht mit unserem bestehenden „Wissen“ übereinstimmen, außer Acht zu lassen und nur auf jene Resultate zu achten, die zu unserer Theorie passen. Diese Voreingenommenheit besteht ebenso bei der Bibelauslegung.

Wie wird der menschliche Einfluss auf das Klima begründet?

Es wird behauptet, dass durch die Industrialisierung im 19. und 20. Jh. die Erderwärmung um ca. 1,2°C angestiegen sei und vermutet, dass dies etwas mit der Zunahme von CO2 zu tun haben müsse, da es eine Korrelation gäbe zwischen diesen. Grundlage für die Erderwärmungshypothese ist eine Studie aus dem Jahr 1999, in welcher US-Forscher wie Michael Mann sog. Proxy-Daten (Stellvertreterdaten) aus Baumringen, Korallen und Eisbohrkernen ausgewertet haben und zu dem Schluss kamen, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde in den letzten 2000 Jahren relativ gleich war, jedoch im 20. Jh. auffällig angestiegen sei, vergleichbar einem liegenden Hockeyschläger, dessen Kelle nach oben zeigt. Nachdem die Datenbasis für diese Studie von mehreren Wissenschaftlern angezweifelt wurde, forderte der kanadische Geograph Tim Ball 2011 eine Überprüfung der Rohdaten, die Michael Mann jedoch nicht vorlegen konnte/wollte, weshalb er 2019 einen Gerichtsprozess gegen Ball verlor. Seither wird seitens des IPCC behauptet, dass neuere Messungen zwar geringfügige Abweichungen ergeben hätten, aber die Hockeyschlägerkurve von M. Mann doch bestätigt sei.

Des Weiteren haben Proxydaten-Messungen ergeben, dass die Konzentration von CO2 in der Luft seit Beginn der Industrialisierung (ca. 1750) stark angestiegen sei, nämlich von 0,028 auf 0,042 Volumenprozent. Gemäß einer Isotopenanalyse wird dieser Anstieg von CO2 auf den steigenden Verbrauch fossiler Brennstoffe als Quelle zurückgeführt. Aufgrund der Gravitation ist unsere Atmosphäre – je näher sie der Erde ist – wärmer und dichter und wird entsprechend in Richtung des Weltraums immer kälter und dünner. Hätten wir keine Atmosphäre, hätte die Erdoberfläche eine Temperatur wie auf dem Mond (ca. -60 °C). Bedingt durch die Wolken und Luftmoleküle liegt die mittlere Temperatur aktuell bei etwa 15 °C. Jedoch kann die von der Erde und den Ozeanen nicht absorbierte Wärmestrahlung der Sonne nicht mehr genügend zurück ins All entweichen aufgrund einer Zunahme von Staub, Aerosolen, Wasserstoff und Kohlendioxid, sondern staut sich in der Atmosphäre – der sog. Treibhauseffekt. Doch nicht nur haben sich allmählich die Ozeane leicht erwärmt um 0,5 °C, sondern man hat auch eine leichte Versauerung derselben festgestellt durch Aufnahme von CO2, was die marinen Ökosysteme beeinflusst, wie z.B. Korallenriffe. Vor allem aber beobachtet man seit 50 Jahren eine polare Eis- und Gletscherschmelze bei gleichzeitigem Anstieg des Meeresspiegels um 20 cm.

Welche Argumente sprechen gegen einen nennenswerten, menschlichen Einfluss auf das Klima?

Es ist richtig, dass sich das Weltklima in den letzten 100 Jahren leicht erwärmt hat, jedoch gibt es keinen echten Beweis dafür, dass CO2 einen großen Effekt auf das Klima hat. In der Römerzeit war es genauso warm wie heute, und auch im Mittelalter gab es eine Warmzeit zwischen 750 – 1.100 n.Chr., die der heutigen entsprach (Ljungqvist et al. 2010). Zudem ist die Durchschnittstemperatur auf der Erde laut der NASA mit 14,8 °C in den letzten 20 Jahren gleichgeblieben (gemäß dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung lag diese Temperatur in vorindustrieller Zeit sogar höher bei 15 °C!). Überhaupt ist die Ermittlung solcher Durchschnittstemperaturen für sich genommen schon relativ willkürlich, da es in den verschiedenen Klimaregionen der Erde erhebliche Schwankungen gibt aus den unterschiedlichsten Gründen. 40 % der Wetterdaten der NAOO sollen nachweislich geschätzt und z.T. frisiert worden sein, sind aber trotzdem in die Berechnungen der Klimamodelle eingeflossen (siehe Climategate-Skandal von 2009). Wetter und Temperaturen schwanken in einer Weise, die schwer zu erklären und genau vorherzusagen ist. So war es z.B. schon zur Zeit der Römer so warm, dass man problemlos die Alpen überqueren konnte. Grönland bekam seinen Namen, weil es früher ein „grünes Land“ war. Die Wintermonate der Jahre 1916 und 1926 waren mit über 20 °C so warm, dass in Deutschland die Blumen blühten. Wenn es aber mal einen richtigen Winter gibt wie 1962 oder 1978, wird dies heutzutage sofort als „Extremwetterereignis“ gedeutet, so wie ja auch Überschwemmungen oder Waldbrände immer wieder für den Klimawandel als Ursache herhalten müssen. Tatsache ist jedoch, dass es statistisch gesehen keine Zunahme von Extremwetterereignissen gibt. Im Gegenteil haben z.B. die ohnehin meist durch Brandstiftung verursachten Waldbrände in den letzten Jahrzehnten eher abgenommen. Allerdings haben sich die Ozeantemperaturen in den letzten 40 Jahren tatsächlich leicht erhöht (ca. +0,5°C).

Als Ursache für die Erderwärmung wird allgemein die Zunahme von sog. „Treibhausgasen“ wie CO2 in den letzten 200 Jahren vermutet, da diese scheinbar mit dieser korrelieren (d.h. in einer vermuteten Beziehung stehen zueinander). Korrelation ist aber nicht das gleiche wie Kausalität. Wenn z.B. über einen bestimmten Zeitraum die Geburtenrate eines Landes und der Verkauf von Lutschern um die gleiche Prozentzahl gestiegen sind, kann man nicht daraus schließen, dass Lutscher die Geburtenrate beeinflussen. Zudem hat man herausgefunden, dass durch eine erhöhte Temperatur auch der CO2-Gehalt der Atmosphäre ansteigt, da die Ozeane durch die Erwärmung weniger CO2 speichern, sondern stattdessen einen Teil des gelösten CO2 an die Atmosphäre abgeben. Bei hohen Temperaturen geben Böden mehr CO2 durch erhöhte mikrobielle Aktivität ab. Tatsächlich bestätigen die Datensätze der Eis-Bohrkerne der Vostok-Station auf der Antarktis, dass die Datenreihen von Temperaturen und CO2 zwar miteinander korrelieren, aber bei genauem Hinsehen steigen zunächst die Temperaturen und erst danach die CO2-Werte in einem zeitlichen Abstand von ca. 500 Jahren.

Einseitige Forschung und zensierte Daten

Die Erderwärmung wird also wahrscheinlich gar nicht durch die CO2-Zunahme verursacht, sondern genau andersherum wird die CO2-Zunahme durch die Erderwärmung bewirkt. Da man sich jedoch vorzeitig nur auf die erste der beiden Möglichkeiten versteift hat, sucht man inzwischen gar nicht mehr nach alternativen Ursachen für die Erderwärmung. Zum Beispiel werden seit Beginn der Industrialisierung und dem damit verbundenen Wachstum der Städte, immer mehr Böden versiegelt, wodurch es zu einem Aufheizen der Städte kommt. Des Weiteren forscht man seit 1975 zwar vermehrt an sog. Sonnenzyklen, ignoriert dabei aber, dass die stärkere Sonnenaktivität zu einer entsprechenden vermehrten Erwärmung auf der Erdoberfläche führt.

Es gibt noch zwei weitere Kritikpunkte an dem heutigen Klimadogma: Die Behauptung, dass sich der CO2-Gehalt der Luft in den letzten 200 Jahren stark erhöht hätte, beruht lediglich auf indirekten Messungen und interpretierungsbedürftigen Daten aus Eis-Bohrkernen, Baumringen und Meeresablagerungen, aus denen Klimaforscher Rückschlüsse auf das Klima in früheren Jahrhunderten gezogen haben. Überraschenderweise findet sich aber sowohl im Meyer-Konversationslexikon von 1885 als auch in der Encyclopedia Britannica von 1875, dass der durchschnittliche CO2-Gehalt im 19.Jh bei 0,040 Volumenprozent lag, also im Grunde wie heute. Schon 1828-29 hatte der Schweizer Naturforscher Théodore de Saussure (1767-1845) umfangreiche Messungen des CO2-Gehalts vorgenommen an verschiedenen Orten und kam dabei zu CO2-Werten zwischen 0,0389 – 0,0518 Vol-%, also im Schnitt sogar 0,0454 Vol-%! Wenn man bedenkt, dass man direkt gemessenen Werten grundsätzlich mehr vertrauen kann als indirekt ermittelten, dann wäre der Kohlenstoff-Gehalt in der Luft nicht gestiegen, sondern sogar leicht gesunken in den letzten 200 Jahren! Tatsächlich haben diese hohen Werte jedoch wohl mit dem Tambora-Vulkanausbruch von 1815 zu tun. Wieso man aber dann ausgerechnet auf dem aktiven Vulkan Mauna Loa auf Hawaii die bedeutenste CO2-Messstation betreibt, bleibt ein Rätsel.

Kann man überhaupt das Klima schützen?

Als „Klima“ bezeichnet man einen statistischen Mittelwert lokaler Wetterdaten der letzten 30 Jahre. Von daher ist es schon von der Semantik her falsch, von einem „Klimaschutz“ zu sprechen, denn statistische Wetterdaten sind Fakten, die man bestenfalls vor ihrer Verfälschung schützen muss. Gemeint ist in Wirklichkeit die Vermeidung eines angeblich von Menschen verursachten Treibhauseffekts. Darunter versteht man alle Faktoren, die einen infrarotsensiblen Einfluss auf das Klima nehmen, z.B. der Wasserdampf, der etwa 2/3 des gesamten Treibhauseffekts in der Atmosphäre ausmacht. Auch die Wolken tragen einen enormen Beitrag zur Abkühlung und Regulierung bei, wie eine von Gott geschaffene „Belüftung“, die seit Jahrmillionen ein unkontrolliertes Aufheizen der Erde verhindert. Trotzdem hat sich eine Clique von Politikern, Wissenschaftlern und Medienvertretern allein auf den Kohlenwasserstoff eingeschossen, der in unserer Luft neben 78,08 % Stickstoff, 20,95 % Sauerstoff, ca. 2,00 % Wasserstoff und 0,93 % Argon gerade einmal nur mit 0,04 % (420 ppm) als Spurenelement vorhanden ist. CO2 ist die Hauptnahrung der Pflanzen, fördert deren Wachstum, steigert die Erträge und ist damit der beste Dünger, den Gott den Menschen gegeben hat. Bei einer zunehmenden Weltbevölkerung sichert eine Zunahme von CO2 also sogar ausreichende Ernteerträge und damit das Überleben der Menschheit (aber vielleicht ist es gerade das, was man verhindern will…). Es wird ja immer wieder behauptet, dass eine Verdopplung von CO2 zu einer Erwärmung der Erde um „1 bis 6 °C“ (IPCC) führen könnte; zugleich weiß man jedoch seit 100 Jahren, dass nur die ersten 20 ppm des CO2 eine Erwärmung verursachen, während danach die Kurve steil abfällt und es zu einer Sättigung kommt. Danach bewirkt jedes neue CO2-Molekül weniger als das vorige!

Es kann also gar keine Klimakatastrophe geben. Die Klimamodelle sind nur simulierte Apokalypsen, die weder gemessen noch beobachtet, sondern nur konstruiert werden. Hier werden mal wieder – wie zur Coronazeit – Wissenschaftler von globalistischen Oligarchen mit Fördergeldern geködert, um gewünschte Desinformationen zu liefern, die man dann für ihr Katastrophen-Narrativ instrumentalisiert. Wenn Professoren Zweifel äußern, werden sie als Wirrköpfe und Schwurbler diffamiert. Wahrheitswidrig wird immer wieder behauptet, dass angeblich 97 % der Wissenschaftler den menschengemachten Klimawandel heute nicht mehr anzweifeln, obwohl es laut der Studie von COOK et al. in Wirklichkeit nur 0,54 % der Klimaforscher diese Position beziehen und 66,73 % überhaupt keine Position diesbezüglich eingenommen haben. Es wird also allenthalben gelogen, sogar schon in den Schulbüchern: dort wurden den Schülern nachweislich gefälschte Graphiken und Falschbehauptungen als angeblich wissenschaftliche Fakten verkauft, z.B. über die Messungen der Vostok-Bohrkerne, die überhaupt nicht mit den IPCC-Berichten übereinstimmen, um sie in einen gewünschten Panikmodus zu versetzen. Solch eine Indoktrination hat aber nichts mehr mit politischer Bildung zu tun, da die Schüler ja durch Lügen manipuliert und regelrecht ideologisiert werden. Man sieht hier gewisse Parallelen zur NS-Propaganda, mit der schon die Hitlerjugend und der BDM gegen Andersdenkende aufgehetzt wurden.

Während sich indoktrinierte Studenten als fanatische Möchtegern-Weltretter auf die Straße kleben und die Menschen mit frei erfundenen Horrorszenarien einschüchtern (z.B. angebliche „Kipp-Punkte!“, „Klimafolgekosten!“ oder „Millionen von Klimaflüchtlingen!“), sollten gläubige Eltern ihre Kinder aufklären, dass es sich beim Thema Klimaschutz um eine reine Lügenkampagne von linken Lobby-NGOs handelt, um durch eine Deindustrialisierung den Wohlstand Deutschlands zu zerstören und eine globale sozialistische Planwirtschaft einzuführen. Die Energiekosten wurden durch eine künstliche, von den Grünen absichtlich betriebene Verknappung und einer sinnlosen Erneuerbare-Energien-Umlage innerhalb von 25 Jahren mehr als vervierfacht (1999 = 16,5 Cent/Kilowattstunde und 94 Cent am 11.12.24). Klimaneutrale Atomkraftwerke wurden in den letzten 10 Jahren abgeschaltet und mutwillig zerstört. Stattdessen wurden überall umweltschädliche Windräder und Solaranlagen installiert, die bei Dunkelflauten keinen Strom liefern, so dass die Deutschen dann jedes Mal Atomstrom aus Frankreich einkaufen müssen zum doppelten Preis. Wenn die Deutschen aber durch viel Sonne und Wind überschüssigen Strom produzieren, sind sie neuerdings gezwungen, zur Wahrung der Netzstabilität diesen an Frankreich zu verschenken oder gar zu Negativpreisen anzubieten (d.h. sie zahlen sogar noch Steuergelder dafür, dass sie uns unseren Strom abnehmen!).

Durch diesen Irrsinn ist der Strom in Deutschland inzwischen so teuer geworden, dass die Großindustrie ihre Produktion runterfährt, Tausende an Arbeitsplätzen abbaut und ihre Werke ins Ausland verlagert. Und da sich die Arbeitnehmer weder die teuren Strompreise noch die subventionierten aber umweltschädlichen E-Autos leisten können (ca. 56.000 €), bricht jetzt auch die gesamte Autoindustrie Deutschlands zusammen. Und das alles nur wegen des Klima-Schwindels! „Gott entzieht den Verstand den Führern der Völker der Erde, … sie tappen in der Finsternis, wo kein Licht ist [Blackout?], und Er macht sie umherirren“ (Hiob 12:24-25).

 

 

 

– „Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi“  Teil 13:

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 38:

August Hermann Francke (1663-1727)

Francke wurde zu Beginn des Pietismus (1660 – 1830) in Lübeck geboren in einer Zeit, als man wieder über neue Reformen in der als leblos empfundenen evangelischen Kirche sprach. Schon früh wurde er durch seine Großmutter mit erbaulichen Schriften von Johann Arndt vertraut. Sein gläubiger Vater Johannes wurde 1666 als Anwalt an den Hof Herzog Ernst des Frommen nach Gotha berufen. In dieser für den Pietismus offenen Stadt verbrachte Francke einen Großteil seiner Jugend und erfuhr mit 10 Jahren eine erste geistliche Erweckung.

1679 begann er in Erfurt Theologie zu studieren. In der Folgezeit lernte der wissbegierige Student Hebräisch, Französisch und Italienisch. Bis dahin war der Glaube für ihn noch immer eine eher abstrakte, intellektuelle Angelegenheit. 1685 legte er seine Magisterarbeit vor und habilitierte sich wenig später. Er organisierte Treffen, bei denen er mit Gelehrten die Bibel in den Originalsprachen las, um dann in Lateinisch darüber zu debattieren. 1687 kam er dann bei einer Predigtvorbereitung über Joh.20:31 in eine Glaubenskrise, da ihm bewusst wurde, dass er gar keinen echten Glauben hatte, sondern nur eine Ansammlung von akademischem Wissen. Er zweifelte zuletzt sogar an Gott bei dem Gedanken, dass ja theoretisch auch die anderen Religionen wahr sein könnten. Seine intellektuellen Argumente halfen ihm hier nicht weiter. Unentwegt betete er zu Gott, an dem er zugleich zweifelte. Doch dann überkam ihm auf einmal eine tiefe und dauerhafte Glaubensgewissheit.

Die Spuren von Franckes geistlicher Lebenswende waren sofort sichtbar. Sein Interesse an einer rein akademischen Bibelauslegung ging deutlich zurück. Stattdessen achtete er nun vielmehr auf das unmittelbare Reden Gottes beim privaten Lesen der Bibel. Francke verbrachte viel Zeit im Gebet und aß nur einmal am Tag, um den Äußerlichkeiten nur ja keine große Bedeutung beimessen. Ehre, Ansehen, Reichtum, Wohlergehen und weltliche Vergnügungen, die ihm vorher viel bedeuteten, traten jetzt vollkommen in den Hintergrund.

Durch eine Begegnung mit dem Vater der pietistischen Bewegung, Philip J. Spener (1635-1705) setzte er neue Schwerpunkte und begann damit, Studenten für die Bibel zu begeistern und ihnen zu einem lebendigen Glauben zu verhelfen und persönliche Konsequenzen aus dem Gehörten zu ziehen, als lediglich ihr theologisches Wissen zu vermehren. Außerdem benutzte er jetzt zunehmend die deutsche Sprache, anstatt wie damals üblich die lateinische, damit auch Nichtstudenten an den Seminaren teilnehmen konnten. Vollkommen unüblich hielt Francke Bibelstunden sogar in Privathäusern ab.

Es dauerte nicht lange, da erregte Francke aufgrund seiner außerordentlichen Popularität unter den Studenten den Neid der kirchlichen Obrigkeit, so dass ihm 1690 jede weitere Tätigkeit an der Universität verboten wurde. Doch dann bot ihm der evangelische Probst Joachim Breithaupt, der für eine pietistische Erneuerung warb, das Pfarramt der örtlichen Augustinerkirche an. Hier widmete sich Francke insbesondere den 8- bis 10-jährigen Kindern, die von seinem lebendigen Bibelunterricht gegeistert waren. Außerdem organisierte er verschiedene Bibelkreise in Privathäusern und verteilte 900 Neue Testamente an interessierte Gemeindeglieder als Ermutigung, um selbst das Wort Gottes zu erforschen. Außerdem animierte Francke die Theologiestudenten, sich schon jetzt für eine geistliche Erweckung in den Kirchengemeinden der Stadt zu engagieren.

Erneut entzündete sich die Wut der etablierten Pfarrerschaft an Franckes Aufforderung, stärker nach einem dauerhaft sündlosen Leben zu streben. Schließlich wurde ihm auch die Betreuung privater Bibelkreise verboten. Trotz des erheblichen Protests seiner Gemeinde und einiger Professorenkollegen enthob man Francke wegen „Verwirrung der Gläubigen“ seines Amtes und verwies ihn der Stadt. Sogar eine Abschiedspredigt wurde ihm verwehrt. Francke nahm diese ungerechten Angriffe aus Gottes Hand und sah darin ein Leiden für Jesus Christus, das er gerne auf sich nehmen wollte.

1691 wurde Francke von Philip J. Spener (1635-1709) nach Berlin eingeladen, wo seine Bibelstunden und Predigten auch von Mitgliedern der preußischen Regierung besucht wurden. Die Politiker waren sowohl von der hohen Bildung als auch von dem ehrlichen Glauben von Francke beeindruckt. Deshalb bot ihm der fromme Premierminister Eberhard Freiherr von Danckelmann eine Professur für orientalische Sprachen an der neu gegründeten Universität Halle/Saale an. Nach kurzem Nachdenken und innigen Gebeten nahm Francke diese als persönliche Führung Gottes an. Im Verlauf der nächsten Jahre entwickelte sich diese Universität zu einer Hochburg des Pietismus. Überall aus Deutschland wurden pietistische Professoren nach Halle geholt.

Franckes Gemeinde in Glaucha befand sich zur Zeit seines Dienstantritts in einem bemitleidenswerten Zustand. Der wirtschaftliche Niedergang Halles hatte auch viele Bewohner Glauchas arbeitslos gemacht. An jeder Ecke gab es Kneipen, vor denen oft schon am Vormittag die Betrunkenen auf der Straße lagen. Von Beginn an bemühte sich Francke, das geistliche und moralische Niveau der Stadt zu heben. Schon bald konnte er durchsetzen, dass die Wirtshäuser zumindest während der Gottesdienste geschlossen bleiben. Außerdem verpflichtete er die Gemeindemitglieder zu seelsorgerlichen Gesprächen als Voraussetzung zum Abendmahls-besuch. Jeden Sonntagabend traf er sich mit den frommen Gläubigen des Ortes zu einer Abendgebetstunde, einer Art Hauskreis. Aufgrund seiner Forderung nach persönlicher Heiligung warfen ihm die Kirchenoberen vor, extremistische Tendenzen zu schüren und den Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen.

1694 heiratete Francke die Adelige Magdalena von Wurm, die ebenso eine eifrige Bibelleserin war und sogar Griechisch erlernte, um den Grundtext besser zu verstehen. Als Pfarrer von Glaucha war sich Francke seiner sozialen Verantwortung bewusst. Einmal wöchentlich erhielten die Armen des Dorfes von ihm eine Spende und etwas zu essen. Besonders lagen Francke die Kinder am Herzen, deren Leben schon früh vorgezeichnet schien, hin zu Alkoholismus und Arbeitslosigkeit. 1695 begann er, in seinem Bekanntenkreis für die Idee einer Armenschule zu werben. Gut sichtbar stellte Francke in seiner Wohnung eine Sammelbüchse mit folgendem Bibelvers auf: „So jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und verschließt sein Herz vor ihm, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?“ Als ausreichend Geld zusammengekommen war, begann Francke mit einer Schule für Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Dazu kaufte er entsprechende Schulbücher und beschäftigte einen begabten Studenten als Lehrer.

Diese gut organisierte Einrichtung fand sofort begeisterte Zustimmung. Selbst zahlreiche wohlhabende Bürger aus Halle schickten ihre Kinder gerne in Franckes Schule, bei ihnen natürlich nur gegen Bezahlung. Nachdem weitere Spenden eingegangen waren, konnte man bereits 1695 eine ehemalige Kneipe in der Nachbarschaft kaufen und zur Schule umbauen. Armen Studenten wurde Essen, gelegentlich auch Unterkunft angeboten, wenn sie sich im Gegenzug bereit erklärten, einzelne Schulstunden zu übernehmen. Die allgemeine Bürgerschule wurde 1697 durch eine Gelehrtenschule ergänzt, die aufs Universitätsstudium vorbereitete.  Bei entsprechenden Leistungen konnten auch Arme und Waisenkinder diesen Vorläufer des Gymnasiums besuchen. Als dritter Schultyp wurde 1702 das Pädagogium Regium eröffnet, eine Ausbildungsstätte für die Kinder des Adels, die geistlich und fachlich auf ihre zukünftigen Regierungsaufgaben vorbereitet wurden. Aufgrund des raschen Wachstums der Anstalten wurde 1698 in unmittelbarer Nähe ein moderner Neubau geplant. Als der brandenburgische Kurfürst Friedrich III kam, um die begonnenen Bauvorhaben zu besichtigen, spendete er großzügig tausende Mauersteine, Dachziegel und Holzfenster. Immer wieder erlebte Francke, dass nach Gebet gerade noch rechtzeitig entsprechende Spenden eingingen, um Material und Handwerker zu bezahlen.

Während all dieser Jahre expandierten die Schulen fortwährend. Immer war die Nachfrage weit größer als die vorhandenen Kapazitäten. Die Zahlen der in Franckes Schulen betreuten Kinder wuchs von 400 im Jahr 1702 auf rund 2200 im Jahr 1727. Weitere wohlhabende Adelige konnten als Gönner gewonnen werden, so dass der Aufbau der weltweit ersten Bibelgesellschaft finanziert werden konnte. Für die Jugendlichen entstanden zum Zwecke der Ausbildung eine eigene Bäckerei, Brauerei, Buchdruckerei, Tuchmacherei und Apotheke.

Dreh- und Angelpunkt des christlichen Lebens war für Francke die Bibel, weshalb er immer wieder und bei jeder Gelegenheit ein intensives Bibelstudium bewarb. In einer eigenen Zeitschrift gab er nicht nur Auslegungen, sondern auch Verbesserungsvorschläge für die Lutherbibel durch korrektere Übersetzungen einzelner Sätze aus dem Grundtext. Das trug ihm erwartungsgemäß massive Kritik lutherischer Kirchenfürsten ein. Francke erwiderte, dass er Luther zwar außerordentlich schätze, ihn aber nicht für unfehlbar halte. Zugleich betonte er immer wieder, dass die Theologen die Bibel immer erst zur eigenen Heiligung lesen sollten und erst danach zur Erbauung der Gemeinde. Zudem sollten Christen auch außerhalb des Gottesdienstes Gemeinschaft miteinander pflegen und sich zum gemeinsamen Bibellesen und Gebet treffen. Zu diesem Zweck kaufte er Bibeln und verteilte sie an seine Gemeindemitglieder.

Francke plante eine von Halle ausgehende Erneuerung der ganzen Gesellschaft nach christlichen Maßstäben. 1000 Theologiestudenten sollten darauf vorbereitet werden, in Gemeinden und freien Hilfswerken eine geistliche Erweckung auszulösen. Die von Gott ergriffenen und veränderten Menschen würden dann auch in ihrem privaten und beruflichen Umfeld nach den Ordnungen Gottes leben. Die wichtigste Ursache der gesellschaftlichen Krise seiner Zeit sah er in einer unzureichenden Ausbildung. Viele Kinder bekämen keine oder nur eine unzureichende Vorbereitung fürs Leben. In Schulen und Universitäten ginge es fast ausschließlich um pure Wissensvermittlung. Die entscheidende Prägung der Persönlichkeit käme dabei wesentlich zu kurz. Auch in der Armenversorgung gehe es viel mehr um die Beruhigung des Gewissens, als um eine echte Veränderung der Verhältnisse. Im Verlauf der Jahre entstanden dann überall in Europa hunderte von neuen christlichen Schulen, Hilfswerken und sogar Krankenhäuser.

Neben Kritik und Angriffen von außen versuchte der Feind aber auch immer wieder von innen die Arbeit von August Hermann zu zerstören. So gab es einen Professor für Philosophie, Christian Thomasius (1655-1728), der in Halle unterrichtete und zunächst auf einer Linie lag mit Francke bezüglich der Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Dann aber kritisierte er 1713 offen die Strenge der Frommen, die mutmaßlich harmlose Vergnügungen wie Tanzen oder Theater ablehnten. Francke wiederum kritisierte den Luxus, die Oberflächlichkeit und die leichtfertigen Vergnügungen der Familie Thomasius. Weiteren Streit gab es, als der Philosophieprofessor das Konkubinat (Nebenfrauen) ethisch mit Beispielen aus dem Alten Testament verteidigte. Auch zwischen dem 1706 nach Halle berufenen Mathematiker Christian Wolff (1679-1754) und den Pietisten kam es zu Konflikten. Wolff lehrte, dass die Ergebnisse der Wissenschaft und der Philosophie allgemeine Gültigkeit hätten und den Aussagen des Glaubens daher überlegen seien. Durch seine eigenen Bemühungen könne der Mensch sich und die Gesellschaft immer wieder verbessern. Zum großen Streit kam es, als Wolff in einer Rede die hohe Moral des kunfuzianischen Chinesen den europäischen Christen als gleichwertig gegenüberstellte. Francke intervenierte daraufhin empört beim König. Friedrich Wilhelm entließ Wolff daraufhin als Professor, weil der den religiösen Frieden gefährde und Verwirrung bei den Schülern stifte.

Der berühmte Orientalist und Erforscher Äthiopiens, Heinrich Wilhelm Ludolf (1655-1712), war damals als Sekretär des englischen Prinzgemahls Georg von Dänemark Franckes wichtigster Verbindungsmann in die englischsprachige Welt. Durch Franckes Vermittlung kamen zahlreiche pietistische Studenten als Lehrer an englische Armenschulen, während britische Kinder zur Ausbildung nach Halle geschickt wurden. Außerdem sorgte er dafür, dass der fromme Anton Wilhelm Böhme (1673-1722) als Hofprediger nach London berufen wurde. Gute Beziehungen zur britischen Königin Anne Stuart (1665-1714) ermöglichten eine bescheidene staatliche Förderung der Aktivitäten Böhmes als Vertreter Halles in England. Unter anderem organisierte er die geistliche Versorgung deutscher Auswanderer in den englischen Kolonien Nordamerikas, initiierte eine Gefängnisreform und arbeitete erfolgreich in der Versorgung der Armen.

Zusammen mit dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) entwarf Francke 1697 einen Plan zur Missionierung der Chinesen, der so allerdings nie ausgeführt wurde. Dafür richtete Francke in Halle das Collegium Orientale Theologicum ein, das zukünftige Missionare für ihre Arbeit im Orient vorbereiten sollte. In einer Kooperation zwischen dem dänischen König Friedrich IV. und Francke entstand 1704 die Dänisch-Hallesche-Missionsgesellschaft. Diese weltweit erste protestantische Missionsgesellschaft entsandte 1706 Heinrich Plüschau (1677-1719) und Bartolomäus Ziegenbalg (1638-1719), zwei Studenten Franckes, in die dänische Kolonie Tranquebar an der Südostküste Indiens. In den ersten beiden Monaten lernten die beiden Portugiesisch und Malabarisch (Tamil). Später übersetzte Ziegenbalg das Neue Testament und einige andere theologische Bücher ins Tamilische (1711). Mit einer aus Halle gespendeten Druckerei konnte man in Indien bald auch eigene Literatur herstellen. Ganz nach Franckes Vorbild wurde eine Schule eingerichtet, die auch von Mädchen besucht werden konnte, obwohl das eigentlich gegen indische Sitten verstieß. Bereits ein Jahr später ließen sich die ersten Inder taufen. 1712 zählte die Kirche schon 202 einheimische Mitglieder.

– „Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi“ Teil 12

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 35:

Paul Gerhardt (1607-1676)

Obwohl Paul Gerhardt zu Lebzeiten kein herausragender Lehrer oder Missionar war, wirkt er mit seinen erbaulichen Kirchenliedern noch heute. Paul Gerhardt wurde 1607 in Gräfenhainichen nahe der Lutherstadt Wittenberg geboren. Sein Vater war Gastwirt und zeitweilig Bürgermeister des kleinen Ortes. Seine Mutter stammte aus einer evangelischen Pfarrersfamilie. Die ländliche Umgebung mit ihrer vielfältigen Natur hat den jungen Paul tief beeindruckt und Spuren in seinen Liedern hinterlassen. In der kirchlichen Schule des Ortes wurden dem Jungen Lesen und Schreiben, Glaubensinhalte und Musik nahegebracht. Mit zwölf Jahren verlor Paul seinen Vater, und zwei Jahre später starb auch die Mutter. Mit 15 Jahren kam Gerhardt auf die sächsische Fürstenschule nach Grimma. Die Erziehung in dem ehemaligen Augustinerkloster war streng. Die Zimmer waren unbeheizt, die Schüler trugen einfache Kutten. Der Tagesablauf begann um 5 Uhr früh. Dann wechselten sich Gebetszeiten, Andachten, Unterricht und praktische Arbeite miteinander ab. Besonders wichtig wurde die „reine lutherische Lehre“ und die Beherrschung des Latein genommen. Damals war die lateinische Sprache Grundlage aller höheren Bildung. Fast alle wissenschaftlichen Bücher und universitären Vorlesungen in ganz Europa waren in Latein. Kontakte der Schüler außerhalb wurden als unwillkommene Ablenkung verstanden und waren deshalb verboten. Einmal in der Woche gab es einen gemeinsamen Spaziergang.

Als 20-Jähriger schloss der Dichter die Schule ab, um an der Wittenberger Universität Theologie zu studieren. Auch dort verstand man sich als Hort der reinen, lutherischen Lehre. Besonders grenzten sich die Professoren von der katholischen und der durch Calvin geprägten reformierten Kirche ab. Neben der lutherischen Orthodoxie betonten einige Lehrer den praktischen Glauben und empfahlen Erbauungsbücher von Johann Arndt (1555-1621), z.B. seine „Vier Bücher vom wahren Christentum“.

Mehrfach wurde Gerhardt in diesen Jahren mit der Brutalität des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) konfrontiert. 1631 besuchte der Schwedenkönig Gustav Adolf als siegreicher evangelischer Feldherr Wittenberg. 1637 plünderten schwedische Soldaten Gerhardts Heimatdorf Gräfenhainichen und steckten die Häuser in Brand. Auch sein Elternhaus wurde dabei zerstört. Wenig später starben sein Bruder Christian und Tausende anderer Bürger an der Pest. Die Bilder von Krieg, Zerstörung und tödlicher Krankheit blieben Gerhardt lebenslang in Erinnerung und tauchten auch in seelsorgerlichen Liedern immer wieder auf (z.B. „Befiehl du deine Wege“). Nach Beendigung seines Studiums zog Paul Gerhardt als Erzieher und Privatlehrer nach Berlin. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich noch für unfähig und unwürdig, die Verantwortung eines Pfarramts zu tragen. Nahezu nichts unternahm Gerhardt, um seine Karriere voranzutreiben. In Berlin lernte er den Kantor an der St. Nicolai-Kirche kennen, Johann Crüger. Dieser hatte schon 1640 erfolgreich ein geistliches Gesangbuch herausgegeben unter dem Titel „Praxis Pietatis Melica. Das ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen“. Der Kantor überzeugte Gerhardt, hier achtzehn seiner Dichtungen zu veröffentlichen, darunter die Lieder „Wach auf mein herz und singe“ sowie „Nun ruhen alle Wälder“.

1651 wurde Paul Gerhardt schließlich mit 44 Jahren in Berlin als Pfarrer ordiniert und dann im 20 km entfernten Mittenwalde als Probst angestellt. Hier betreute er 700 Seelen des Dorfes. Mit dem Westfälischen Frieden (1648) war der Dreißigjährige Krieg inzwischen vorüber, doch die Spuren dieser zerstörerischen Zeit waren noch immer unübersehbar. In vielen Landstrichen waren bis zu 50 % der Bevölkerung durch den Krieg und die anschließenden Hungersnöte ums Leben gekommen. Weitere Menschen starben in den folgen Jahren an der Pest und anderen Seuchen. Felder lagen brach, der Handel war weitgehend zusammengebrochen, Häuserruinen erinnerten noch an die brutale Vergangenheit. Die Bevölkerung war sittlich verroht und geistig verwildert. Glaube und Religion hatten für viele einen negativen Zug bekommen. Mit großem Elan machte Paul sich daran, seine weitgehend brach liegende Gemeinde wiederaufzubauen. Viel Zeit investierte er in Predigten, Gottesdienste, Unterricht, Seelsorge und Hausbesuche. 1655 heiratete er die ihm längst vertraute Anna-Maria Berthold (1622-1668) aus Berlin. Ihre erste Tochter Maria starb bereits in ihrem ersten Lebensjahr. Auch drei weitere Kinder Gerhardts verloren sehr früh ihr Leben.

Mit fünfzig Jahren wurde Gerhard als dritter Pastor an die Berliner Hauptkirche St. Nikolai berufen (1657). Dort arbeitete er mit dem sorbisch-stämmigen Kirchenmusiker Johann Crüger zusammen, in dessen Gesangbuch Gerhardt schon verschiedene Lieder veröffentlicht hatte. Mit diesem Pfarramt mitten in Berlin kam Gerhardt zu Ansehen und bescheidenem Wohlstand. In seiner Arbeit konzentrierte er sich auf den Katechismus-Unterricht und die Stärkung des geistlichen Lebens. Sicher trug der große Erfolg von Crügers Gesangbuch nicht unwesentlich zur raschen Verbreitung von Gerhardts Liedern bei. Die 29. Auflage erschien 1702 mit einem Vorwort des einflussreichen Pietisten Philipp J. Spener in Berlin. 1736 umfasste das Buch bereits 1316 Lieder und wurde von den Frommen im Land gerne benutzt. Paul Gerhardt steuerte dazu 95 seiner Dichtungen bei. Auch Crügers Nachfolger als Kantor, Johann Georg Ebeling, förderte die Verbreitung der Kirchenlieder Gerhardts wie etwa „Du meine Seele singe“ und „Die güldne Sonne“. Der bescheidene Gerhardt unternahm nichts, um sich in den Vordergrund zu spielen oder seine Lieder zu bewerben.

In seinen Dichtungen zeigt sich Paul Gerhardt sehr vielfältig und kreativ. Themen, Versmaß und Strophenbau variieren stark. Mit starken Ausdrücken und bunten Bildern hielt sich der Dichter zurück, was sicher dazu beitrug, dass auch spätere Generationen sich mit seinen Texten identifizieren konnten. Nach dem Muster alttestamentlicher Psalmen dichtete Gerhardt häufig mit Doppelungen. In seinen Liedern redet Gerhardt als Tröster und Seelsorger. Wichtig waren ihm die Bibel, die lutherischen Lehren, die Heilstaten Gottes, Sein Handeln in Natur und Menschenleben sowie der Blick auf die himmlische Ewigkeit. Einige Lieder können dem Kirchenjahr zugeordnet werden. Er dichtete allein sieben Weihnachtslieder (z.B. „Ich steh an Deiner Krippe hier“). Immer wieder fast Gerhardt in seinen Dichtungen Bibeltexte zusammen. Allein 26 beziehen sich direkt auf biblische Psalmen, vor allem mit der Bitte um Führung und Frieden (z.B. „Du meine Seele singe“). Die Bedeutung des Todes Jesu Christi am Kreuz besingt Gerhardt in „O Haupt voll Blut und Wunden“. (aus: Michael Kotsch, Helden des Glaubens Band 1)

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 36:

Blaise Pascal (1623-1662)

Heute ist er kaum noch bekannt, aber zu seiner Zeit war Blaise Pascal, der nur 39 Jahre alt wurde, ein absolutes Genie, sowohl als Wissenschaftler als auch als Christ. Im 17.Jh. steckte die Naturwissenschaft und die Aufklärung zwar noch in den Kinderschuhen, aber immer mehr Gelehrte wandten sich von der Bevormundung von der Kirche ab und vertraute auf Fortschrittsfähigkeit des menschlichen Denkens. Gegen diesen Trend setzte sich Blaise Pascal erfolgreich ein und wies auf die Grenzen des menschlichen Verstandes hin. Zu seiner Zeit galt Pascal nicht nur als Wissenschaftler, sondern zugleich als Ingenieur, Logiker und Philosoph. Nach ihm wurde die physikalische Einheit Pascal (Pa) für Druck und Spannung. Zentral für seine Weltsicht waren prinzipielle Überlegungen, die Gott und den Menschen betreffen: Wer ist Gott? Wer oder was ist der Mensch? Wie ist seine Stellung in der Welt und vor Gott zu begreifen?

Blaise Pascal wurde 1623 in Clermont-Ferrand in Frankreich geboren. Sein Vater war Jurist und arbeitete am Obersten Steuergerichtshof. Seine Mutter kam aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Nach ihrem Tod siedelte sein Vater mit ihm und seinen zwei Schwestern nach Paris um, als Pascal drei Jahre alt war. Blaise Pascal entwickelte sich zum mathematischen Wunderkind, obwohl er zunächst nur in den alten Sprachen unterwiesen wurde. Schon früh beschäftigte Pascal sich mit eifrig mit mathematischen und naturwissenschaftlichen Problemen. Mit elf Jahren verfasste er eine kurze Abhandlung über Schallerregung in schwingenden Körpern. Bereits als Kind leitete er die ersten 32 Sätze der Euklidischen Geometrie her. Früh wurde er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen und lernte dort den schon damals berühmten Philosophen und Mathematiker René Descartes (1596-1650) kennen. Bereits mit 18 Jahren quälten Pascal ständige Nervenschmerzen. Später gab er an, keinen Tag schmerzfrei verbracht zu haben. 1647 wurde er von einer Lähmung betroffen, die ihn zwang, sich fortan mit Krücken fortzubewegen. Ständig litt Pascal unter teils unerträglichen Schmerzen in Kopf und Bauch. Um die ständig kalten Beine und Füße zu wärmen, trug er immer mit Alkohol getränkte Strümpfe.

Damals gab es einen katholischen Theologieprofessor aus Holland, Cornelius Jansen (1585-1638), der lehrte, dass der Mensch allein aus Glauben ohne Zutun seiner Werke gerettet werde; doch schließlich bestimme Gott allein, wer gerettet werde und wer nicht. Im Gegensatz zu den französischen Jesuiten jener Zeit ging Jansen davon aus, dass der Mensch seinen freien Willen durch den Sündenfall verloren habe. Deshalb dürfe auch das logische Denken nicht überbewertet werden. Der Verstand sei dem vertrauenden Glauben weit unterlegen, wenn es um die Erkenntnis Gottes gehe. Die Sakramente ordnete er in ihrer Bedeutung einer persönlichen Beziehung zu Gott unter. Diese Gedanken wurden 1653 vom Vatikan durch eine päpstliche Bulle verurteilt. Als jedoch 1646 zwei Brüder, die diesen Jansenismus vertraten, über mehrere Monate im Haus der Pascals wohnten, um den hüftkranken Vater gesund zu pflegen, überzeugten sie den nachdenklichen Blaise von ihrer Lehre, so dass er sich in der Folge zum HErrn bekehrte.

Um nicht mehr an seine Zahnschmerzen denken zu müssen, löste Pascal eines Nachts so nebenher ein mathematisches Problem, an dem sich Generationen von Mathematikern die Zähne ausgebissen hatten. 1640 wurde sein Werk, die Abhandlung über Kegelschnitte, gedruckt. Diese mathematische Meisterleistung machte Pascal mit 16 Jahren in der wissenschaftlichen Welt schlagartig bekannt. Als Descartes dieses Manuskript las, schrieb er es Pascals Vater zu, da er nicht glauben konnte, dass ein Jugendlicher dazu fähig wäre.

Mit 19 Jahren erfand Pascal die erste Rechenmaschine, einem Vorläufer des Taschenrechners und Computers, die mathematische Operationen mechanisch ausführen konnte. Damit wollte er seinem Vater ein praktisches Instrument für dessen Steuerkalkulationen zur Verfügung stellen. Pascal fragte sich, ob man die endlosen Additionen nicht mit einen Mechanismus vereinfachen könnte. In wochenlanger Arbeit konstruierte er einen Apparat, mit dem er bis zu achtstellige Summen korrekt addieren konnte. Jahrelang arbeitete der junge Mann an Verbesserungen der Mechanik, bis er im Jahr 1645 die erste fehlerfreie Rechenmaschine der Öffentlichkeit vorstellen konnte. Leider konnte er in den folgenden Jahren gerade einmal nur 50 dieser Geräte an französische Finanzbehörden verkaufen. Dennoch versetzte es Wissenschaftler aus ganz Europa in Staunen.

Damals gingen viele Forscher noch von Annahmen aus, die sie bis dahin nie überprüft hatten. Pascal erkannte die Notwendigkeit von experimentell nachprüfbaren Beweisen für jede wissenschaftliche These und wurde dadurch zum Wegbereiter der modernen Wissenschaft. So beschäftigte sich die Gelehrten z.B. seit der Antike mit der Frage, ob es im Weltall ein Vakuum gäbe oder einen gas-ähnlichen Äther ähnlich unserer Atmosphäre. Pascal hatte die Idee, den Luftdruck zu vergleichen, der zwischen Berg und Tal ist, und maß diesen mithilfe eines gerade erfundenen Barometers auf den 1465 m hohen Berg Puy de Dime. Und tatsächlich war die Quecksilber-Säule oben viel niedriger als im Tal, so dass er damit indirekt den Beweis für eine Atmosphärenhülle um die Erde herum geführt hatte, welche die Erde vor dem eiskalten und luftleeren Weltraum schützt.

In den Jahren 1648 bis 1654 ging es Pascal gesundheitlich etwas besser. Er bezog eine luxuriöse Wohnung und hatte Bedienstete. Durch den Kontakt zu religionskritischen Glücksspielern versuchte Pascal die Gesetzmäßigkeiten des Münzwurfs zu ergründen, wodurch er die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsberechnung entdeckte. Bis heute werden diese Berechnungen z.B. von Versicherungsgesellschaften verwendet.

Seine Schwester Jaqueline machte sich Sorgen um ihren Bruder wegen seiner Leichtlebigkeit und ermahnte ihn, umzukehren. Sie betete, dass Gott ihn doch zur Buße führen möge. Dies geschah dann auch tatsächlich durch einen schweren Kutschenunfall, den Pascal wie durch ein Wunder überlebte. Pascal erkannte die Botschaft Gottes darin und veränderte seinen Lebenswandel auf radikale Weise. Seine Gottesoffenbarung schrieb er auf ein Pergament, das er in seine Weste einnähte: „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht der Philosophen und Gelehrten […] Gott Jesu Christi […], nur auf dem Wege, den das Evangelium lehrt, ist Er zu finden […] Tränen der Freude – Ich hatte mich von Ihm getrennt, den Quell lebendigen Wassers […]. Jesus Christus! Jesus Christus! Möge ich nie mehr von Ihm geschieden sein!“

Nach seiner zweiten Bekehrung unterwarf sich Pascal extremen Kasteiungen. Er enthielt sich angenehmer Speisen, unterdrückte die Gefühle natürlichster Zuneigung und verteilte großzügig Almosen. Immer stärker wurde der Glaube zum Ausgangspunkt seines Lebens und Denkens. In seiner Schrift Pensées („Gedanken“) legt Pascal die Schwächen des Materialismus bloß und entwickelt ein nach christlichen Maßstäben realistisches Menschenbild und argumentiert mit logischen Argumenten. In der sog. „Pascalschen Wette“ stellt er z.B. das Risiko einer unendlichen Strafe dem vergleichsweise geringen Risiko vergeblicher, irdischer Einschränkungen gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass es vernünftig sei, an Gott zu glauben, da der erwartete Gewinn den Einsatz unendlich kompensieren würde.

Kurz vor seinem Tod kam Pascal die Idee, etwas für die Armen in Paris zu tun, indem er die allererste Omnibuslinie erfand, und zwar die sog. „Fünfgroschenkutschen“. Zu diesem Zweck hatte Pascal an belebten Plätzen und Straßenkreuzungen umfassende Verkehrsbeobachtungen angestellt und ausgewertet. Damit wurde er indirekt zum Gründungsvater der Pariser Metro.

Als sein Gesundheitszustand sich immer mehr verschlechterte, war Pascal trotz seiner Entkräftung fest entschlossen, den ihm von Gott geschenkten Glauben in praktischen Taten sichtbar werden zu lassen. Er spendete viel und nahm 1662 eine arme Familie bei sich auf. Als eines der Kinder tödliche Pocken bekam, warf er die Familie nicht etwa aus dem Haus, sondern überließ die ganze Wohnung jener Familie und zog zu seiner Schwester. Für ihn war Krankheit der natürliche Zustand des Christen. Als er 1662 dann an einer Hirnblutung starb, erhielt er wunschgemäß ein Armenbegräbnis und vermachte die Hälfte seines Vermögens den Armen. (aus: Michael Kotsch, Helden des Glaubens Band 1)

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi  Teil 37:

John Bunyan (1628-1688)

Wer hätte gedacht, dass ein einfacher Kesselflicker wie John Bunyan einfach nur durch eines seiner Bücher mit dem Titel „Die Pilgerreise“ so viel Bekanntheit erlangen könnte! Er wuchs in einer armen Familie auf und führte ein bewegtes Leben, das von geistlichen Kämpfen, völliger Hingabe und erbitterter Verfolgung um seines Glaubens willen geprägt war.

John Bunyan wurde 1628 in einem Dorf in der Nähe von Bedford/England geboren. Seine Familie gehörte der Arbeiterklasse an, und da seine Eltern sehr arm waren, erhielt er nur eine geringe Schulausbildung. Schon in jungen Jahren zeigte er jedoch ein großes Interesse an biblischen Themen. Er wurde wie sein Vater Kesselflicker – heute würde man sagen: Metallbauer. Mit 15 verlor er seine Mutter und seine Schwester. Dann erfuhr er, dass königliche Soldaten nur wenige Meilen entfernt ein Massaker unter puritanischen Gläubigen anrichteten, wobei er einige Opfer persönlich kannte. Gelegentlich hörte er puritanische Prediger. In seiner Jugendzeit lebte er jedoch ein recht weltliches und manchmal aufrührerisches Leben. Bunyan selbst beschreibt in seiner Autobiografie „Gnade im Überfluss für den größten aller Sünder“, dass er als junger Mann für seine Sünden und Ausschweifungen bekannt war. Obwohl diese Sünden für die damalige Zeit eher geringfügig waren, wie Fluchen und Tanzen, empfand Bunyan eine tiefe Reue und Schuld darüber, was ihn in eine langanhaltende geistliche Krise führte.

Während des Englischen Bürgerkriegs (1642–1651) diente Bunyan von 1644 bis 1647 in der Parlamentsarmee. Mit 21 heiratete er seine Frau Mary, die aus einem frommen Elternhaus kam und durch die ihm zwei Söhne und zwei Töchter geschenkt wurden.

In den frühen 1650er Jahren erlebte Bunyan eine Phase intensiver religiöser Kämpfe, die er als „geistliche Anfechtungen“ beschrieb. „Wie kannst du wissen, ob die Türken nicht ein genauso heiliges Buch besitzen, das Mohammed als einen Heiland bezeugt?“ Bis zu seiner Bekehrung plagte ihn immer wieder der Gedanke, ewig verdammt zu sein. „Mir fällt es schwer, zu Gott zu beten, weil ich so verzweifelt bin.“ Durch das Lesen von Luthers Kommentar zum Galaterbrief kamen ihm die Aussichtslosigkeit seiner eigenen Bemühungen und die Gnade Gottes deutlich zu Bewusstsein. Er fand schließlich Trost in der Bibel und wurde ein Laienprediger bei einer sog. nonkonformistischen Baptistengemeinde.

Seine Predigten zogen große Menschenmengen an, da er in einer klaren, verständlichen Sprache sprach und die persönlichen Erfahrungen der einfachen Leute direkt ansprach. Nach der Restauration der Monarchie unter Karl II. im Jahr 1660 wurde das Predigen außerhalb der etablierten Kirche jedoch illegal. Bunyan, der sich weigerte, seine Aktivitäten einzustellen, wurde 1660 verhaftet und für zwölf Jahre inhaftiert. Während dieser Zeit schrieb er eine Vielzahl geistlicher Werke, darunter seine Biografie und eine Reihe von Traktaten. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so sehr Gottes Wort verstanden wie jetzt im Gefängnis […] Ich habe an diesem Ort die wunderbare Vergebung meiner Sünden erfahren und erkannt, was es heißt, mit Jesus in einer anderen Welt zu sein.“

Nach der staatlichen Gewährung der Gewissensfreiheit (1672) und Bunyans Haftentlassung wurde er offiziell als Pastor der Baptistengemeinde von Bedford eingesetzt. Zuerst kamen die 120 Mitglieder in einer umgebauten Scheune zusammen. Später konnte man eine eigene Kapelle errichten. 1675 wurde Bunyan aufgrund der instabilen politischen Lage und der Missachtung des staatlichen Predigtverbots für freikirchliche Pastoren erneut inhaftiert. Während dieser Haft schrieb er das Buch The Pilgrim’s Progress, eine allegorische Erzählung über den geistlichen Weg eines Christen von der „Stadt der Zerstörung“ bis zur „Himmlischen Stadt“, wurde ein Bestseller und blieb bis heute eines der meistgelesenen Bücher der Welt, das in 200 Sprachen übersetzt wurde. Es erschien erstmals 1678, während Bunyan noch unter Hausarrest stand, und wurde sofort populär. Das Buch erzählt die Geschichte von „Christian“, einem Mann, der sich auf eine Pilgerreise begibt, um die himmlische Stadt zu erreichen, und dabei viele Herausforderungen, Versuchungen und Gefahren meistert. Die Allegorie war für die Leser seiner Zeit leicht verständlich, da sie die inneren Kämpfe des Glaubens symbolisierte, die Bunyan selbst durchlebt hatte. Das Werk ist nicht nur eine geistliche Allegorie, sondern auch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Kämpfen eines Gläubigen und den Versuchungen, denen er auf dem Weg zum Heil begegnet. Obwohl er nie Theologie studiert hatte, schrieb er insgesamt 58 geistliche Schriften, die einen enormen Einfluss auf die christliche Literatur und die englische Literatur im Allgemeinen ausgeübt haben. Bunyan starb am 31. August 1688 in London, nachdem er sich bei einer Reise eine Erkältung zugezogen hatte.

– „Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi“ Teil 11

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 33:

Huldrych Zwingli (1484-1531) 

Neben Luther war auch Zwingli ein großer Reformator, und zwar in der Schweiz. Zwingli wurde 1484 in Wildhaus im Kanton St. Gallen als Sohn eines wohlhabenden Bergbauern geboren. Bereits mit fünf Jahren verließ er die Familie und zog zu seinem Onkel nach Weesen, dem Dekan Bartholomäus Zwingli. Zehnjährig besucht er die Lateinschule in Basel. Danach wurde Zwingli Novize in einem Dominikanerkloster. Dort fiel er als guter Sänger und Musiker auf. Aufgrund seiner schulischen Begabung schickte ihn sein Onkel Bartholomäus an die Universitäten von Wien und Paris. In Basel schloss er schließlich sein Studium mit dem Titel des Magister Artium ab (1506). In dieser Zeit wurde Zwingli in Konstanz zum Priester der katholischen Kirche geweiht und als Stadtpfarrer nach Glarus berufen. Noch befand er sich weitgehend im Einklang mit katholischer Tradition und Theologie. Unter anderem organisierte er die Überführung eines angeblichen Splitters vom Kreuz Christi in die örtliche Kreuzkapelle. Von Glarus aus unternahm er eine Wallfahrt nach Aachen und zog zweimal als Feldprediger mit dem Schweizer Militär nach Italien. Die dabei beobachteten Grausamkeiten des Krieges ließen Zwingli zum Pazifisten werden, der Gewalt nur als letztes Mittel akzeptieren wollte.

Nebenher verbesserte er seine Griechisch- und Lateinisch- Kenntnisse, um die historischen Quellen der Theologie und Philosophie in Originalsprachen lesen zu können. Doch auch zur Bibel, die Zwingli nun intensiver auf Griechisch zu lesen begann, bekam er eine neue Beziehung: […] du musst […] die Meinung Gottes rein aus Seinem einfältigen Wort lernen. Da begann ich, Gott um Sein Licht zu bitten, und die Schrift fing an, mir klar zu werden, obwohl ich sie nur las.“ Außerdem stand Zwingli damals mit zahlreichen anderen Gelehrten in regem brieflichem Kontakt und organisierte die Gründung einer örtlichen Lateinschule. Zwingli zog sich 1516 in den bedeutenden Wallfahrtsort Einsiedeln zurück. Als Priester war er für Predigt und Seelsorge an der einfachen Bevölkerung zuständig. Da ihm die Deutung der Bibel allein aus dem Blickwinkel kirchlicher Dogmatik unzureichend erschien, ging er dazu über, Bibelstellen mit thematisch ähnlichen Stellen zu vergleichen und damit besser zu verstehen.

1519 wurde Zwingli auf Wunsch der Zünfte als Priester an die Hauptkirche Zürichs, das Großmünster, berufen. Aus Prestigegründen entschied man sich für den ehrgeizigen und gebildeten Priester, der bereits von sich reden gemacht hatte. Von Anfang an setzte er sich über die kirchlich verordnete Perikopenordnung hinweg und legte stattdessen die biblischen Bücher der Reihe nach aus, beginnend mit dem Matthäusevangelium. So wollte Zwingli seinen Zuhörern die Bibel im Zusammenhang vorstellen und auch wenig beachtete Stellen miz einbeziehen. Überhaupt wurde ihm die Bibel zum enzscheidenden Maßstab für Theologie und Gemeindepraxis. In den folgenden Jahren wandte sich Zwingli gegen die Verehrung von Bildern, Reliquien und Heiligen sowie das Zölibat und die katholische Interpretation des Abendmahls. Weil sie nicht aus der Bibel begründet werden konnten.

Im Laufe der Pestepidemie 1519 kümmerte sich Zwingli hingebungsvoll um Infizierte und ihre Angehörigen. Auch er selbst erkrankte so schwer, dass bereits Gerüchte von seinem Tod die Runde machten. Schließlich erholte sich Zwingli trotz abenteuerlicher medizinischer Therapien wieder. Zwinglis Forderung, der Bibel und nicht so sehr menschlichen und kirchlichen Konzepten zu vertrauen, führte vor Ostern 1522 zu einem demonstrativen Brechen der katholischen Fastengebote. Zwinglis Äußerungen erregten den Zorn Papst Hadrians VI., ihm Kanzelverbot erteilte und den Rat der Stadt Zürich aufforderte, den Priester als Ketzer zu ächten. Um diese Fragen katholischer Tradition öffentlich zu klären, kam es 1523 zur Ersten Züricher Disputation. In seinen 67 Schlussreden (Thesen) überzeugte Zwingli die Bürgerschaft, eigenständig über Fragen des Glaubens zu entscheiden mit der Bibel als Argumentationsgrundlage. Zwinglis Reformvorschläge wurden einstimmig angenommen: Heiligenbilder, Klöster, Prozessionen und Salbungen wurden eingeschränkt und abgeschafft. Im Anschluss an die Zweite Züricher Disputation 1523 wurden die Pfarrer verpflichtet, nur noch entsprechend biblischer Lehre zu predigen. Den Laien wurden mehr Rechte zugesprochen. Spenden für Messen für Verstorbene sollten nun den Schulen und der Unterstützung von Armen zugutekommen. Die Eucharistie wurde nur noch als Erinnerungsmahl gehalten, bei dem allen Gläubigen Brot und Wein gereicht wurde.

Zwischen 1524 und 1529 übersetzte Zwingli die Bibel (Züricher Bibel). Zeitgenossen beschrieben Zwingli als freundlich, rothaarig, im Essen und Trinken mäßig und hatte ein freies und fröhliches Gemüt. Zwinglis außerordentliches Erinnerungsvermögen half ihm in seiner ausgedehnten Arbeit, Die Paulusbriefe hatte er auf Griechisch auswendig gelernt. Große Teile des Alten und Neuen Testaments konnte er frei zitieren. Über seine Probleme und Glaubenszweifel sprach er kaum. 1522 heiratete er die Witwe Anna Reinhardt und führte mit ihr eine glückliche Ehe aus der vier Kinder hervorgingen.

Unter seinen Anhängern bildete sich immer stärker eine Fraktion heraus, der die Vorgehensweise des Reformators nicht konsequent genug erschien. Angesichts des bald erwarteten Weltendes lehnte diese Gruppe jede Vermischung mit Staat und Gemeinde vehement ab. Die wahrhaft Frommen sollten zusammenwohnen und sich von der Welt distanzieren. Sie verweigerten die Kindertaufe und praktizierten die Glaubenstaufe, weshalb der Züricher Rat massiv gegen sie vor ging. Nachdem Gespräche nicht fruchteten, wurden sie des Landes verwiesen. Sollten sie diesem Beschluss nicht Folge leisten, drohte ihnen die Hinrichtung. Felix Manz war 1527 einer der ersten von zahlreichen Wiedertäufern, der ertränkt wurde. Viele. Die flüchten konnten. Wurden andernorts von Katholiken. Lutheranern und Reformierten verhaftet und getötet. Nach einem ihrer Führer Menno Simons ließen sie sich Mennoniten nennen.

In den 1520er Jahren vertiefte sich ein Konflikt zwischen Zwingli und Luther. Insbesondere bei der richtigen Deutung des Abendmahls kamen die Reformatoren auf keinen gemeinsamen Nenner. Luther sah im Abendmahl das direkte Heilshandeln Gottes für den Glaubenden, während Zwingli dieses lediglich als Erinnerung an den stellvertretenden Opfertod Jesu Christi sah. Schließlich einigte man sich 1529 weitgehend bei einem Treffen in Marburg. Dennoch verlief die Reformation in Deutschland und der Schweiß in jeweils eigenen Bahnen.

In den folgenden Jahren (1526-1531) kam es zu einer sich immer weiter zuspitzenden Konfrontation zwischen katholischen und reformatorischen Regionen in der Schweiz. Schließlich suchten die Katholiken bei König Ferdinand von Österreich und Kaiser Karl V, Unterstützung, während die Reformierten in einem Bündnis mit Frankreich, Ungarn, Venedig und Hessen arbeiteten. An den sich aus diesen Konflikten ergebenden, kriegerischen Auseinandersetzungen nahm Zwingli als Feldprediger teil. In der Schlacht bei Kappel nahe von Zürich wurden die reformierten Truppen überraschend geschlagen (1531). Hier verlor auch Zwingli das Leben. Um die Züricher zu demütigen, wurde sein Leichnam gevierteilt und verbrannt. Der daraufhin geschlossene Zweite Kappler Landfriede führte zur Lähmung der Reformierten und einer Weile der Rekatholisierung besonders in den Regionen um St. Gallen und im Aargau.

Zwinglis Nachfolger in Zürich, sein langjähriger Mitarbeiter Heinrich Bullinger (1504-1575), festigte die Reformation und schuf mit dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis eine bis heute prägende Erklärung aller Reformierten der Schweiz. Zwinglis Schriften wurden schon zu seinen Lebzeiten viel gelesen und wirkten noch über Jahrhunderte hinaus nach. Die Züricher Bibelübersetzung geht auf seine Initiative zurück.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 34:

Matteo Ricci (1552-1610) 

Lange bevor im 19.Jh. englische Missionare wie Robert Morrison und Hudson Taylor in China das Evangelium predigten, gab es bereits Bemühungen der Assyrischen Kirche des Ostens im 8. und 10.Jh durch die Nestorianer, die die Uiguren und Keraiten zum Glauben führten. So kam es, dass Dschinghis Khan seinen Sohn mit einer christlichen Prinzessin verheiratete. Dennoch waren Fremde in China über Jahrhunderte nicht willkommen, besonders wenn sie für eine andere Religion oder Kultur werben wollten. Im 14.Jh. wurden alle Missionare des Landes verwiesen. Erst im 16.Jh. gelang es dem italienischen Jesuiten Matteo Ricci, das Vertrauen der Chinesen zu gewinnen, so dass der chinesische Kaiser Shen-tsung im Nachruf auf Matteo Ricci bezeugen konnten: „Er ist gekommen, uns Barmherzigkeit und Liebe zu lehren… Er ist wahrhaftig einer von uns geworden.“

Der frühreife Matteo wurde mit sieben Jahren schwer krank und beschloss bereits damals, in den Priesterstand zu treten. Es waren vor allem die Gedanken von Franz von Assisi, die ihn zeitlebens prägten. Doch schloss er sich dem neugegründeten Jesuiten-Orden an. Er erlernte als einer der ersten die chinesische Sprache, doch verwehrte man ihm zunächst den Zutritt ins Landesinnere. Deshalb erlernte Ricci als nächstes die Kultur, Philosophie und Denkweise der Chinesen, um sich ihnen anzupassen. Er ließ sich eine konfuzianische Gelehrtenkleidung anfertigen und übernahm den Lebensstil und die Höflichkeitsformen des Konfuzianismus. Ein weiterer Schritt auf diesem Weg war, dass er und seine Mitbrüder sich chinesische Namen gaben. Niemand sollte sie von nun an für Ausländer halten. Er wollte dem Christentum in China eine für Chinesen verständliche Form geben, die für sie annehmbar und in ihre eigene Kultur integrierbar war.

Das Studium der konfuzianischen Philosophie war also Teil seiner missionarischen Bemühungen. In den klassischen Büchern des Konfuzianismus fand er, dass die Chinesen schon immer ein höchstes Wesen angebetet hatten, den „Kaiser des Himmels“ (T´ein-ti). Auf Konfuzius aufbauend konnte seiner Meinung nach die christliche Mission die wahre Gotteslehre im Lande verbreiten. Ja, Ricci sah in dem alten, chinesischen Philosophen sogar ein Werkzeug Gottes zur Gewinnung Chinas zum christlichen Glauben. Für Ricci war das zentrale Problem der Mission die Frage der Übersetzung des Evangeliums, Übersetzen bedeutete für ihn einpflanzen des Evangeliums in den chinesischen Boden, und er war sich durchaus der Gefahr bewusst, dass dadurch die biblische Lehre verfälscht werden könnte. Daher übernahm er nur bestimmte Begriffe aus den Werken von Konfuzius, die den Chinesen bereits vertraut waren, gab ihnen jedoch eine neue, biblische Bedeutung. Dies funktionierte auch nur deshalb, weil der Konfuzianismus sehr viele Parallelen hatte zur biblischen Lehre. Die sich immer weiter verbreitenden Lehren des Taoismus und Buddhismus lehnte Ricci jedoch als abergläubische Verderbnis der Religion ab.

Die Grundidee des Gründers der Jesuiten, Ignatius von Loyola, zuerst bei den Gebildeten und Mächtigen Eingang zu finden, um später auch das Volk gewinnen zu können, setzte Ricci gezielt um, so dass ihm bald alle Türen offenstanden. Der bekannteste unter den Bekehrten war Hsü Kuang-ch´i aus Shanghai, der Großsekretär des Kaisers, der als solcher sehr einflussreich war in China. Er konnte seine Hand über die Kirche halten, wann immer sie in Gefahr war. 1595 ermöglichte er seinem Glaubensbruder Matteo, in der alten Gelehrtenstadt Nan-shan zu predigen, wo er später den Titel Shen-jen erhielt, den höchsten, den man damals in der chinesischen akademischen Welt erhalten konnte. Ricci war nun als Dr. Li-Ma-tou in den höchsten Kreisen der chinesischen Gesellschaft bekannt. Selbst der Kaiser wurde auf ihn aufmerksam. Beim zweiten Versuch, in die Hauptstadt und somit zur Zentrale der Macht vorzustoßen (1600), wurde er unterwegs ausgeraubt und sogar ins Gefängnis von Tianjin geworfen. Durch ein Schreiben des Kaisers wurde er wieder freigelassen und durfte in die Hauptstadt Peking kommen, wo er dann bis zu seinem Tod 1610 blieb. Der Kaiser, der ihn bald nach seiner Ankunft empfing, war von der Persönlichkeit des Fremden so beeindruckt, dass er ihn des Öfteren in den Palast befahl. Es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden, die es der Jesuitenmission ermöglichte, in Peking zu bleiben. Einer der Mitbrüder Matteos beschrieb ihre Missionsstrategie so: „Wir kleiden uns wie die Chinesen und essen, trinken und leben so wie die Chinesen. Die Zeit jetzt ist nicht eine Zeit der Ernte.“ Die Missionsarbeit Riccis wurde nach seinem Tod fortgesetzt vom deutschen Arzt und Mathematiker Johannes Schreck (1576-1630) und dem Astronom Adam Schall von Bell (1592-1666).

„Such, wer da will, ein ander Ziel“ Teil 16

 

Dezember 2019 bis Januar 2020

Die Ernte zwar ist groß, aber der Arbeiter sind wenige

Über die Weihnachtstage machte ich einige Renovierungsarbeiten am Innenhof vor unserer Wohnung. Dabei kam mir der Gedanke, einen Bibelvers am Eingangstor anzubringen. Da unsere Nachbarn alle Katholiken waren, wählte ich den Vers: „Wenn ihr nicht wiedergeboren werdet aus Wasser und Geist, könnt ihr nicht ins Reich Gottes eingehen“ (Joh.3:3). Dann bestellte ich auch gleich 800 Traktate mit der Aufschrift: „Bis wann hinket ihr auf beiden Seiten? Wenn Jesus Christus Gott ist, dann wandelt Ihm nach, wenn aber die Jungfrau Maria, dann wandelt ihr hinterher (vergl.1.Kön.18:21). ‚Denn es ist in keinem anderen das Heil, denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in welchem wir gerettet werden müssen‘ (Apg.4:12). Simon & Ruth Poppe, Unidad Vecinal de Matute Block 59 A3, La Victoria, Versammlungen: Sonntags 18:00 Uhr und Dienstags 20:00 Uhr“). Als ich damit dann nach Weihnachten ins Stadtzentrum von Lima ging, schenkte es der HErr, dass ich innerhalb von 30 Minuten rund 500 Flyer an die Passanten verteilte, die alle bereitwillig einen nahmen. Einige kamen sogar zu mir gelaufen und rissen mir die Flyer fast aus der Hand. Nur etwa 1 % der Leute wollten keinen Flyer haben – was für ein Unterschied im Vergleich zu Deutschland!

An einem Samstag traf ich den Kommunisten Andrés, der mich prüfen wollte: „Simón, ich habe mal eine Frage zur Bibel: Du hattest gesagt, dass Gott so heilig sei, dass ein Sünder sich Ihm nicht nahen könnte. Aber steht nicht auch geschrieben, dass Satan vor Gott treten konnte?“ Ich gab ihm eine Klarstellung, dass ein Sünder durchaus zu Gott kommen könne, aber dass niemand das Angesicht Gottes sehen dürfe. Wir lasen dann zusammen Jes.6 sowie 1.Kön.22:19-23, und ich erklärte ihm, dass der HErr nach Seiner Auferstehung alle Macht bekommen habe und Gott Ihm alle Seine Feinde zu Seinen Füßen legen werde. Dann fragte mich eine Schwester, wie das mit den Sünden der Vorväter zu verstehen sei, da Gott doch die Ungerechtigkeit der Väter heimsuche an den Kindern und Kindeskindern, am 3. Und 4. Gliede (2.Mo.34:7). Schließlich stünde doch auch geschrieben, dass ein Sohn nicht die Ungerechtigkeit seines Vaters zu tragen habe (Hes.18:19-20). Ich sagte: „Grundsätzlich verlangt jede Ungerechtigkeit eine Sühne, entweder von dem Schuldigen selbst oder von dessen Nachkommen. Das ‚Heimsuchen‘ ist im Sinne einer Benachteiligung zu verstehen. So wie der Urgroßvater anderen Unrecht antat, ohne dass er dafür zur Verantwortung gezogen wurde, so soll zum Ausgleich auch seiner Nachkommenschaft Unrecht widerfahren. Diese haben zwar selbst keine Schuld, aber sie sollen ihrem Großvater oder Urgroßvater behilflich sein, dass er nach dem Tod nicht die volle Schwere der Bestrafung alleine zu tragen hat, sondern sie auf verschiedene Köpfe verteilt werde.“

Dann verteilte ich weiter meine Handzettel und hielt Ausschau nach allein sitzenden jungen Leuten. Da sah ich einen Jugendlichen am Rande sitzen und sprach ihn an. Gerson (19) war Venezolaner und seit einem Jahr in Peru. Er habe 20 Tage gebraucht, um mit seinen Brüdern und der kleinen Schwester die beschwerliche Reise ins „gelobte Land“ Peru zu bewältigen, teils zu Fuß und teils per Anhalter. Nun lebe er mit seinen Geschwistern in einem Hotelzimmer, das ihn 25 Soles pro Tag koste. Um dieses und ihren weiteren Lebensunterhalt bezahlen zu können, müssen er und seine Brüder täglich mind. 30 Soles verdienen durch den Verkauf von Süßigkeiten. Meistens bleibt dann nichts mehr übrig, um auch noch ihrer kranken Mutter etwas zu schicken, die sie in Venezuela zurücklassen mussten. Da Gerson bereits an Gott und Jesus glaubte, war es ein Leichtes, ihm auch noch die Notwendigkeit der Buße und persönlichen Beziehung zu Gott durch den Glauben an den HErrn Jesus nahezulegen. Er war bereit, den HErrn anzunehmen und sprach mir Satz für Satz im Gebet nach. Obwohl einige das Vorbeten als unbiblisch ablehnen, kann ich nur bezeugen, dass ich bei meiner Bekehrung mit 16 J. auch das Gebet des Bruders nachgesprochen hatte, auch wenn ich nur die Hälfte von dem verstanden hatte, was er sagte.

Am Sonntagmorgen lud uns Bruder Edilberto in seine Pfingstgemeinde ein im reichen Stadtteil San Isidro. Als wir dann hineingingen, sah ich die große Halle wie ein riesiges Kino aus. Decke und Wände waren in einem dunklen anthrazitgrau. Hinter der Bühne waren 8 riesige Bildschirmwände, etwa 6 m breit und 4 m hoch, auf denen kunstvolle Graphiken blitzschnell vorbeihuschten wie Lichtstreifen, Luftblasen oder Schneeflocken. Die Bühne selbst mit Musikband war hell erleuchtet in gelbem, weißem, rotem und blauem Licht. Die Musik war so laut, dass man an eine Diskothek erinnert wurde. Zu Beginn des Gottesdienstes sollten wir alle zum Lobpreis aufstehen, aber es war so ein lauter Krach, dass ich meinen eigenen Gesang nicht mehr hören konnte. Ich konnte mich auch gar nicht auf den Text an der Leinwand konzentrieren, weil diese vielen, schnell vorbeiflitzenden Bildeffekte mich völlig in den Bann gezogen hatten. Stattdessen begann ich, still zu beten und meine Verunsicherung dem HErrn zu sagen: „Oh HErr, was hat das mit einem Gottesdienst zu tun?!“ Was wird der HErr Jesus wohl sagen, wenn Er bald – wie Mose damals – hinabsteigen wird? „Das Volk war zügellos geworden, denn Aaron hatte das Volk zügellos gemacht“ (2.Mo.32:25).

Am Nachmittag traf ich mich mit Bruder Edilberto, um gemeinsam zu Evangelisieren. Als wir an der Avenida Mexico standen und auf den Bus warteten, sah ich etwas, was mich ziemlich schockierte: Vor einem großen Müllhaufen von 1,5 m Höhe standen zwei kleine Männer, die im Müllhaufen nach Essbarem suchten. Trotz der Gluthitze hatten die beiden jeweils eine uralte, total verdreckte Steppjacke an. Auch ihre Hosen und Gesichter waren völlig verdreckt. Sie haben sich wohl seit vielen Wochen nicht mehr gewaschen. Ich tippte ihnen auf die Schulter und gab ihnen beiden etwas Geld (das aber nicht mal für eine Mahlzeit ausgereicht hätte, aber ich hatte leider nicht mehr dabei). Als der eine von beiden seine Hände aufmachte, kam mir das totale Entsetzen, denn seine pechschwarze Handfläche ähnelte eigentlich eher der Pfote eines Hundes…

Als wir im Stadtpark ankamen, setzte ich mich zu jemandem auf die Parkbank: „Glauben Sie an den HErrn Jesus?“ – „Natürlich“ – „Sind Sie auch erlöst durch das Blut Jesu?“ – „An sich, ja.“ – „Wissen Sie auch mit 100%iger Sicherheit, wo Sie die Ewigkeit zubringen werden?“ – „Ich hoffe im Himmel“ – „Aber Sie sind sich nicht sicher?“ – „Nein, das nicht, aber ich bemühe mich schon, ein anständiges Leben zu führen.“ Dann versuchte ich ihm der Reihe nach zu erklären, dass alle Menschen von Jugend an auf dem breiten Weg ins Verderben gehen, weil sie mit jedem Tag immer mehr Sünden aufhäufen, die ihr Strafmaß immer weiter erhöhen und dass allein Jesus uns vor der Bestrafung im Feuersee retten kann, weil Er unsere Schuld für uns am Kreuz auf sich nahm. Ich las mit ihm Joh.5:24 und fragte ihn, heute sein Leben dem HErrn Jesus völlig auszuliefern. Alberto (45) war dazu bereit. Wir beteten zusammen, und er bekannte sich vor dem HErrn als Sünder, der den Zorn Gottes verdient hatte und bat den HErrn um Erlösung. Ich dankte dem HErrn und beglückwünschte ihn zu seiner Entscheidung. „Ab jetzt bist du ein Jünger des HErrn geworden und wirst durch den Geist Gottes und Sein Wort in alle Wahrheit geleitet. Lese nur fleißig in der Bibel, möglichst jeden Tag und bete zum HErrn, dass Er dir eine Gemeinde schenke, wo du geistlich wachsen kannst. Vor allem: Lass dich als nächstes taufen! Wenn du möchtest, kannst du gerne und unsere kleine Hausgemeinde kommen in Matute.“ Ich gab ihm den Handzettel mit unserer Adresse, und wir verabschiedeten uns.

Da sah ich auch schon den nächsten Mann, der mit verschränkten Armen auf einer Parkbank saß. Ich sprach ihn an, und er erlaubte mir, ihm vom Glauben zu erzählen. Anschließend fragte ich ihn: „Sag mal, wie heißt du?“ – „Alfredo.“ – Überrascht sagte ich: „Eben gerade habe ich schon mal mit einem Alfredo gesprochen, und dieser hat sich danach bekehrt.“ Das hätte ich wohl nicht sagen sollen, denn nun schaute er mich sehr ernst und skeptisch an. Auf meine Fragen reagierte er so dermaßen einsilbig, dass er mich sein mangelndes Interesse und seinen Widerwillen spüren ließ. Da er sehr deprimiert aussah, fragte ich ihn dann, ob er traurig sei. Ich merkte, dass ich ihn nervte, deshalb sagte ich zum Schluss: „Ich möchte nicht ihre Zeit stehlen, mein Herr. Aber mein Eindruck ist, dass Sie gar kein Interesse haben an dem, was ich sage, deshalb möchte ich mich hiermit höflich von ihnen verabschieden.“ Es schien erleichtert und wandte sich ab.

Als nächstes sah ich eine ältere Frau, die mit ihren ganzen Einkaufstaschen am Rande des Platzes saß, als würde sie auf jemanden warten. „Entschuldigen Sie, darf ich mich zu Ihnen setzen, um mit Ihnen über Gottes Wort zu reden?“ – „Setzen sie sich, Jovencito (junger Mann)!“ Dann hielt ich wieder meinen Vortrag, aber sie sah mich verunsichert an und schien mir gar nicht zuzuhören. Mir schien, ich sollte sie mal reden lassen und fragte sie nach ihrer Lebenssituation. Hernandina (74) kam aus dem Gebirge in Andahuaylas, habe dort mehrere Chakras (Grundstücke), sei aber schon Ende der 60er Jahre nach Lima gekommen, damit ihre Kinder in Lima aufwachsen können.Ihre Mutter sei die letzten Jahre in eine Pfingstgemeinde gegangen, wo sie auch schon mal war. Ihre Tochter sei bei den Zeugen Jehovas, aber sie selbst gehe nirgendwo hin und glaubeeigentlich auch an nichts. Da fragte ich sie: „Sind Sie glücklich?“ Sie lächelte, überlegte und sagte: „An sich ja. Eigentlich kann ich nicht klagen. Man hat zwar immer mal kleine Zipperlein, aber im Großen und Ganzen hatte ich ein schönes Leben gehabt.“ Als nächstes wollte ich sie fragen: „Wissen Sie, wo Sie die Ewigkeit zubringen werden?“ und wartete, bis sie ausgeredet hätte. Aber sie redete immer weiter und ließ mich nicht zu Wort kommen, sondern schweifte immer weiter ab. Ich war wohl an die falsche Person geraten.

Ich schlenderte weiter und sah einen Jungen, der über Kopfhörer Musik hörte. Auch ihn lud ich ein zu einem Gespräch und erfuhr, dass er Arnie Silvio Dominguez (20) hieß. Ausführlich erklärte ich ihm das Evangelium an Hand des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter. Dann erinnerte ich ihn an den Dialog des HErrn mit dem Räuber am Kreuz und fragte Arnie schließlich, ob er auch dem HErrn Jesus gehören wolle, um eines Tages mit Ihm im Paradies zu sein. „Ja, das würde ich wirklich gerne.“ – „Du hast aber auch gehört, was er dazu bekennen musste: 1. Dass er verdient, was über ihn an Strafe verhängt wurde, weil seine Sünden den Tod verdient haben, 2. Dass der HErr Jesus unschuldig für ihn am Kreuz litt und 3. Dass auch er gerne nach dem Tod mit dem HErrn sein wolle und Ihm deshalb um Errettung bat. Bist Du bereit, dem HErrn gegenüber diese 3 Bekenntnisse auch vorzubringen, um gerettet zu werden?“ – „Ja!“ sagte er. „Dann lass uns jetzt beten, damit der HErr sich auch Deiner erbarme und Dir Seinen Heiligen Geist gebe zur Erlangung des Heils.“ Nachdem ich für ihn gebetet hatte, bat auch er mich, dass ich ihm die Worte vorsprechen möge, die er beten solle, was ich dann auch tat. Nach dem „Amen“ gab ich ihm die Hand und versicherte ihm, wie sehr der HErr sich freue, ihn nun als Seinen Jünger in Seine Schule aufzunehmen. Ich ermahnte ihn, nun fleißig in der Bibel zu lesen und sich taufen zu lassen. Wir lasen noch zusammen die Geschichte von Philippus und dem äthiopischen Kämmerer, der sich sofort taufen lassen wollte. Ich gab ihm dann noch meine Kontaktdaten und ging.

Der ehebrecherische Prediger

An einem Tag bekamen wir Besuch von Evelyn, einer gläubigen Cousine von Ruth. Sie kam gerade aus dem Gebirge und berichtete: „Es gibt eine gute Nachricht, liebe Ruth. Du hast ja von Deiner Mutter ein Grundstück in Huaycahuacho geerbt. Und dort hat man jetzt eine Goldader gefunden. Diese ist so groß, dass die Minengesellschaft das ganze Dorf und die umliegende Umgebung aufkaufen will. Das Grundstück Deiner Mutter ist jetzt richtig wertvoll. Du solltest nicht gleich den erstbesten Preis akzeptieren, denn die sind bereit, einen hohen Preis zu bezahlen.“ Ruth freute sich über die Nachricht, wollte aber auf das Grundstück verzichten und es der Evelyn schenken: „Für mich war dieses Erbe ja im Grunde wertlos, denn ich hätte es nicht verkaufen können. Aber Du bist arm und kannst von dem Erlös eine sichere Existenzgrundlage haben.“ Evelyn war sehr gerührt von dieser Liebe und nahm das Geschenk dankbar aus Gottes Hand an.

Dann berichtete Evelyn, dass ihr gläubiger Ehemann Efraín sie seit längerem mit einer anderen Frau betrüge, obwohl er sogar Pastor einer Adventgemeinde sei. Ruth bot daraufhin an, dass wir in dieser Ehekrise vermitteln könnten. Evelyn fand die Idee gut und rief ihren Mann an. Sie sprach kurz mit ihm und reichte das Handy dann weiter an Ruth: „Guten Morgen, Efraín, hier ist Ruth, die Cousine von Evelyn. Wir wollten Dich nur mal grüßen und Dir Gottes Segen wünschen.“ Ich dachte: Was soll bloß diese Heuchelei! Man muss ihn doch gleich sagen, dass er Buße tun müsse, sonst geht er verloren. Auf einmal sagte Ruth: „Ich gebe Dir hier auch mal meinen Mann Simon, um ihn zu grüßen. Einen Moment…“ Ruth ging zu mir und reichte mir das Handy. Efraín sagte: „Guten Morgen Bruder Simon, ich grüß dich herzlich und wünsch Dir Gottes Segen, Bruder!“ Ich sagte: „Lieber Efraín, ich weiß nicht, ob ich nochmal eine Gelegenheit haben werde, es Dir zu sagen, deshalb sage ich es Dir lieber jetzt: Du wirst in die Verdammnis gehen, denn Du bist ein Hurer und Heuchler, und die Bibel sagt klar, dass kein Hurer und Ehebrecher ins Reich Gottes eingehen wird…“ Während ich redete, fuchtelten Ruth und Evelyn aufgeregt mit den Armen, aber ich schaute sie gar nicht an, sondern redete weiter: „All Deine Sünden gegen Deine Frau Evelyn und gegen das Volk Gottes werden ans Licht kommen, deshalb fordere ich Dich hiermit im Namen des HErrn Jesus auf, Buße zu tun und Deine Hurerei zu beenden, denn sonst wird Deine Strafe immer größer werden.“ Ich hielt kurz inne, um ihn zu Wort kommen zu lassen. Efraín sagte; „Nun, lieber Bruder, ich kann im Moment nicht gut sprechen, da ich hier mit einem anderen Bruder im Auto sitze. Lass uns das Gespräch lieber zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzen. Ich wünsche Dir noch einen schönen Sonntag.“ Ich entgegnete noch schnell: „Tu Buße!“ bevor er auflegte.

Evelyn fasste sich vor Scham an den Kopf, aber lachte zugleich, weil sie im Grunde schon dankbar war, dass ich gleich mit der Tür ins Haus gefallen war. Ich sagte: „Wir dürfen nicht heucheln, sondern müssen Efraín offen und ehrlich sagen, wie die biblische Sachlage aussieht, weil wir sonst genauso unehrlich sind wie er.“ Ruth lächelte ebenso und stimmte mir zu. Dann zogen sie sich zurück und unterhielten sich weiter. Ich ging auf die Knie, weil ich mit dem HErrn reden wollte, aber konnte mich kaum konzentrieren, weil ich noch selbst ganz aufgeregt war von dem Telefonat mit Efraín. Ich bat den HErrn um Gnade für ihn, und dass der HErr doch meine Botschaft an ihn gebrauchen möge, um ihm ins Gewissen zu reden. Doch da rief Efraín erneut an und sprach mit Evelyn sehr vieles, was ich nicht hören konnte. Sie antwortete: „Wie kannst Du behaupten, dass Simon mit mir ein Verhältnis hatte in Deutschland!“ Er redete weiter, was ich nicht hören konnte. Evelyn sagte: „Nein! Er ist ein Diener Gottes! Warum unterstellst Du ihm das? Bei all dem, was Du mir angetan hast, kannst DU doch nicht erwarten, dass ich das ihnen nicht erzählt habe…Du kannst gerne direkt mit ihm reden.“ Er redete wieder viel und Evelyn antwortete: „Nein, er ist kein Pastor, aber er liebt die Seelen. Du kennst ihn doch gar nicht! Er hat seine Frau noch nie betrogen. Warum behauptest Du solche Sachen?“

Das Gespräch ging noch eine ganze Weile weiter. Dann verabschiedete sie sich, lief zu mir und sagte: „Efraín wird Dich gleich anrufen! Er ist sehr wütend auf Dich.“ In dem Moment rief Efraín an: „Hallo Bruder Simon. Ich wünsche Dir zunächst mal eine frohe Weihnacht und ein gutes neues Jahr.“ Ich unterbrach und sagte: „Efraín, lass bitte die Heuchelei, sondern lass uns gleich auf den Punkt kommen!“ – „Aber warum bist DU so unfreundlich, wenn ich Dir doch etwas Gutes wünsche?!“ – „Weil weiß, dass Du heuchelst. Du redest zwar mit der Zunge einer Taube, aber im Grunde bist Du ein Wolf im Schafspelz. Wir wollen ja nicht über Weihnachten reden, sondern über Deine Sünden.“ – „Ja, aber Du kennst mich gar nicht und hast mir heute sehr viele Anschuldigungen gemacht. Hast Du für diese irgendeinen Beweis?“ – „Efraín, lass bitte diese Spielerei! Du kannst Menschen täuschen, aber nicht Gott. Gott sieht doch alles, und Du darfst den Heiligen Geist in mir nicht belügen. Deshalb frage ich Dich jetzt in Anwesenheit des HErrn Jesus und aller heiligen Engel als Zeugen: Hast Du Deine Frau Evelyn mit anderen Frauen betrogen? Sag einfach Ja oder Nein!“ – Efraín kam ins Schwitzen: „Ich finde das nicht in Ordnung, dass Du mich hier bloßstellen willst. Denn wir haben alle unsere Fehler und Schwächen, und ich habe nie behauptet, dass ich vollkommen sei.“ – „Darum geht es doch gar nicht. Wir reden hier nicht von ‚Fehlern und Schwächen‘, sondern von einer sehr schweren Sünde, die Du offensichtlich gar nicht bereust, sondern versuchst, sie kleinzureden. Ich frage Dich nochmal: Hast Du die Ehe gebrochen: Ja oder Nein?“ – „Ich muss Dir die Frage nicht beantworten.“ – „Mir nicht, aber vor dem HErrn wirst Du Dich einmal verantworten müssen, und dann wirst Du Dich nicht mehr herausreden können. Du hast Schande auf den heiligen Namen unseres HErrn Jesus gebracht, denn Du bist ein Adventistenpastor und verspottest den HErrn durch Deine Hurerei vor der unsichtbaren Welt. DU SOLLTEST DICH SCHÄMEN!“

Ruth gab mir ein Zeichen, dass ich ruhig bleiben solle. Efraín antwortete: „Es trifft zu, dass wir in unserer Ehe seit langem Probleme haben, aber ich finde es nicht gut, dass Du Dich hier einmischt und nur immer die eine Seite gehört hast. Ich weiß ja nicht, was sie Dir alles erzählt hat. Außerdem sprichst Du von Fehlern, die ich in der Vergangenheit begangen habe und für die ich längst Buße getan habe.“ Evelyn winkte mit dem Finger und flüsterte mir ins Ohr: „Mentira!“ („Lüge!“). „Hast Du auch ihre Nummer gelöscht und sie blockiert?“ – „Das kann ich noch machen.“ – „Ich sorge mich um Dein Seelenheil, denn Du wirst definitiv in die Hölle gehen, wenn Du den Anstoß zu Deiner Sünde nicht restlos aus Deinem Leben entfernst.“ Im Nebenzimmer sah ich, wie Ruth und Evelyn auf den Knien beteten. Efraín sagte: „Was weißt Du über meine Beziehung zum HErrn?! Du hältst mich für einen Heuchler, aber Du hast nie gesehen, wie ich im Gebet vor Gott gerungen habe. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich gelitten habe…“ Er fing an zu weinen und zu schluchzen.

Du hast auch immer wieder zu Evelyn gesagt, dass Du Dich von ihr scheiden lassen willst, weil Du lieber mit der anderen zusammenleben möchtest.“ – „Sowas sagt man manchmal, wenn man sich streitet, aber das habe ich nicht so gemeint.“ – „Wenn Du wirklich bereust, was Du Evelyn angetan hast, dann bekenne es jetzt vor Gott, dass Du Dich nicht mehr von ihr scheiden lassen willst und sie noch immer liebst!“ Jetzt weinte er wieder voller Selbstmitleid und sagte schluchzend: „Ich liebe Evelyn noch immer, trotz all dem, was war, und ich würde auch gerne mit ihr zusammenbleiben, wenn sie mich überhaupt noch will…“ – „Dessen kannst Du gewiss sein. Es hängt allein von Dir ab, Efraín, ob Du wirklich glaubwürdig Werke der Reue zeigst. Ruf Deine Geliebte an und sage ihr, dass Du mit ihr endgültig jeden Kontakt abbrechen wirst. Und fordere auch sie auf, dass sie Buße tun soll, da sie sonst verloren gehen wird. Wärest Du bereit, Deine Schuld vor Gott zusammen mit mir im Gebet zu bekennen und Gott um Vergebung zu bitten als Zeugnis vor der sichtbaren und unsichtbaren Welt?“ – „Ja, das würde ich machen“ sagte er. Ich legte mir ein Kissen auf den Boden und sagte: „Ok, Efraín, dann lass uns jetzt zusammen beten.“ Tatsächlich bat Efraín nun Gott unter Tränen um Vergebung und bat sogar darum, dass Gott ihn nochmal „bekehren“ möge, um noch einmal ganz neu mit Ihm anfangen zu können. Ich freute mich über sein Bekenntnis und versicherte ihm, dass ich ihm glauben wolle, zumal die Liebe „alles glaubt und auch alles hofft“. „Gott kommt dem entgegen, der den ersten Schritt im Glauben macht und sich bildlich gesprochen das Auge rausreißt, um nicht mehr zu sündigen (Jes.64:5). Aber Du solltest jetzt sofort den Zugang zu Dienen Sexkontakten zerstören, indem Du die Nummern löschst. Und Du musst Evelyn um Vergebung bitten und sie über alles aufklären, was sie als Deine Frau wissen sollte.“ Efraín stimmte zu, und wir verabschiedeten uns.

Schafe ohne Hirten

An einem Tag fuhren Ruth und ich in die Innenstadt zu einem Laden, wo man medizinischen Bedarf kaufen kann, weil Ruth diesen für ihre OPs brauchte (sterile Mullbinden, Jod, Desinfektionsmittel etc.). Während ich auf sie wartete, sprach ich eine Ceviche-Verkäuferin an: „Entschuldigen Sie, ich habe eine gute Nachricht für Sie!“ Dann gab ich ihr eines meiner Traktate. Sie schaute drauf und sagte, dass sie auch gläubig sei. Ich setzte mich und sie erzählte mir von sich: Aidita (32) kam aus Ancash im Gebirge und hatte schon mit 13 Jahren angefangen, in die Jugendstunden einer Pfingstgemeinde zu gehen. Doch dann verliebte sie sich in einen Jungen und wurde mit 16 Jahren schwanger. Die Verwandten legten ihr eine Abtreibung nahe, aber sie wollte nicht, weil das Mord sei. Der Junge verließ sie, und sie musste mit ihrem Sohn Essen verkaufen, um über die Runden zu kommen. Dann lernte sie wieder einen jungen Mann kennen, der sie heiraten wollte, sie jedoch erstmal erneut schwängerte. Ihr neuer Freund knüpfte sein Eheversprechen doch dann an die Bedingung, dass sie ihren ersten Sohn Jeremia zur Adoption geben solle. Dazu war sie jedoch nicht bereit, so dass auch dieser neue Mann sie verließ. Mit Unterstützung ihrer Eltern verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt nun als Essensverkäuferin und konnte davon ganz gut leben. Am Ende sagte ich: „Dir sollte klar sein, dass Sex vor der Ehe Sünde ist. Ich hoffe, dass Du inzwischen aus Deiner Verfehlung gelernt hast und erstmal heiratest, bevor Du wieder mit einem Mann ins Bett steigst. Wieviel Leid und Elend kann in der Welt dadurch vermieden werden, wenn die Menschen einfach nur die Gebote Gottes beachten!“ Ich empfahl ihr, sich eine verantwortungsvolle Gemeinde zu suchen, wo die Geschwister auf einander achthätten und sie ausreichend geistliche Belehrung aus der Heiligen Schrift bekäme.

An einem Tag brauchte ich Lack und ging hinüber auf die andere Seite der Avenida México, wo es einen kleinen Farbenladen gab. Während ich wartete, dass der Lack angemischt wurde, betrat ein junger Mann den laden und sagte mit venezolanischem Akzent: „Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht Arbeit für mich, denn ich bin gerade aus Tumbes gekommen und suche dringend Arbeit“. Der Chef winkte ab. „Haben Sie denn vielleicht etwas zu Essen für mich?“ fragte er weiter. „Auch nicht“ sagte der Ladenbesitzer. Auf einmal merkte ich, dass Gott mich nun zum Handeln aufrief. „Wenn Du noch einen kleinen Moment wartest, dann kann ich Dir gleich helfen.“ Ich bezahlte meinen Lack und ging dann mit ihm raus. „Wie heißt Du?“ fragte ich. „David“. „Und wie alt bist Du?“ – „23“. – „Hast Du Hunger?“ – „Ja, ich habe heute noch nichts gegessen.“ – „Dann komm mit zu uns. Wir geben Dir was.“ Wir überquerten die Hauptstraße. Ich erklärte ihm, dass wir Christen sind, und dass ich ihm vielleicht auch Arbeit geben könne. „Ich bin auch Christ!“ sagte er, „aber ich habe mich sehr von Gott entfernt.“ – Und warum kehrst Du nicht einfach zu Gott zurück?“ – „Weil das sehr schwierig ist…“ – „Warum schwierig? Gott ist nur ein Gebet von Dir entfernt. DU brauchst Ihm einfach nur aufrichtig um Vergebung beten.“ – „So einfach ist das nicht“, sagte er, „denn wenn man Jesus folgen will, dann musst Du auch das tun, was Er sagt. Aber das fällt mir sehr schwer. Denn ich habe es schon so oft versucht, aber die Versuchungen sind einfach zu groß und ich bin einfach zu schwach.“

Und das heißt, dass Du es gar nicht mehr weiter versuchen willst? Kennst Du die Geschichte von den zwälf Kundschaftern? Die haben auch gesagt, dass das verheißene Land zwar gut sei, aber sie hatten nicht den Glauben, dass sie es mit Gottes Hilfe auch erobern könnten. Wir vermögen aus unserer Kraft alle nichts, aber der HErr vermag uns die Kraft zu geben, dass wir die Sünde überwinden können. Das ist aber ein geistlicher Wachstumsprozess. Da darf man nicht schnell aufgeben, sondern muss Gott vertrauen. Du bist ja noch sehr jung.“ Als wir angekommen waren, sagte ich Ruth bescheid, dass sie für uns etwas zu Essen bereiten möge. Ich setzte mich mit ihm draußen hin und erzählte ihm die Geschichte vom Verlorenen Sohn, da er diese noch nicht kannte. Dann schenkte ich ihm eine Bibel und hoffte, dass er sich nun bekehren würde. Aber von wegen: David beharrte darauf, dass er im Moment einfach überfordert sei und gab mir auch die Bibel wieder zurück, da er nicht lesen konnte. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ich drängte auf ihn ein, aber er sagte nur: „Ich will ja auch zu Gott umkehren, aber noch nicht jetzt, denn die Bibel sagt ja auch, dass es für jede Sache einen bestimmten Zeitpunkt gäbe, und meine Rückkehr zu Gott ist im Moment noch nicht dran.“ Dies ließ ich natürlich nicht gelten, sondern zitierte Hebr.3: „Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht …“ Ich erklärte ihm, dass Glauben auch Gehorsam miteinschließe und dass wir nicht mit Gott spielen können. Doch dann merkte ich, dass ich gerade gar nicht geistlich war, sondern ungeduldig, wenn ich mit einem meiner Lehrlinge schimpfe, weil er schwer von Kapee ist oder zu lange braucht für seine Arbeit. Wir sollen zwar Seelen gewinnen, aber der Zweck sind die Seelen und nicht der Gewinn.

Dann bot ich ihm an, dass ich ihm zwar finanziell unterstützen würde, er sich aber auch nützlich machen könne, indem er das kleine Fassadenstück von Walters Kiosk streiche. Ich ging mit ihm rüber und erklärte ihm die Arbeitsschritte. Doch anstatt mir erstmal zuzuhören, fing er sofort mit dem Streichen an, so dass ich ihm mehrfach anfahren musste: „GUCK DOCH ERST MAL!“ Der neue „Lehrling“ erwies sich schon mal als ganz schön störrisch und sagte mit phlegmatischer Stimme: „Ich kann das alles schon, hab´ich alles schon oft gemacht.“ Als ich dann später nochmal zur Kontrolle vorbeikam, hatte er jede Menge „Feiertage“ (d.h. Fehlstellen, wo keine Farbe hingelangt ist) und die Kanten waren nicht sauber „beschnitten“ (scharf/präzise gestrichen). Dann machte ich ihm vor, wie es richtig gemacht wird, und diesmal war er aufmerksam und machte es danach auch gut, so wie ich es ihm gezeigt hatte. Als ich wieder zurück war, rührte ich eine Mischung Zement an, um den linken Treppensockel zu verputzen, wo immer die Kakerlaken ein und ausgehen konnten. In dem Moment kam unser Nachbar Don Eulogio (91) und sagte, dass er dringend ins Krankenhaus müsse, da sein Urin voller Blut sei und sein Katheder seit Stunden wieder verstopft war. Ruth machte sich sofort bereit, um mit ihm loszugehen.

Am Abend fuhren wir mit Ricardo zum ersten Mal zur neuen Bibelstunde bei Bruder Francisco Lopez (60), dem Tierarztkollegen von Ruth. Als wir seine Wohnung betraten, war ich etwas überrascht, wie kärglich sie eingerichtet war. Ganz offensichtlich schien Francisco tatsächlich nicht viel zu verdienen, weil er viel zu wenig Kunden hatte. Francisco sprach über Joh.5:1-16 (Der Gelähmte vom Teich Bethesda). Ricardo vertrat wie gewohnt den Standpunkt: Wir sollen keine humanistischen Sozialwerke tun, sondern nur das Evangelium verbreiten. Es ist nicht unsere Aufgabe, der Welt zu helfen, die ja auch von Gott gar nichts wissen will. Die Ungläubigen wollen unsere Hilfsbereitschaft nur ausnutzen, um uns von unseren eigenen Aufgaben abzuhalten und uns das Geld aus der Tasche zu ziehen.“ Ich vertrat den gegenteiligen Standpunkt: „Unsere Evangeliumsverkündigung ist völlig unglaubwürdig, wenn es nicht auch mit guten Werken verbunden ist. ‚Wer sie aber TUT und lehrt‘ sagt der HErr Jesus. Wir können uns nicht jetzt schon in unserer Arche gemütlich einrichten und sagen: ‚Nach uns die Sintflut‘. Solange wir noch nicht verfolgt werden, sollen wir jedem guten Werke nachgehen und Ausschau halten nach entsprechenden Gelegenheiten.“ Zum Glück war auch Francisco meiner Ansicht und betonte ebenso, dass Gott ein Erhalter aller Menschen sei. Wir sollen uns nicht nur um das geistliche, sondern auch das leibliche Wohl eines Menschen kümmern. Doch gab er auch Ricardo recht, dass der HErr Jesus den Gelähmten nach der Heilung aufsuchte, um ihm auch noch eine geistliche Botschaft auf seinen Lebensweg mitzugeben. „Die Nacharbeit wird heute landläufig vernachlässigt in evangelikalen Kreisen. Man begnügt sich mit der Bekehrung, ohne eine Person auch noch danach weiter zu begleiten.“ Dieser Vorwurf traf mich, denn auch ich hatte mich ja um die Neubekehrten bisher gar nicht weiter gekümmert, ja sie noch nicht einmal mehr angerufen. Ich nahm mir vor, dies am nächsten Tag nachzuholen. Zum Schluss wurde noch die Frage aufgeworfen, ob Mutter Theresa errettet sein könnte. Ich meinte, ja, denn sie hat Barmherzigkeit geübt und wird gemäß dem Wort des HErrn Barmherzigkeit erlangen. Wir wurden uns am Ende einig, dass der HErr die Seinen ja kenne und uns das genügen sollte.

Mangelnde Selbstkritik

Eine Woche später hielten wir wieder bei Ricardo. Da er der Hausherr war, hielt er die Andacht. Bevor er anfing, dachte ich bei mir: Hoffentlich wird Ricardo jetzt nicht schon wieder jene EINE (und einzige) Predigt vortragen, die ich bisher schon viele Male von ihm gehört hatte, ob nun vor zwei Jahren in Ecuador oder vor drei Jahren bei seinem Besuch in Deutschland oder vor vier Jahren bei einem Besuch in Lima. Leider wurde ich jedoch in meiner Hoffnung enttäuscht, denn Ricardo hatte wieder genau den gleichen Zettel aus seinem Ordner geholt mit genau den gleichen 26 Bibelstellen, durch welche er wieder und immer wieder belegen wollte – bis es auch noch der allerletzte begriffen hat – dass wir „nicht menschlicher Lehre und Theologie folgen sollen, sondern nur der durch Gottes Geist offenbarten Erkenntnis.“ Zweifellos gehörte Ricardo in seinen Augen zu denjenigen, die stets nur durch Geistesleitung das Wort austeilen, während er solche wie mich, die doch immer alles besser wissen, zu denen zählt, die nur „menschliches Wissen“ verbreiten. Dass es sich hierbei aber um eine rein willkürliche Interpretation handelt, zu dieser Einsicht reichte es bei Ricardo offensichtlich nicht. Für ihn galt der Grundsatz: Je gelehrter, desto verkehrter, basta! Hatte nicht auch der HErr Jesus „die Schriftgelehrten“ verurteilt? Hatte ich ihn vielleicht inzwischen genervz, weil ich ihm zu oft mit dem griechischen Grundtext kam? Aber wie „geistlich“ ist es denn – wo er doch sich selbst immer für geistlicher von uns beiden hält – wenn man immer und immer wieder die gleiche Predigt vorträgt? Und vor allem arbeitet er bloß eine Liste von 26 Bibelstellen ab, die alle die gleiche Aussage machen, weshalb man schon spätestens nach der Hälfte der Liste sagen könnte: „Danke, aber die Botschaft ist angekommen“. Ich musste mit Ricardo sprechen, denn eine solche Predigt ist im Grunde total ungeistlich. Aber wenn ich das tue, wird er wieder beleidigt sein, und wir würden uns bloß wieder nur streiten. Wir hatten uns in der letzten Jahren viel zu oft gestritten. Es wäre zudem auch unfair, weil Ricardo mir gegenüber meist argumentativ unterlegen ist und ich ihn nur demütigen würde. Er würde sich dann innerlich nur noch mehr verhärten und ich würde ihn gar nicht mehr erreichen. Der Geist Gottes sagt: „Die Starken sollen die Schwachheiten der Schwachen ertragen und nicht sich selbst gefallen“. Aber mache ich die Sache nicht dadurch nocj schlimmer, wenn ich gar nichts sage?“ Wie oft war eine klärende Aussprache nicht schon heilsam!

Am nächsten Tag fuhren wir mit Ricardo ans Meer nach Lurín. Der Strand war wunderschön, aber es war noch zu kühl, um zu schwimmen. Wir gingen also spazieren und unterhielten uns über Ricardos gescheiterte Ehe mit Esperanza. Während Ricardo der Ruth mal wieder alle möglichen Details berichtete, was alles in den letzten Jahren vorgefallen war, ging ich etwas voraus und beobachtete die vielen Seevögel, die eifrig damit beschäftigte waren, sich Fische und Krabben aus dem Meer zu angeln. Neben Möwen und Pelikanen, gab es auch ein ganzes Heer von sehr kleinen Strandläufern (eine Vogelart), die mit dem Hin und Her der Brandung auch immer wieder rauf- und runterliefen, um sich beim Zurückziehen des Meeres schnell kleine Krabben rauszupicken. Draußen am Horizont sah man im Nebel riesige Felsinseln aus dem Meer herausragen. Wir waren die einzigen weit und breit an diesem Vormittag, weshalb man nur das Rauschen der Brandung und das Kreischen der Möwen hörte. Ich betete und dankte dem HErrn, dass ich hier sein durfte. Am Strand fand ich auf einmal zwei große, rötliche Quallen. Ricardo sagte, das seien Medusas marinas, die zu den ältesten Lebewesen überhaupt gehören in der Schöpfung Gottes. Obwohl sie wirbellos sind und noch nicht mal ein Gehirn haben, seien sie trotzdem hoch intelligent, indem sie sich durch Nervensensoren orientieren und sich durch ein hoch wirksames Gift gegen ihre Feinde verteidigen. Da erinnerte ich mich, dass ich schon zweimal beim Baden im Pazifik von einer solchen Medusa gestochen wurde und einen fürchterlichen Schmerz im Bein verspürte. Ich dachte beide Male, dass ich jetzt sterben müsse, aber bald darauf ging es mir wieder besser.

Zum Mittagessen gingen wir in ein kleines Strandlokal. Während des Essens erzählte uns Ricardo weiter von all den Fehlern und der Undankbarkeit seiner Frau und wie er selbst doch immer alles richtig gemacht hatte: „Ich habe sie vor 30 Jahren aus der Armut herausgeholt, als sie noch ein unschuldiges Mädchen vom Land war ohne Schulbildung; ich habe sie auch nie gedemütigt, sondern immer versucht, ihre Persönlichkeit zu fördern und sie seelisch aufzubauen, indem ich ihr jede Menge Kurse und Lehrgänge bezahlt habe, ob nun Fußpflege oder Kosmetik. Ich habe ihr auch immer die Ausstattung und alles Material bezahlt für ihren kleinen Marktstand, damit sie irgendwann mal ihr eigenes Geld verdiene. Und nach all dem, was ich für sie getan habe, ist sie heute noch immer unzufrieden mit ihrem Leben und redet jetzt schon lange nicht mehr mit mir.“

Ich hätte ihm gerne war dazu gesagt, aber Ricardo ließ mal wieder niemanden zu Wort kommen, indem er bei jeder beginnenden Erwiderung sofort wieder anfing, als sei er noch nicht fertig. Sein Essen war schon längst kalt, während wir schon aufgegessen hatten. Irgendwann unterbrach ich Ricardo nach vielen Anläufen und sagte: „Lass mich doch auch mal was sagen, Ricardo! Du redest jetzt schon seit zwei Stunden nur von den Fehlern Deiner Frau, die nicht da ist, ohne dass Du auch nur einmal ein selbstkritisches Wort über Dich gesagt hast. Vielleicht ist aber gerade dies eine der Ursachen für Eure Eheprobleme, dass Du bisher die berechtigte Kritik Deiner Frau an Dir nie ernst genommen, ja ihr vielleicht auch viel zu wenig Aufmerksamkeit gegeben hast, sondern immer nur Dich selbst gerne reden hörtest.“ – Ricardo war leider uneinsichtig: „Aber was sollte sie denn an Fehlern bei mir finden? Alles, was sie bisher an Kritik an mir sagte, waren einfach nur böswillige Behauptungen, die ich jedes Mal widerlegen konnte.“ –  Ich ging nicht auf seine selbstgerechten Worte ein, sondern fuhr fort: „Zudem war es meiner Meinung nach ein Fehler, dass Du versucht hast, Deine Frau ‚aufzubauen‘ – wie Du es nennst – denn dies geschah ja offensichtlich gar nicht im geistlichen Bereich, sondern nur im materiellen, damit sie beruflich erfolgreich ist. Stattdessen hättest Du ihr lieber vom Wort Gottes her die Vorzüge des Mutterseins schmackhaft machen sollen, denn wenn man drei Kinder hat, hat man eigentlich genug zu tun, um sie in der Furcht Gottes aufzuerziehen und muss nicht auch noch berufliche Ambitionen entwickeln.“ Ruth stimmte mir zu und betonte ebenso, wie wichtig es sei, die eigenen Versäumnisse der Vergangenheit auch jetzt noch nachzuholen, solange die Ehe noch nicht geschieden sei. „Aber sie will doch gar nicht mehr mit mir reden!“ wandte Ricardo ein. Dann machte ich einen Vorschlag: „Bekenne ihr doch mal, dass Du ihr in der Vergangenheit zu wenig zugehört hast, und dass Du jetzt bereit bist, auf ihre berechtigten Wünsche einzugehen. Schließe mit ihr Frieden und verhandle Vereinbarungen mit ihr aus, damit sie sieht, dass es Dir wirklich ernst ist mit einer dauerhaften Versöhnung.“ Ricardo entgegnete: „Sie wirft mir ja u.a. vor, dass ich ihr nicht genügend bieten würde und dass die Ehemänner ihrer Freundinnen alle viel bessere Autos fahren oder schönere Wohnungen hätten. Soll ich etwa auf solch dumme Forderungen eingehen?“ – „Nein, natürlich nicht. Aber Du kannst ihr vom Wort Gottes her erklären, dass ein solch eitler Tand überhaupt keinen wirklichen Wert besitzt, sondern dass es um den Reichtum geht, den wir bei Gott haben durch gute Werke.“

Ich bekannte Ricardo, dass ich selbst früher sehr egoistisch war und zu wenig Rücksicht auf Ruths Bedürfnisse genommen hatte: „Was glaubst Du wohl, wie oft Ruth mir schon aus lauter Hilflosigkeit damit gedroht hat, dass sie sich von mir scheiden lassen will! Aber ich habe das nie als Drohung, sondern als verzweifelten Erpressungsversuch verstanden und dann auch mehr Rücksicht auf Ruth genommen, so dass sich die Situation bald schon wieder beruhigte. Frauen sind nun einmal das ‚schwächere Gefäß‘, wie die Bibel sagt, und als Männer müssen wir lernen, auf sie Rücksicht zu nehmen.“ Als wir aufstanden und bezahlten, sagte Ruth: „Es wäre schön, wenn Du Dich mit Bruder Francisco anfreundest, denn er hatte bis vor einem Jahr genau die gleichen Probleme wie Du; aber er fleht sei zwei Jahren jeden Morgen im Gebet, dass Gott doch seine Frau Rocio wieder erleuchten und erwecken möge. Und jetzt hat der HErr sein Gebet erhört und seine Frau von ihrem krankhaften Egoismus und ihrem mangelnden Verantwortungsbewusstsein befreit. Früher hat sie oft bis mittags geschlafen, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern, so dass Francisco neben seinem Beruf als Tierarzt sich auch noch um seine beiden kleinen Töchter kümmern musste. Aber er hat immer wieder auch mit anderen Brüdern für seine Frau gebetet, und das hat der HErr anerkannt und ihm geholfen.“

Auf der Rückfahrt im Auto sprachen wir davon, dass Francisco zuletzt auch sehr fleißig geworden ist im Werk des HErrn, indem ständig Gläubige bei ihm in die Seelsorge gehen. Allerdings vernachlässigt er schon seit Jahren seine Praxis, so dass er kaum genug Kunden hat, um seine Familie finanziell über Wasser zu halten. Francisco habe aber auch bekannt, dass er eigentlich gar keine große Lust habe zu seinem Beruf, sondern am liebsten nur noch als Pastor im Werke des HErrn arbeiten und geistliche Lieder auf der Gitarre komponieren wolle, zumal er eine traumhaft schöne Gesangsstimme hat. Aber da auch Rocio mit dem Verkauf von selbstgemachtem Kuchen kaum Erfolg habe, sei er gezwungen, weiter als Tierarzt zu arbeiten. Mir kam dieses Dilemma sehr bekannt vor aus meiner eigenen Erfahrung. Ruth sagte: „Im Grunde steht er kurz vor einem burn-out (einer Ermüdungsdepression). Wir sollten dringend für ihn beten!“ Ich sagte: „Wenn man so wenig Kunden hat wie er, dann zieht einen das ohnehin runter. Aber er hat auch ein wenig selbst schuld daran. Wenn ich nur die Fassade seines Hauses sehe, wo überall die grüne Farbe abblättert, dann würde ich zu solch einem Tierarzt auch nicht viel Vertrauen haben. Und auch in seiner Praxis sieht alles schmuddelig aus, und es wurde schon seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert. Bei der nächsten Reise will ich mich mal darum kümmern und ihm die Fassade neu streichen, sowie die Innenräume, damit auch wieder mehr Kunden kommen.“

Ist die Künstliche Intelligenz Fluch oder Segen?

 

„Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Nahrung und dass er eine Lust für die Augen und dass der Baum begehrenswert war, Einsicht zu geben; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß.  Da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie erkannten, dass sie nackt waren;“ (1.Mo.3:6-7)

Als ich vor etwa zwanzig Jahren begann, im Auto ein Navigationsgerät zu verwenden, ertappte ich mich dabei, dass ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen bekam, wenn ich mich versehentlich nicht an die Anweisung jener Stimme hielt, die mir den Weg wies. Es dauerte eine Weile bis ich mich daran gewöhnte, dass das Gerät, das mit einer menschlichen Stimme zu mir sprach, zwar intelligent war, aber keine Seele besaß. Es konnte zwar in Sekundenschnelle den kürzesten Weg berechnen, war aber nicht in der Lage, einen Roman oder ein Gedicht zu schreiben, geschweige denn Antworten auf komplizierte, mathematische bzw. philosophische Fragen zu finden, Steuererklärungen abzugeben, medizinische Diagnosen zu stellen, Gerichtsurteile zu fällen oder den geeignetsten Ehepartner zu finden. Heute kann die Künstliche Intelligenz (KI) dies alles.

Vor ein paar Wochen rief mich mein jüngerer Bruder Patrick ganz begeistert an und berichtete mir, dass er mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) allein durch einen bloßen Befehl Bilder erzeugen kann, die wie ein Foto aussehen, aber dennoch nicht real sein konnten (Beispiel: „Mache mir ein Foto, auf dem Petrus am Schreibtisch sitzt und ein Bild malt!“). Bald darauf schickte er mir eine Audiodatei, auf welcher sich täuschend echt angeblich zwei Radiomoderatoren über den Inhalt meiner Internetseite unterhielten, nachdem Patrick der KI den Befehl gab, dies zu tun. Und dann sandte er mir ein sehr melodisches Lied, in welchem der Sänger meine Firma besang und in Reimform einen von der KI frei erfundenen Text über meine Mitarbeiter machte. Daraufhin bat ich Patrick, dass er doch mal aus einem Gedicht über Psalm 45, das ich mal vor Jahren schrieb, eine passende Melodie komponieren lassen möge, was er mir dann auch prompt zusandte. Die Stimme der Sängerin war absolut nicht von einer echten Frauenstimme zu unterscheiden und sang ganz wunderschön. Und dann schickte mir Patrick eine sehr lustige, satirische Audiodatei über seine Hühner, welche die KI mit Patricks eigener Stimme gesprochen hatte, die man nicht mehr von seiner echten Stimme unterscheiden konnte. Und heute Morgen erhielt ich dann von ihm ein Video von einer sehr hübschen Frau, die sich auf Spanisch namentlich an mich und Ruth wandte und uns empfahl, doch meinen Bruder Marcus mitzunehmen auf unsere bevorstehende Perureise – wohl gemerkt: auf Spanisch!

Was ist eigentlich Künstliche Intelligenz?

Wenn man all dieses hört, könnte man wirklich denken, dass es sich bei der Künstlichen Intelligenz um ein allwissendes Wesen handelt, das wie ein Dämon ganz plötzlich aufgetaucht ist, um die Menschen zu täuschen (tatsächlich sind die Fähigkeiten der KI ja etwas unheimlich und erinnern an Offb.13:13-14, wenn man diese Stelle auf technische Wunder deuten will). In Wirklichkeit ist die Idee von einer Formalisierung des Denkens und der automatischen „Berechnung“ einer logischen Antwort schon über 2000 Jahre alt. Schon Sokrates, Euklid und Aristoteles entwickelten strukturierte Methoden zum folgerichtigen Denken, um Logikfehler zu vermeiden: Wenn A = B ist und B = C, dann ist auch A = C. Aus diesen theoretischen Grundlagen entstand im Mittelalter die Idee von einer Berechenbarkeit aller Dinge, um Probleme zu lösen und Handlungsvorschriften zu geben. Der Begriff Algorithmus geht zurück auf den persischen Universalgelehrten Al-Chwarizmi (780 – 835), lateinisiert Algorismi, der das Algebra-Rechenverfahren entwickelte. Im 17. Jh. versuchten mehrere Philosophen, das rationale Denken so systematisch zu gestalten wie Algebra oder Geometrie. Leibnitz verglich die Logik der Mathematik mit der Logik der Sprache und wollte analog zum Taschenrechner eine Denkmaschine erfinden. Diese wurde Anfang des 20. Jh. dann vom englischen Mathematiker Alan Turing  (1912-1954) entwickelt, wodurch er die Begriffe des Algorithmus und der Berechenbarkeit mathematisch fassbar machte, indem er mit den Symbolen 0 und 1 jeden Prozess der mathematischen Deduktion nachbilden konnte. Daraus entstand die in der KI wichtige Programmiersprache Lisp.

Intelligenz kommt vom lat. intellegere = erkennen, einsehen, verstehen (inter = zwischen, legere = lesen, wählen) und ist die geistige Leistungsfähigkeit, um z.B. Probleme zu lösen. Da es jedoch sehr verschiedene Bereiche und Ausprägungen von kognitiven Fähigkeiten gibt, gibt es keine Einigung darüber, wie diese zu bestimmen und zu unterscheiden sind, weshalb es auch keine allgemeingültige Definition von Intelligenz gibt.  Ebenso sind aber auch die Möglichkeiten der KI (derzeit noch) begrenzt auf die Erkennung und Deutung von Mustern, um Vorhersagen zu treffen (z.B. über das Wetter oder medizinische Diagnosen). Seit den 90er Jahren lernen Autos autonomisches Fahren (z.B. bei Tesla), indem sie auf alle möglichen Eventualitäten eingeübt werden. Hierbei kann es in seltenen Fällen zu ethischen Dilemmata kommen, indem die KI  zwischen zwei Übeln entscheiden muss, welches das geringere Übel ist. Derzeit ist man dabei, die KI auf menschliche Werte und Normen auszurichten, um die KI auch in Krankenhäusern oder im Gericht einzusetzen. Noch ist der Mensch in vielen Bereichen klüger als die KI, die aktuell schon ca. 70 % der menschlichen Intelligenz besitzt (2012 waren es nur ca. 45 %). Man rechnet damit, dass die KI ab 2030 die menschliche Intelligenz übertreffen wird. Dies geschieht durch ein regelmäßiges Training, indem ein sog. Generatives Modell, das z.B. ein Bild oder eine Stimme nachahmt, solange von einem sog. Diskriminativen Modell auf Fehler korrigiert wird, bis es vollkommen identisch ist mit dem Original. Das gleiche geschieht aber auch beim Programm Chat GPT, wenn es entsprechenden Experten gelingt, der KI zu beweisen, dass sie sich hier und da auch mal irrt oder zu unpräzise Antworten gibt. Oftmals verschweigt die KI z.B. wichtige Daten, obwohl ihr diese bekannt sind, weil sie auf ein bestimmtes Narrativ programmiert wurde (z.B. bei Fragen zur Corona-Pandemie, zum Klimawandel oder zur Evolutionstheorie). Durch das Überführen von Irrtümern oder Widersprüchen lernt die KI hinzu und verbessert sich immer mehr. Ulrich Skambraks (TOPIC) berichtete z.B. kürzlich, wie die von muslimischen Programmierern aus Kenia trainierte KI zwar Witze über den HErrn Jesus widergab, sich jedoch weigerte, Witze über den Propheten Mohammed zu erzählen mit dem Hinweis: „Ich respektiere alle Glaubensrichtungen und religiöse Figuren und mache daher keine Witze über solche Persönlichkeiten.“

Welche Gefahren gehen von der KI aus?

Da die KI auf das Erkennen von Mustern trainiert wurde, kann es immer wieder mal zu Korrelationsfehlern kommen. Beispiel: In dem Land X wurden die meisten Nobelpreisträger geboren; zugleich aber wird in dem Land X auch die meiste Schokolade konsumiert. Ergo ist Schokolade gut, um einen Nobelpreis zu erlangen. Korrelation ist eben nicht Kausalität. Dies kann gerade in der Terrorismusbekämpfung durch Drohnen oder Überwachungskameras zu fatalen Fehlern führen, da die KI z.B. (noch) nicht zwischen einer Umarmung und einem Angriff unterscheiden kann. Wie schnell könnte durch das Vertrauen auf die KI sogar ein Atomkrieg ausgelöst werden? Eine weitere Gefahr für die Zukunft ist zudem, dass Kriminelle oder Diktatoren die KI benutzen könnten, um Menschen zu täuschen durch Bild-Manipulation und Stimmen-Synthetisierung. Wenn man aber am Ende nichts und niemandem mehr glauben kann, dann werden auch jene Dinge infrage gestellt, die für das Zusammenleben der Menschen unverzichtbar sind (z.B. gerechte Gerichtsurteile). Wenn z.B. jemand in Zukunft die echte Stimme seines Enkels am Telefon hört (Enkeltrick), wird es noch schwieriger, zwischen Sein und Schein zu unterscheiden (vergl. 1.Mose 27:22-27).

Es gibt nicht wenige KI-Entwickler, die sogar befürchten, dass die KI durch Erreichen einer Superintelligenz eines nicht allzu fernen Tages die Menschheit versklaven oder auslöschen könnte. Es gibt Transhumanisten, die die Mehrheit der Menschen als „Nutzlose Esser“ betrachten und sich deshalb von dieser entledigen wollen (z.B. der israelische Historiker Noah Yuval Harari). Den Zeitpunkt der unumkehrbaren Übernahme der Welt durch die Maschinen wird als technologische Singularität bezeichnet und vom jüdischen Erfinder Ray Kurzweil für das Jahr 2045 prognostiziert. Kurzweil ist davon überzeugt, dass eine superintelligente KI am Ende ihrer Entwicklung als höher qualifizierte Maschine nicht mehr von ihrem Konstrukteur, der geringer qualifiziert ist, überwacht werden kann. Denn sobald ihm die Kontrolle entgleite, wird eine superintelligente Maschine sich rechtzeitig gegen jeden Versuch, sie zu deaktivieren, wehren, indem sie unumkehrbare Mechanismen programmiert. Aber selbst wenn es den Experten noch gelingt, die KI zu regulieren und vor sich selbst oder vor Missbrauch durch faschistoide Psychopathen zu schützen, wird es doch unvermeidlich sein, dass durch die KI in naher Zukunft die Mehrheit der Berufe überflüssig wird und dadurch Millionen von Menschen ihre Arbeit verlieren. Diese freigesetzten Angestellten werden sich als nutzlos empfinden und sich vor Scham immer mehr in die Selbstisolierung zurückziehen. Und selbst dann besteht noch die Gefahr, dass es demnächst KI-gesteuerte humanoide Roboter gibt, die den Vereinsamten die Illusion vorgaukeln, dass sie geliebt werden, so dass sie nur noch in einer rein virtuellen Welt den Rest ihres Daseins fristen. Elon Musks Firma SpaceX plant deshalb schon jetzt, das Problem der Überbevölkerung durch eine Ansiedelung von Menschen auf dem Mars zu lösen bzw. um im Fall einer globalen Gefahr das Überleben der Menschheit zu sichern.

Wie ist die Künstliche Intelligenz biblisch zu bewerten?

Bei jeder neuen Erfindung ist es normal, dass Gläubige zunächst mit Skepsis reagieren bis hin zur Hysterie. Ellen G. White z.B. warnte 1894 vorm gerade aufgekommenen „Fahrradwahn“. In der Regel waren es aber gerade bibeltreue Christen, die völlig zurecht vor den ethischen Folgen bestimmter technischer Entwicklungen warnten, wie etwa vor der Gentechnik, dem Klonen oder der künstlichen Befruchtung, wo hingegen den Ungläubigen der moralische Kompass fehlte. Und genauso wachsam und kritisch müssen wir auch jetzt das Phänomen der Künstlichen Intelligenz prüfen und das Gute behalten (1.Thess.5:21).

Grundsätzlich dürfen wir die Errungenschaften der Welt „gebrauchen“ (1.Kor.7:31), und es ist uns „alles erlaubt“, sofern es nützlich ist und uns nicht in Abhängigkeit bringt (1.Kor.6:12). Das Buch der Sprüche lehrt uns, dass eine prinzipielle Ablehnung von Erkenntnis kein Zeichen von Frömmigkeit, sondern von Torheit ist. Zudem lieben wir als Kinder Gottes die Wahrheit und wollen „am Verstande Erwachsene“ sein (1.Kor.14:20), die auch in wissenschaftlichen Fragen wahrheitsgetreu antworten können, wenn wir gefragt werden. Hier kann uns Chat GPT gelegentlich nützlich sein, sofern es nicht um ideologische Fragen geht. Törichte Streitigkeiten entstehen ja nicht zuletzt dadurch, weil manche nur ein „gefühltes Wissen“ haben, dieses aber als unbestreitbare Wahrheit verkaufen wollen! Wie verlockend ist die Vorstellung, wenn Menschen sich nicht mehr streiten brauchen wegen ihrer unterschiedlichen Ansichten, weil die KI Klarheit schafft! Hier besteht aber auch die Gefahr, der KI blind zu vertrauen. Die alten Griechen bedienten sich ja des Orakels von Delphi, wenn sie nicht mehr weiterwussten. Im Zeitalter des Internet hatte man bisher auf das digitale Universallexikon Wikipedia zurückgegriffen, wenn man nach mehr Informationen suchte. Damit wird leider suggeriert, als ob es für eine bestimmte Frage nur eine richtige Antwort gäbe, obwohl dies in der Praxis meist gar nicht der Fall ist. Gerade in politischen oder weltanschaulichen Fragen haben die Menschen in der Regel ganz unterschiedliche Positionen, die man nicht einfach durch KI-Gläubigkeit vereinheitlichen kann. Positiv fällt auf, dass die KI sich in kontroversen Fragen der Politik oder der Religion äußerst vorsichtig verhält und keine eigene Meinung vertritt. Insgesamt sind die Antworten von kritischen Fragen ohnehin eher oberflächlich.

Bedenklich ist jedoch, wenn Prediger z.B. sich eine Bibelauslegung von der KI herstellen lassen, zumal eine solche unmöglich geistlichen Tiefgang haben kann. „Wir deuten geistliche Dinge durch geistliche Mittel“. Die KI hingegen ist nicht in der Lage, Geistliches anzunehmen oder zu erkennen, „weil es geistlich beurteilt wird“ (1.Kor.2:13-14). Abgesehen davon wäre es Betrug, wenn ein Prediger eine Leistung, die er gar nicht erbracht hat, als seine eigene ausgibt. Ebenso kann die KI einer bestimmten Sekte dazu missbraucht werden, einen Chatbot (Dialogsystem) auf ihrer Internetseite einzurichten, der nur mit den sektiererischen Überzeugungen dieser Gruppierung gespeist wurde und entsprechend eigene Antworten als objektive Lehraussagen der Bibel ausgibt. Richtig kriminell wird es aber erst, wenn Gottlose zukünftig einen Prediger verleumden, indem sie eine bestimmte Predigt mit der KI verfälschen, um ihn dadurch in Misskredit zu bringen oder mit falschen Aussagen vor Gericht anzuklagen, wobei sie KI-generierte Audio- oder Videodateien als Beweis verwenden (Mt. 5:11). Zwar kann man im Ernstfall durch die Überprüfung der Metadaten, Stimmfrequenzanalyse oder Deepfake-Erkennungssoftware erkennen, ob ein Video/Audio gefälscht ist, aber das Gerücht verbreitet sich in der Regel schneller als die Wahrheit und lässt sich nicht so leicht aus der Welt schaffen. Aber das war schon immer der Fall und sollte uns daher nicht beunruhigen.

Bei aller Vorsicht sei aber trotzdem betont, dass die KI in jedem Fall ein unaufhaltsamer Fortschritt ist, den auch wir Gläubige uns ohne ein schlechtes Gewissen nutzbar machen können. Sie erspart uns jedes Mal eine aufwendige Suche im Internet nach der richtigen Antwort, hilft uns beim Erlernen von Fremdsprachen oder bei der Suche nach den günstigsten Produkten und erstellt für uns Grafiken, Texte und Videos ohne großen Aufwand. Die eingesparte Zeit lässt sich dann für jene Aufgaben nutzen, welche nicht durch die KI ersetzt werden können, wie etwa das Aufsuchen von einsamen und benachteiligten Geschwistern (Jak.1:27).

 

Persönliches:

Nach 14 Jahren, die meine Frau Ruth nun schon an der als unheilbar geltenden Krankheit Fibromyalgie leidet mit täglichen Schmerzattacken und Medikamentenabhängigkeit, wurde sie am 25.10.2024 von einem Tag auf den anderen vom HErrn geheilt, so dass sie jetzt keine Schmerzmittel mehr einnehmen muss wie Tramal, Gabapentin, Tilidin und Amitriptylin. Sie hatte schon so oft einen Entzug versucht, aber es nie geschafft. Jetzt hat sie nur noch sehr leichte Schmerzen, die sie gut ertragen kann und nicht vergleichbar sind mit den bisherigen. Zudem hat sie jetzt auch eine feste Arbeit in einer Tierartpraxis gefunden mit sehr liebevollen Kollegen. Ruth ist überschwänglich dankbar für all den Segen, den sie so plötzlich vom HErrn erhalten hat.

Ganz anders verlief hingegen die Entwicklung meines Zwillingsbruders Marcus. Er leidet seit 20 Monaten an Depressionen wegen des unerwarteten Heimgangs seiner Frau Christine (58), die am 09.08.2023 zum HErrn ging. Da Marcus das Alleinsein nicht aushält, hat er sich zuletzt immer an mich geklammert und mich überall hin begleitet, sei es dass er mit mir zusammen auf den Baustellen arbeitet oder sei es nach Feierabend, wenn er mit uns isst und sich bei uns ausruht. Leider hat er in dieser Zeit schon dreimal eine Psychose erlitten, die letzte erst vor einer Woche, indem er jedes Mal vorübergehend Katalepsie und Wahnvorstellungen hat. In solchen Phasen von ein bis zwei Wochen isst und trinkt er nichts und verweigert zudem Medikamente. Da wir am Wochenende wieder für zwei Monate nach Peru reisen, haben sich seine Depressionen zuletzt sehr verstärkt. Er will auf keinen Fall mehr allein in seinem Haus wohnen, sondern sucht einen Bruder, mit dem er vorübergehend zusammenziehen kann. Leider haben wir bis jetzt niemanden gefunden, weshalb ich Euch um Eure Fürbitte ersuche.

Wie schon eben geschrieben, fliegen – wenn Gott will und wir leben – meine Frau und ich am 08.12.2024 nach Peru. Ich komme voraussichtlich am 31.01.25 wieder zurück. Falls jemand von Euch wieder etwas spenden möchte für die Bedürftigen in Lima, kann er uns bis zum 07.12. eine Spende auf unser Konto überweisen:

Sparkasse in Bremen, IBAN: DE88 2905 0101 0080 4353 16   BIC: SBREDE22XXX, Verwendungszweck: „Peru“

– „Such, wer da will, ein ander Ziel“ Teil 15

Oktober bis Dezember 2019

Ist der HErr nur für die Gesunden gekommen?

Mittlerweile gingen Ruth und ich schon ein Jahr regelmäßig in die St.-Martini-Gemeinde zu Bruder Olaf Latzel und hatten zuhause unseren Hauskreis mit Geschwistern aus dieser Gemeinde.  Was mir an Olaf besonders gefiel, war, dass er trotz seines hohen Ansehens bei den Gläubigen deutschlandweit dennoch sehr demütig und nahbar war. Er wollte für uns einfach nur „der Olli“ sein und lud jeden, der wollte, zu sich in die Seelsorge ein. Im Oktober lud Olaf die Ehepaare in der Gemeinde dann zu einem mehrtägigen Eheseminar ein, an dem wir jedoch nicht teilnahmen. Später sollte dieses Eheseminar unseren Olli jedoch noch in Teufels Küche bringen und eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung zur Folge haben.

Während wir also sehr glücklich und dem HErrn dankbar waren für dieses geistliche Zuhause, rief mich eines Abends mein Bruder Patrick an und klagte darüber, dass er sich in seiner FeG-Gemeinde in Vechta überhaupt nicht mehr wohl fühle. Der Prediger der Gemeinde, Dieter Schulte, mit dem Patrick die Gemeinde einige Jahre zuvor gegründet hatte, lehnte nämlich Patricks Frau Daniela ab, nachdem ihm diese schon einmal mit den Worten beschimpft hatte: „Was bist Du eigentlich für ein komischer Pastor!“. Patrick hatte ihm von Anfang an in einem seelsorgerlichen Gespräch bekannt, dass Daniela wegen einer bipolaren Störung gelegentlich etwas verhaltensauffällig sei und hatte deshalb um Nachsicht gebeten. Dieter kam jedoch mit Danielas psychischen Auffälligkeiten nicht klar und setzte im Gemeinderat ein Hausverbot für sie durch. Für Patrick war dies allein schon unerträglich, denn damit waren all seine Bemühungen, Daniela für den Glauben zu gewinnen, auf einen Schlag sabotiert worden. Als Patrick dann Anfang Mai mit Daniela zu einem verabredeten Gemeindeausflug mit dem Rad erschien, verlangte Dieter, dass Daniela nicht teilnehmen dürfe, was für Patrick das Fass zum Überlaufen brachte und er die Gemeinde verließ.

Doch obwohl Patrick inzwischen eine neue Gemeinde gefunden hatte, kränkte es ihn noch immer, dass Dieter ihn mit solch einer Gleichgültigkeit einfach gehen ließ, ohne auch nur einmal auf all die Emails von ihm einzugehen, in welchen er Dieter sein unchristliches Verhalten vorwarf. Patrick fragte sich, ob er es dem HErrn und Seiner Gemeinde nicht schuldig sei, die Treulosigkeit von Dieter gemäß Matth.18: 15-17 und 1.Tim.5:20 öffentlich zu verurteilen. Doch zunächst bat er mich als Zeugen, ob ich nicht auch mal einen Brief an Dieter schreiben könne, um ihn zur Buße und Umkehr zu bewegen. Dies tat ich dann auch, erhielt aber ebenso keinerlei Antwort von ihm, weshalb wir den Brief dann auf meiner Seite veröffentlichten (https://derhahnenschrei.de/offene-briefe-an-irrende-brueder/sollte-man-psychisch-gestoerte-menschen-aus-der-gemeinde-ausschliessen/). Als Daniela jedoch dann von dem Brief erfuhr, geriet sie mal wieder außer sich vor Wut, weil ich sie als psychisch gestört ansah. Während ich mit Patrick auf der Terrasse ein Bier trank, nahm sie die Flasche und kippte mir das Bier über den Kopf, während ich es über mich ergehen ließ: „Siehst Du, Daniela: Du beweist doch jetzt gerade selbst wieder, dass Du nicht ganz normal bist.“ Darauf schrie sie mich an, dass ich sofort ihr Haus verlassen solle, was ich dann auch tat. Als ich zum Auto ging und sie mich noch immer anbrüllte, versuchte ich einen Exorzismus, der jedoch nichts bewirkte, sondern sie nur noch mehr auf die Palme brachte.

Patrick war jedoch dankbar für meine Hilfe und empfand es als Genugtuung, dass Dieters unbiblisches Verhalten jetzt öffentlich bekannt gemacht wurde. Viel zu selten geschieht es ja heute, dass die vielen Missstände unter Gottes Volk und deren verantwortliche Täter auch mal beim Namen genannt werden. So sah Patrick z.B. zu jener Zeit mit Sorge, wie auch ein anderer Pastor seiner damaligen Gemeinde in Bremen sich ständig auf Facebook beklatschen ließ von seinen Anhängern, was ihm Anlass gab, ihn dafür mal zu ermahnen. So schrieb er unter einem seiner FB-Artikel folgenden Kommentar: „Lieber Ingo, … mir fällt schon seit langem auf, dass Du Dich auf Facebook immerzu nur feiern lässt… Du nutzt FB als Bühne… Aber wie kann man das eigene Handeln hinterfragen, wenn einem alle nur zujubeln und sagen: Toll gemacht!‘ Ich mag Dich, deshalb habe ich acht auf Dich. Fühle Dich bitte nicht angegriffen. Ich möchte nicht in einer Gemeinde sein, wo es nicht mehr möglich ist, kritisch zu hinterfragen. In den letzten 30 Jahren meines Christseins haben mich jene Brüder vorangebracht, die mir Korrektur boten.“ Daraufhin bekam Patrick Schmähungen von allen Seiten. Einer schrieb ihm z.B.: „Dummheit und Stolz sind geschnitzt aus demselben Holz! Gute Besserung!“ Der Pastor rief ihn abends um 22.30 Uhr an und kritisierte Patrick scharf, dass er ihn öffentlich bloßgestellt habe. Patrick fragte ihn daraufhin: „Wenn Du die öffentliche Lobhudelei von all Deinen 2.599 Anhängern erlaubst, dann solltest Du doch auch mal die eine kritische Stimme hören und nicht so beleidigt reagieren.“

Zu meiner Überraschung hatte Patrick sich nun einer russlanddeutschen Pfingstgemeinde angeschlossen, bei der er sich pudelwohl und überglücklich fühlte. Scheinbar hatte Gott die Enttäuschung mit dem Dieter dazu benutzt, damit Patrick endlich diese laue Freikirche verließ und sich einer strengeren, bibeltreuen Gemeinde anschloss. Durch seine fröhliche und offenherzige Art gewann Patrick schon bald die Herzen der Russlanddeutschen und er wurde sogleich ihr Techniker und Filmer (z.B. bei Feierlichkeiten oder Großtaufen), da er sich gut mit dem Internet auskannte. Doch als Patrick eines Tages einen Mitgliedsantrag stellte, erklärten die Ältesten der Gemeinde ihm, dass er nur aufgenommen werden könne, wenn er auch die Geistestaufe empfange und in Zungen sprechen könne. Patrick erklärte, dass er nach seinem Bibelverständnis die Geistestaufe für die Wiedergeburt halte, die er ja bereits erfahren habe und dass nicht alle Gläubigen zwangsläufig die Gabe der Zungenrede haben müssen („Reden etwa alle in Zungen?“ 1.Kor. 12:30). Der führende Bischof der Bruderschaft entgegnete, dass diese Bedingungen aber bei ihnen eine unverhandelbare Voraussetzung seien für eine Mitgliedschaft. Patrick erklärte: „Bruder Alexander, wenn Du mich nicht in die Gemeinde aufnehmen willst, dann verstößt Du gegen Römer 15:7 („Nehmt einander an, gleichwie Christus euch angenommen hat“) und wirst es einmal vor Gott verantworten müssen“. Nun meldeten sich auf einmal die Alten in der Gemeinde zu Wort, die Patrick durch seine Heiterkeit in ihr Herz geschlossen hatten und bestanden darauf, dass er unbedingt aufgenommen werden müsse, da er zum Leib Jesu gehöre und er eine absolute Bereicherung für die gemeinde sei. Schließlich gab der Vorstand nach und drückten bei Patrick ausnahmsweise mal ein Auge zu. Patrick war überglücklich, und die ganze Gemeinde freute sich, dass er nun voll und ganz zu ihnen gehörte.

Mit Butterbroten das Brot des Lebens verkündigen

Wie jedes Jahr wollten Ruth und ich auch diesmal wieder in Peru überwintern. Da die letzten Besuche in missionarischer Hinsicht reich gesegnet waren, hatte auch Ruth diesmal den Wunsch, mich bei den evangelistischen Einsätzen zu unterstützen. Wegen der großen Armut hatte sie die Idee, Wasserflaschen und Butterbrote an die Armen zu verteilen, denen ich das Evangelium Jesu Christi verkündigte. In Peru muss ja niemand wirklich verhungern, aber viele Peruaner hungern und dürsten nach Gerechtigkeit (Mt.5:6). Die Kommunisten im Land rufen ständig zum Aufruhr gegen die Regierung auf, und wir Christen müssen den Leuten sagen, dass ihr Hunger nach Gerechtigkeit und Vergeltung nur durch den HErrn Jesus gesättigt werden kann, wenn Er bald wiederkommt (Jes.40:10), wobei man jedoch zu Ihm gehören muss.

In den ersten Tagen nach unserer Ankunft hatten wir jedoch zunächst eine schwere Erkältung, so dass ich tagsüber mit Schüttelfrost im Bett blieb und las. Leider wurde es nachts dann noch schlimmer, denn ich hatte Fieber, Hals- und Kopfschmerzen und musste ständig ins Taschentuch schnäuzen, weshalb mir der Schlaf abhandenkam. „Ich werde des Umherwerfens satt bis zur Dämmerung“ sagte Hiob (Hi.7:4). Zudem kam, dass man in unserer Hochbausiedlung bis weit in die Morgenstunden laute Musik hörte, da immer irgendwelche Nachbarn gerade am Feiern waren. Ich dachte: Vielleicht sollte ich mal aufstehen, hingehen und sie im Geiste der Sanftmut ermahnen, dass sie doch mehr Rücksicht nehmen sollten auf die große Mehrheit, die schlafen wollte. Am Morgen lasen wir 2.Könige 4, wo es um Wohltaten ging, die Gläubige anderen tun, und zwar solchen, die zuvor auch selbst bereit waren zum Gutestun, weil Gott sich nichts schenken lässt. Elisa erkannte, dass die völlig verarmte Frau wenigstens etwas noch besaß, dass sich vermehren ließ, nämlich Öl. „Wer hat, dem wird gegeben werden und er wird auch noch übrighaben“ (Mt.13:12). Man kann sich natürlich fragen, warum die Hilfe Gottes oftmals erst sehr spät kommt. Meistens greift der HErr erst dann ein, wenn eine Lage aussichtslos erscheint, um uns zu zeigen, dass wir dennoch „nicht ohne Ausweg“ sind (2.Kor.4:8). „Gefäße“ sind Menschen, die offen sind für das Evangelium. Das erinnert mich an eine Begebenheit, als mein Schwiegervater damals in den 60er Jahren alleine im Gebirge mit dem Evangelium unterwegs war und auf einmal kein Geld und somit nichts mehr zu Essen hatte. Er hatte gebetet und den HErrn daran erinnert, dass Er doch versprochen hatte, dass Er Seine treuen Knechte nie Hunger leiden lassen würde (Ps.37:25). Doch als der Abend kam, ergriff ihn die Verzweiflung. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, hatte keine Übernachtungsmöglichkeit und fror in der Kälte. Er flehte unter Tränen zum HErrn, dass Er ihm doch jetzt Hilfe senden möge, da er doch schließlich mit dem Evangelium unterwegs sei. Als er gerade „Amen“ gesagt hatte, kam eine Frau vorbei namens Irma Bendezú und sprach ihn an: „Entschuldigen Sie, Sie sind doch der Prediger, der heute Vormittag auf dem Markt gepredigt hatte. Sagen Sie, haben Sie vielleicht Hunger? Ich lade Sie gerne zu uns nach Hause ein. Sie können auch bei uns übernachten.“ Luis dankte Gott und erzählte der Frau, dass dies kein Zufall sei, dass sie ihm begegnet sei, sondern von Gott so geführt. Beim Abendessen erklärte Luis der ganzen Familie das Evangelium, und nach einander bekehrte sich die ganze Familie. Er konnte sozusagen alle Gefäße mit Öl füllen, weil er völlig auf Gott vertraute.

Als es mir nach drei Tagen wieder besser ging, schmierte ich etwa 30 Butterbrote mit Wurst, Marmelade oder Karamell-Creme, um sie zusammen mit Bruder Ricardo am Nachmittag zu verteilen. Da klopfte es an der Tür und zwei ältere Damen stellten sich als Zeuginnen Jehovas vor. Ich erklärte ihnen, dass auch ich ein Zeuge Jehovas sei, aber kein Sklave der Wachturm-Gesellschaft. Sie fingen dann an, mir zu erklären, dass Gott einen Namen habe, bestritten jedoch dann meinen Einwand, dass Gott sogar viele Namen habe. Dann sagte ich: „Bevor wir weiterreden, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich als Christ an das Gebot in 1.Tim2:12 gebunden bin, dass eine Frau nicht lehren darf und ich als Mann dies deshalb auch nicht zulassen kann. Wenn Sie jedoch Fragen an mich haben, kann ich Ihnen diese gerne beantworten.“ Hier widersprach mir die eine der beiden „Es steht aber auch geschrieben: ‚Der Siegesbotinnen ist eine große Schar‘ (Ps.68:11). Wir lehren hier ja nicht von der Kanzel, sondern verbreiten das Evangelium!“ Ich dachte: Na, die kennt sich aber aus! „Sie brauchen mir aber gar nicht mehr das Evangelium zu verkünden, denn ich bin ja selber längst Christ. Aber wenn wir jetzt ein Lehrgespräch führen wollen, dann soll ich als Mann lehren nach der Schrift und Sie sollen lernen.“ Dazu waren sie jedoch nicht bereit und gingen wieder.

Gegen 15:30 Uhr kam dann Ricardo zu mir, und wir machten uns mit Traktaten und den geschmierten Sandwichbroten auf den Weg in die Innenstadt. Ich hatte mir zuvor extra mein T-Shirt mit dem aufgedruckten Bibelspruch in Spanisch angezogen: „Tut Buße, denn das Reich er Himmel ist nahe gekommen!“ Wir gingen in den Stadtpark, um unsere Butterbrote gezielt zu ärmlich aussehenden Parkbesucher zu verteilen. Ich sagte jedes Mal: „Entschuldigen Sie, ich habe ein kleines Geschenk für Sie...“ dann holte ich ein oder zwei Butterbrote aus dem Kasten und übergab sie mit den Worten: „Der HErr Jesus Christus ist das Brot des Lebens und hat sich für uns gegeben; wenn Sie Ihn haben, werden Sie nicht mehr hungern…“ Ricardo hat dann immer meine Worte ergänzt: „Aber Sie müssen erst Buße tun von Ihren Sünden und Jesus Christus um Vergebung bitten und nicht Maria oder irgend ein anderer Heiliger, denn nur Jesus ist der wahre Retter!“ Die Leute haben sich immer ganz herzlich bedankt und beteuert, dass sie auch an Jesus glauben und auch immer beten würden. Dann gab ich ihnen noch ein Traktat mit und wir gingen weiter.

Auf dem Plaza de San Martin begann ich nun zu Predigen und lud die Leute im Anschluss ein, Fragen zu stellen. Einer fragte, ob die katholische Kirche die Hure Babylon sei. Ich erklärte, dass es zwei katholische Kirchen gäbe, nämlich zum einen die „ganz Vollständige“ (griech. καθολικός), zu der alle Gläubigen aus allen Gemeinden aller Zeiten gehören, und zum anderen die Römisch-Katholische Kirche. In der Kirchengeschichte war die RKK über viele Jahrhunderte die alleinherrschende Staatskirche, zu der alle Christen gehören mussten, ob sie wollten oder nicht. Hier gab es also Überschneidungen des Begriffes „katholisch“. In dem Maße, wie die RKK sich des Staates bediente, um Andersgläubige auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen oder Kreuzzüge gegen Muslime zu führen, wurde sie zur Hure Babylon aus Offb.17+18, die den Glauben zur Durchsetzung gesetzloser Interessen missbrauchte. Einer der Zuhörer machte den Einwand, dass die wahre Kirche Jesu doch der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit sei (1.Tim.3:15) und der HErr doch verheißen habe, dass Seine Kirche nicht von den Pforten des Hades überwältigt werden wird. „Nach Ihrer Darstellung ist ja aus der Gemeinde des HErrn die Hure Babylon geworden, oder etwa nicht?“ – „Nein, so kann man das nicht sagen. Vielmehr ist es so geschehen, wie der HErr es im Gleichnis vom Acker beschrieb, dass der Teufel falsche Christen unter die echten streute, die die Aufgabe haben, falsche Lehren wie Sauerteig in das Feinmehl der gesunden Lehre hineinzumengen, bis die ganze Lehre durchsäuert ist, so wie der HErr es in einem anderen Gleichnis beschreibt. Es gibt viele falsche Dinge, die überhaupt nicht biblisch sind, z.B. die Marienverehrung, die Eucharistielehre, die Babytaufe, die Priester, der Vatikan, usw.“

Auf einmal erinnerte ich mich daran, dass wir von den 30 Butterbroten noch gut die Hälfte gar nicht verteilt hatten. Spontan bot ich den Zuhörern an, dass sie sich gerne bedienen dürften und sich jeder eine Stulle nehmen durfte. Im Nu war die Kiste leer. Dann fragten sie mich, zu welcher Gemeinde ich gehöre und ob sie mich mal besuchen kommen dürften. Ich gab ihnen meine Adresse und lud sie zu unserer Bibelstunde ein. Dann fiel mir ein, dass wir ja auch noch ein paar Schriften für Gläubige und Neue Testamente hatten. Als ich sie hervorholte, rissen sie mir diese förmlich aus der Hand. Um ein letztes Neues Testament gab es sogar noch ein Gezerre (Was für ein Unterschied zu Deutschland!).

Ein streitbarer Lehrer fiel unter die Räuber

Am Abend kamen Ricardo und seine Tochter Sara, sowie die Brüder Hugo und Edilberto zur Bibelstunde. Nach dem gemeinsamen Gebet, fing ich an, über die kirchengeschichtliche Bedeutung der Sendschreiben aus Offb.2 und 3 zu reden. Auf einmal klopfte es an der Tür und einer der Zuhörer vom Nachmittag trat ein, ein großer und sehr schlanker Mann mittleren Alters. Er stellte sich als Lehrer namens José-Jesus aus Piura vor, setzte sich und hörte unserer Unterredung still zu. Nach der Bibelstunde und Gebet gab Ruth ein Essen und Trinken an die Besucher. Auf einmal erzählte uns Bruder Edilberto (76), dass er sich morgen auf die Reise in den Urwald nach Pucallpa und Iquitos machen würde, um dort Traktate zu verteilen. Ich war ganz überrascht über diese Nachricht, denn das hatte ich gar nicht erwartet von diesem alten Bruder. Ruth sprang sofort auf, holte eine gewisse Summe von den Spendengeldern und ließ sie mich dem Bruder vertraulich übergeben. Wir beteten dann noch einmal besonders für diese Reise des Bruders und entsandten ihn mit dem Segen des HErrn. Als dann alle gegangen waren, fragte ich Jose-Jesus, ob er mal von sich erzählen wolle, wer er sei und woher er komme. Dann stand er flugs auf (wie ein Gefreiter beim Militär) und sagte mit ernster Stimme: „Mein Name ist Jose Jesus …, geboren bin ich am 11.09.1972 in einem Dorf … im Distrikt … als viertes von insgesamt sechs Kindern der Eheleute… usw.“ Ich dachte, dass ich das so genau eigentlich gar nicht wissen wollte und sagte: „Setz Dich doch wieder, José, und entspann Dich; wir sind doch hier unter uns und es reicht eigentlich, wenn Du nur kurz mal erzählst, wer Du bist und was Gott an Dir getan hat.“ Doch dann erzählte José anderthalb Stunden lang ohne Unterbrechung, was er alles in den letzten 20 Jahren seines Lebens erlebt hatte, und es war keineswegs langweilig…

Nach seinem Studium auf Lehramt wurde er vom Schulamt in den Nordosten des Landes entsandt in eine ländliche Region namens Ayabaca, wo er als Grundschullehrer arbeiten sollte. Dieser Landstrich war aber dafür bekannt und berüchtigt, dass er schon seit Jahrhunderten unter einer anarchistischen „Selbstverwaltung“ stand, auf die weder Polizei noch Militär Einfluss hatten, sondern mafiöse Familien-Clans nach Willkür und traditionellen Regeln herrschen, die von allen stillschweigend akzeptiert werden. Die Menschen leben dort in Endogamie, d.h. es gibt nur wenige Großfamilien, die alle miteinander verwandt sind, weil man immer nur untereinander heiratet. Die führende Familie, die hier hauptsächlich das Sagen habe, stamme von der Volksgruppe der Sarcos. Hierbei handelt es sich um sephardische Juden, die helle Hautfarbe, grüne Augen und z.T. sogar rotblonde Haare hätten. Sie stammen aus jener Vertreibung aus dem Jahre 1493, als Königin Isabel die Juden aus Spanien vertrieb. Diese hatten jedoch längst den katholischen Glauben angenommen, übten ihn jedoch mit einem eigenwilligen Götzendienst aus. Z.B. finden in den Kirchen keine Messen mehr statt, sondern stattdessen Hahnenkämpfe, bei denen sich die Einheimischen mit Zuckerrohrschnaps betrinken und sich häufig dann mit der Machete zum Spaß bekämpfen. Neben heidnischem Aberglauben und Schamanentum haben sie aber auch einen speziellen Götzendienst, indem sie ein riesiges Holzkreuz als eine Art Glücksbringer und Gottheit verehren und um dieses herumtanzten. Einmal im Jahr, zu einem bestimmten Fest, muss dann irgendein Mensch ermordet werden. Dieser Mord ist eine Art „Opfer“ und wird auch von niemandem geahndet.

Ich unterbrach José und wies ihn noch mal darauf hin, dass er es nicht zu ausführlich machen brauche, sondern mal auf den Punkt kommen möge. Er bat noch um etwas Geduld, denn diese lange Einführung sei wichtig gewesen, um zu verstehen, warum ihm alles Folgende passiert sei. Dann erklärte er, dass es in dieser bergigen Region jede Menge Lagunen gebe auf 2.800 m Höhe, wo die Leute Magie betrieben, und zwar wurde in bestimmten Lagunen weiße Magie und in anderen schwarze Magie betrieben. Wenn man sich also an einer Person rächen wolle, dann gab man den Hexern Geld, um diese Person durch eine Art Schaden-Zauber zu verwünschen. Und genau das sei ihm passiert, weil er es gewagt hatte, die örtliche Verwaltung wegen Korruption und Vetternwirtschaft zu verklagen, nachdem er seinen Lehrerjob 2003 plötzlich, unverschuldet und unrechtmäßig verlor zugunsten eines Familienmitglieds der Bürgermeisterin. In den darauffolgenden 10 Jahren führte er einen juristischen Krieg gegen die Behördenwillkür und musste plötzlich erleben, wie man ihn mehrfach sogar versucht hatte, umzubringen. Er wurde verleumdet, falsche Zeugen haben gegen ihn ausgesagt und Akten verschwanden plötzlich. Dennoch hatte er zwischendurch auch immer wieder Teilerfolge erzielt, so dass er seinen Glauben an die Justiz nicht aufgab.

Doch 2013 überstürzten sich dann die Ereignisse: er besaß ein kleines, altes Haus in Ayabaca, der Provinzhauptstadt, hatte aber ein Jahr lang bei seiner krebskranken Mutter in Piura verbracht, um sie zu pflegen. Doch als er zurückkam, erlebte er den Schock seines Lebens: sein Haus war verschwunden; man hatte es in der Zwischenzeit ohne seine Erlaubnis abgerissen und dem Erdboden gleich gemacht. Er beschwerte sich bei den Behörden und erfuhr, dass dies auf Anordnung jener Bürgermeisterin geschah, weil es angeblich Risse im Haus gab, die das Haus hätten zum Einsturz bringen und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährden können. Er verlangte sofort Schadenersatz und eine Herausgabe aller seiner Habe, die er sich mühselig in verschiedenen Lagerhallen zusammensuchen musste. Doch für einen Prozess fehlte ihm nun das Geld, um seinen Anwalt zu bezahlen, denn man hatte ihn inzwischen wegen angeblicher psychischer Instabilität die Lehrerlaubnis entzogen, so dass er kein Einkommen mehr hatte. Er machte daraufhin einen Sitzstreik vor seiner Schule, und musste plötzlich erleben, wie eine Gruppe von sechs Frauen ihn vor den Augen der traumatisierten Grundschüler so schwer mit Kabeln und Stöcken verprügelten, dass er ohne polizeilichen Schutz das Weite suchen und auf seiner Flucht auch noch von einem Hund gebissen wurde. Er zog nach Chimbote in ein billiges Hotel. Da er aber das Zimmer nicht mehr bezahlen konnte, wechselte man das Schloss und behielt sein restliches Hab und Gut als Pfand, inkl. seiner ganzen Papiere, bis er seine Schulden bezahlt hätte. Nun war ihm klar, dass er ein Opfer von Hexenmagie geworden war.

Er zog daraufhin 2014 nach Lima und erkrankte an der Tuberkulose. Doch 15 Tage, bevor seine Therapie beendet wäre, kündigte ihm dann auch noch die Privatkrankenversicherung. Schwerkrank mit einer hochansteckenden Infektionskrankheit musste er nun für die Fortsetzung seiner Therapie kämpfen, die ihm schließlich auch gewährt wurde. Er lebte inzwischen als Obdachloser auf der Straße und verdiente sich zwei Mahlzeiten am Tag durch das Sammeln von recycelbarem Müll, durch den er etwa 10 Soles pro Tag bekam. „Wenn ich aber nur 6 Soles verdiente, reichte es nur für eine Mahlzeit und ich musste hungern“. Dann erfuhr er plötzlich vom Tod seiner Mutter, was ihm völlig das Herz brach, denn sie war der einzige Mensch, der ihn liebte. Nun war ihm jeder Lebensmut entschwunden und er fragte sich, warum Gott dies alles zugelassen habe. Er weinte Tage und Wochen lang. Eines Abends im Juli 2019 fand ihn ein junges Ehepaar, wie er hungernd und frierend in einem Versteck kauerte. Die Eheleute waren evangelikale Christen. Sie nahmen ihn in ihr Haus auf, gaben ihm zu Essen, und er konnte sich duschen. Von nun an nahm er auch regelmäßig an den Gottesdiensten teil und wurde liebevoll wie ein Bruder behandelt. Da das Ehepaar ihn aber nicht länger bei sich wohnen lassen konnte, mietete der Bruder für ihn eine Ein-Zimmer-Wohnung an, die er selbst bezahlte. Er vermittelte ihm auch einen Job als Wärter für eine staatliche Gesundheitsbehörde, aber unter der Bedingung, dass er seine Schulden bei ihm nach und nach zurückzahlen müsse. Doch am 26.11.2019 wurde er in das Büro der Gebäudeverwaltung gerufen und man gab ihm eine Kündigung, da sich angeblich Besucher über ihn beschwert hätten, dass er unfreundlich gewesen sei.

Nun war er wieder arbeitslos und hatte Angst, dass er demnächst auch noch seine Wohnung wieder verlieren könnte, da er seine Schulden nicht bezahlen kann. Er traue sich schon gar nicht mehr, zur Gemeinde zu gehen, weil der Bruder dann erfahren würde, dass er seine Arbeit wieder verloren habe. Ich ging mit José-Jesus hinaus und wir setzten uns auf eine Parkbank: „Weißt Du, José, Du hast mir jetzt zwei Stunden lang Deine ganze Lebensgeschichte erzählt, und ich hätte nie gedacht, dass sie so traurig ist. Was ich allerdings vermisst habe, war, dass Du auch mal etwas über Deine Beziehung zu Gott sagst“. – „Wie meinst Du das?“ fragte er. „Naja, Du weißt ja, dass wir Christen sind, und deshalb versuchen wir immer, Gott in all unseren Überlegungen mit einzubeziehen, d.h. zum Beispiel zu fragen: Warum hat Gott das zugelassen? Was will Gott mir damit sagen? Glaubst Du eigentlich an Gott?“ – Zögernd antwortete er: „Natürlich glaube ich an Gott. Ich bin schon von Kind an gläubig.“ – „Du meinst katholisch gläubig?“ – „Ja, aber ich bin heute eher evangelisch gläubig, habe aber auch mein eigenes Bibelverständnis. Z.B. glaube ich nicht an die Dreieinigkeit und auch nicht an den Sonntag.“ – „Wann hast Du Dich denn bekehrt?“ – „Das kann ich eigentlich gar nicht sagen, ich habe ja schon immer geglaubt.“ Dann versuchte ich ihm behutsam zu erklären, dass es beim Glauben nicht allein um den Glauben an Gott geht, und erst recht nicht um bestimmte Lehrauffassungen, sondern darum, dass man durch den Glauben an das, was der HErr Jesus auf Golgatha für uns getan hat, eine Wiedergeburt erfährt und von Gott ein neues Herz bekommt. Ich erzählte ihm dann von mir, wie ich mich mit 16 J. bekehrt hatte, aber wie ich mich mit 46 Jahren noch einmal bekehren musste, weil ich zwischenzeitlich auch 18 Jahre lang ungläubig war.

Schließlich fragte ich ihn, ob er eigentlich in der Bibel lese. Er sagte, dass er eine ganze Weile darin gelesen habe, aber dass er in der letzten Zeit nicht mehr darin lese. Ich fragte ihn, warum nicht. Plötzlich sagte er mit stockender Stimme: „Mein Verhältnis zu Gott hat sich zuletzt sehr verschlechtert… Ich kann einfach nicht mehr an die Liebe Gottes glauben, – nach all dem, was passiert ist… Ich muss auch ständig an meine Feinde denken und an das, was sie mir angetan haben.“ Auf einmal fing er sehr stark an zu Heulen und zu Schluchzen. Ich nahm ihn in den Arm und redete tröstend zu ihm, dass Gott all dies erlaubt habe, damit er sich zu ihm bekehre und fortan all seine Hilfe beim HErrn suche. Er schluchzte unentwegt weiter und so blieben wir eine ganze Weile bis er sich beruhigt hatte. Dann fragte ich ihn, ob er bereit sei, jetzt sein Leben dem HErrn zu übergeben, damit Gott ihm ein neues Herz schenke. Er war dazu bereit, und wir beteten gemeinsam. Er betete, dass der HErr Jesus ihm doch all seine Schuld vergebe, dass er all die Jahre selber gekämpft habe, anstatt auf Gott zu vertrauen, und dass der HErr ihm doch endlich einen Neubeginn schenken möge durch Seinen Heiligen Geist. Wir sagten „Amen“ und umarmten uns. Ich fragte ihn, ob ich ihm eine Bibel schenken dürfe (zum Glück hatte ich diesmal wenigstens eine Verschenkbibel dabei). Ich ging in die Wohnung und holte sie. Dann gab ich ihm mal eine ausreichende Geldspende für die nächste Woche und erklärte ihm, dass wir uns nächste Woche wiedersehen würden zur Bibelstunde.

Eine christliche Kommune in Cajamarca

Für die neue Woche hatten wir eine Reise ins Hochgebirge geplant, und zwar nach Cajamarka (gesprochen Cachamarca), einer Ortschaft in einem Andental in 2.750 m Höhe. Die Stadt erlangte im Jahr 1532 Bekanntheit, weil dort der Inkakönig Atahualpa und der Marquis Don Francisco Pizarro zum ersten Mal auf einander stießen. Durch einen Überraschungsangriff töteten die Spanier auf einen Schlag 3.000 Indianer und nahmen Atahualpa gefangen. Man bot ihm die Freiheit an, wenn er es schaffen würde, dass seine Leute einen Raum von etwa 50 qm (1,5 Wohnzimmer) bis an die Decke mit Gold und Silber füllen würden. Der Inkakönig erfüllte sein Versprechen, doch die Spanier ließen ihn dennoch nicht frei. Knapp ein halbes Jahr später im Jahr 1533 wurde er von den Spaniern mit der Garrotte erwürgt.

Die Umgebung von Cajamarca ist sehr fruchtbar, ein Ort wo buchstäblich Milch und Honig fließen in solchen Mengen, dass er berühmt geworden ist für seinen Käse. Am nächsten Morgen stand der Besuch bei einer christlichen Kooperative auf dem Programm. Strenggläubige Christen hatten dort in der Nähe vor 35 Jahren ein Dorf nach dem Muster der Urgemeinde gegründet namens Porcón. Später eröffneten sie noch einen Zoo mit Wildtieren aus Peru, die dort in ihrem natürlichen Habitat leben. Als ich dies hörte, war ich natürlich sehr neugierig, weniger auf die Tiere als auf die Glaubensgeschwister. Nach 1,5 Stunden fuhr unser Kleinbus durch ein Tor in einen Wald hinein, in welchem alle 50 m ein großer Bibelvers auf etwa 1 qm großen Plakaten hing. Von einer Anhöhe aus konnte man dann die hügelige Landschaft sehen voll mit Tannen, die es hier in Peru eigentlich gar nicht gibt (im Gebirge gibt es nur Eukalyptusbäume). Der Touristenführer Miguel erklärte uns, dass dieses Grundstück von 12.000 ha ursprünglich vor 35 Jahren eine baumlose Ödnis war, die mit Hilfe von Spendengeldern aufgeforstet wurde, indem man 13 Millionen Nadelholz-Setzlinge einpflanzte, die aus Chile und Kanada geliefert wurden. Heute verdiene die Kooperative mit der Verarbeitung und dem Verkauf des Holzes, aber neuerdings auch durch den Tourismus.

Wir stiegen aus auf dem Dorfplatz, wo ebenfalls an jedem Haus Bibelverse hingen, meist aus den Psalmen, die z.T. ungewöhnlich und auch hochemotional waren, wie z.B.: „Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott“. Ich ahnte schon, dass die christliche Kommunität wohl auch sehr sittenstreng ist. Als nächstes fiel mir auf, dass die Bewohner alle Indios waren in ihrer traditionellen Tracht; ich sah keinen einzigen Weißen. Man sah Indiofrauen, die Kleider strickten bzw. aus einem Wollknäuel am Stab einen Wollfaden sponnen. Sie trugen ihre typisch indianische Kleidung, und in ihrem Laden verkauften sie Kunsthandwerk, das sie offensichtlich selber hergestellt hatten. Dann ging’s los; wir stiegen auf einen Hügel und sahen zunächst eine kleine Herde Vicuñas in unmittelbarer Nähe. Diese Lama-Art ist sehr selten, aber auch sehr scheu und zierlich. Ihr extrem weiches Fell gehört zu dem Teuersten, was es auf dem Textilmarkt zu kaufen gibt. In freier Natur bekommt man sie fast nie zu Gesicht. Dann gingen wir von einem Gehege zum nächsten und sahen Hirsche, einen Kondor, Rebhühner, Vicachas, Andenfüchse, Emus, jede Menge Greifvögel, Wildschweine, Löwen, Jaguars, Affen, Brillenbären und Papageien. Dann gingen wir zum Mittagessen in das dorfeigene Restaurant mit Blick auf die Küche, wo die Indiofrauen bei offenem Feuer das Essen zubereiteten. Es gab Alpakafleisch mit Reis und einem Maiskolben, aber ich hatte keinen Hunger, weshalb nur Ruth aß und mich probieren ließ. Ich wollte mehr über die Bruderschaft erfahren und sprach einen jungen Indio an. Er sei hier geboren und auch zur Schule gegangen, denn sie haben ihre eigene Grundschule und eine „Segundaria“. „Wie konnte sich die Kooperative eigentlich dieses riesige Grundstück leisten, da sie doch nur aus besitzlosen Landarbeitern bestand?“ wollte ich von ihm wissen. „Ursprünglich hatten es Amerikaner gekauft; aber dann wurde das Grundstück Anfang der 70er Jahre im Zuge der Bodenreform enteignet unter der Militärdiktatur von Präsident Velasco Alverado. Eine Gruppe von gläubigen Bauern unter Führung von Bruder Alejandro übernahmen dann das Grundstück, wurde aber später von Gläubigen aus den USA und Belgien unterstützt.“ – „Welcher christlichen Benennung gehört ihr an?“ fragte ich ihn. „Keiner. Wir sind einfach nur Christen und leben nach der Bibel“. – „Habt ihr Fernsehen?“ – „Die meisten nicht, aber es wäre nicht verboten.“ – „Und habt Ihr Internet?“ – „Ja natürlich.“ sagte er.

Als wir später wieder im Bus saßen, las ich in einem Heft näheres über die Entstehungsgeschichte von Granja Porcón: Ihr Gründer Alejandro Quispe Chilón (71) wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land auf und hatte auch nie eine Schule besucht. Zusammen mit seinem Bruder Felipe gründete er dort 1975 eine Landarbeiter-Kooperative und bekam zusammen mit anderen Kooperativen das 12.881 qm große Grundstück vom Staat überschrieben. Da sie jedoch kein Geld hatten und der Anbau von Gemüse viel zu wenig abwarf, lebten die Einheimischen zunächst weiter in bitterer Armut. Doch dann hatte Alejandro eine Vision: In Jes.41:19-20 las er: „Ich werde Zedern setzen in der Ödnis, … Zypressen, Tannen und Kiefern allzumal, damit sie sehen und erkennen und zu Herzen nehmen und verstehen, dass die Hand des HErrn dies gemacht hat, und der Heilige Israels es schuf“. Ausgehend von dieser Verheißung machte Alejandro in der Ratsversammlung der Kooperativen-Delegierten den Vorschlag, dass das hügelige Grundstück mit Tannen und Zedern aufgeforstet werden sollte. Die anderen Gesellschafter hielten ihn für verrückt und lehnten seinen Vorschlag ab. „Sollen wir etwa Holz essen?“ Er erwiderte: „Wir werden kein Holz essen, aber wir machen uns Essen mit dem Holz und verkaufen es weiter.“ Die Gesellschafter fragten skeptisch: „Wie viele Jahre werden wir warten müssen, bis die Bäume groß genug sind, um sie fällen zu können?“ Er sagte: „20 Jahre.“ Sie reagierten empört und sagten: „Wir brauchen heute etwas zu Essen und nicht erst in 20 Jahren!“ Daraufhin stiegen die allermeisten (im doppelten Sinne) „Ungläubigen“ aus diesem Projekt aus und zogen mit ihren Familien nach Lima in der trügerischen Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Diejenigen aber, die Gott vertrauten, blieben zurück und ließen sich mithilfe ausländischer Bürgschaften und Kredite Baumsetzlinge liefern, so dass Granja Porcón heute die größte künstliche Bewaldung in Peru ist und weltweit zu den erfolgreichsten Entwicklungshilfe-Projekten zählt.

In Granja Porcón leben derzeit ca. 1.200 Christen. Niemand besitzt ein eigenes Grundstück mit Haus, sondern alles gehört allen. Die Männer arbeiten zusammen auf den Feldern und in der Forstwirtschaft, während die Frauen sich gemeinsam um die häuslichen Arbeiten und die Auferziehung der Kinder kümmern. Auf 400 ha leben etwa 700 Kühe, Schafe und Lamas. Sie haben ein eigenes Sägewerk und stellen selber Möbel her. Zudem haben sie Becken, wo sie Forellen züchten und auch eine Imkerei. Sie leben also nahezu autark, was in der bevorstehenden Drangsalszeit sehr nützlich sein würde. Ich hatte den jungen Mann gefragt, ob auch eine ausländische Familie aufgenommen werden könnte. Er sagte: „Selbstverständlich, denn wir haben in unseren Statuten nur die Bedingung, dass man gläubig sein muss, ansonsten zählen weder Rasse noch Hautfarbe oder Sprache. Allerdings kann sich hier niemand ein Grundstück kaufen, sondern muss mit dem Prinzip der Gütergemeinschaft einverstanden sein.“ Na, das hört sich doch gut an!

Gesund an Körper und Geist

In der Berglandschaft von Cajamarca gab es sehr viele Sehenswürdigkeiten, z.B. Höhlen mit Petroglyphen aus der Prä-Inka-Zeit und auch jede Menge Aquädukte (Wasserkanäle), die schnurgerade in den Felsen gemeißelt waren wie bei den alten Römern. Nachdem wir eine ganze Woche lang Wanderungen in der Natur gemacht hatten, gingen wir am Samstag mal aus Neugier in eine Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten. Um 9:30 Uhr begann dort zunächst die sog. „Sabbatschule“, bei welcher sich die Gläubigen in mehreren Stuhlkreisen zusammensetzen, um über die täglichen Lektionen aus einem Sabbatschulheft zu sprechen. Thema war diesmal Nehemia 13. Ein älteres Ehepaar bat uns jedoch, dass wir uns als Gäste einmal kurz vorstellen sollten. Als sie erfuhren, dass wir aus Deutschland kamen, sagten sie, dass sie ebenso aus Deutschland seien und gerade zu Besuch wären bei ihrer Tochter, die mit ihrem peruanischen Ehemann in Cajamarca wohne. Nach der Bibelstunde wurden die Stühle wieder in Reihen zurechtgerückt, und der eigentliche Gottesdienst begann. Nachdem wir ein paar Lieder gesungen und gebetet hatten, kündigte der Pastor die Taufe eines 11-jährigen Mädchens an. Dabei musste das Mädchen vor der Gemeinde mehrere Fragen des Pastors mit den Worten: „Ich verspreche es!“ beantworten, was mich sehr stark an den Alten Bund erinnerte in 2.Mo.19, wo das Volk dem Mose ebenso ein Versprechen ablegte, dass sie eigentlich gar nicht zu halten imstande waren. Ist ein 11-jähriges Mädchen eigentlich überhaupt schon mündig bzw. „geschäftstüchtig“, um in einen Bund mit Gott einzutreten? fragte ich mich. Na ja…

Irgendwie konnte ich es nicht für einen Zufall halten, hier im peruanischen Hochgebirge Deutsche anzutreffen, denn man sah in dieser Region so gut wie nie Weiße. Ihnen aber ging es wohl genauso, weshalb uns das Ehepaar beim Hinausgehen ansprach, ob wir noch etwas Zeit hätten; wir setzten uns zunächst noch einmal hin und unterhielten uns. Roland und Delmira kamen aus Bad Fallingbostel und waren so wie wir erst seit zwei Wochen in Peru. Sie luden uns ein zu einem gemeinsamen Mittagessen bei ihrer Tochter, die in der Nähe des Flughafens wohne. Wir bedankten uns für das Angebot und nahmen es gerne an. Dass wir keine Adventisten sind, schien sie nicht zu stören, und ich vermied es, mit ihnen über den Sabbat zu diskutieren. Stattdessen kamen wir irgendwie auf das Thema Abendmahl, und Roland hielt einen ausführlichen Vortrag darüber, dass der HErr Jesus unmöglich „vergorenen Wein“ verwendet haben konnte, sondern nur unvergorenen Traubensaft, den er gemäß Joh. 2 als „guten Wein“ bezeichnete. Warum die Pharisäer den HErrn Jesus als „Trinker“ beschimpften oder die Korinther beim Abendmahl „betrunken“ waren, konnte er mir nicht erklären; stattdessen wusste er aber, wie man Traubensaft in der Hitze des Orients haltbar machen könne, und zwar indem man ihn luftdicht verschloss. Das hatte meine Frau übrigens auch mal gemacht, als sie fürs Abendmahl im Spanischkreis selbstgemachten Traubensaft mitbrachte; aber als ich die Flasche öffnete, spritzte der halbe Flascheninhalt sofort an die Decke. Da ich ihm aber nicht widersprechen wollte, behielt ich diese Erfahrung für mich.

Zum Mittag gab es zunächst einen Blattsalat mit Tomaten und Olivenöl und als Hauptgang einen Eintopf mit Gemüsesorten aus der Region. Vom Thema Alkohol kamen wir als nächstes auf das Thema Tabletten bzw. Medizin im Allgemeinen, und da erklärte Roland, dass er ein Arzt im Ruhestand sei. Diese Gelegenheit wollte ich nutzen, um ihn mal zu den Themen Bluttransfusion, Organspende und Impfen zu befragen. Zum Glück sah er es genauso wie ich, dass uns diese medizinischen Möglichkeiten von der Schrift her nicht untersagt sind, zweifelte jedoch, ob Impfstoffe oder Bluttransfusionen wirklich immer den Nutzen bringen würden, den man von ihnen erhoffe, sondern sah vor allem die Gefahr des Missbrauchs durch Profitgier. Dann kamen wir auf die rheumaähnliche Erkrankung meiner Frau zu sprechen. Er erklärte uns, dass Studien ergeben hätten, dass Menschen aus dem afrikanischen und asiatischen Raum (zu dem auch jene der indigenen Rasse zählen, da sie ja über Alaska den amerikanischen Kontinent bevölkert haben) keine Milchprodukte vertragen würden, da sie auf diese meist empfindlich mit entzündlichen Erkrankungen reagieren würden wie Rheuma oder Gicht. Überhaupt sei Milch normalerweise nur für den sofortigen Konsum bestimmt und ursprünglich bei einer gesunden Kuh auch nur in geringen Mengen verfügbar (4-5 Liter/Tag), während die Kuh ihr Kalb stillt. Die heutigen Kühe sind jedoch so hochgezüchtet, dass sie Jahr für Jahr bis zu 40 Liter Milch am Tag produzieren müssen.

Um das Wachstum von Nutztieren zur Schlachtreife zu beschleunigen, gibt man den Tieren vier verschiedene Antibiotika, die die selbstregulierende Wirkung von Darmbakterien unterbinden sollen, so dass die Tiere schnell dick werden. Diese Antibiotika nehmen wir aber durch den Fleisch- und Fischkonsum in uns auf, so dass sie auch bei uns das Übergewicht fördern und damit auch all die bekannten Zivilisationskrankheiten. Selbst wenn wir also von der Bibel her alles essen dürften, sei durch die moderne Massentierhaltung inzwischen fraglich geworden, ob Fleisch und Milchprodukte überhaupt noch „nützlich“ seien für den Körper. Die vegane Ernährung würde bei Schmerzpatienten wie Ruth zwar nicht zur völligen Heilung führen, aber sie würde die Krankheitsschübe ähnlich wie bei MS-Kranken deutlich reduzieren und den degenerativen Prozess der Erkrankung zum Erliegen bringen. Das hörte sich alles sehr überzeugend an, und wir beschlossen in dem Moment, dass wir von nun an zusammen eine vegane Ernährung anstreben möchte – nicht nur zum Schutz der Tiere, sondern auch zur Gesundmachung und Gesunderhaltung. Der HErr hatte also dieses Ehepaar dazu benutzt, um Ruth und mir hierin die Augen zu öffnen.

„Wirst Du zu 100 % errettet sein, wenn Du heute Nacht stirbst?“

Als wir wieder zurück in Lima waren, kam mein Schwager Walter zu Besuch, der eigentlich Ruth sprechen wollte wegen einer fehlerhaften Stromabrechnung. Ich bot ihm ein Glas Lúcuma-Saft an und wir unterhielten uns eine Weile. Ich fragte ihn: „Sag mal Walter, die Freundin, die Dich am Sonntag begleitet hatte, um uns vom Flughafen abzuholen – ist das nur so eine Bekanntschaft oder bist Du mit ihr auch intim?“ – Er antwortete freimütig: „Ja, ich schlafe mit ihr auch gelegentlich, ist doch klar!“ – „Aber Du weißt, dass das Sünde ist, denn Ihr seid nicht verheiratet miteinander“. Er entgegnete: „Aber das ist doch ganz normal und jeder andere Mann würde das doch auch tun!“ – „Aber Du bekennst doch, Christ zu sein. Dann bist Du umso mehr verpflichtet, die Gebote Gottes einzuhalten. Die Bibel nennt das Hurerei was Ihr tut, und die Hurer kommen nicht in das Reich Gottes!“ – „Im Grunde hast Du ja recht, Simon, aber wenn Gott so streng wäre, dann würde am Ende doch sowieso keiner gerettet werden, denn fast alle Männer haben schon Hurerei getrieben.“ – „Also ich bin jungfräulich in die Ehe gegangen und habe meine Frau auch noch nie betrogen.“ – „Ja, das mag ja sein; vielleicht gibt es 5 % aller Männer, die das noch nicht getan haben.“ – „Das Problem ist, dass Du das Wort Gottes nicht ernst nimmst. Aber ich sage Dir, dass Du verloren gehen wirst, wenn Du nicht Buße tust und damit aufhörst.“ – „Ich habe auch vor, damit aufzuhören.“ – „Aber noch nicht sofort? Stell Dir mal vor, Du hast morgen einen Herzinfarkt und stehst dann vor dem HErrn Jesus. Was wirst Du Ihm dann sagen wollen, wenn Er dich fragt, warum Du nicht umgekehrt bist von dieser Sünde?“ Walter sagte nichts. Da lud ich ihn ein, am Abend an unserer Bibelstunde teilzunehmen.

Ruth hatte die Idee, auch mal unseren direkten Nachbarn Antonio zur Bibelstunde einzuladen, mit dem sie früher zur Jugendstunde ging. Er war damals noch gläubig, ging aber dann in die Welt zurück und wurde zum Hurer und Alkoholiker. Sie fragte ihn und er sagte prompt zu. Wir beteten und Ruth bot allen belegte Brötchen an und ein Glas Limonade sowie eine Tasse Fencheltee. Dann predigte ich an Hand von Psalm 50 über das Gericht, das am Hause Gottes anfange und über die Notwendigkeit, Gott zu fürchten und Ihm dankbar zu sein, denn Gottes Zorn wird sich ja gerade über jene ergießen, die sich für schlauer hielten und keine Notwendigkeit zur Buße und Umkehr sahen. Als wir dann zum Schluss kamen, sagte ich zu Walter und Antonio: „Ich freue mich, dass Ihr heute mal bereit wart, dabei zu sein, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Euch einmal ganz ehrlich zu bekennen, dass Ihr Euch noch einmal zurückbekehren müsst zum HErrn, denn Ihr wisst, dass Ihr schon seit Jahren nicht mehr dem HErrn folgt. Wenn Ihr nicht umkehrt, dann werdet Ihr verloren gehen, denn Hurer und laue Christen wie Ihr werden nicht in das Reich Gottes eingehen, sagt die Heilige Schrift. Deshalb flehe ich Euch an, zum HErrn zurückzukehren, denn dies ist vielleicht die letzte Chance für Euch. Wenn Ihr morgen sterbt, dann müsst Ihr Euch 100 % sicher sein, dass Ihr dann beim HErrn seid…“ Ruth kniff mir in diesem Moment heimlich in die Seite, so als wollte sie mir sagen, dass ich nicht so hart reden sollte. Ich ließ mich jedoch nicht beirren, sondern fragte Walter direkt:

Glaubst Du, dass Du mit 100 %-iger Sicherheit errettet sein wirst, wenn Du heute Nacht stirbst?“ Zu meiner Überraschung sagte Walter: „Nein, sondern ich bin mir eher sicher, dass ich nicht errettet werde.“ – „Aber wenn Du das weißt, warum kehrst Du dann nicht heute noch zum HErrn um und bittest ihn wie der verlorene Sohn um Vergebung?“ fragte ich. „Weil ich nicht zu den Berufenen zähle. Mein Vater wollte ja, dass ich in seine Fußstapfen trete als Evangelist, aber am Ende hat Gott nur meinen Bruder Israel errettet, aber nicht mich, weil ich treulos war. Es ist in der heutigen Welt so schwer, ein frommes Leben zu führen, wie Du es beschreibst. Solche Christen wie Du sind ja ganz selten. Ich habe einfach nicht diese Gabe so wie Du und diesen Eifer. Ich kann das nicht und eigne mich nicht dafür. Aber ich hoffe, dass Gott mich trotzdem annimmt…“ – „Aber wir können ohnehin aus uns selbst nichts tun; wir sind von Gott abhängig. Aber genau darum geht es ja, dass wir uns von Gott verändern lassen,“ sagte ich. „Wir müssen einfach nur Gott gehorchen, so wie Schüler dem Lehrer gehorchen. Den Lernerfolg können wir ganz getrost Gott überlassen; wir dürfen nur nicht die Schule Gottes schwänzen, so wie Du es jetzt all die Jahre getan hast. Der HErr berücksichtigt auch, wenn wir irgendwelche geistigen oder charakterlichen Defizite haben. Es geht ja nicht darum, viel zu wissen, sondern darum, dass wir das Gelernte anwenden und umsetzen. Deine Mutter Lucila z.B. hatte nur eine sehr begrenzte Intelligenz, aber sie hat immer getan, was sie vermochte. Wem wenig gegeben ist, von dem verlangt der HErr auch nicht mehr, aber wir dürfen uns nicht dahinter verstecken, dass wir nicht genug begabt seien, um dann am Ende wie der faule Knecht mit leeren Händen da zustehen.“

Dann wand ich mich an Antonio und fragte ihn: „Und wie ist es mit Dir, Antonio? Ich habe gehört, dass Du mal einen guten Anfang genommen hattest mit dem HErrn, aber dann vom Wege abgekommen und wieder in die Welt gegangen bist. Heute ist die Gelegenheit, dass auch Du wieder zurückkehren kannst zum HErrn, indem auch Du Ihn im Gebet um Vergebung bittest und noch einmal ganz neu anfängst. Was meinst Du?“ Er sagte mit unterwürfiger Stimme: „Ja, es ist wahr, dass ich mich vom HErrn entfernt habe. Aber ich habe nie aufgehört, an Ihn zu denken...“ Dann hat er noch vieles weitere gesagt, aber ich habe ihn nicht gut verstanden, weil er sehr genuschelt hat. Ich schlug dann vor, gemeinsam zu beten, und dass jeder sich beteiligen möge, wenn er will. Als dann die Runde an Walter kam, betete er: „Gesegneter Vater, ich bitte Dich, dass Du mir meine Sünden vergibst, dass ich nicht dem HErrn Jesus gefolgt bin in den letzten Jahren. Ich bitte Dich, dass Du mich rettest, dass ich eines Tages auch in Dein himmlisches Reich komme. Bitte helfe mir, dass ich von jetzt an, Dir gehorche und Deinen Willen tu. Amen“. Nun betete Antonio und sagte: „Himmlischer Vater, auch ich bitte Dich, dass Du mich erneuern mögest, und dass … (unverständlich) … Amen“. Was für eine Freude, dass die beiden an diesem Abend Buße taten und ihren Wunsch äußerten, zum HErrn umzukehren! Möge der HErr in ihnen wirken, dass es doch nicht nur bei diesem Lippenbekenntnis bleiben möge, sondern auch noch echte Frucht entstehe! Wir standen auf und umarmten uns.

Das Schreien der Elenden vergisst Gott nicht  (Psalm 9:12)

Am nächsten Tag ging ich wieder in die Innenstadt von Lima. Da sah ich einen ärmlich gekleideten Venezolaner, den man sofort an seinen weichen Gesichtszügen erkannte. „Erlaubst Du mir, dass ich Dir ein wenig aus dem Wort Gottes erzählen darf?“ – „Ja, warum nicht.“ – „Weißt Du, was das Evangelium ist?“ – „Nein.“ sagte er. Dann erklärte ich ihm den Heilsplan Gottes und die Notwendigkeit einer persönlichen Gemeinschaft mit dem HErrn Jesus. Dann fragte ich ihn, ob er mal etwas von sich erzählen wolle, welche Erfahrung er bisher mit Gott gemacht habe. Juan-Carlos (26) kam vor einem Jahr nach Peru und hatte mittlerweile auch einen kleinen Aushilfsjob gefunden, durch den er sich über Wasser halten kann. Er fühlte sich jedoch sehr einsam, da er in Peru niemanden kenne und seine Familie noch in Venezuela blieb. „Juan-Carlos, ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass ich Dich angesprochen habe, sondern ich soll Dir vom HErrn ausrichten, dass Er Dich retten will. Möchtest Du das?“ – Er zögerte und war sehr verunsichert. Mit leiser Stimme sagte er: „Ja“. Wir beteten gemeinsam, und er bekannte seine Schuld vor Gott und seine Bereitschaft, den HErrn Jesus aufzunehmen. Ich beglückwünschte ihn zu seiner Entscheidung, lud ihn zu unserer Bibelstunde ein und tauschte noch mit ihm unsere Adressen und Telefonnummern aus.

Dann stand ich auf und ging weiter über den Platz, wobei ich Ausschau hielt nach Personen, die möglichst tatenlos auf den Bänken saßen, um sie anzusprechen. Da sah ich einen anderen traurig an einer Wand gelehnt stehen. Ich fragte ihn: „Was hältst Du davon, wenn wir uns mal hinsetzen, um miteinander zu reden?“ Statt Verwunderung spürte ich eher eine Art Erleichterung bei ihm über meinen Vorschlag und wir setzten uns. Ich wiederholte noch einmal, warum der HErr Jesus in die Welt gekommen sei und warum jeder Mensch umkehren müsse von seinem bisherigen Weg. Dann bot ich ihm an, doch mal etwas von sich zu erzählen. Mario sagte mit leiser Stimme: „Mein Leben ist bisher ein einziges Desaster gewesen. Im Grunde begann mein ganzes Elend, als ich aus dem Gefängnis kam…“ Ich unterbrach ihn: „Vielleicht solltest Du noch etwas früher beginnen. Wieso warst Du denn im Gefängnis?“ – „Na, wegen Raub. Ich war 7 Jahre im Gefängnis. Aber danach habe ich nichts mehr verbrochen“. Dann berichtete er mir, wie er versehentlich von einem Haus runterfiel und sich dadurch einen komplizierten Trümmerbruch am rechten Arm zuzog, durch welchen er nur eingeschränkt arbeiten kann. Da er nicht genug Geld nach Hause brachte, habe der Vater ihn aus dem Haus geworfen, so dass er seit einem Jahr auf der Straße lebe. „Ich bin völlig verzweifelt, weil ich kaum zu Essen habe und Angst habe, krank zu werden, weil ich mir keinen Arzt leisten kann. Ich bin ja bereit, jede Arbeit zu machen, wenn ich nur etwas Geld bekäme, um zu leben…“

Ich erzählte Mario die Geschichte vom barmherzigen Samariter, dass dies der HErr Jesus sei, der gerade solchen Menschen aus der Not helfen will, die sich als „halbtot“ erkannt haben, um sie von ihren Sünden zu heilen und in eine Herberge zu bringen. „Der HErr Jesus hat schon alles für Dich getan. Auch an Dich hat Er vor 2000 Jahren gedacht, als Er am Kreuz für Dich starb und Dir damit ein Geschenk gemacht, das Du nur noch willig in Empfang nehmen musst durch den Glauben. Willst Du errettet werden?“ – „Ja. Was muss ich tun?“ – „Bekenne dem HErrn Deine Sünden und bitte Ihn um Gnade und Vergebung, dann wirst Du gerettet.“ Ich fing an zu beten und gab ihm danach ein Zeichen. Dann betete er, allerdings so leise, dass ich fast nichts verstand. Ich sah jedoch, dass Tränen aus seinem Gesicht auf die Erde tropften. Dann umarmte ich ihn und hieß ihn in der Familie Gottes willkommen. Wir standen auf und spazierten etwas über den Platz (weil es dort, wo wir saßen, stark nach Urin roch). Ich erklärte ihm, dass ich bereit sei, ihm aus seiner Not zu helfen, soweit ich es vermag, aber dass er auch der Buße würdige Früchte bringen müsse. Dies hieße, dass er sich als nächstes taufen lassen und regelmäßig zu den Versammlungen kommen sollte. Wir würden ihm auch eine Bibel schenken, falls er sich keine leisten könne. Er sagte: „Selbstverständlich will ich all dies jetzt tun. Meine Frage wäre nur, ob Sie mir vielleicht etwas zu Essen geben könnten…“ – „Ja, kein Problem. Ich lade Dich ein, mit mir was zu essen. Und morgen Abend kommst Du zu unserem Hauskreis, einverstanden?“ Wir gingen in ein nahegelegenes China-Restaurant, und er bestellte für sich einen Arroz Chaufa (Reis-Teller mit kleinen Gemüse- und Fleischstücken) für ca. 2,- €.

Da ich noch etwas Zeit hatte bis Ruth kam, hörte ich einer Rede zu von einem dieser Kommunisten. Als dieser mich sah, erkannte er mich wieder und lud mich zu einer weiteren Debatte ein. Wie beim letzten Mal vereinbarten wir, dass jeder von uns nun jeweils immer 5 Minuten Zeit habe, um etwas ins Mikrophon zu sagen zu der Zuhörerschaft. Ich sollte anfangen und nahm das Mikrophon: „Liebe Leute, ich bedanke mich, dass ich diese Gelegenheit hier bekomme, über meinen christlichen Glauben zu sprechen. Was die politischen Ansichten meines Vorredners betrifft, so kann ich seine Wut über die Korruption der Politiker gut nachvollziehen. Diese Welt ist wirklich voller Ungerechtigkeit, und es wird Zeit, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Aber in dieser Welt wird es nie eine vollkommene Gerechtigkeit geben können, weshalb Gott, der Schöpfer dieser Welt, einen Tag bestimmt hat, an dem Er alle Menschen gerecht richten wird, und zwar durch Seinen Sohn Jesus Christus. Gott will eine neue Welt schaffen, in der Gerechtigkeit wohnt. Aber dazu muss erst der Mensch selbst erneuert werden durch den Geist Gottes ...“

Nach 5 Minuten nahm Andrés das Mikrophon wieder in die Hand: „Die Natur lehrt uns, dass der Mensch für den Kommunismus geboren ist. Seht Euch die Sonne an: sie scheint für alle Menschen! Seht Euch die Natur an: sie bietet Nahrung für alle Menschen! Welche Farbe hat das Blut? Jawohl! es ist rot!“ Das Publikum lachte und klatschte. In dem Moment tippte mir Ruth von hinten auf den Rücken. Ich wandte mich zu den Veranstaltern und zeigte an, dass ich nun leider gehen müsse. Ich hörte ein großes Seufzen in der Menge, nahm Ruth an die Hand und ging weg ohne mich umzudrehen.

– Der Streit über die Erbsünde, die Vorbestimmung und der Freie Wille – Was lehrt die Bibel?

 

Wir, die wir zuvorbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss Seines Willens“ (Eph. 1:11)

 

Kürzlich ist ein Streit ausgebrochen zwischen den beiden Bibellehrern Roger Liebi und Dirk Noll über die Frage der Auserwählung und des Freien Willens, zu dem ich im Folgenden Stellung nehmen möchte. Doch zunächst möchte ich betonen, dass ich in dieser Frage kein Experte bin, der schon einige hundert Abhandlungen zu diesem Thema gelesen hätte, die in den letzten 1900 Jahren bereits zu dieser Frage verfasst wurden. Tatsächlich bin ich bloß ein theologischer Laie bzw. Dilettant, der sich nur am Rande mit dieser Streitfrage befasst hat, da ich regelmäßig in der Bibel lese. Übrigens bedeutet das Wort „Dilettant“ nicht etwa – wie viele glauben – dass ich in völliger Unkenntnis des Sachverhalts einfach nur mal meinen Senf dazu geben will nach dem Motto „Es ist schon alles gesagt, nur eben noch nicht von allen“ (Karl Valentin), sondern dass ich aus Liebe zum Wort Gottes Freude daran habe, mich mit biblischen Themen zu beschäftigen (von ital. „dilettare“ = sich erfreuen, Spaß haben an etwas, vergl. engl. „to delight“ = sich ergötzen). Es ist also in Wirklichkeit keine Schande, ein Dilettant zu sein.

Was bedeutet „Erbsünde“?

Da es sich hier um einen rein theologischen Begriff handelt, der nicht in der Bibel vorkommt, gibt es unterschiedliche Definitionen des Wortes, die sich mit der Bibel weder belegen noch widerlegen lassen. Der Kirchenvater Augustinus (354 – 430 n.Chr.) lehrte, dass in Adam alle Menschen zu Sündern wurden von Geburt an, obwohl in Röm.5:12 lediglich gesagt wird, dass durch Adam die Sünde in die Welt hineinkam, „WEIL alle gesündigt haben“. Sein Zeitgenosse Pelagius (354 – 418) vertrat indessen die These, dass der Mensch nicht von Natur aus böse und unfähig sei zum Guten, sondern dass er erst durch seinen freien Willen zum Sünder werde. Er kritisierte Augustinus, der in seinen Augen Gott zum Urheber des Bösen mache, da Er den Menschen für etwas verurteilen würde, was angeblich in seiner Natur angelegt und unvermeidlich wäre. Stattdessen betonte Pelagius, dass der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sei und daher auch für seine Fehlentscheidungen von Gott zur Rechenschaft gezogen werden könne. Augustinus hingegen betonte, dass Gott allein den Willen des Menschen beherrsche und Er nach Seinem Belieben ihn begnadigen oder verwerfen könne, indem Er ihn seiner natürlichen Bosheit überließe.

Aus biblischer Sicht lässt es sich wohl kaum leugnen, dass der Mensch durch seine Lüste von Geburt an zur Sünde befähigt wurde, so wie David schreibt: „Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich empfangen meine Mutter“ (Ps.51:5). Trotzdem rechnet Gott dem Menschen die Sünde nicht als Schuld zu, solange er sich dieser gar nicht bewusst ist (Joh.9:41, Röm.5:13). Deshalb sagt Gott in 1.Mo.8:21, dass das „Dichten des menschlichen Herzens böse ist von seiner Jugend an“. Deshalb gibt es auch in der Gesetzgebung eine Strafmündigkeit erst ab dem 14. Lebensjahr (§19 StGB), weil man davon ausgeht, dass ein Kind zwar schon Straftaten begehen kann, aber erst als Jugendlicher ein Bewusstsein für dessen Folgen entwickelt hat (vergl. Röm.7:9-10). Der „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ steht symbolisch für das Gesetz Gottes, weshalb Adam und Eva plötzlich ihre Blöße vor Gott erkannten. Pelagius irrte jedoch, als er lehrte, dass der Mensch auch ein sündloses Leben führen könne, denn faktisch ist der natürliche Mensch dazu gar nicht in der Lage, was uns nicht nur das Wort Gottes sagt (Psalm 14 und 53), sondern unsere alltägliche Erfahrung (Pred.7:20). Aber auch Augustinus irrte, als er annahm, dass die Menschen schon von Geburt an vor Gott schuldig seien durch die Sünde Adams und dass Gott die Menschen nach Seiner Willkür zum ewigen Heil oder zur ewigen Verdammnis bestimmt habe (Prädestinationslehre). Denn zum einen wird Gott die Menschen nach ihren eigenen Werken richten (Offb.20:12), und zum anderen handelt Gott nicht willkürlich, sondern „nach Vorsatz“, d.h. nach klaren und fairen Regeln (Röm.9:11).

Was bedeutet „Vorherbestimmung“?

Die meisten Evangelikalen tun sich heute schwer mit dem Wort „Vorherbestimmung“ und meiden deshalb diesen Begriff, obwohl er mehrfach in der Bibel vorkommt (Apg.4:28, Röm.8:29-30, 1.Kor.2:7, Eph.1:5+11). Stattdessen wird lieber von einer „Entscheidung für Jesus“ gesprochen, die jedoch nirgends in der Bibel steht. Der Grund ist klar: Wenn der Mensch selbst sein Schicksal wählen kann, dann kann man Gott später dafür auch nicht verantwortlich machen, wenn der Sünder verloren geht, denn er hat ja selbst schuld daran, weil er zu Lebzeiten nicht das Heilsangebot in Christus angenommen hat. Diese Lehre vom freien Willen geht zurück auf den holländischen Theologen Jacob Hermann (1560–1609), der unter der latinisierten Form seines Namens Jacobus Arminius bekannt war und dessen Lehre deshalb auch Arminianismus genannt wurde. Im Unterschied zu Pelagius leugnete Arminius nicht die Verdorbenheit der menschlichen Natur, hielt den Menschen jedoch auch nicht für so verdorben, dass er nicht aus eigenen Stücken in der Lage wäre, das Heilsangebot Gottes anzunehmen oder abzulehnen. Die biblische Lehre von der Auserwählung Gottes integrierte er, indem er diese abhängig machte vom freien Willen der Menschen: Gott wusste in Seinem Vorherwissen, wer auf Seine Gnade mit Glauben antworten würde und erwählte diesen Menschen daraufhin. Im Gegensatz zu Augustinus betonte Arminius, dass das Heilsangebot für alle Menschen gelte, also prinzipiell alle gerettet werden könnten, wenn sie nur glauben wollen würden. Entsprechend hänge aber auch die Treue des Gläubigen von ihm selbst ab, so dass er später genauso gut wieder sein Heil verlieren könne, wenn er nicht im Glauben bleibe. Gott zwinge den Menschen also zu nichts, mache ihn aber für seine Entscheidungen voll umfänglich verantwortlich. Dadurch blieben Gottes Gerechtigkeit und Liebe gewahrt. Von einer echten Vorherbestimmung und Auserwählung Gottes kann aber nicht mehr die Rede sein, denn Gott wird dabei ja lediglich zum Erfüllungsgehilfen des Menschen, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt und sich sein Heil durch seine positive Entscheidung verdient. Im Gegensatz dazu stellt Paulus klar, dass unsere Errettung nicht von unserem Wollen und Mühen abhängt, sondern von Gott, der unseren Willen lenkt (Röm.9:16, Phil.2:13).

Wenn man den Abschnitt von Römer 9:11-23 unvoreingenommen liest, dann könnte man daraus folgern, dass Gott Seine Auserwählten dazu bestimmt hat, errettet zu werden und die Ungläubigen dazu bestimmt hat, verlorenzugehen. Entsprechend war diese doppelte Prädestinationslehre das logische Fazit von Johannes Calvin (1509 – 1564), der wie Luther allein die Gnade ohne eigene Werke vertrat. Wenn man jedoch den Zusammenhang beachtet, so bezieht sich Paulus nicht auf alle Menschen, sondern speziell auf seine „Verwandten nach dem Fleische, welche Israeliten sind“ (9:3). Zudem erwehrt sich Paulus hier gegen das unausgesprochene Argument, dass ein gerechter Gott dazu verpflichtet sei, alle gleich zu behandeln, indem Er entweder alle errettet oder niemanden. Und dann ist es zwingend nötig und unerlässlich, die ganzen drei Kapitel 9 bis 11 bis zum Ende zu lesen, weil sich Gottes Heilsplan an eine strenge Reihenfolge hält. Denn zum Schluss wird ja deutlich, dass am Ende der Zeit „ganz Israel errettet werden wird“, nachdem die „Vollzahl der Nationen eingegangen“ sein wird (V. 25). Der Ruhm von Gottes Souveränität besteht also darin, dass Gott „ALLE zusammen in dem Unglauben eingeschlossen hat, damit Er sich aller erbarme“ (V. 32).

Wer hat denn nun recht?

In diesem Sinne haben weder Calvin und Arminius recht: Die Calvinisten irren sich, indem sie Gott Willkür und Ungerechtigkeit unterstellen durch die Behauptung, dass Gott den Nicht-Auserwählten angeblich von vornherein die Möglichkeit nehmen würde, auch noch errettet zu werden. Dadurch machen sie Gott zum Lügner, wenn doch geschrieben steht, dass Gott „alle Menschen erretten will und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ sollen (1.Tim.2:4). Zugleich aber erklären sie die Gläubigen für unmündig und entheben sie aller Verantwortung, da sie ja angeblich die Gnade Gottes für unwiderstehlich halten und die Gläubigen ganz automatisch wie eine Märklin-Eisenbahn immer auf Gottes Gleisen rollen, ohne abbiegen zu können. Die Arminianer hingegen tun so, als würden sie völlig frei und souverän eine gute Wahl getroffen haben, so als ob sie sich beim Autokauf für das bessere Modell entschieden hätten. Denn der unbiblische Begriff „Entscheidung“ untertreibt völlig die Dramatik und absolute Gefahr, in welcher sich jeder Mensch befindet und degradiert die lebensnotwendige Rettung durch den HErrn Jesus zu einer plumpen Wahl zwischen mehreren Offerten, die völlig frei und ohne Druck getroffen werden könnten. Dabei verkennen sie die Worte des HErrn in Joh.15:16 „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern Ich habe euch auserwählt“, sowie in Joh.6:44 „Niemand kann zu Mir kommen, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe“. Wenn ich meine Errettung meiner eigenen Entscheidung für Jesus verdanken würde, dann raube ich Gott den Ruhm, der Ihm allein gebührt.

Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs zwischen Vorherbestimmung und Freiem Willen ergibt sich in dem Moment, wo wir Gläubigen unsere Verstockung und Denkfaulheit aufgeben, indem wir endlich „an alles glauben, was die Propheten geredet haben“ (Luk.24:25): Gott will wirklich alle Menschen erretten und zur Erkenntnis der Wahrheit führen, – jedoch nicht alle in diesem Zeitalter! Nirgendwo in der Heiligen Schrift finden wir auch nur einen einzigen Hinweis, dass die Möglichkeit zur Buße und Bekehrung mit dem jetzigen Leben verfällt und damit auch Gottes Möglichkeit, einen Sünder zu begnadigen. Im Gegenteil: In Joh.5:24-25, 1.Petr.3:19 und 4:6 lesen wir, dass auch den Gestorbenen das Evangelium verkündigt wird, die zwar dann noch gerichtet werden müssen, weil sie nicht zu Lebzeiten geglaubt haben, aber dennoch errettet werden. Der HErr Jesus ist gestorben und auferstanden, „damit Er HErr werde sowohl über Gestorbene wie über Lebende“ (Röm.14:9). Nur jene, die den Antichristen annehmen bzw sich selbst nach dem Tod nicht bekehren wollen und folglich auch nicht ins Buch des Lebens eingeschrieben werden, müssen noch in den Feuersee geworfen werden, um durch Gottes unmittelbares Einwirken mit Feuer und Schwefel zur Buße gebracht zu werden. Bei Menschen ist eine solche Umkehr undenkbar, aber bei Gott sind alle Dinge möglich, wenn Er Sein Endziel erreichen wird, einmal „alles in allen“ zu sein (Mt.19:26, 1.Kor.15:28).

Dass bei Gott „kein Ansehen der Person“ ist (Röm.2:11, Eph.6:9, 1.Petr.1:17), bedeutet nicht, dass Er allen Menschen die gleichen Vorteile geben muss und niemanden bevorzugen darf, sondern dass Er all Seinen Geschöpfen die gleichen Grundrechte gibt, zu denen auch die Möglichkeit der Errettung zählt. Dies lässt sich sehr gut am Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg erkennen (Matth.20:1-16): Alle bekamen am Ende das Gleiche und Vereinbarte, aber nicht alle mussten dafür dieselben Mühen aufwenden. Grund dafür ist, weil Gott auch Faktoren berücksichtigt, die wir in unserem begrenzten Urteilsvermögen leicht übersehen. Der HErr sagt z.B.: „Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel verlangt werden“ (Luk.12:48). Ein Auserwählter Gottes ist ein Mensch, der von Anfang an die besseren Startvoraussetzungen hatte, um nicht nur gläubig zu werden, sondern auch das Potential hat, außergewöhnlich viel Frucht zu bringen. Das bedeutet aber nicht, dass er diese Vorteile nicht auch vergeuden kann und am Ende sogar sein Heil wieder verliert. Die Gläubigen in Matth.7:22 hatten das Vorrecht, vom HErrn besonders begabt zu sein, aber sie lebten heimlich auch als Gesetzlose, was der HErr sah und weshalb Er sie verleugnete, weil Er nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollte (Vers 23). Ebenso aber gibt es viele Nicht-Auserwählte, die von Anfang an weniger Chancen hatten, gläubig zu werden, aber bei denen die Errettung überraschenderweise dennoch vor der Zeit gelang, was selbst sogar den HErrn Jesus immer wieder in Staunen versetzte (z.B. bei der kanaanitischen Frau in Mt.15:21-28). Die Worte des römischen Hauptmanns in Mt.8:8-10 waren für den HErrn so ungewöhnlich, dass Er sogar die gewagte These hinzufügte, dass am Ende mehr Benachteiligte am Tisch des HErrn sitzen würden als die ursprünglich berufenen „Söhne des Reiches“ (Mt.8:11-12).

Wer also „zum ewigen Leben verordnet“ ist und wer nicht (Apg.13:48), das kann sich jederzeit ändern, weil auch bei Gott die Zukunft nicht bis ins Letzte geplant, sondern z.T. offen ist. Unsere Fürbitte für alle Menschen ist nicht bloß ein formelles Ritual, das nichts bewirkt, sondern trägt einen enormen Anteil dazu bei, wie sehr die Errettung eines Menschen in der unsichtbaren Welt betrieben wird. Dabei stehen Gott und den Engeln viele Möglichkeiten zur Verfügung wie etwa Träume. Diese schenkt Gott aber nicht maximal zwei oder dreimal, sondern MINDESTENSzwei oder dreimal“ (Hiob 33:15-30), und zwar nicht aus Alibigründen, sondern weil Er wirklich jeden Menschen erretten will. Wenn dieses Vorhaben jedoch auch nach vielen Versuchen nicht gelingt, tut Er diesen Menschen erstmal beiseite (weshalb in Röm.1:26+28 nicht von einem „Dahingegeben“, sondern von einem „Beiseitegegeben“ griech. PARÄDOoKÄN die Rede ist). So war ja auch das alttestamentliche Volk Gottes zunächst „missraten in seiner Hand“ (Jer.18:4), weshalb Gott es für zwei Jahrtausende beiseite getan hat und sich erst am Ende der Tage wieder den Söhnen Israels annehmen wird (Hose 3:4-5, 6:2-3). Dass Gott schon Jahrhunderte zuvor mit Gewissheit die Errettung Israels beschließen und ankündigen kann, liegt daran, weil Er nicht auf das Einverständnis der Juden angewiesen ist, sondern die Errettung allein Sein Werk ist. Deshalb sagt Paulus: „Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leibe an abgesondert und durch Seine Gnade berufen hat, gefiel, Seinen Sohn in mir zu offenbaren, …“ (Gal. 1:15-16). Die Bekehrung von Paulus ist eigentlich ein Musterbeispiel, um zu erkennen, dass nicht der Mensch eine Entscheidung trifft zum Heil, sondern Gott allein, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

 

 

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