„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– „Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi“ Teil 11

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 33:

Huldrych Zwingli (1484-1531) 

Neben Luther war auch Zwingli ein großer Reformator, und zwar in der Schweiz. Zwingli wurde 1484 in Wildhaus im Kanton St. Gallen als Sohn eines wohlhabenden Bergbauern geboren. Bereits mit fünf Jahren verließ er die Familie und zog zu seinem Onkel nach Weesen, dem Dekan Bartholomäus Zwingli. Zehnjährig besucht er die Lateinschule in Basel. Danach wurde Zwingli Novize in einem Dominikanerkloster. Dort fiel er als guter Sänger und Musiker auf. Aufgrund seiner schulischen Begabung schickte ihn sein Onkel Bartholomäus an die Universitäten von Wien und Paris. In Basel schloss er schließlich sein Studium mit dem Titel des Magister Artium ab (1506). In dieser Zeit wurde Zwingli in Konstanz zum Priester der katholischen Kirche geweiht und als Stadtpfarrer nach Glarus berufen. Noch befand er sich weitgehend im Einklang mit katholischer Tradition und Theologie. Unter anderem organisierte er die Überführung eines angeblichen Splitters vom Kreuz Christi in die örtliche Kreuzkapelle. Von Glarus aus unternahm er eine Wallfahrt nach Aachen und zog zweimal als Feldprediger mit dem Schweizer Militär nach Italien. Die dabei beobachteten Grausamkeiten des Krieges ließen Zwingli zum Pazifisten werden, der Gewalt nur als letztes Mittel akzeptieren wollte.

Nebenher verbesserte er seine Griechisch- und Lateinisch- Kenntnisse, um die historischen Quellen der Theologie und Philosophie in Originalsprachen lesen zu können. Doch auch zur Bibel, die Zwingli nun intensiver auf Griechisch zu lesen begann, bekam er eine neue Beziehung: […] du musst […] die Meinung Gottes rein aus Seinem einfältigen Wort lernen. Da begann ich, Gott um Sein Licht zu bitten, und die Schrift fing an, mir klar zu werden, obwohl ich sie nur las.“ Außerdem stand Zwingli damals mit zahlreichen anderen Gelehrten in regem brieflichem Kontakt und organisierte die Gründung einer örtlichen Lateinschule. Zwingli zog sich 1516 in den bedeutenden Wallfahrtsort Einsiedeln zurück. Als Priester war er für Predigt und Seelsorge an der einfachen Bevölkerung zuständig. Da ihm die Deutung der Bibel allein aus dem Blickwinkel kirchlicher Dogmatik unzureichend erschien, ging er dazu über, Bibelstellen mit thematisch ähnlichen Stellen zu vergleichen und damit besser zu verstehen.

1519 wurde Zwingli auf Wunsch der Zünfte als Priester an die Hauptkirche Zürichs, das Großmünster, berufen. Aus Prestigegründen entschied man sich für den ehrgeizigen und gebildeten Priester, der bereits von sich reden gemacht hatte. Von Anfang an setzte er sich über die kirchlich verordnete Perikopenordnung hinweg und legte stattdessen die biblischen Bücher der Reihe nach aus, beginnend mit dem Matthäusevangelium. So wollte Zwingli seinen Zuhörern die Bibel im Zusammenhang vorstellen und auch wenig beachtete Stellen miz einbeziehen. Überhaupt wurde ihm die Bibel zum enzscheidenden Maßstab für Theologie und Gemeindepraxis. In den folgenden Jahren wandte sich Zwingli gegen die Verehrung von Bildern, Reliquien und Heiligen sowie das Zölibat und die katholische Interpretation des Abendmahls. Weil sie nicht aus der Bibel begründet werden konnten.

Im Laufe der Pestepidemie 1519 kümmerte sich Zwingli hingebungsvoll um Infizierte und ihre Angehörigen. Auch er selbst erkrankte so schwer, dass bereits Gerüchte von seinem Tod die Runde machten. Schließlich erholte sich Zwingli trotz abenteuerlicher medizinischer Therapien wieder. Zwinglis Forderung, der Bibel und nicht so sehr menschlichen und kirchlichen Konzepten zu vertrauen, führte vor Ostern 1522 zu einem demonstrativen Brechen der katholischen Fastengebote. Zwinglis Äußerungen erregten den Zorn Papst Hadrians VI., ihm Kanzelverbot erteilte und den Rat der Stadt Zürich aufforderte, den Priester als Ketzer zu ächten. Um diese Fragen katholischer Tradition öffentlich zu klären, kam es 1523 zur Ersten Züricher Disputation. In seinen 67 Schlussreden (Thesen) überzeugte Zwingli die Bürgerschaft, eigenständig über Fragen des Glaubens zu entscheiden mit der Bibel als Argumentationsgrundlage. Zwinglis Reformvorschläge wurden einstimmig angenommen: Heiligenbilder, Klöster, Prozessionen und Salbungen wurden eingeschränkt und abgeschafft. Im Anschluss an die Zweite Züricher Disputation 1523 wurden die Pfarrer verpflichtet, nur noch entsprechend biblischer Lehre zu predigen. Den Laien wurden mehr Rechte zugesprochen. Spenden für Messen für Verstorbene sollten nun den Schulen und der Unterstützung von Armen zugutekommen. Die Eucharistie wurde nur noch als Erinnerungsmahl gehalten, bei dem allen Gläubigen Brot und Wein gereicht wurde.

Zwischen 1524 und 1529 übersetzte Zwingli die Bibel (Züricher Bibel). Zeitgenossen beschrieben Zwingli als freundlich, rothaarig, im Essen und Trinken mäßig und hatte ein freies und fröhliches Gemüt. Zwinglis außerordentliches Erinnerungsvermögen half ihm in seiner ausgedehnten Arbeit, Die Paulusbriefe hatte er auf Griechisch auswendig gelernt. Große Teile des Alten und Neuen Testaments konnte er frei zitieren. Über seine Probleme und Glaubenszweifel sprach er kaum. 1522 heiratete er die Witwe Anna Reinhardt und führte mit ihr eine glückliche Ehe aus der vier Kinder hervorgingen.

Unter seinen Anhängern bildete sich immer stärker eine Fraktion heraus, der die Vorgehensweise des Reformators nicht konsequent genug erschien. Angesichts des bald erwarteten Weltendes lehnte diese Gruppe jede Vermischung mit Staat und Gemeinde vehement ab. Die wahrhaft Frommen sollten zusammenwohnen und sich von der Welt distanzieren. Sie verweigerten die Kindertaufe und praktizierten die Glaubenstaufe, weshalb der Züricher Rat massiv gegen sie vor ging. Nachdem Gespräche nicht fruchteten, wurden sie des Landes verwiesen. Sollten sie diesem Beschluss nicht Folge leisten, drohte ihnen die Hinrichtung. Felix Manz war 1527 einer der ersten von zahlreichen Wiedertäufern, der ertränkt wurde. Viele. Die flüchten konnten. Wurden andernorts von Katholiken. Lutheranern und Reformierten verhaftet und getötet. Nach einem ihrer Führer Menno Simons ließen sie sich Mennoniten nennen.

In den 1520er Jahren vertiefte sich ein Konflikt zwischen Zwingli und Luther. Insbesondere bei der richtigen Deutung des Abendmahls kamen die Reformatoren auf keinen gemeinsamen Nenner. Luther sah im Abendmahl das direkte Heilshandeln Gottes für den Glaubenden, während Zwingli dieses lediglich als Erinnerung an den stellvertretenden Opfertod Jesu Christi sah. Schließlich einigte man sich 1529 weitgehend bei einem Treffen in Marburg. Dennoch verlief die Reformation in Deutschland und der Schweiß in jeweils eigenen Bahnen.

In den folgenden Jahren (1526-1531) kam es zu einer sich immer weiter zuspitzenden Konfrontation zwischen katholischen und reformatorischen Regionen in der Schweiz. Schließlich suchten die Katholiken bei König Ferdinand von Österreich und Kaiser Karl V, Unterstützung, während die Reformierten in einem Bündnis mit Frankreich, Ungarn, Venedig und Hessen arbeiteten. An den sich aus diesen Konflikten ergebenden, kriegerischen Auseinandersetzungen nahm Zwingli als Feldprediger teil. In der Schlacht bei Kappel nahe von Zürich wurden die reformierten Truppen überraschend geschlagen (1531). Hier verlor auch Zwingli das Leben. Um die Züricher zu demütigen, wurde sein Leichnam gevierteilt und verbrannt. Der daraufhin geschlossene Zweite Kappler Landfriede führte zur Lähmung der Reformierten und einer Weile der Rekatholisierung besonders in den Regionen um St. Gallen und im Aargau.

Zwinglis Nachfolger in Zürich, sein langjähriger Mitarbeiter Heinrich Bullinger (1504-1575), festigte die Reformation und schuf mit dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis eine bis heute prägende Erklärung aller Reformierten der Schweiz. Zwinglis Schriften wurden schon zu seinen Lebzeiten viel gelesen und wirkten noch über Jahrhunderte hinaus nach. Die Züricher Bibelübersetzung geht auf seine Initiative zurück.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 34:

Matteo Ricci (1552-1610) 

Lange bevor im 19.Jh. englische Missionare wie Robert Morrison und Hudson Taylor in China das Evangelium predigten, gab es bereits Bemühungen der Assyrischen Kirche des Ostens im 8. und 10.Jh durch die Nestorianer, die die Uiguren und Keraiten zum Glauben führten. So kam es, dass Dschinghis Khan seinen Sohn mit einer christlichen Prinzessin verheiratete. Dennoch waren Fremde in China über Jahrhunderte nicht willkommen, besonders wenn sie für eine andere Religion oder Kultur werben wollten. Im 14.Jh. wurden alle Missionare des Landes verwiesen. Erst im 16.Jh. gelang es dem italienischen Jesuiten Matteo Ricci, das Vertrauen der Chinesen zu gewinnen, so dass der chinesische Kaiser Shen-tsung im Nachruf auf Matteo Ricci bezeugen konnten: „Er ist gekommen, uns Barmherzigkeit und Liebe zu lehren… Er ist wahrhaftig einer von uns geworden.“

Der frühreife Matteo wurde mit sieben Jahren schwer krank und beschloss bereits damals, in den Priesterstand zu treten. Es waren vor allem die Gedanken von Franz von Assisi, die ihn zeitlebens prägten. Doch schloss er sich dem neugegründeten Jesuiten-Orden an. Er erlernte als einer der ersten die chinesische Sprache, doch verwehrte man ihm zunächst den Zutritt ins Landesinnere. Deshalb erlernte Ricci als nächstes die Kultur, Philosophie und Denkweise der Chinesen, um sich ihnen anzupassen. Er ließ sich eine konfuzianische Gelehrtenkleidung anfertigen und übernahm den Lebensstil und die Höflichkeitsformen des Konfuzianismus. Ein weiterer Schritt auf diesem Weg war, dass er und seine Mitbrüder sich chinesische Namen gaben. Niemand sollte sie von nun an für Ausländer halten. Er wollte dem Christentum in China eine für Chinesen verständliche Form geben, die für sie annehmbar und in ihre eigene Kultur integrierbar war.

Das Studium der konfuzianischen Philosophie war also Teil seiner missionarischen Bemühungen. In den klassischen Büchern des Konfuzianismus fand er, dass die Chinesen schon immer ein höchstes Wesen angebetet hatten, den „Kaiser des Himmels“ (T´ein-ti). Auf Konfuzius aufbauend konnte seiner Meinung nach die christliche Mission die wahre Gotteslehre im Lande verbreiten. Ja, Ricci sah in dem alten, chinesischen Philosophen sogar ein Werkzeug Gottes zur Gewinnung Chinas zum christlichen Glauben. Für Ricci war das zentrale Problem der Mission die Frage der Übersetzung des Evangeliums, Übersetzen bedeutete für ihn einpflanzen des Evangeliums in den chinesischen Boden, und er war sich durchaus der Gefahr bewusst, dass dadurch die biblische Lehre verfälscht werden könnte. Daher übernahm er nur bestimmte Begriffe aus den Werken von Konfuzius, die den Chinesen bereits vertraut waren, gab ihnen jedoch eine neue, biblische Bedeutung. Dies funktionierte auch nur deshalb, weil der Konfuzianismus sehr viele Parallelen hatte zur biblischen Lehre. Die sich immer weiter verbreitenden Lehren des Taoismus und Buddhismus lehnte Ricci jedoch als abergläubische Verderbnis der Religion ab.

Die Grundidee des Gründers der Jesuiten, Ignatius von Loyola, zuerst bei den Gebildeten und Mächtigen Eingang zu finden, um später auch das Volk gewinnen zu können, setzte Ricci gezielt um, so dass ihm bald alle Türen offenstanden. Der bekannteste unter den Bekehrten war Hsü Kuang-ch´i aus Shanghai, der Großsekretär des Kaisers, der als solcher sehr einflussreich war in China. Er konnte seine Hand über die Kirche halten, wann immer sie in Gefahr war. 1595 ermöglichte er seinem Glaubensbruder Matteo, in der alten Gelehrtenstadt Nan-shan zu predigen, wo er später den Titel Shen-jen erhielt, den höchsten, den man damals in der chinesischen akademischen Welt erhalten konnte. Ricci war nun als Dr. Li-Ma-tou in den höchsten Kreisen der chinesischen Gesellschaft bekannt. Selbst der Kaiser wurde auf ihn aufmerksam. Beim zweiten Versuch, in die Hauptstadt und somit zur Zentrale der Macht vorzustoßen (1600), wurde er unterwegs ausgeraubt und sogar ins Gefängnis von Tianjin geworfen. Durch ein Schreiben des Kaisers wurde er wieder freigelassen und durfte in die Hauptstadt Peking kommen, wo er dann bis zu seinem Tod 1610 blieb. Der Kaiser, der ihn bald nach seiner Ankunft empfing, war von der Persönlichkeit des Fremden so beeindruckt, dass er ihn des Öfteren in den Palast befahl. Es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden, die es der Jesuitenmission ermöglichte, in Peking zu bleiben. Einer der Mitbrüder Matteos beschrieb ihre Missionsstrategie so: „Wir kleiden uns wie die Chinesen und essen, trinken und leben so wie die Chinesen. Die Zeit jetzt ist nicht eine Zeit der Ernte.“ Die Missionsarbeit Riccis wurde nach seinem Tod fortgesetzt vom deutschen Arzt und Mathematiker Johannes Schreck (1576-1630) und dem Astronom Adam Schall von Bell (1592-1666).

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 35:

Paul Gerhardt (1607-1676)

Obwohl Paul Gerhardt zu Lebzeiten kein herausragender Lehrer oder Missionar war, wirkt er mit seinen erbaulichen Kirchenliedern noch heute. Paul Gerhardt wurde 1607 in Gräfenhainichen nahe der Lutherstadt Wittenberg geboren. Sein Vater war Gastwirt und zeitweilig Bürgermeister des kleinen Ortes. Seine Mutter stammte aus einer evangelischen Pfarrersfamilie. Die ländliche Umgebung mit ihrer vielfältigen Natur hat den jungen Paul tief beeindruckt und Spuren in seinen Liedern hinterlassen. In der kirchlichen Schule des Ortes wurden dem Jungen Lesen und Schreiben, Glaubensinhalte und Musik nahegebracht. Mit zwölf Jahren verlor Paul seinen Vater, und zwei Jahre später starb auch die Mutter. Mit 15 Jahren kam Gerhardt auf die sächsische Fürstenschule nach Grimma. Die Erziehung in dem ehemaligen Augustinerkloster war streng. Die Zimmer waren unbeheizt, die Schüler trugen einfache Kutten. Der Tagesablauf begann um 5 Uhr früh. Dann wechselten sich Gebetszeiten, Andachten, Unterricht und praktische Arbeite miteinander ab. Besonders wichtig wurde die „reine lutherische Lehre“ und die Beherrschung des Latein genommen. Damals war die lateinische Sprache Grundlage aller höheren Bildung. Fast alle wissenschaftlichen Bücher und universitären Vorlesungen in ganz Europa waren in Latein. Kontakte der Schüler außerhalb wurden als unwillkommene Ablenkung verstanden und waren deshalb verboten. Einmal in der Woche gab es einen gemeinsamen Spaziergang.

Als 20-Jähriger schloss der Dichter die Schule ab, um an der Wittenberger Universität Theologie zu studieren. Auch dort verstand man sich als Hort der reinen, lutherischen Lehre. Besonders grenzten sich die Professoren von der katholischen und der durch Calvin geprägten reformierten Kirche ab. Neben der lutherischen Orthodoxie betonten einige Lehrer den praktischen Glauben und empfahlen Erbauungsbücher von Johann Arndt (1555-1621), z.B. seine „Vier Bücher vom wahren Christentum“.

Mehrfach wurde Gerhardt in diesen Jahren mit der Brutalität des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) konfrontiert. 1631 besuchte der Schwedenkönig Gustav Adolf als siegreicher evangelischer Feldherr Wittenberg. 1637 plünderten schwedische Soldaten Gerhardts Heimatdorf Gräfenhainichen und steckten die Häuser in Brand. Auch sein Elternhaus wurde dabei zerstört. Wenig später starben sein Bruder Christian und Tausende anderer Bürger an der Pest. Die Bilder von Krieg, Zerstörung und tödlicher Krankheit blieben Gerhardt lebenslang in Erinnerung und tauchten auch in seelsorgerlichen Liedern immer wieder auf (z.B. „Befiehl du deine Wege“). Nach Beendigung seines Studiums zog Paul Gerhardt als Erzieher und Privatlehrer nach Berlin. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich noch für unfähig und unwürdig, die Verantwortung eines Pfarramts zu tragen. Nahezu nichts unternahm Gerhardt, um seine Karriere voranzutreiben. In Berlin lernte er den Kantor an der St. Nicolai-Kirche kennen, Johann Crüger. Dieser hatte schon 1640 erfolgreich ein geistliches Gesangbuch herausgegeben unter dem Titel „Praxis Pietatis Melica. Das ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen“. Der Kantor überzeugte Gerhardt, hier achtzehn seiner Dichtungen zu veröffentlichen, darunter die Lieder „Wach auf mein herz und singe“ sowie „Nun ruhen alle Wälder“.

1651 wurde Paul Gerhardt schließlich mit 44 Jahren in Berlin als Pfarrer ordiniert und dann im 20 km entfernten Mittenwalde als Probst angestellt. Hier betreute er 700 Seelen des Dorfes. Mit dem Westfälischen Frieden (1648) war der Dreißigjährige Krieg inzwischen vorüber, doch die Spuren dieser zerstörerischen Zeit waren noch immer unübersehbar. In vielen Landstrichen waren bis zu 50 % der Bevölkerung durch den Krieg und die anschließenden Hungersnöte ums Leben gekommen. Weitere Menschen starben in den folgen Jahren an der Pest und anderen Seuchen. Felder lagen brach, der Handel war weitgehend zusammengebrochen, Häuserruinen erinnerten noch an die brutale Vergangenheit. Die Bevölkerung war sittlich verroht und geistig verwildert. Glaube und Religion hatten für viele einen negativen Zug bekommen. Mit großem Elan machte Paul sich daran, seine weitgehend brach liegende Gemeinde wiederaufzubauen. Viel Zeit investierte er in Predigten, Gottesdienste, Unterricht, Seelsorge und Hausbesuche. 1655 heiratete er die ihm längst vertraute Anna Maria Berthold (1622-1668) aus Berlin. Ihre erste Tochter Maria starb bereits in ihrem ersten Lebensjahr. Auch drei weitere Kinder Gerhardts verloren sehr früh ihr Leben.

Mit fünfzig Jahren wurde Gerhard als dritter Pastor an die Berliner Hauptkirche St. Nikolai berufen (1657). Dort arbeitete er mit dem sorbisch-stämmigen Kirchenmusiker Johann Crüger zusammen, in dessen Gesangbuch Gerhardt schon verschiedene Lieder veröffentlicht hatte. Mit diesem Pfarramt mitten in Berlin kam Gerhardt zu Ansehen und bescheidenem Wohlstand. In seiner Arbeit konzentrierte er sich auf den Katechismus-Unterricht und die Stärkung des geistlichen Lebens. Sicher trug der große Erfolg von Crügers Gesangbuch nicht unwesentlich zur raschen Verbreitung von Gerhardts Liedern bei. Die 29. Auflage erschien 1702 mit einem Vorwort des einflussreichen Pietisten Philipp J. Spener in Berlin. 1736 umfasste das Buch bereits 1316 Lieder und wurde von den Frommen im Land gerne benutzt. Paul Gerhardt steuerte dazu 95 seiner Dichtungen bei. Auch Crügers Nachfolger als Kantor, Johann Georg Ebeling, förderte die Verbreitung der Kirchenlieder Gerhardts wie etwa „Du meine Seele singe“ und „Die güldne Sonne“. Der bescheidene Gerhardt unternahm nichts, um sich in den Vordergrund zu spielen oder seine Lieder zu bewerben.

In seinen Dichtungen zeigt sich Paul Gerhardt sehr vielfältig und kreativ. Themen, Versmaß und Strophenbau variieren stark. Mit starken Ausdrücken und bunten Bildern hielt sich der Dichter zurück, was sicher dazu beitrug, dass auch spätere Generationen sich mit seinen Texten identifizieren konnten. Nach dem Muster alttestamentlicher Psalmen dichtete Gerhardt häufig mit Doppelungen. In seinen Liedern redet Gerhardt als Tröster und Seelsorger. Wichtig waren ihm die Bibel, die lutherischen Lehren, die Heilstaten Gottes, Sein Handeln in Natur und Menschenleben sowie der Blick auf die himmlische Ewigkeit. Einige Lieder können dem Kirchenjahr zugeordnet werden. Er dichtete allein sieben Weihnachtslieder (z.B. „Ich steh an Deiner Krippe hier“). Immer wieder fast Gerhardt in seinen Dichtungen Bibeltexte zusammen. Allein 26 beziehen sich direkt auf biblische Psalmen, vor allem mit der Bitte um Führung und Frieden (z.B. „Du meine Seele singe“). Die Bedeutung des Todes Jesu Christi am Kreuz besingt Gerhardt in „O Haupt voll Blut und Wunden“.

 

Lebenszeugnisse von Knechten Jesu Christi   Teil 36:

Blaise Pascal (1623-1662)

Heute ist er kaum noch bekannt, aber zu seiner Zeit war Blaise Pascal, der nur 39 Jahre alt wurde, ein absolutes Genie, sowohl als Wissenschaftler als auch als Christ. Im 17.Jh. steckte die Naturwissenschaft und die Aufklärung zwar noch in den Kinderschuhen, aber immer mehr Gelehrte wandten sich von der Bevormundung von der Kirche ab und vertraute auf Fortschrittsfähigkeit des menschlichen Denkens. Gegen diesen Trend setzte sich Blaise Pascal erfolgreich ein und wies auf die Grenzen des menschlichen Verstandes hin. Zu seiner Zeit galt Pascal nicht nur als Wissenschaftler, sondern zugleich als Ingenieur, Logiker und Philosoph. Nach ihm wurde die physikalische Einheit Pascal (Pa) für Druck und Spannung. Zentral für seine Weltsicht waren prinzipielle Überlegungen, die Gott und den Menschen betreffen: Wer ist Gott? Wer oder was ist der Mensch? Wie ist seine Stellung in der Welt und vor Gott zu begreifen?

Blaise Pascal wurde 1623 in Clermont-Ferrand in Frankreich geboren. Sein Vater war Jurist und arbeitete am Obersten Steuergerichtshof. Seine Mutter kam aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Nach ihrem Tod siedelte sein Vater mit ihm und seinen zwei Schwestern nach Paris um, als Pascal drei Jahre alt war. Blaise Pascal entwickelte sich zum mathematischen Wunderkind, obwohl er zunächst nur in den alten Sprachen unterwiesen wurde. Schon früh beschäftigte Pascal sich mit eifrig mit mathematischen und naturwissenschaftlichen Problemen. Mit elf Jahren verfasste er eine kurze Abhandlung über Schallerregung in schwingenden Körpern. Bereits als Kind leitete er die ersten 32 Sätze der Euklidischen Geometrie her. Früh wurde er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen und lernte dort den schon damals berühmten Philosophen und Mathematiker René Descartes (1596-1650) kennen. Bereits mit 18 Jahren quälten Pascal ständige Nervenschmerzen. Später gab er an, keinen Tag schmerzfrei verbracht zu haben. 1647 wurde er von einer Lähmung betroffen, die ihn zwang, sich fortan mit Krücken fortzubewegen. Ständig litt Pascal unter teils unerträglichen Schmerzen in Kopf und Bauch. Um die ständig kalten Beine und Füße zu wärmen, trug er immer mit Alkohol getränkte Strümpfe.

Damals gab es einen katholischen Theologieprofessor aus Holland, Cornelius Jansen (1585-1638), der lehrte, dass der Mensch allein aus Glauben ohne Zutun seiner Werke gerettet werde; doch schließlich bestimme Gott allein, wer gerettet werde und wer nicht. Im Gegensatz zu den französischen Jesuiten jener Zeit ging Jansen davon aus, dass der Mensch seinen freien Willen durch den Sündenfall verloren habe. Deshalb dürfe auch das logische Denken nicht überbewertet werden. Der Verstand sei dem vertrauenden Glauben weit unterlegen, wenn es um die Erkenntnis Gottes gehe. Die Sakramente ordnete er in ihrer Bedeutung einer persönlichen Beziehung zu Gott unter. Diese Gedanken wurden 1653 vom Vatikan durch eine päpstliche Bulle verurteilt. Als jedoch 1646 zwei Brüder, die diesen Jansenismus vertraten, über mehrere Monate im Haus der Pascals wohnten, um den hüftkranken Vater gesund zu pflegen, überzeugten sie den nachdenklichen Blaise von ihrer Lehre, so dass er sich in der Folge zum HErrn bekehrte.

Um nicht mehr an seine Zahnschmerzen denken zu müssen, löste Pascal eines Nachts so nebenher ein mathematisches Problem, an dem sich Generationen von Mathematikern die Zähne ausgebissen hatten. 1640 wurde sein Werk, die Abhandlung über Kegelschnitte, gedruckt. Diese mathematische Meisterleistung machte Pascal mit 16 Jahren in der wissenschaftlichen Welt schlagartig bekannt. Als Descartes dieses Manuskript las, schrieb er es Pascals Vater zu, da er nicht glauben konnte, dass ein Jugendlicher dazu fähig wäre.

Mit 19 Jahren erfand Pascal die erste Rechenmaschine, einem Vorläufer des Taschenrechners und Computers, die mathematische Operationen mechanisch ausführen konnte. Damit wollte er seinem Vater ein praktisches Instrument für dessen Steuerkalkulationen zur Verfügung stellen. Pascal fragte sich, ob man die endlosen Additionen nicht mit einem Mechanismus vereinfachen könnte. In wochenlanger Arbeit konstruierte er einen Apparat, mit dem er bis zu achtstellige Summen korrekt addieren konnte. Jahrelang arbeitete der junge Mann an Verbesserungen der Mechanik, bis er im Jahr 1645 die erste fehlerfreie Rechenmaschine der Öffentlichkeit vorstellen konnte. Leider konnte er in den folgenden Jahren gerade einmal nur 50 dieser Geräte an französische Finanzbehörden verkaufen. Dennoch versetzte es Wissenschaftler aus ganz Europa in Staunen.

Damals gingen viele Forscher noch von Annahmen aus, die sie bis dahin nie überprüft hatten. Pascal erkannte die Notwendigkeit von experimentell nachprüfbaren Beweisen für jede wissenschaftliche These und wurde dadurch zum Wegbereiter der modernen Wissenschaft. So beschäftigte sich die Gelehrten z.B. seit der Antike mit der Frage, ob es im Weltall ein Vakuum gäbe oder einen gas-ähnlichen Äther ähnlich unserer Atmosphäre. Pascal hatte die Idee, den Luftdruck zu vergleichen, der zwischen Berg und Tal ist, und maß diesen mithilfe eines gerade erfundenen Barometers auf den 1465 m hohen Berg Puy de Dime. Und tatsächlich war die Quecksilber-Säule oben viel niedriger als im Tal, so dass er damit indirekt den Beweis für eine Atmosphärenhülle um die Erde herum geführt hatte, welche die Erde vor dem eiskalten und luftleeren Weltraum schützt.

In den Jahren 1648 bis 1654 ging es Pascal gesundheitlich etwas besser. Er bezog eine luxuriöse Wohnung und hatte Bedienstete. Durch den Kontakt zu religionskritischen Glücksspielern versuchte Pascal die Gesetzmäßigkeiten des Münzwurfs zu ergründen, wodurch er die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsberechnung entdeckte. Bis heute werden diese Berechnungen z.B. von Versicherungsgesellschaften verwendet.

Seine Schwester Jaqueline machte sich Sorgen um ihren Bruder wegen seiner Leichtlebigkeit und ermahnte ihn, umzukehren. Sie betete, dass Gott ihn doch zur Buße führen möge. Dies geschah dann auch tatsächlich durch einen schweren Kutschenunfall, den Pascal wie durch ein Wunder überlebte. Pascal erkannte die Botschaft Gottes darin und veränderte seinen Lebenswandel auf radikale Weise. Seine Gottesoffenbarung schrieb er auf ein Pergament, das er in seine Weste einnähte: „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht der Philosophen und Gelehrten […] Gott Jesu Christi […], nur auf dem Wege, den das Evangelium lehrt, ist Er zu finden […] Tränen der Freude – Ich hatte mich von Ihm getrennt, den Quell lebendigen Wassers […]. Jesus Christus! Jesus Christus! Möge ich nie mehr von Ihm geschieden sein!“

Nach seiner zweiten Bekehrung unterwarf sich Pascal extremen Kasteiungen. Er enthielt sich angenehmer Speisen, unterdrückte die Gefühle natürlichster Zuneigung und verteilte großzügig Almosen. Immer stärker wurde der Glaube zum Ausgangspunkt seines Lebens und Denkens. In seiner Schrift Pensées („Gedanken“) legt Pascal die Schwächen des Materialismus bloß und entwickelt ein nach christlichen Maßstäben realistisches Menschenbild und argumentiert mit logischen Argumenten. In der sog. „Pascalschen Wette“ stellt er z.B. das Risiko einer unendlichen Strafe dem vergleichsweise geringen Risiko vergeblicher, irdischer Einschränkungen gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass es vernünftig sei, an Gott zu glauben, da der erwartete Gewinn den Einsatz unendlich kompensieren würde.

Kurz vor seinem Tod kam Pascal die Idee, etwas für die Armen in Paris zu tun, indem er die allererste Omnibuslinie erfand, und zwar die sog. „Fünfgroschenkutschen“. Zu diesem Zweck hatte Pascal an belebten Plätzen und Straßenkreuzungen umfassende Verkehrsbeobachtungen angestellt und ausgewertet. Damit wurde er indirekt zum Gründungsvater der Pariser Metro.

Als sein Gesundheitszustand sich immer mehr verschlechterte, war Pascal trotz seiner Entkräftung fest entschlossen, den ihm von Gott geschenkten Glauben in praktischen Taten sichtbar werden zu lassen. Er spendete viel und nahm 1662 eine arme Familie bei sich auf. Als eines der Kinder tödliche Pocken bekam, warf er die Familie nicht etwa aus dem Haus, sondern überließ die ganze Wohnung jener Familie und zog zu seiner Schwester. Für ihn war Krankheit der natürliche Zustand des Christen. Als er 1662 dann an einer Hirnblutung starb, erhielt er wunschgemäß ein Armenbegräbnis und vermachte die Hälfte seines Vermögens den Armen.

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