„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– „Such, wer da will, ein ander Ziel“ Teil 22

 

Juli – Dezember 2022

Besuch in Uganda

Im Juli rief mich Schwester Marie-Luise (Marlies) Krauß (73) an, die Schwester meines Freundes Joachim Krauß, die schon seit vielen Jahren Spenden sammelt für ein christliches Schulprojekt in Uganda. Marlies fliegt seit 2010 etwa alle zwei Jahre in dieses Land, um dort die Arbeit eines Missionswerks namens True Light Mission, das sich für mittellose Kinder einsetzt, zu unterstützen. Der langjährige Leiter John Katumba aus Kampala hatte sich 1994 durch einen Straßenprediger zum HErrn Jesus Christus bekehrt und setzte sich seit 1993 für Kinder in Uganda ein, um ihnen neben dem Glauben an unseren Erretter auch eine Schulbildung zu ermöglichen. Durch Spendensammlungen konnten inzwischen schon fünf Grundschulen und ein Kinderheim gegründet werden. Seit wir 2017 zum ersten Mal von diesen Projekten hörten, unterstützen auch wir sie regelmäßig durch Spenden und Gebet. Sie erklärte mir, dass sie Ende September wieder nach Uganda fliegen wollte mit ihrer Freundin Manuela Singer (58) und fragte mich, ob ich vielleicht diesmal mitfliegen könnte, da ein Maurer benötigt werde. Es ginge darum, dass jemand die jungen Brüder dort anleiten solle, wie man Mörtel anrührt und Wände verputzt, um Kosten zu sparen, da es zwar genügend arbeitslose Brüder gebe, aber nur wenige Erfahrung mit Bauarbeiten hätten. Da gerade der Rohbau für ein neues Kinderheim in Masajja fertig sei, gebe es jede Menge zu verputzen. Ich fand die Idee gut, zumal ich gerne mal wissen wollte, was aus unseren Spendengeldern dort entstanden war. Da Ruth mich jedoch nicht allein reisen lassen wollte, nahm ich sie kurzerhand mit, zumal wir im Sommer auch noch keinen Urlaub gemacht hatten.

So flogen wir also am 28.09.22 mit Marlies und Manuela zunächst nach Amsterdam, von wo aus wir das Flugzeug nach Entebbe (Uganda) nahmen und um 22:30 Uhr durch Gottes Gnade ankamen. Ein Teil der Großfamilie Katumba und leitende Mitarbeiter des Missionswerks hießen uns herzlich willkommen. Sie waren trotz der Wärme fast alle mit dunklem Anzug gekleidet. Obwohl es Nacht war, lag die Temperatur noch immer bei rund 25 °C. Von Entebbe fuhren wir dann eine Stunde lang zur Hauptstadt Kampala, wo die Familie Katumba am Stadtrand inmitten einer ärmlichen Gegend wohnt. Bei den Gesprächen im Auto bemerkte ich, dass die Brüder zu uns in afrikanischem Englisch sprachen, das ich nicht so gut verstehen konnte. Unter sich sprachen sie Luganda, eine von über sieben Sprachen, die es in Uganda gibt. Als wir um 1 Uhr nachts ankamen, hatte „Mama Jane“ (69) für uns ein Abendessen bereitet, das aus verschiedenen Gemüseschalen bestand, aus denen wir uns bedienen sollten. Nun erfuhr ich auch das Who-is-who der Familie: Der Vater John Katumba (76), der dieses Werk gegründet hatte, war im letzten Jahr an Corona gestorben. Zwei seiner Söhne und die älteste Tochter Petua führen dieses Werk nun weiter, wobei der Jüngste von ihnen, Samson Kamulgeya (30), von Beruf Architekt und der älteste Martin Sendagi (52) von Beruf Pastor ist. Schatzmeister ist Samuel Kiyemba Musoke (ca. 75). Die 70 Lehrer in den 5 Schulen inkl. der drei Leiter bekommen ein festes Gehalt von durchschnittlich ca. 80,- € im Monat. Die Buchhalterin des Missionswerks ist Petua Katumba (ca. 45), die Frau eines Pastors aus Wakiso, die beruflich in einer Autowerkstatt arbeitet. Petua war mit ihrem fröhlichen und starken Temperament die eigentliche Organisatorin und Motivatorin in den Gemeinden und Verwaltungsdirektorin der Grundschulen.

Als wir am nächsten Morgen aufwachten, rief der Muezzin die Muslime zum Gebet auf. Da wir erst um 3:00 Uhr ins Bett kamen, war die Nacht sehr kurz, als uns Samson um 8:30 Uhr vom Hotel abholte, wo wir untergebracht waren. Zum Frühstück gab es wieder Gemüse, Kartoffeln, Fisch und Fleisch (Brötchen oder Müsli sind in Afrika unbekannt). Danach fuhren wir ins Stadtzentrum von Kampala, wo wir Geld tauschen konnten. In Uganda besteht der dichte Verkehr zum großen Teil aus Motorrad-Taxis, Boda-boda genannt, auf denen oft 2 bis 3 Fahrgäste sitzen. Anschließend fuhren wir zur zwei Stunden entfernten Grundschule von Masajja im Süden Kampalas, wo auch die Kirche und das Waisenhaus sind. Tagsüber ist es etwa 30 °C warm und die Sonne steht wegen der Äquatornähe nahezu senkrecht am Himmel. Die lehmigen Landstraßen sind durch den häufigen Tropenregen voller Schlaglöcher und Rinnen, so dass schon eine Strecke von 50 km eine Tortur ist. Der lehmige Boden hat eine rot-orange Farbe; überall sieht man Bananenbäume, Ziegen und Rinder mit langen Hörnern. Allerdings sah ich keine Giraffen, Elefanten oder Gorillas, die es nach Aussage von Samson auch nur in abgelegenen Reservaten gibt. Überall in der Landschaft sah man kleine Häuser aus selbstgebrannten Backsteinen mit Wellblechdach.

Als wir in Masajja ankamen, wurden wir auf dem Schulhof von etwa 200 fröhlichen Kindern begrüßt, die alle Schulkleidung anhatten. Da alle Kinder geschorene Haare hatten, konnte man Jungen und Mädchen nur durch ihre Schulkleidung unterscheiden. Wir wurden zunächst von dem Schulleiter Andrew in den großen Gottesdienstraum geführt und sollten uns ganz vorne auf die Ehrenplätze setzen. Dann hielt der Schulleiter eine Rede, die von dem Gesang eines Kinderchors gefolgt wurde. Anschließend sollten alle 10 Lehrer auf die Bühne kommen und wurden der Reihe nach vorgestellt zusammen mit den Fächern, die sie unterrichten. Es war jeden Monat ein Gebetsanliegen und eine Herausforderung, dass die Gehälter der ca. 70 Lehrer und Lehrerinnen für alle fünf Grundschulen zusammenkommen. Die Gehälter werden durch Patenschaften mit deutschen Glaubensgeschwistern aufgebracht, die von Schwester Marlies dann in einer Summe regelmäßig nach Uganda überwiesen wurden. Dann sollten wir nacheinander die etwa 7 Schulklassenräume besichtigen, die um den Hof herum liegen. Schwester Manuela gab uns jeweils eine Haribo-Tüte, damit wir für jedes Kind beten und ihm eine Tüte in die Hand geben. Am liebsten hätte ich jedem der Kinder eine ganze Packung geschenkt, da sie ja sonst nie einen solchen Luxus bekommen. Als nächstes führte uns Andrew in das hinter der Schule gelegene Kinderheim. Da es etwa 40 bedürftige Kinder gab und nur 25 Betten, wurden Waisenkinder z.T. auch bei anderen Gläubigen als Pflegekinder untergebracht. Wieder sollten wir uns vor den versammelten Kindern setzen und eine Rede von Bruder Andrew hören. Da es an ordentlichen Toiletten fehlt, stach uns von dem nahegelegenen Toilettenraum ein stechender Uringeruch in unsere Nase, und mir wurde bewusst, dass diese Kinder Tag und Nacht diesem Geruch ausgesetzt sind. Danach zeigte man uns die vier kleinen Zimmer mit Etagenbetten. Schränke gab es nicht. Die Kinder hatten ohnehin nur wenig Kleidung, geschweige denn Spielsachen. Aber alles war sehr sauber und aufgeräumt.

Nach einem guten Mittagessen stiegen wir mit Samson auf holperigen Matschwegen bergab zu einem Neubau, der nur aus unverputzten Räumen bestand ohne Dach und Estrich. Samson erklärte uns, was in den einzelnen Räumen dieses neuen Kinderheims geplant sei und dass der Bau des etwa 100 m² großen Daches noch nicht möglich sei, da ein Teil der Summe (etwa 5.000 €) noch fehle. Marlies hatte bereits durchblicken lassen, dass sie über manche Geldausgabe verwundert sei. Man solle dem Esel, der drischt, zwar nicht das Maul verbinden; aber wir stehen in der Verpflichtung vor Gott, dass mit anvertrauten Geldern verantwortungsvoll umgegangen werde. Ich sagte, dass der Heilige Geist uns für die ausgewogene Verteilung von Mitteln den Rat der Zwölfe aus Apg.6:2-3 empfehle, wo es u.a. heißt: „Darum ihr, Brüder, seht euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die ein gutes Zeugnis haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind. Die wollen wir für diesen Dienst einsetzten.“ Ich hatte Marlies vor der Reise erklärt, dass jeder Konzern neben dem Vorstand immer auch einen Aufsichtsrat hat mit Buchprüfern, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern. Darüber hinaus müssten wohltätige Vereine immer einmal im Jahr auch einen Rechenschaftsbericht abgeben für die Verwendung der eingesetzten Mittel. Marlies bat mich daraufhin, ihr dabei zu helfen, dass in Zukunft mehr Transparenz bestehe, indem ich den Brüdern dort die buchhalterischen Normen in Deutschland erkläre.

Am nächsten Morgen holte uns Bruder Samson erneut vom Hotel ab, um uns zum Familienanwesen zu fahren, wo uns Schwester Rose ein Frühstück mit Kartoffeln, Reis, Nudeln, Bohnen und Bratfisch bereitet hatte. Während wir zusammen mit Marlies und Manuela von schönen Tellern frühstückten, füllte sich das Wohnzimmer mit jungen Männern. Ein gewisser Robert (32), einer der Söhne von Pastor Katumba, war für Malerarbeiten zuständig, und Peter (30), ein angehender Journalist, bekam ein monatliches Gehalt von 60,- €, um für das Kinderheim und bedürftige Familien Milch einzukaufen und abzuliefern. Adolf (23) stand kurz vor seinem Schulabschluss, Lawrence (26) war Schweißer und William (27) ist Elektriker. Die meiste Hausarbeit hatten die paar Frauen, die im Hof mit der Hand Wäsche wuschen, Essen kochten oder das Geschirr spülten.


Nicht nur materielle Not

Am Samstag stand zunächst ein Besuch bei der Familie von Petua in Wakiso auf dem Programm. Ihr Ehemann Samuel Kato Luubulwa ist der Pastor der dortigen Gemeinde. Petua hatte sich mal wieder fein rausgeputzt. Auf das bescheidene Äußere, das den Frauen in 1.Tim.2:9 und 1.Petr.3:3 geboten wird, wurde sie bereits hingewiesen. Mir fiel auf, dass wir bisher noch gar nicht gemeinsam in der Bibel gelesen hatten. Doch wird viel gebetet, gesungen und sogar gefastet (jeden Dienstag). Man befolgte auch die Unterordnung der Frauen unter die Männer. Ebenso trugen die höher gestellten Männer immer Anzüge, die jüngeren gewöhnliche Freizeitkleidung. Vor den älteren Brüdern gingen die Frauen zur Begrüßung immer auf die Kniee. Vor und nach dem Essen reichten sie in demütiger Haltung Wasser zum Händewaschen über einer Schale. Frauen aßen selten zusammen mit den Männern am Tisch, sondern aßen Mittag auf Bastmatten im Nebenraum.

Nach dem Mittagessen fuhren wir zur Kirche, wo der Gottesdienstraum, mit großen bunten Tüchern dekoriert war. Von ca. 150 Besuchern waren etwa 70 Frauen, 20 Männer und 60 Kinder. Bruder Samson hatte mich schon im Vorfeld gefragt, ob ich auch mal eine Predigt halten könnte, und zwar besonders „für die jungen Männer“. Zunächst hielt der Pastor Samuel eine Ansprache auf Luganda, die für uns auf Englisch übersetzt wurde. Als nächstes ging Petua nach vorne und zählte all das auf, was inzwischen erreicht wurde mit Gottes Hilfe. Sie stellte unser Team aus Deutschland der Reihe nach vor. Schwester Manuela, die schon das dritte Mal hier war, flüsterte mir ins Ohr: „Diese Lobeshymnen sind echt nervig, denn das machen sie jedes Mal.“ Als nächste sollte Marlies ein paar Worte an die Versammlung richten. Sie sagte das gleiche wie am Vortag: „Ich danke dem HErrn so sehr dass ich hier sein darf…“ Alle klatschten und machten dann jenes typisch arabische Jauchzen. Als nächstes hielt ich eine kurze Predigt über das Thema „Ehre von Menschen“, und dann erzählte ich die Geschichte von Gideon, damit auch die Kinder etwas von der Predigt hätten. Dann sagte der Pastor: „Lasst uns jetzt zwei Stuhlkreise bilden, damit die Manuela die Frauen unterrichtet und Bruder Simon eine Predigt für die Männer hält.“ Daraufhin gab ich ein Zeugnis, wie ich als Jugendlicher die Bibel lieben und schätzen gelernt hatte und jeden Tag drei Kapitel darin las. Dann fragte ich die jungen Zuhörer: „Wer von Euch, die lesen können, hat eigentlich noch keine Bibel?“ Es meldeten sich sehr viele, so dass ich überrascht war. Darauf versprach ich ihnen, dass sie im Anschluss alle eine eigene Bibel erhalten sollten, da ich wusste, dass Manuela welche mitgebracht hatte. Da klatschten alle und freuten sich darüber. Insgesamt wollten 12 eine englische Bibel und 20 eine Bibel in Luganda.

Am Sonntag fuhren wir dann zum Gottesdienst in die Gemeinde von Ntanzi, wo sich etwa 150 Kinder in einer langen Kette rechts und links der Zufahrt aufgestellt hatten, um uns mit Gesang und Klatschen zu begrüßen. Da sie uns aber schon viel eher erwartet hatten, mussten sie dort wohlmöglich schon lange in der Hitze gestanden haben. Ich war so gerührt von dem Anblick, dass ich spontan ausstieg, um die Kinder persönlich zu begrüßen. Ein Mädchen lief auf mich zu und umarmte mich. Dann kamen die Mitarbeiterinnen mir zur Begrüßung entgegen und ich sagte, dass alle Ehre allein dem HErrn Jesus Christus gebühre. Trotzdem sah ich all die Liebe in den Gesichtern der Kinder, dass sie so tapfer auf uns gewartet hatten ohne zu Jammern und zu Murren, wie es deutsche Kinder vielleicht getan hätten. Die Kirche war für so viele Kinder im Gottesdienst viel zu klein und war daher bis auf den letzten Fleck vollbesetzt. Viele Kinder konnten nur durch die Fenstergitter das Geschehen mitverfolgen. Es war so heiß, dass mir der Schweiß aus allen Poren schoss und ich am liebsten mein langärmliches Hemd ausgezogen hätte. Der Beginn war wieder die zweisprachig vorgetragene Lob- und Dankrede auf uns als Besucher und die Vorstellung der einzelnen Mitarbeiter. Nach ein paar Chorgesängen bat mich Bruder Andrew, am Wort zu dienen, und ich las aus 2.Tim.2:19, wo es um den „Namen des HErrn“ ging. „The word ‚name‘ means also ‚fame‘“ („Das Wort ‚Name‘ bedeutet zugleich ein guter Ruf“). Dann sprach ich davon, dass man den Namen des HErrn durch Untaten auch verleugnen könne, wie es das Volk Israel getan hat, so dass der HErr dann auch uns verleugnen müsse (2.Tim.2:12-13).

Nach dem Gottesdienst wurden die Stühle im Versammlungsraum zu einem Kreis verschoben und das Mittagessen in Schüsseln auf einem Tisch in der Mitte serviert, von denen sich jeder nehmen konnte, was er wollte. Dann zeigte mir Samson draußen die Grundmauern der geplanten Kirchenerweiterung und bat mich, den Geschwistern in Deutschland davon zu berichten. Anschließend führte er mich über die große Wiese zum Ende des Schulgeländes und erklärte mir, dass man wegen der vielen Kinder hier noch einen weiteren Klassenraum anbauen wolle, und dass ich auch darüber berichten soll. Schließlich berief Samson alle Brüder dieser Gemeinde in einen der Klassenräume, in dem die Stühle bereits im Kreis hingestellt waren. Es waren etwa 35 Brüder aller Altersstufen, die meisten von ihnen arme Bauern und Tagelöhner, wie mir Samson sagte. Nun hielt Pastor Martin eine Rede zu ihnen, die mir der Andrew übersetzte. Er erklärte, dass zwar genug willige Arbeiter vorhanden seien, aber dass es überall an Geld fehle, um die geplanten Projekte auch umzusetzen. Denn es müssen ja nicht nur Baumaterialien wie Steine, Sand und Zement besorgt werden, sondern diese arbeitslosen Brüder müssten auch entlohnt werden. Deshalb sei es so wichtig, dass ich diese Projekte in Deutschland bewerben solle. Ich wurde aufgerufen, dazu Stellung zu nehmen und erklärte, dass ich zwar vollstes Verständnis für ihre Wünsche hätte und auch alles tun würde, um diese Projekte vorzustellen, aber dass meine eigenen Möglichkeiten begrenzt seien und wir völlig vom HErrn abhängig seien, damit Er die Herzen der deutschen Geschwister zum Spenden anrege. Wir sind in Bremen ja nur ein kleiner Hauskreis, und die Geschwister alle noch jung und verhältnismäßig arm. Dann beteten wir gemeinsam und befahlen dieses Anliegen dem HErrn an, damit Er es segnen möge.

Am nächsten Tag fühlte ich mich schlapp und krank, weshalb ich mich entschied, mich mal einen Tag lang zu erholen. Eigentlich wollten die Geschwister mit uns in den Südwesten des Landes fahren zu der weit entfernt liegenden jungen Gemeinde in Kabusirabo und zu den Grundschulen in Kiryankuyege und Kasaka, wo es 187 bzw. 257 Schulkinder gebe, die so arm sind, dass sie nur eine Schulmahlzeit am Tag erhalten. Ich hustete fortlaufend und musste ständig niesen, so dass es unverantwortlich gewesen wäre, wenn ich mitgekommen wäre. Indes nutzte ich die freie Zeit, um in den wachen Zeiten einen Reisebericht zu schreiben. Ruth las währenddessen in der Bibel und an einem anderen Buch, um die Zeit zu nutzen. Um etwa 11:00 Uhr bekamen wir plötzlich Besuch. Drei Brüder des Missionswerks waren gekommen, um mit mir zu sprechen, und zwar Peter, Lawrence und William. Da sie das typisch afrikanische Englisch sprachen und zudem viel zu schnell redeten, musste ich sie immer wieder unterbrechen mit der Bitte, doch langsam den Satz zu wiederholen. Sie sagten, dass sie ohne das Wissen Samsons gekommen wären und baten mich, ihm auch nichts von diesem Treffen zu sagen. Sie gaben mir zu verstehen, dass sie nicht glücklich darüber seien, dass die Katumbas allein über unsere Zeit verfügten, und ich spürte, dass sie mir auch noch viel mehr sagen wollten über die Katumba-Familie, aber sich nicht trauten (zumal sie wirtschaftlich von ihnen abhängig waren). Als sie mich dann auch noch nach meiner Email-Adresse und meiner Handynummer fragten, um über WhatsApp in Kontakt zu bleiben, hatte ich schon die Vermutung, dass sie mich in Zukunft immer wieder anschreiben würden.

Trotz meiner anhaltenden Erkältung beschloss ich am Morgen, nach Masajja mitzufahren, denn ich hatte mich mit Bruder Samson und den anderen Brüdern für heute verabredet, um ihnen zu zeigen, wie man Wände verputzt. Als Schwester Marlies aus dem Zimmer kam und sich an den Frühstückstisch setzte, sprach ich sie wieder auf die mangelnde Transparenz im Missionswerk an. Ich erklärte ihr, dass es in großen Firmen auch immer einen Controler gäbe, der die einzelnen Abläufe in einem Unternehmen untersucht, um Geldverschwendung und Einsparungspotentiale aufzuspüren. Zudem seien Empfänger von Spenden auch immer dazu verpflichtet, die Zweckbestimmung der Ausgaben durch Belege nachzuweisen. In jeder Firma gelte: „Keine Buchung ohne Beleg“. Marlies stimmte mir zu und bedauerte, dass sie bisher nicht kontrollieren konnte, ob die Spenden auch wirklich gemäß der Zweckbestimmung verwendet wurden. Sie seien zwar alle immer sehr freundlich zu ihr, aber sie hatte mitunter das Gefühl, dass man sie nicht ernst genug nahm, da ihre Bitten oder Fragen mehrmals nicht beantwortet wurden.

Dann setzte sich Schwester Manuela zu uns und berichtete, dass die Schwester Petua die eigentliche Leiterin des Missionswerks sei, aber durch ihre teure Kleidung und die aufwendige Renovierung des Hauses tatsächlich der Eindruck bestünde, dass die Mittel zweckentfremdet wurden. Z.B. hatte der Metallbauer Lawrence draußen am Haus ein aufwändiges Geländer hergestellt, obwohl das Haus nicht zum Verein, sondern zu ihrem Privatbesitz gehöre. Auch wurde das Bad aufwendig renoviert und die Räume alle vom Maler Robert gestrichen, der beim Missionswerk angestellt sei. Was Manuela aber besonders befremdet habe, sei, dass in der Frauenrunde Petua dazu aufgefordert wurde, eine Stelle im Buch Jeremia vorzulesen und sie nicht auf Anhieb wusste, wo sich dieses Buch in der Bibel befinde. Wenn man bedenkt, dass sie als Pastorin bezeichnet wird und den Titel Reverend trägt, dann sei das doch wirklich ein Armutszeugnis.

In diesem Moment kam Samson herein, begrüßte uns und setzte sich. Ich setzte mich zu ihm und fragte ihn, ob wir mal etwas miteinander besprechen könnten. Dann fing ich an, ihm der Reihe nach unsere Änderungswünsche bezüglich der mangelnden Transparenz zu nennen und bat ihn, ob ich mal Einblick in die Buchhaltung nehmen könne. Auch gab ich zu bedenken, ob nicht aufgrund von Apg.6:3 der Leiterkreis um zwei neue Brüder erweitern wollen, damit durch kritische Stimmen „frischer Wind“ über die Entscheidungen wehen möge. Mein Wunschkandidat war Peter, und Manuela wollte gerne George dabeihaben. Mir ging es vor allem um die nicht gerade optimale Prioritätensetzung an: „Es kann doch nicht angehen, dass immer wieder neue Projekte begonnen werden, während die wichtigeren Projekte wie etwa der Neubau des Kinderheims noch gar nicht abgeschlossen sind!“ Zudem reiche es nicht aus, uns Spender einfach nur zu informieren über neue Entscheidungen des Vereins, sondern wir wollen einbezogen und gefragt werden. Samson entschuldigte sich für die gemachten Fehler, schlug aber vor, dass über die Änderungswünsche erst am Donnerstag bei der Jahresversammlung des Vereins gesprochen und abgestimmt werde.

Zum Schluss sagte ich noch zu Samson: „Ab jetzt werde ich nicht mehr an Gottesdiensten teilnehmen, wo eine Frau die Predigt hält. Du solltest aus der Schrift wissen, dass eine Frau in der Versammlung schweigen soll. Wenn ihr erlaubt, dass Petua reden darf, dann tragt Ihr dafür die Verantwortung.“ Nun schaltete sich Manuela ein und sagte, dass sie gerne mal mit mir über diesen Punkt sprechen wolle, weil sie darauf auch schon öfter in der Bibel gestoßen sei und deshalb nicht einverstanden sei, dass in ihrer Kirche neuerdings eine Pastorin predige. Dann fragte sie mich, wie diese Stelle in 1.Kor.11:2-16 zu verstehen sei, dass eine Frau ein Kopftuch tragen solle, da sie mal gehört habe, dass das lange Haar schon ausreiche als Verschleierung. So begann ich, ihr ausführlich den Grund und Sinn der Kopfbedeckung von der Schrift zu erklären am Beispiel eines Polizisten, der erst durch seine Uniform glaubhaft machen könne, dass er vom Staat zu hoheitlichen Aufgaben bevollmächtigt wurde. „Und so kann auch eine Ehefrau durch ihre Bedeckung im Gebet beweisen, dass sie von ihrem Ehemann bevollmächtigt wurde, direkt zu Gott beten zu dürfen ohne Hintergehung ihres Mannes. Dadurch verhindert sie, dass ihr Mann als Haupt geschändet werde. Die Engel wiederum achten darauf, ob sich die Frau an diese Regel hält oder nicht“. „Wo steht das in der Bibel mit den Engeln? Das habe ich noch nie so gehört.“ Dann las sie es nach und wurde völlig überzeugt: „Simon, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie dankbar ich Dir bin, dass Gott Dich benutzt hat, um mir über diese Frage die Augen zu öffnen. Ab jetzt will auch ich beim Gebet immer ein Kopftuch tragen!“ – „Das freut mich sehr.“ sagte ich.

Zum Schluss erzählte mir Manuela noch, dass die True Light Mission in diesen Tagen in einer Krise sei, da Pastor Vincent Kateregga aus Bukomero ohne Abstimmung mit dem Leiterstab seit einiger Zeit eine eigene Missionsarbeit betreibe, indem er ohne Erlaubnis der TLM-Mission und der Behörden mit dem Bau eines Mehrgenerationenhauses für Waisen und arme alte Leute begonnen habe. Deshalb hat man ihn erst mal seines Dienstes enthoben und wolle morgen Vormittag eine Aussprache mit ihm führen.


Nicht nur buchstäbliche Baufälligkeiten

Nach dem Mittagessen machten wir uns auf, um nach Masajja zu fahren. Zur dortigen Gemeinde gehört die Schule und das Kinderheim, sowie der Neubau eines zweiten Kinderheims. Beim Einsteigen in den Jeep schaute mich Petua ernst an und lächelte nicht mehr, wie sie es sonst tat. Hatte Samson ihr berichtet, dass ich ihre Finanzverwaltung angezweifelt hätte? Auch Ruth fiel ihre ernste Miene sofort auf. Als wir nach anderthalb Stunden in Masajja ankamen, hielten wir zunächst vor dem Haus von Pastor Fredy, der uns zu einer kleinen Erfrischung einlud. Sein Haus war extrem ärmlich, und man erzählte uns, dass es bei Regen regelmäßig durch das Wellblechdach tropfte. Hinzu kam, dass eine der Außenwände aus nicht gebrannten Steinen gemauert wurde und dadurch nicht sehr stabil sei, so dass das Haus bei starkem Regen zusammenstürzen könne. Schwester Manuela erzählte uns, dass Fredy ein ganz demütiger und geistlicher Mensch sei. In der Coronazeit habe man z.B. allen Gläubigen verboten, sich in Kirchen zu versammeln. Pastor Fredy sei aber trotzdem jeden Sonntag zu Fuß hinaufgestiegen zur Kirche, habe die Türen verschlossen und dann stundenlang allein gebetet. Er war vor seiner Bekehrung ein obdachloser Alkoholiker gewesen. Eines Tages sei er nachts in die Kirche von Pastor Katumba gegangen, um seinen Rausch auszuschlafen. Als am nächsten Morgen Gottesdienst war, schlief er während der ganzen Predigt noch immer. Als er dann erwachte, hörte er wie Pastor Katumba dazu aufrief, dass alle nach vorne kommen sollen, die ihr Leben dem HErrn Jesus übergeben wollen. Fredy hatte nur verstanden, dass er nach vorne kommen solle. Noch völlig benommen gehorchte er, ohne zu wissen, was man von ihm wolle. Er sprach brav das Gebet nach und rief den Namen des HErrn an. Augenblicklich wurde er frei vom Alkohol, ließ sich saubere Kleidung und einen Platz zum Schlafen geben und wurde ein treues Kind Gottes. Er ging dann auf eine Bibelschule und wurde Pastor. Zusammen mit John Katumba und dem alten Sam Kiyemba gründeten sie dann schließlich dieses Schulprojekt. Als wir gingen, gab ich dem Pastor eine größere Spende von Geschwistern aus Deutschland.

Als wir kurz danach in der Schule ankamen und ausstiegen, würdigte mich Petua noch immer nicht eines Lächelns. Ihr Bruder Samson erklärte mir, ich könne den Brüdern hier auf dem Schulhof anhand eines Mauerstücks in drei Meter Höhe, wo der Putz abgefallen war, zeigen, wie man eine Wand verputzt. Er hatte einen Sack Zement mitgebracht, den ich dann mit dem vorhandenen Sand mischte. Die Brüder holten mir eine selbstgebaute Leiter, hatten jedoch keinen Eimer, sondern nur einen Kanister, der in der Mitte aufgeschnitten war. Alles war so sehr improvisiert, dass ich schon befürchtete, es würde nicht funktionieren. Selbst die Glättekelle hatte einen wackeligen Griff. Zunächst erklärte ich den etwa 15 Männern den Aufbau einer Putzschicht: „Erst eine dünne Schlämme, dann eine dicke, trockene Mörtelschicht und zum Schluss wieder eine dünne Schicht zum Glätten“. Nun rührte ich den Putz an, stieg mit dem Putzbehälter auf die extrem wackelige Leiter und hatte das Problem, dass ich den schweren Putzbehälter nirgendwo an einem Haken anhängen konnte. Selbst eine Bürste zum Nässen des trockenen Mauerwerks hatten sie nicht, weshalb sie mir einen Becher Wasser hochreichten, den ich an die Wand spritzte zum Befeuchten. Wir mussten alle lachen über all die Improvisation. Dann fing ich an mit dem Verputzten, während alle mir zuschauten. Als der Behälter leer war, stieg der nächste mit neu gefülltem Topf auf die Leiter und setzte das Verputzen fort, wobei er sich äußerst geschickt anstellte. Auch den zweiten gab ich ein deutliches Lob und sagte: „Ihr seht: es ist gar nicht so schwer.“ Anschließend zeigte ich ihnen noch, wie man zum Verputzen einer Leibung ein Schalbrett anlegt, wie man eine Decke verputzt durch Zugabe einer Kunststoffemulsion und was die Ursache für Salzausblühungen sind bzw. wie man eine Horizontalsperre macht. Der Architekt Samson übersetzte jede meiner Erklärungen. Alle waren sehr fröhlich und dankbar für das Gelernte.

Dann ging der Schulleiter Andrew mit uns in einen der Klassenräume, wo wir uns alle um eine lange Tischreihe herumsetzten. Er hielt einen sehr professionellen Vortrag über die soziale Situation in Uganda und speziell über die Not der vielen arbeitslosen Familienväter. Viele ständen unter Druck, weil sie ihren Frauen kein Haushaltsgeld zur Verfügung stellen könnten. Und Liebespaare könnten nicht heiraten, weil der Mann den Brautpreis von umgerechnet mehreren hundert oder tausend Euro nicht aufbringen könne. Man merkte an seiner eloquenten Ausdrucksweise deutlich, dass er mal ein BWL-Studium absolviert hatte. Dann kam er zu seinem eigentlichen Anliegen: Um den etwa 15 Brüdern im Alter von 20 bis 40 Jahren eine gesicherte Arbeit zu ermöglichen, hatte er die Idee, eine Bauhandwerkerfirma zu gründen, die alles aus einer Hand anbiete, zumal es unter den Anwesenden sowohl einen Elektriker, einen Metallbauer und einen Maler gäbe. Um die Leistungen zu bewerben, solle ein kleiner Baumarkt gegründet werden, bei dem es nicht nur um den Verkauf von Werkzeugen, sondern auch um das Gewinnen von Kunden gehe, die sich die Arbeiten selbst nicht zutrauen. Ich fand die Idee gut. Die monatliche Miete einer Halle würde etwa 160 € betragen; und die Ausstattung läge bei ca. 7500 €. Hinzu kämen noch weitere Kosten von etwa 1.400 €, so dass man Spenden oder ein Darlehen bräuchte von etwa 9.000 €. Ich kam mir vor wie ein Bankangestellter, der über die Bewilligung eines Kredits entscheiden muss.

Nun stand ich auf und erklärte den Brüdern, dass wir alle völlig abhängig seien von der Hilfe des HErrn, denn neben der regelmäßigen Spende, die ich jeden Monat an Marlies per Dauerauftrag überweise, kann ich nur Werbung machen für ihr berechtigtes Anliegen, aber Gott müsse die Herzen der Gläubigen berühren. Ich versprach ihnen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um dieses Anliegen bekannt zu machen. Dann erwähnte ich unsere Überlegung, die Schwester Marlies in Zukunft zu entlasten, indem ein deutscher Missionsverein sich um die Verwaltung der eingehenden Spendengelder kümmern könnte. In diesem Moment stand Samson auf und ging hinaus. Musste er bloß auf Toilette? Oder wollte er diese Neuigkeit schnell seiner Schwester Petua mitteilen? Zuletzt fügte ich noch hinzu, dass sie in mir nicht einen Wohltäter sehen sollten, sondern im Gegenteil eher einen Schuldner, denn gemäß dem Wort Gottes sei ich als relativ Reicher vor Gott schuldig, ihnen wenigstens einen Teil meines unverdienten Wohlstands zukommen zu lassen und sie mir deshalb statt Lob lieber Vorwürfe machen sollten, wenn ich dies unzureichend tue. Dann lachten und klatschten alle, so dass es mir wieder unangenehm war, im Mittelpunkt zu stehen. Wir beteten noch gemeinsam und gingen dann hinaus.

Im Hintergrund hörte man die ganze Zeit lautes afrikanisches Getrommel vom Schulhof her. Auf einmal kam Ruth angelaufen und sagte aufgeregt: „Simon, Du musst mal unbedingt schauen, was die Jugendlichen dort im Schulhof machen! Die tanzen dort und wackeln mit ihren Hüften – das ist ja fürchterlich! Wo haben sie so einen gottlosen Tanz bloß gelernt?!“ Ich ging mit Ruth dort hin, aber da hatten sie gerade aufgehört, als ich kam. Ruth sagte: „Das war total dämonisch! Das dürfen die Lehrer nicht erlauben!“

Als wir am Abend endlich losfuhren, fiel mir auf, dass wir in die entgegengesetzte Richtung fuhren. Samson erklärte, dass uns Bruder George zu sich nach Haus zum Abendessen eingeladen hatte. Wieder wurden wir nicht zuvor informiert. Aber sie meinten es ja nur gut. Auch George wohnte in einem ärmlichen Haus, das viel zu klein war für seine 11-köpfige Familie. George hatte neben seinen vier eigenen Kindern noch fünf Waisenkinder aufgenommen, da er selbst mal ein Waisenkind war. Obwohl er mit einer Tochter von Rev. Katumbas verheiratet war und ihnen treu diente, war er nicht in der Leitung des Missionswerkes, „da er aus der Unterschicht kam“ (wie Manuela mir erklärte). Trotz ihrer Armut hatten George und seine Frau uns ein reichhaltiges Abendessen zubereitet mit vielen Getränken. Und als ob dies nicht schon zu viel des Guten wäre, bekamen alle deutschen Geschwister auch noch ein wertvolles Geschenk, nämlich je ein typisch afrikanisches Kleidungsstück und eine schöne Einkaufstasche mit der aufgenähten Silhouette Afrikas. Als wir uns verabschiedeten, gab ich auch ihm eine finanzielle Unterstützung.

 

Verdacht der Veruntreuung

Spät in der Nacht, als wir schon im Bett lagen, rief mich Schwester Manuela an und sagte, dass sie eine Nachricht empfangen habe, die sie ziemlich verunsichert habe. Es handele sich um WhatsApp-Nachrichten von jener Lehrerin, deren Vater Vincent Kateregga vom Missionswerk als Pastor jetzt entlassen wurde, weil er sich beschwert hatte, von ihnen betrogen worden zu sein und deshalb angedroht hatte, geheime Machenschaften von True Light Mission auszuplaudern. Die Tochter namens Teddy habe behauptet, dass die Familie Katumba sich an Spendengeldern bereichert hätte. Wir vereinbarten, am nächsten Tag darüber zu sprechen. Anschließend sprach ich mit Ruth noch lange in der Nacht über diesen ungeheuerlichen Vorwurf. Wie kann es sein, dass Christen Spendengelder veruntreuen! – wenn denn dieser Vorwurf überhaupt zutraf und nicht etwa aus Rachegründen frei erfunden wurde. Aber was wir bisher gesehen hatten, deutete darauf hin, dass der Vorstand von TLM nicht besonders geistlich war, denn immerhin legten sie ja offenbar viel Wert auf Menschenehre und Eigenlob (vergl. Joh.5:44). Wussten sie denn nicht, dass es fleischlich ist? Immer wieder warnte Paulus hier vor dem falschen Rühmen, was schon im AT verpönt war: „Es rühme dich ein anderer und nicht dein Mund, ein Fremder und nicht deine Lippen“ (Spr.27:2). Man musste zwar wirklich anerkennen, dass die Verantwortlichen sehr viel für die Kinder getan hatten in der Vergangenheit und ein großes Werk aufgebaut hatten mit 70 Lehrern und ca. 1000 Kindern, die Monat für Monat versorgt werden mussten. Man bekannte zwar immer, „völlig von Gott abhängig zu sein“, aber warum betonte man immer wieder das bisher Erreichte?

Um 8:00 Uhr klingelte mein Handy. Der kleine Adolf (22) fragte, ob er uns heute in die Innenstadt von Kampala begleiten könne. Wir sagten sofort zu, zumal wir wieder Geld wechseln mussten. Als Adolf kam, stiegen wir mit ihm in eines der Sammeltaxis ein. Es war wieder sehr heiß und ich schwitzte aus allen Poren. Adolf erzählte uns, dass er vom Land käme, aber seine Eltern mit den vielen Kindern überfordert waren. Deshalb verließ er mit 14 Jahren sein Zuhause und zog nach Kampala, um Arbeit zu finden. Zur Schule war er bis dahin noch nie gegangen. Eines Tages im Jahr 2014 wurde er von Pastor John Katumba auf der Straße gefunden. Dieser brachte ihn zu sich nach Hause und ließ ihn fortan bei sich wohnen. Bruder John bezahlte auch die Schulgebühr für ihn, so dass er mit 14 J. eingeschult wurde. Das war der Grund, warum er erst jetzt mit 22 Jahren zum Jahresende die Sekundarstufe beenden würde. Nachdem wir Geld gewechselt hatten, kauften wir ein wenig Obst ein (1 kg Maracuja kosten hier rund 0,40 € und eine große Avocado sogar nur 0,25 €). Der Lärm und die vielen Menschen stressten uns so sehr, dass wir nur noch wegwollten. Auf dem Rückweg erzählte uns Adolf, dass seine Eltern nie eine Toilette besaßen und er ihnen gerne eine Toilette kaufen würde. Seine Eltern hätten ihn bei Besuchen schon gefragt, warum er immer noch nicht in der Lage sei, die Familie finanziell zu unterstützen, zumal er schon so lange in der Stadt lebe. Wir merkten sofort, dass diese Mitteilung eine dezente Form der Bettelei war, aber ich fand es völlig in Ordnung (ich hätte es auch so gemacht). Allerdings würden diese subtilen Bittgesuche in den nächsten Jahren nicht mehr abreißen, zumal viele von mir die Whats-App-Nummer haben wollten, um in Kontakt zu bleiben. Es ist ja unmöglich, alle Wünsche zu erfüllen und schwer, unter den vielen Anliegen die berechtigsten herauszufinden. Selbstverständlich sollte aber auch Adolf eine Spende von uns bekommen, zumal er uns den ganzen Weg begleitet hatte.

Als Ruth und ich am Morgen aufstanden und gemeinsam gebetet hatten, lasen wir das 11.Kapitel von 2.Korinther. Paulus stellte fest, wie leicht sich die Korinther täuschen ließen durch Angeberei oder durch zur Schau gestellte Frömmigkeit und dass er selbst mehr Grund gehabt hätte, sich zu rühmen, und zwar durch all das erlittene Unrecht und Leid – was jedoch eine Torheit gewesen wäre. In der Aufzählung seiner erduldeten Leiden erwähnt er ganz zum Schluss, dass er auch ständig „Sorge um das Wohl aller Gemeinden“ habe (V. 28). Das erinnerte mich sehr an Nehemia, der immer wieder zu Gott sagte: „Bitte gedenke, was ich alles für dieses Volk getan habe“. Die Sorge Nehemias um das Volk Gottes ging sogar so weit, dass er sich mit den treulosen Israeliten prügelte (Neh.13:25 „Ich riss ihnen die Haare aus“) und den Verführern mit Prügel drohte (Neh.13:21). Der Feind war schon damals so rührig, dass – sobald Nehemia sich auch nur für kurze Zeit Dingen widmete – er sofort von hinten angriff, um das Werk Gottes zu zerstören. Aber dies kann er nur, wenn Gott es zulässt. Deshalb war es so wichtig, dass wir auch dieses Werk Gottes hier in Uganda täglich unter den Schutz Gottes stellten, damit der Feind keinen Schaden anrichte. Ich nahm mir deshalb vor, an diesem Tage – wo die Jahresversammlung des TLM-Vereins stattfinden sollte – zu fasten.

Als wir um 9:00 Uhr zum Haus der Katumbas kamen, erzählte uns Manuela, dass sie am Vortag zusammen mit Marlies und den Katumba-Brüdern zur drei Stunden entfernten Grundschule von Bukomero gefahren waren, wo jener Pastor Vincent Kateregga und seine Tochter Teddy ihres Dienstes enthoben wurden. Bei dieser Gelegenheit bezichtigte Vincent noch einmal den True-Light-Mission-Vorstand der Veruntreuung und Vetternwirtschaft. Spät am Abend, als sie auf der Rückfahrt vom Kyankwanzi die vier Stunden nach Hause fuhren, machte die Reisegruppe einen Stopp in Nakwaya, wo die Familiengrabstätte des Katumba-Clans war. Dort, wo jetzt auch das Grab von Pastor John Katumba liegt, hatten die Verwandten vor ein paar Jahren auf einem großen Grundstück in einem Wald ein prächtiges Gebäude errichtet, in dem keiner wohne, sondern das als eine Art Mausoleum mit Übernachtungsmöglichkeit diente für jene, die die Grabstätte besuchen wollten. Wir fragten uns irritiert, von welchem Geld diese Grabanlage eigentlich bezahlt wurde?


Eklat bei der Jahresversammlung

Nach dem Frühstück fuhren wir zu unserem Hotel, wo das heutige Treffen stattfinden sollte. Dann kamen die Vorstandsmitglieder, bestehend aus Martin Sendagi (52), Schwester Petua Katumba (ca. 45), Bruder Samuel Kiyemba (ca. 75), Bruder Andrew Kirya (ca. 40), Schwester Jaqueline Nakirijja (ca.35) und Bruder Samson Kamulegeya (30). Und dann waren natürlich auch wir Deutschen dazu eingeladen, d.h. Marlies Krauss (73), Manuela Singer (58), Ruth und ich. Was mich wunderte war, dass sich die ungandischen Mitarbeiter des Vereins zwar als „TLM board“ bezeichneten, aber dieser Vorstand ansonsten keinerlei Mitglieder hatte, denen er vorstand. Ich fragte mich, ob dieser Vorstand eigentlich je gewählt wurde und wenn ja, von wem? Es gab ja dann gar kein Kontrollorgan. Und wenn von sechs Mitgliedern drei aus der gleichen Familie Katumba sind, nämlich Martin, Petua und Samson, besteht ja gar keine Unabhängigkeit mehr, sondern eher ein Interessenkonflikt. Der Schulleiter Andrew übernahm die Leitung und Moderation des Treffens. Nachdem wir gebetet hatten, hielten die fünf Vorstandsmitglieder der Reihe nach je eine halbe Stunde einen Vortrag über die Aktivitäten im vergangenen Jahr und die Pläne für die Zukunft. Nach 2,5 Stunden machten wir eine kurze Pause. Als mir dann das Wort erteilt wurde, bat ich um Geduld, da es sehr viel gäbe, was wir zu sagen hätten. Zunächst dankte ich den Brüdern für all ihre Mühen. Doch dann begann ich mit meiner Kritik:

Bisher hatten wir nur Erbauliches gehört, aber kein einziges Wort der Ermahnung. Es mag hier einen Mentalitätsunterschied geben, dass wir Deutschen hier etwas rationalistischer sind und mit Lob nichts anfangen können. Entscheidend ist aber, was der HErr sagt, nämlich, dass es unter uns nicht so zugehen soll wie unter weltlichen Herrschern. Wer unter uns groß sein will, soll aller Diener seinMir ist übrigens aufgefallen, dass Ihr hier immer optimistisch den Begriff ‚challanges’ („Herausforderungen“verwendet, wenn ihr eigentlich von ‚Problemen‘ sprechen wollt, so als hättet ihr für alle Probleme schon eine Lösung in der Schublade. Ob sich aber Probleme lösen lassen, hängt nicht zuletzt auch von unserem guten Willen ab. Das Hauptproblem, das mir hier in der Mission aufgefallen ist, ist nicht der Mangel an Geld, sondern der Mangel an Transparenz. Zwar ‚glaubt die Liebe alles und hofft alles‘, aber ‚sie freut sich auch nicht an der Ungerechtigkeit, sondern an der Wahrheit‘. Ihr erwartet von uns, dass wir in Deutschland Werbung für diese Projekte machen und den Gläubigen von Euren Bedürfnissen berichten. Aber auch wir als deutsche ‚Delegation‘ haben Bedürfnisse, die Ihr bisher nicht wirklich ernstgenommen habt. Z.B. ist es in jedem Unternehmen und Verein üblich, dass es eine Jahresbilanz gibt, in die jeder Einblick nehmen kann, um sie zu prüfen. Zudem sollte es auch immer Abstimmungen geben über Entscheidungen, welche Projekte Priorität haben sollten, wieviel jeder an Lohn bekommen oder wer in den Vorstand gewählt werden sollte. In Apg.6:3 lesen wir, dass jeder, der Spenden verteilt, ein gutes Zeugnis haben und voll Heiligen Geistes sein muss. Wir als Deutsche, die wir seit Jahren für diese Arbeit spenden, sollten auch ein gewisses Mitspracherecht haben über die Verwendung der Spenden. Wir möchten auch nicht nur informiert werden, sondern auch direkt einbezogen werden in alle finanziellen Entscheidungen.

Als Letztes möchte ich erwähnen, dass der Abgeordnete eines Parlaments seine Einkünfte offenlegen muss und normalerweise kein Recht hat, auch noch aus anderen Quellen Einkünfte zu beziehen. Wir aber wissen nicht, wieviel Einnahmen Ihr über unsere Spenden hinaus noch von anderen bekommt. Ihr kennt ja das Gleichnis, wo der HErr von Seinen Knechten Rechenschaft fordert, und so seid auch Ihr uns gegenüber verpflichtet, eine saubere Buchhaltung vorzulegen, um zu prüfen, ob alle Spenden in der Vergangenheit wirklich nur den Projekten zugutegekommen sind. Der HErr Jesus hat Augen wie Feuerflammen und sieht auch in das Verborgene. Deshalb sagt Er: ‚Ich kenne deine Werke!‘ Aber wir haben solche Augen nicht, und deshalb müssen wir kontrollieren…“ Hier unterbrach mich Manuela und berichtete über die strengen Regeln, die es in dem Hilfswerk Tabita gibt, für das sie selbst arbeitet, wie sie für jede Ausgabe Rechenschaft geben muss. „Es geht nicht darum, dass wir Euch nicht vertrauen würden, sondern dass wir nun mal dazu verpflichtet sind. Gerade WEIL wir als Christen unter ständigem Beschuss stehen, ist es wichtig, dass jeder allezeit Einblick haben kann in unsere Bücher. Ich muss nicht nur gegenüber Gott Rechenschaft geben, sondern auch gegenüber den Spendern und den Behörden, dass alles ordnungsgemäß und sinnvoll verwendet wird.“

Nun ergriff Martin Sendagi das Wort: „Während all der Jahre, die unser seliger Vater dieses Werk hier aufgebaut hat, bestand der Vorstand nur aus ihm und Bruder Sam. Sie brauchten niemandem ihre Treue beweisen, weil jeder sah, dass sie Männer Gottes waren. Heute aber ist dieses Werk so groß geworden, dass wir selbstverständlich eine saubere Buchführung haben, die jeder prüfen kann…“ Auf meine Nachfrage hin, griff Martin in seine Aktentasche und holte die Einnahme-Überschuss-Abrechnung der letzten fünf Jahre hervor, die detailliert in vielen Kostenarten untergliedert war und unten den jeweiligen Saldo auswies, wie sich’s gehört. Dieser Punkt war damit abgehakt. Nun kam ich zum nächsten Punkt: „Jeder größere Konzern hat einen Buchprüfer, der Erfahrung hat, um Auffälligkeiten in den Bilanzen zu entdecken.“ – „Aber dafür haben wir doch einen Schatzmeister!“ entgegnete Martin. „Nein, ein Schatzmeister verwaltet ja lediglich die Gelder, aber er kann sich ja schließlich nicht selbst kontrollieren. Es muss eine andere Firma sein, die ihn überprüft.“ – „Aber das kostet alles unnötig Geld.“ – „Das spielt aber doch keine Rolle, denn es ist unverzichtbar!“ Jetzt schaltete sich Petua ein: „Bisher hatten wir mit Schwester Marlies nie Probleme. Sie hat uns immer vertraut, weil sie gesehen hat, wie treu und verantwortungsbewusst wir mit den Spendengeldern umgehen. Wir haben uns nie bereichert und haben ein reines Gewissen vor Gott. Jede einzelne Ausgabe konnten wir nachweisen.“ – Ich fragte: „Aber was ist z.B. mit jenem Mausoleum, das ihr gebaut habt. Mich würde interessieren, wie Ihr Euch dieses pompöse Gebäude auf dieser parkähnlichen Grabanlage überhaupt leisten konntet und wieviel Ihr eigentlich verdient.“ Nun wurde die Stimmung deutlich aufgeregter. Martin konnte kaum an sich halten:

Dieses Haus ist von den Clan-Mitgliedern finanziert worden. Wir sind ein Clan von 200 Leuten!“ – „Und sind alle gläubig?“ – „Ja, natürlich!“ – „Und warum muss es so ein luxeriöses Haus sein? Ihr seid doch Christen und solltet bescheiden leben.“ – „Bruder Simon, Du bringst jetzt alles durcheinander! Wir Ugander ehren unsere Älteren, unsere Vorfahren.“ – „Ja, ist ja gut. Aber dann müsste es unter euch ja viele Reiche geben, dass Ihr Euch solch ein Gebäude leisten konntet. Es kann doch nicht angehen, dass es deutsche Mütterchen gibt, die von ihrer kleinen Rente für Eure Mission spenden, wenn Ihr selbst so viel Geld habt, Euch solch ein Haus zu leisten, anstatt das Geld für Eure Mission zu verwenden. Der HErr sagt: ‚Lass die Toten ihre Toten begraben‘.“ – „Bruder Simon, wir leben hier in Afrika. Hier gibt es einen kulturellen Unterschied. Bei uns ist es üblich, dass Menschen die Gräber besuchen, um ihre Eltern zu beweinen. Und das machen sie bis zu zwei Wochen lang und übernachten dann beim Grab.“ – „Das mag ja alles sein. Aber wir sollen uns nicht dieser Welt anpassen oder nach dem von den Vätern überlieferten Traditionen wandeln, sondern anhand der Schrift prüfen, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Röm.12:2). Gideon hat sich am Ende seines Lebens auch etwas bauen lassen, was ihm schließlich zum Verhängnis wurde. Wenn Ihr alle gläubig seid, dann solltet Ihr doch erkennen, dass dieses Mausoleum ein Gräuel vor Gott ist!“ – „Simon, Du mischt Dich hier gerade in etwas ein, das Dich nichts angeht. Es ist unsere Kultur…“ – „Wir glauben aber nicht an Kultur, sondern an die Bibel! Es kann doch nicht sein, dass hier Kinder am Verhungern sind und ihr das Geld für solchen Schnickschnack ausgebt. Das ist doch totale Geldvergeudung! Ich kann unmöglich Gläubigen empfehlen, Ihr Geld für Leute wie Euch zu spenden, wenn Ihr Geld für so stumpfsinnige Dinge ausgebt.“ Nun war Martin völlig aufgebracht und schnaubte vor Wut: „STUMPFSINNIG?! WIE REDEST DU MIT UNS?! Wir ehren das Andenken eines heiligen Mannes Gottes! Wenn Du so herablassend von unserem Vater redest, dann wollen wir Deine Unterstützung nicht mehr! Was bildest Du Dir eigentlich ein!!!“ Martin war aufgestanden und wollte gehen. Nun redeten alle laut durcheinander. Manuela versuchte, die Gemüter zu beruhigen: „Please, calm down!“ Aber alle ergriffen gleichzeitig das Wort und redeten auf mich ein.

Erst nach mehreren Minuten gelang es Bruder Andrew, sich Gehör zu verschaffen: „Als wir dieses Treffen heute mit einem Gebet begonnen hatten, waren wir uns einig und hatten Vertrauen zueinander. Ihr habt in diesen Tagen all die Werke gesehen mit Euren eigenen Augen, die mit Euren Spenden in all den Jahren aufgebaut wurden. Wir haben diese Kinder auferzogen und ernährt – all das hat viel Geld gekostet. Ihr habt auch gesehen, dass wir selbst in bescheidenen Verhältnissen wohnen. Eure Unterstützung hat uns über Wasser gehalten, aber es blieb nie etwas übrig. Rechnet doch nur mal: Jeder der 70 Lehrer bekommt im Monat 350.000 Schillig (95,- €). Das sind allein schon knapp 25 Millionen UGX (6.600,- €) jeden Monat. Dann kommen die Bauprojekte, die laufenden Kosten für Schulspeisung, Schulkleidung, Ausstattung – wo sollte da noch Geld übrigbleiben? Es hat immer nur gerade so gereicht. Trotzdem sind wir Gott und Euch dankbar. Warum aber hört ihr auf böse Gerüchte?“ – „Ich beurteile nur das, was ich sehe,“ antwortete ich. Und an Schwester Petua gewandt, fuhr ich fort: „Ich gebe mal ein Beispiel: Schwester Petua, darf ich Dich fragen, wie Du 1.Petr.3:3 verstehst?“ Ich schlug die Stelle auf und las vor: „…deren Schmuck nicht der äußere sei durch Flechten der Haare und Umhängen von Gold oder Anziehen von Kleidern“.

Eine ungewöhnliche Stille setzte ein, so dass ich weitersprach: „Die Schrift sagt auch, dass Frauen sich nicht über Männer erheben sollten. Vielmehr sollten sie sich unterstellen und sich bescheiden geben. Das sehe ich aber nicht bei Dir. Wenn Du mir sagst, dass Du wiedergeboren bist, dann hätte der Heilige Geist Dir gezeigt, dass die Art, wie Du Dich kleidest, nicht biblisch ist. Ich habe noch nie eine echte Christin in Deutschland gesehen, die sich so aufgetakelt anzieht wie Du.“ Inzwischen hatte Martin sich wieder beruhigt und antwortete: „Simon, Du solltest Dich wirklich mehr für unsere Kultur interessieren. Wir haben unsere Väter und Brüder unter Idi Amin verloren. Sie wurden grausam ermordet. Nur wenige haben überlebt. Daher haben wir hier eine überwiegend weibliche Bevölkerung, weil unser Land über Jahre von Kriegen heimgesucht wurde. Deshalb gibt es hier sogar weibliche Gemeindeleiterinnen. Es waren Frauen wie Marlies, die mich durch Spenden studieren haben. Wir haben hier einfach zu wenig Männer in unseren Gemeinden! Tausende sind an AIDS gestorben, haben ihre Väter verloren und sind als Waisen aufgewachsen.“ – Ich erwiderte: „Gott kann über ein Land Gericht verhängen, wenn es von Seinen Geboten abgewichen ist, und es verheeren. Aber die Lösung kann dann nicht sein, dass man sich mit dem Gericht abfindet, sondern dass man umkehrt zu Seinem Schöpfer und nach Seinem Willen fragt. Wenn wir Seinem Wort gehorchen, wendet Er alles zum Guten.“


Strategische Konfliktvermeidung trotz aller Verdachtsmomente

Inzwischen waren 4,5 Stunden vergangen. Wir brachen die Unterredung ab, um zum Haus Katumba zu fahren, wo wir eine Mahlzeit einnehmen sollten. Als wir dort ankamen, war zu meiner Überraschung jener Pastor Vincent Kateregga mit seiner Tochter gekommen. Wir ahnten schon, dass es jetzt erst richtig hoch her gehen würde. Und so war es dann auch. Ich befragte ihn über all die Vorwürfe, die er der Familie Katumba gemacht hatte bezüglich Veruntreuung, aber er ging überhaupt nicht auf meine Fragen ein, sondern wiederholte einfach nur seine Behauptung, dass sie „lügen“ würden. Darauf prasselte es nur so an Vorwürfen gegen Bruder Vincent, dass er dies einfach nur ins Blaue hinein behaupte, dass er böse Gerüchte verbreite, dass er von Anfang an nur Probleme bereitet und auch ein sehr schlechtes Zeugnis habe usw. Man habe ihn die ganze Zeit nur geduldet, weil Pastor Katumba ihn eingestellt hatte, aber dass man nun endlich die Nase voll habe von ihm. Vincent Kateregga machte sich keine Mühe, die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften, sondern er wiederholte bloß immer wieder, dass man ihn in den letzten Monaten um seinen Lohn geprellt habe und er deshalb TLM nötigenfalls verklagen wolle. Nun stand ich wirklich in einem Dilemma: einerseits sollten all die gegenseitigen Vorwürfe unbedingt aufgeklärt werden, um nicht leichtfertig der einen oder anderen Seite zu glauben (2.Mo.23:1-3). Andererseits sah ich kaum eine realistische Chance, herauszufinden, welcher der beiden Seiten lügt und betrügt. Gott musste die Wahrheit ans Licht bringen, und wir sollten Ihn darum anflehen. Da aber die Verhandlungen an jenem Tag schon fast neun Stunden andauerten, entschloss ich mich, der TLM erstmal einen Vertrauensvorschuss zu geben und sagte zu Pastor Martin Sendagi vor allen: „Ich würde gerne mit Dir und der Mission eine Vereinbarung treffen. Tatsächlich ist es schier unmöglich, die Verwendung der Mittel zukünftig bis ins Letzte zu kontrollieren; denn wenn jemand betrügen will, findet er immer einen Weg. Ein Christ aber weiß, dass es ein schweres Verbrechen ist, sich an dem, was für Gott geheiligt wurde, zu bereichern, es wäre gleichsam so, als würde er Gott bestehlen. Wir aber wollen euch glauben und euch nicht mehr anlasslos verdächtigen. Deshalb möchte ich mit Dir, lieber Martin, einen Bund schließen vor Gott. Versprich mir, dass Du immer treu sein wirst mit der Verwaltung der Gaben, und ich verspreche Dir, dass ich Dir in Zukunft immer vertrauen werde. Denn Vertrauen macht die ganze Zusammenarbeit um so unendlich viel leichter.“ Er reichte mir die Hand und sagte: „Ja, ich verspreche es!“ Dann umarmten wir uns und besiegelten damit die Vereinbarung.

Am letzten Tag unserer Reise hatte ich mich vormittags mit ein paar Brüdern zu einer kleinen Bibelstunde verabredet. Es kamen Bruder Brian (28), Bruder Jotham (26), Bruder Peter (30) und Bruder Reagan (25). Wir begannen mit der Frage, woran man eigentlich einen wiedergeborenen Christen erkennen könne. Ich berichtete ihnen, wie Gott mich acht Jahre zuvor errettet hatte und sich in der Folge mein Leben völlig verändert habe. Dann vereinbarten wir eine Fragestunde. Bruder Brian wollte zunächst wissen, ob es aufgrund von Gal.5:2-4 noch Hoffnung für sie gäbe, denn da sie alle vor ihrer Bekehrung Muslime waren, seien sie auch alle beschnitten worden, jedoch gegen ihren Willen. Dann fragte mich Jotham, ob wir als Christen Schweinefleisch essen dürften, da es ja auch im Alten Testament verboten war. Zuletzt fragte mich Bruder Reagan, ob es aufgrund von Jer.29:5-6 stimmen würde, dass man erst ein eigenes Haus haben müsse, bevor man heiraten darf, denn dort steht: „Bauet Häuser und bewohnet sie … Nehmet Frauen und zeuget Söhne und Töchter“. Ich musste schmunzeln und war sehr überrascht, auf was für Ideen manche Gläubige kamen. „Von einem jungen Christen zu verlangen, dass er erst ein eigenes Haus besitzen müsse, um heiraten zu dürfen, käme nahezu einem Heiratsverbot gleich, denn das können sich ja die allerwenigsten leisten. Gott hat die Ehe aber auch zum Schutz vor Hurerei befohlen, weshalb sie absoluten Vorrang hat. Diese Stelle hier ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen und stellt auch keine Reihenfolge in der Lebensführung dar.“ Am Ende baten mich die Brüder, dass ich doch regelmäßig Audio-Andachten halten möge, um ihnen diese auf Englisch über WhatsApp zuzusenden. Am Nachmittag feierten wir im Hause Katumba noch einen Abschiedsgottesdienst mit vielen Liedern, bevor wir zum Flughafen nach Entebbe gefahren wurden. Um 23:30 Uhr hob das Flugzeug schließlich ab in die Heimat, wo wir am nächsten Tag vormittags wohlbehalten ankamen. Dem HErrn sei Dank!

 

 

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