„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– Reisetagebuch Peru 01.12.19 – 30.01.20 (Teil 1)

„Saget zu denen, welche zaghaften Herzens sind: Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, euer Gott kommt, Rache kommt, die Vergeltung unseres Gottes! ER selbst kommt und wird euch retten“ (Jes.35:4).

Bremen, 01.02.2020

Liebe Geschwister,
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Euch von unserem HErrn Jesus Christus!

Durch Gottes Güte und Bewahrung sind Ruth und ich vor zwei Tagen wieder wohlbehalten aus Peru zurückgekehrt. Auf unserer Perureise bin ich vielen Menschen begegnet mit „zaghaftem Herzen„. Sie waren verunsichert und orientierungslos, weil man sie entwurzelt hat aus ihrem Land (Venezolaner) oder ihrer Familie (Obdachlose). Auch politische Unruhe und Ratlosigkeit war in Peru allenthalben zu spüren (Luk.21:25), bei so viel Kriminalität und Gewalt, nicht nur von Seiten der Verbrecherbanden, sondern auch der Politiker. In dieser Ohnmacht Hoffnung und Trost zu spenden durch die Einladung zum Glauben an den HErrn Jesus Christus, war denn auch ein Leichtes. In Peru muss niemand verhungern, aber viele Peruaner hungern und dürsten nach Gerechtigkeit (Mt.5:6), und diese kann nur durch die Vergeltung gesättigt werden, die der HErr üben wird, wenn Er bald wiederkommt (Jes.40:10).

Reisetagebuch vom 01.12.19 bis 30.01.20

Lima, 01.12.2019 Nach 15 Stunden Flug und einem Zwischenstopp in Paris sind wir heute um 19:40 Uhr Ortszeit wohlbehalten in Lima angekommen durch Gottes Gnade. Als wir jedoch dann unser Gepäck vom Fließband runterholen wollten, erschien es selbst nach einer Stunde nicht. Ich betete und bat Gott, dass es doch nicht gestohlen sein möge. Wir waren aber auch nicht die einzigen, deren Gepäck nicht ankam, weshalb die Frau an der Abfertigung uns beruhigte, dass man das Gepäck dann mit der nächsten Maschine aus Paris mitliefern würde.

Lima, 02.12.2019 Heute morgen wachte Ruth wieder mit starken Schmerzen und Schwermut auf. Zudem war sie schon seit gestern stark erkältet und hatte wegen ihrer dichten Nase eine entsprechende Gereiztheit. Umso mehr versuchte ich, sie aufzumuntern durch das Singen von Liedern (z.B. „Du die Quelle des Lebens, Dich allein ich begehre, Tag und Nacht geht mein Sehnen unter Tränen zu Dir„). Wir beteten und lasen 2.Kön.1, wo Ahasja wegen seiner Krankheit den Baal-Sebub befragt, anstatt den HErrn. Baal-Sebub heißt „Herr der Fliegen“ (vergl. „Beelzebub“ = Teufel). Die Fliegen waren wegen der Übertragung von Krankheiten schon immer eine große Plage, weshalb man damals demjenigen Opfer darbrachte und um seine Hilfe bat, den man für den Herrn über die Fliegen hielt. Wenn wir uns als Gläubige ein Missgeschick nicht erklären können, dann sollen wir den HErrn der Herren befragen, und Er sagt uns dann, warum Er die Krankheit erlaubt hat. Elia („Gott ist Jahwe„) hatte zweimal einen Hauptmann mit seinen 50 Soldaten töten lassen. Die grausame Machtdemonstration irritiert uns, aber sie war erforderlich, um Gottes Rechtsanspruch an Seinem Volk wieder zu verdeutlichen. Ein „Mann Gottes“ zu sein, hatte in den Tagen Elias ja keine große Bedeutung mehr, da sich viele wohl in geradezu inflationärer Weise für Männer Gottes hielten. Deshalb wollte Elias dem König von Israel mal wieder demonstrieren, was es bedeutet ein „Mann Gottes“ zu sein! Damit war nicht zu scherzen. Noch immer wollte Gott auf sein Geheiß Feuer vom Himmel senden, aber jetzt nicht mehr, um ein Opfer anzunehmen, sondern diesmal, um all jene zu bestrafen, die Gott noch immer nicht ernstnahmen. Wer nicht hören wollte, sollte fühlen. Ist das nicht heute auch noch so?

Am Vormittag wechselten wir Geld, um Lebensmittel einzukaufen. Wir müssen die nächsten 2 Monate sehr sparsam sein, denn die 2.750,- €, die wir mitgenommen haben (abgesehen von den 1700,- € an Spenden, die wir von Geschwistern für die Bedürftigen bekamen), mussten ja bis zum Ende reichen. Wenn wir von den 2.750,- € noch einmal rund 1.000,- € abziehen für geplante Renovierarbeiten und Möbel, dürften wir zusammen nur 30,- € am Tag ausgeben. Eigentlich ist das nicht zu schwer in Peru, denn auch wenn Supermarkt-Produkte sich inzwischen schon deutlich verteuert haben, sind Obst und Gemüse immer noch genauso billig wie vor 10 Jahren. Ein Kilo Mango (3-4 Stk.) kosten noch immer rund 4 Soles (1,- €), so dass eine Mango rund 30 Cent kostet. Wenn wir also nicht mehr genügend Geld haben, dann ernähren wir uns halt nur noch von Obst und Gemüse. Da unsere Waschmaschine kaputt ist und sich Ruth noch immer sehr schlapp fühlte wegen ihrer Erkältung, bot ich mich an, die Wäsche von Hand zu waschen, die von unserem letzten Aufenthalt in Peru noch ungewaschen zurückblieb. Das ständig wiederholende Auswringen und erneute Klarspülen fiel mir nicht leicht, da mich Kopfschmerzen plagten und ich durch die Zeitumstellung etwas müde und antriebslos bin.

Lima. 03.12. Inzwischen ist schon ein ganzer Tag vergangen, denn ich konnte nichts schreiben, da ich mittlerweile selber auch mit einer starken Erkältung und „dicken Kopf“ hier im Bett liege. Ich hatte mich wohl bei Ruth angesteckt. Gestern Nachmittag fuhren Ruth und ich in die Innenstadt, um mal nach einer preisgünstigen Waschmaschine zu suchen. Dem HErrn sei Dank, gab es gerade die sog. „Black-Friday-Woche„, also so eine Art Schlussverkauf, wo alle Artikel um 30-50 % herabgesetzt sind. So kauften wir eine Toplader-Waschmaschine für gerade einmal nur 799 Soles (d.h. 210,- €). Doch als wir wieder zuhause ankamen, war ich so schlapp, dass ich keine Kraft mehr hatte, die Waschmaschine anzuschließen, sondern legte mich gleich ins Bett. Ich hatte Schmerzen und Fieber und wollte nur noch schlafen. Ruth bereitete mir einen heißen Limettensaft mit geschrotetem Leinsamen. Wir fanden auch noch eine alte Schachtel Paracetamol; die war zwar schon 2016 abgelaufen, aber besser als gar nichts. Leider wurde es in der Nacht dann noch schlimmer, denn ich hatte Fieber, Hals- und Kopfschmerzen und musste ständig ins Taschentuch schnäuzen, weshalb mir der Schlaf abhandenkam. „Ich werde des Umherwerfens satt bis zur Dämmerung“ sagte Hiob (Hi.7:4).

Heute Morgen geht‘s mir schon etwas besser, aber meine Nase ist dicht und meine Augen tränen. Mir ist klar, dass ich diesen Tag zuhause bleiben muss. Zum Glück ging es Ruth heute deutlich besser, so dass sie Einkäufe erledigen und Essen kochen konnte. Ich las heute in 2.Könige 2 von der Himmelfahrt des Elia, die sicherlich unsere Entrückung prophetisch vorschatten soll. Zugleich stellt sie aber auch den Moment dar, wenn der HErr einen der Seinen zu sich rufen will. Sein Nachfolger Elisa wollte wie die Ruth gegenüber der Noemi nicht von seiner Seite weichen. Ohne dass die Bibel zuvor darüber berichtet, dürfen wir vermuten, dass Elias den Elisa zuvor über Jahre wie einen Sohn unterwiesen hatte. Und nun sollte er den Stab an seinen Zögling weiterreichen, um seine Aufgabe fortzuführen. Elisa war wirklich würdig, denn als er sich zuletzt noch etwas wünschen durfte, erbat er wie Salomo weder Reichtum noch Macht, sondern, dass ihm ein Doppeltes des Geistes Elias zuteilwerde. Das war kein Hochmut oder Vermessenheit, sondern der Wunsch, mit noch mehr Geistesfülle noch größere Dinge zur Ehre des himmlischen Vaters zu vollbringen. Wie wunderbar, wenn am Ende unseres Lebens andere von uns bezeugen können: „Dieser war nicht nur ein Vater für uns, sondern zugleich ein ‚Wagen Israels und dessen Reiter‘!“ Was für eine hohe Auszeichnung! Aber was hatte er auch für ein hartes Leben bis dahin geführt! So viel Entbehrung und Ablehnung! Größe bei Gott erlangen wir nur durch Erniedrigung. Zur Belohnung für seinen treuen Pilgerlauf sollte Elia nicht mehr die Leiden des Todes erdulden. Dabei war Elias ein Mann mit gleichen Schwächen wie wir (Jak.5:17). Aber er war ein Beter. Ach HErr, wie gerne würde auch ich für Dich leiden wollen! Nur mach Du mich dafür bereit!

Am späten Vormittag brachte die Fluggesellschaft die beiden Koffer vorbei – dem HErrn sei Dank!, und gegen Mittag kam mein Schwager Walter zu Besuch. Wir aßen zusammen Mittag, und ich fragte ihn, welche Chancen er sehe, dass ich hier in Lima als Maler arbeiten könnte. „Schwierig. Das machen schon zu viele.“ – „Und wenn ich etwas anbiete, was keiner sonst macht? z.B. könnte ich die verstaubten Häuser und Höfe mit einem Hochdruckreiniger reinigen.“ – „Was ist das?“ fragte Walter. Ich beschrieb ihm die Funktionsweise, und er sagte, dass er das schon mal in Filmen gesehen habe. „Aber hier in Peru gibt es keine solchen Apparate.“ – „Umso besser. Dann bringe ich auf meiner nächsten Reise einen mit und demonstriere den Leuten, wie schnell man damit alles wieder sauber bekommt. Das ist doch dann wirklich eine echte Marktlücke! Und dabei besteht doch gerade in Lima eine echte Nachfrage, denn alles ist ja hier voller Staub!“ In der Tat produziert der viele Verkehr hier jede Menge Feinstaub, der sich dann auf alles legt wie nach einem Vulkanausbruch. Allein in den letzten 10 Monaten seit unserer Rückkehr nach Deutschland ist das Regal mit den Werkzeugen und Farben im Vorhof in eine dicke Staubschicht eingehüllt, so als würde es schon seit 10 Jahren unangerührt dort liegen. Wenn der HErr Gnade schenkt, könnte ich mit dieser Geschäftsidee hier Geld verdienen.

Während Ruth am Nachmittag Besorgungen machte, lag ich fast die ganze Zeit vor Kälte dick eingepackt im Bett und war noch nicht mal in der Lage, wenigstens die Koffer auszupacken. Diese Zwangsruhe hat der HErr mir wohl auferlegt, weil ich am Wochenende keinen Ruhetag hatte. Um mich nicht zu langweilen, lese ich gerade die Neuauflage eines altes Buch von 1553 von Pedro de Cieza de Leon „Auf den Königsstraßen der Inkas„. Der Autor begleitete damals Francisco Pizarro auf seinen Wegen durch Peru und schildert darin, was er dort alles von den Inkas gelernt hatte. Die Häuptlinge berichteten ihm z.B. von der Gründung des Inka-Reiches vor Jahrhunderten zuvor: Am Anfang waren da sechs engelartigen Wesen, drei Männern und drei Frauen, die in grauer Vorzeit an einem Ort namens Pacaric-Tampu erschienen, aber wegen ihrer magischen Fähigkeiten „intip-churi“ genannt wurden, d.h. „Söhne der Sonne„. Die drei Inka-Männer hießen Ayar Oco, Ayar Cachi und Ayar Manco; die Frauen hießen Mama Huaco, Mama Cora und Mama Rahua. Mit Hilfe der Eingeborenen, die damals noch Wilde waren, bauten sie damals Städte und Festungen und unterwiesen sie in Ackerbau und Viehzucht. Doch dann wurden zwei der Männer neidisch auf den Dritten, Ayar Cachi, weil er so viel Zauberkraft besaß, dass er mit seiner Steinschleuder sogar „Berge einebnen“ konnte. Sie lockten ihn unter einem Vorwand in eine Höhle und verschlossen diese dann mit großen Felsen. Doch dann brach ein Erdbeben aus, und die zwei Inkas sahen plötzlich, wie Ayar Cachi mit großen Flügeln aus bunten Federn sich emporhob und vergab ihnen ihre Bosheit.       Könnte es sich bei dieser Gründungslegende nicht vielleicht um die Nephelim aus 1.Mo.6:1-4 handeln? Das würde ja vielleicht erklären, wie die Inkas es geschafft hatten, diese tonnenschweren Felsen so exakt zu bearbeiten und aufeinander zu setzen, dass nicht einmal heutige Bauingenieure dazu imstande gewesen wären, jedenfalls nicht unter den lokalen Gegebenheiten.

Lima, 04.12.2019 Heute morgen fühlte ich mich leider noch immer schlapp, aber das Fieber hatte aufgehört; stattdessen schwitzte ich stark. Ich betete zusammen mit Ruth und wir lasen 2.Kön.3, wo der gläubige Josaphat sich aus Solidarität mit den ungläubigen Königen von Israel und Edom zusammenschloss, um gegen die Moabiter zu kämpfen, die zuvor gegen ihre Fronpflicht rebelliert hatten. Was konnte dieser Text uns heute sagen. Ruth fühlte sich angesprochen: „Simon, ich habe überlegt, zusammen mit Miluska später mal eine Gemeinschaftspraxis zu gründen. Sie ist zwar nicht gläubig, aber seit meiner Studienzeit eine absolut treue Freundin geblieben, auf die ich mich immer verlassen konnte.“ – „Ich dachte, Du willst mit Francisco zusammenarbeiten, mit dem Du Dich doch auch immer sehr gut verstanden hast und der ein Glaubensbruder ist…“ – „Ja, geistlich gesehen ist er ein ganz wunderbarer Bruder, aber was seine Tierarztpraxis betrifft, so ist es eher eine Katastrophe, mit ihm zu arbeiten. Ich habe ihm aus Deutschland schon eine Zentrifuge und ein Mikroskop mitgebracht, aber er benutzt die gar nicht. Zudem kann er nicht mit Geld umgehen und setzt falsche Prioritäten. Sobald er mal etwas Geld übrig hat, geht er mit seiner Familie teuer essen, anstatt mal Geld für einen neuen OP-Tisch anzusparen. Ich würde mich ständig mit ihm streiten, und das möchte ich nicht. Dann lieber mit Miluska; auf die kann ich mich wenigstens verlassen.“ – „Aber wir haben doch gerade gelesen, dass das nicht geht, weil wir nicht mit Ungläubigen zusammengejocht sein dürfen. Du könntest Dich ja sonst von Miluska einstellen lassen, dann habt Ihr immer noch Kontakt, aber nicht mehr denselben Beutel.

Nach dem Frühstück gab mir Ruth einige „Hausaufgaben“ auf wie z.B. Gardinen aufhängen, Insektennetze an den Fenstern anbringen und Wäsche abhängen, während sie selber einen Arzttermin hatte. Ich machte alles, aber nur mit halber Geschwindigkeit. Zwischendurch musste ich mich immer wieder hinlegen, weil ich einfach zu schlapp war. Um mich zu zerstreuen, las ich weiter in meinem Buch: Der erste Inkakönig, der auch die Hauptstadt Cuzco gründete, hieß Manco Capa. Er war so freundlich und liebevoll zu seinen benachbarten Indios, dass er wie Abraham allmählich ihre Achtung und ihre Herzen gewann. Ihm folgten insgesamt 14 Inka-Könige, der letzte war Atahualpa, den Francisco Pizarro hinrichten ließ. Das Reich der Inka hatte damals eine Ausdehnung von Kolumbien bis Chile, wobei eigentlich nur die Andentäler fruchtbar und entsprechend bewohnbar waren (an der Küste gab es nur Wüste, im Hochgebirge war es zu kalt und im Amazonas-Urwald lebten die Kannibalen). Um ein solch riesiges Reich überhaupt unter Kontrolle zu behalten, verwendeten sie einen Trick: immer wenn sie ein Volk unterworfen hatten, wurde es umgesiedelt in eine klimatisch ähnliche Landschaft und bekamen dafür jede Menge Geschenke und Privilegien, um nicht aufzubegehren. Es ging darum, die Indianervölker durch Entwurzelung gefügig zu machen. Begehrte ein Volk aber dennoch gegen die Inkas auf, wurde es grausam bestraft, häufig dadurch, dass man die Männer und Jungen tötete. Dies führte im Laufe der Jahrhunderte dazu, dass es einen riesigen Überschuss an Frauen gab, so dass auf einen Peruaner im 15.Jh. etwa vier Frauen fielen. Diese bewirtschafteten dann für die Inkas das Land , während die Männer sich wie Paschas verhielten, die ihre Zeit mit dem Weben von Kleidungsstücken und Kunsthandwerk vertrieben. Die Inkas hatten meist auch mehrere Ehefrauen, und wenn ein Stammeshaupt starb, dann wählte man unter seinen Frauen eine aus, die ihrem Mann lebend ins Grab folgen musste! Ja, tatsächlich: sie wurde lebendig begraben zusammen mit anderen Grabbeigaben wie Nahrung, Kleidung und Wertgegenstände, weil man an ein Weiterleben der Seele glaubte und der Mann auch nicht auf die ehelichen Freuden nach dem Tod verzichten sollte. Vielleicht war diese Grausamkeit sogar eine der Hauptursachen, warum Gott das Inka-Reich am Ende untergehen ließ. Der HErr weiß es.

Beim Mittagessen erzählte Ruth mir von ihrer Schulzeit in Peru und wie sie dann mit 18 J. studieren wollte, aber ihr Vater das nicht erlaubte, weil sie kein Geld dafür hatten (ihr Vater arbeitete damals mit 60 Jahren bei der Müllabfuhr). Ruth verdiente sich dann selber Geld mit kleinen Nebenjobs (Babysittern, Verkäuferin), was aber neben dem Studium sehr anstrengend war. Als sie nach einem Jahr dann zu ihrem Vater sagte, dass sie ihr Studium abbrechen wolle, da sie die Doppelbelastung einfach nicht verkraftete, bat ihr Vater sie, nun doch weiterzustudieren und nicht aufzugeben. Er gab ihr von nun an jeden Monat 30 Soles, um die Busfahrten zur Uni damit zu bezahlen. Da Ruth bis heute nie aufgehört hat, sich im Bereich der Tiermedizin weiterzubilden (durchs Internet und Fachzeitschriften), ist sie heute in der Gemeinschaftstierarztpraxis, in welcher sie halbtags arbeitet, besonders für ihre theoretischen Kenntnisse hoch angesehen bei den Kollegen. Keiner von ihnen kann schneller und treffsicherer eine Diagnose finden als Ruth. Sie bedauert jedoch, dass sie eine verhältnismäßig niedrige Schulbildung hat und ihr deshalb einige Grundlagen fehlen. So kann sie z.B. kein Englisch und blamiert sich deshalb manchmal, wenn sie ein englisches Wort aussprechen muss. Ich erzählte ihr, dass ich mich in meiner Schulzeit schon immer für Chemie interessiert hätte und dies auf dem Gymnasium auch als Grundkurs gewählt hatte. Daraufhin bat sie mich, ob ich ihr mal Chemie von Anfang an beibringen könne, um ihr Wissen aufzufrischen und damit sie die Zusammenhänge besser verstehe. Dann holte ich Papier und Stift, wir setzten uns an den Küchentisch und ich gab ihr zwei Stunden lang Chemieunterricht, angefangen mit dem Aufbau der Atome und Moleküle über die Kohlenwasserstoffe bis hin zu den bekannten organischen Verbindungen und ihrer jeweiligen chemischen Formel.

Am Nachmittag gingen wir zu einem Internetcafé, wo wir WLAN hatten und machten ein paar Anrufe nach Deutschland, die per WhatsApp völlig kostenlos sind. Als wir zurückkamen, stand unser Freund und Bruder Ricardo Pineda (64) vor der Tür, der von unserer Ankunft gehört hatte und besorgt war, warum wir ihn noch nicht besucht hatten. Wir plauderten eine Weile über seine zerrüttete Ehe, die sich leider noch immer nicht zum Guten entwickelt hatte. Seine 15 Jahre jüngere Frau Esperanza (49) gehe ihm völlig aus dem Weg. Sie leben zwar noch immer in derselben Wohnung, aber sie redet kein Wort mehr mit ihm, seit sie im Oktober 2018 erfuhr, dass er über seine Eheprobleme mit der bester Freundin Esperanzas gesprochen hatte. Ricardo sehne sich nach einem freundlichen Lächeln und Zärtlichkeit von ihr, aber erfährt jeden Tag nur konsequente Verachtung. Ich fragte ihn, ob er irgendwo auch ein Versagen bei sich selbst sehe. „Mein größter Fehler war, dass ich eine ungläubige Katholikin geheiratet hatte in der Hoffnung, sie würde sich irgendwann schon noch bekehren.“ Um ihn vom Thema wegzubringen, erkundigte ich mich nach den Brüdern Hugo, Tomás und Edilberto, mit denen sich Ricardo regelmäßig trifft zur Bibelstunde. Er sagte, dass sich Edilberto gerade am letzten Dienstag mit Hugo zerstritten habe, und das Edilberto deshalb ab jetzt nicht mehr kommen wolle, so dass sich Ricardo nur noch mit Hugo und Tomás treffe. Ich bat ihn, doch Edilberto noch mal anzurufen und ihn für nächsten Samstag zu uns einzuladen zur Bibelstunde. „Vielleicht kommt er ja – um meinetwillen…“

Lima, 05.12.2019 Die Nacht war schlimm; denn bis weit in die Morgenstunden waren sie in der Nachbarschaft der Hochhaussiedlung am Feiern, so dass man kaum einschlafen konnte. Nicht nur das Gegröle und Geklatsche, sondern auch die tiefen Bässe der Salsa-Musik schlugen permanent auf das Trommelfell. Ich dachte: Vielleicht sollte ich mal aufstehen, hingehen und sie im Geiste der Sanftmut ermahnen, dass sie doch mehr Rücksicht nehmen sollten auf die große Mehrheit, die schlafen will. Aber das sind eben die Nachfahren der Inkas, die sehr grausam sein konnten, was ich ja schon zuvor an Hand des lebendigen Begrabens der Ehefrauen dargestellt hatte. Wenigstens fühlte ich mich heute früh schon etwas besser, zwar immer noch schlapp, aber das ständige Niesen war nicht mehr so häufig. Gegen die Kopfschmerzen nehme ich immer ein wenig Japanisches Minzöl, das ich mir auf den Hinterkopf durch die Haare in die Kopfhaut träufel; nach zehn Minuten brennt der ganze Kopf wie bei Rheumasalbe, aber meine Kopfschmerzen sind auf einmal weg. Es gibt wirklich nichts, was schneller Abhilfe schafft. Jetzt vielleicht noch einen Tag, und dann bin ich über den Berg. Ruth brachte mir wieder einen heißen Limettensaft und eine Inhalationsschale mit Magnesiumchloridlösung und Minzöl. Wie ungewohnt, dass sie mich pflegte, wo es doch normalerweise andersherum ist, dass ich sie pflegen musste, z.B. durch Einreiben mit Rheumasalbe etc. Es ist so wie Salomon sagte: „Wenn der eine fällt, richtet der andere ihn wieder auf„. Wie schrecklich wäre es, wenn ich hier jetzt ganz alleine wäre und niemand sich um mein Wohlergehen kümmern würde!

Wir lasen 2.Könige 4, wo es ebenso um Wohltaten geht, die Gläubige anderen Gläubigen tun, und zwar an solchen, die zuvor auch selbst bereit waren zum Gutestun, weil Gott sich nichts schenken lässt. Die eine Frau hatte das bescheidene Leben an der Seite eines Prophetenschülers gewählt, und als dieser starb, konnte sie ihre finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen, so dass ihr zwei Söhne weggenommen wurden, um als Sklaven verkauft zu werden. Wer heute die Bibelschule besucht, verzichtet damit ebenso bewusst auf ein Leben im Wohlstand. Aber Elisa erkannte, dass sie wenigstens etwas noch besaß, dass sich vermehren ließ, nämlich Öl ( = Geist Gottes). „Wer hat, dem wird gegeben werden und er wird auch noch übrig haben“ (Mt.13:12). Man kann sich natürlich fragen, warum die Hilfe Gottes oftmals erst so spät kommt. Meistens greift der HErr erst dann ein, wenn eine Lage aussichtslos erscheint, um uns zu zeigen, dass wir dennoch „nicht ohne Ausweg“ sind (2.Kor.4:8). „Gefäße“ sind Menschen, die offen sind für das Evangelium. Das erinnert mich an eine Begebenheit, als mein Schwiegervater damals in den 60er Jahren alleine im Gebirge mit dem Evangelium unterwegs war und auf einmal kein Geld und somit nichts mehr zu Essen hatte. Er hatte gebetet und den HErrn daran erinnert, dass Er doch versprochen hatte, dass Er Seine treuen Knechte nie Hunger leiden lassen würde (Ps.37:25). Doch als der Abend kam, ergriff ihn die Verzweiflung. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, hatte keine Übernachtungsmöglichkeit und fror in der Kälte. Er flehte unter Tränen zum HErrn, dass Er ihm doch jetzt Hilfe senden möge, da er doch schließlich mit dem Evangelium unterwegs sei. Als er gerade „Amen“ gesagt hatte, kam eine Frau vorbei namens Irma Bendezú und sprach ihn an: „Entschuldigen Sie, Sie sind doch der Prediger, der heute Vormittag auf dem Markt gepredigt hatte. Sagen Sie, haben Sie vielleicht Hunger? Ich lade Sie gerne zu uns nach Hause ein. Sie können auch bei uns übernachten.“ Luis dankte Gott und erzählte der Frau, dass dies kein Zufall sei, dass sie ihm begegnet sei, sondern von Gott so geführt. Beim Abendessen erklärte Luis der ganzen Familie das Evangelium, und nach einander bekehrte sich die ganze Familie. Er konnte sozusagen alle Gefäße mit Öl füllen, weil er völlig auf Gott vertraute.

Auch ich sehne mich danach, mit dem HErrn wieder Großes erleben zu dürfen. Aber meine Erkältung hindert mich noch immer daran, hinauszugehen. Heute Vormittag habe ich mich nützlich gemacht und die Fliegengitter an den übrigen Fenstern angebracht. Aber nach einer Stunde muss ich mich schon wieder kurz hinlegen – was für eine Schande! Während Ruth wieder fleißig im Haus umher wirbelt und ständig etwas zu tun hat, liege ich hier auf dem Bett und schreibe entweder oder lese weiter in meinem Inka-Buch, das inzwischen ziemlich spannend geworden ist: Der große Inka-König Huayna Capac, der im 15.Jh. fast den ganzen Kontinent erobert und befriedet hatte, hatte zwei Söhne, Atahualpa und Huascar. Als er 1527 an einer Pockeninfektion starb, hätte eigentlich Huascar (25) seine Nachfolge antreten sollen, denn nur er war aus reinem Blute, da er der Sohn von Huaynas Schwester war (die Inkas trieben Inzucht, um die Blutlinie rein zu halten). Doch der ältere Sohn Atahualpa (30) war beliebt beim Heer, da er von Jugend auf ein Krieger war, und wollte die Macht an sich reißen. Als sich Huascar in Cuzco zum Groß-Inka krönen ließ, da ernannte sich auch Atahualpa in Quito zum König über das Reich und zog mit 25.000 Soldaten aus, um das Heer seines Bruders zu schlagen. Bei der ersten Schlacht in Ambato gab es noch keinen Sieger, aber auf beiden Seiten etwa 16.000 Tote. Erneut sammelten sich beide Seiten neue Krieger aus allen eroberten Völkern und zogen noch einmal gegeneinander aus, wobei Atahualpa seinem Bruder eine große Niederlage bereitete mit 35.000 Toten. Nun war der Weg für ihn frei, um sich in Cuzco zum Groß-Inka bestätigen zu lassen, doch dazu kam es nicht mehr, denn inzwischen waren die Spanier unter Pizarro mit nur 160 Mann in Peru eingefallen und hatten Atahualpa in Cajamarca verhaftet…

Am Abend hatte Ruth die ganze Wohnung blitzeblank sauber gemacht und lud mich ein auf einen romantischen Spaziergang in der milden Sommerluft. Dann aßen wir einen Obstsalat mit Lúcuma-Eis und spielten einige Runden „Vier-gewinnt„, bevor wir dann zu Bett gingen.

Lima, 06.12.2019 Dem HErrn sei Dank, uns geht es heute wieder richtig gut (außer dass ich noch huste und gelegentlich noch Niesen muss. Heute wollen wir in die Innenstadt fahren, um Geld zu tauschen, weil der Wechselkurs dort mit 1 : 3,70 dort günstiger ist als in unserem Stadtteil La Victoria. Ich will auch mal 300 Euro von den Spendengeldern umtauschen, um Einkäufe zu machen für die Bedürftigen. Anschließend wollen wir mit den Bettlern sprechen, um uns dann im konkreten Fall leiten zu lassen, wem wir helfen sollen und mit wie viel. Bargeld sollte es wenn überhaupt nur in geringem Maße geben, sondern vorrangig war die Evangeliumsbotschaft, sowie Essen und Medikamente. Ruth will jetzt auch Kontakt aufnehmen zu einer armen alleinerziehenden Indio-Mutter namens Edilvina, der Ruth schon seit einem Jahr regelmäßig Spenden geschickt hat. Ihr zweijähriger Sohn Abner ist ohne Anus auf die Welt gekommen und dazu noch z.T. körperlich und geistig behindert (Trisomie 21). Ruth möchte für ihn Spielsachen einkaufen und auch für die anderen Kleinkinder in Ica.

Der heutige Bibeltext in 2.Kön.5 ist sehr reich an Themen. Der syrische Heerführer Naaman hatte wohl geglaubt, dass Elisa den Aussatz nur für ein Symptom mangelnder Hygiene hielt und er sich deshalb waschen sollte. Vielleicht mag er gedacht haben: „Was für ein Quacksalber! Habe ich deshalb diese weite Reise gemacht, nur um mich in irgendeinem fremden Fuß zu waschen?! Und vor allem erweist er mir noch nicht einmal die Ehre, wenigstens kurz herauszukommen, um mich zu begrüßen, obwohl ich so viele Geschenke mitgebracht habe!“ Genauso enttäuscht war auch Ruth, als wir vor etwa zwei Jahren einen letzten Versuch unternahmen, bei einer Schmerztherapeutin Hilfe zu suchen (die 4. oder 5.), um endlich von ihrer Fibromyalgie geheilt zu werden. Doch sie gab Ruth genau die gleichen unbrauchbaren Ratschläge, die gar nicht mehr umsetzbar waren, da ihre Krankheit weit fortgeschritten war: mehr Bewegung, sofortiges Absetzen der ganzen Schmerzmittel usw. Ruth fühlte sich nicht ernstgenommen, sondern verspottet – so wie Hiob, der von seinen Freunden nur dumme Ratschläge aber keinen Trost erfuhr. Naaman sollte sich siebenmal untertauchen – wollte der Prophet ihn nicht verspotten? denn was sollte das bringen? Es war so einfach und doch so schwer zugleich, weil es Glauben erforderte; denn bei einem Misserfolg hätte er sich ja wirklich zum Narren gemacht. Aber das Argument seines Knechtes, dass er doch auch viel größere Anstrengungen auf sich genommen hätte, hat ihn dann letztlich überzeugt. Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit und Vollendung. Die Mauern von Jericho fielen auch erst am 7. Tag. Und auch unser Ausharren muss ein vollkommenes Werk haben. Ruth ist längst so verzweifelt, dass sie ständig ihren Wunsch äußert, sich das Leben zu nehmen. Ich erinnerte Ruth deshalb wieder an Hiob, der bis zuletzt ausgeharrt hatte und dem es nie in den Sinn gekommen war, sich selbst zu töten, sondern er flehte Gott an, dies für ihn zu tun. „Du kannst ja ebenso Gott bitten, dass Er Dich heimholen möge, aber Du darfst Dich nicht selbst umbringen, denn das wäre Sünde!

Mittlerweile sind wir wieder zurück aus der Innenstadt und haben viele Eindrücke gehabt. Da wir etwas früh losgefahren sind, waren viele Läden noch geschlossen (sie machen erst um 11.00 Uhr auf), aber schon jetzt waren viele Menschen auf den Beinen. Je mehr es dann gegen Mittag ging, wimmelte es auf den Straßen wie auf einem Ameisenhaufen. Nachdem wir das Geld gewechselt hatten, ging ich mal kurz zum Friseur (10 Soles der Haarschnitt = 2,70 €), denn meine Haare waren nach 3 Monaten schon so lang, dass sie unter dem Sonnenhut klitschnass waren vom Schwitzen. Es waren gegen Mittag nur relativ wenig Bettler in der Stadt, darunter sehr viele Venezolanerinnen mit ihren Babys im Arm. Ruth sagte, dass manche von ihnen ihren Babys heimlich Diazepan geben (Schlafmittel) und dass hätten Reporter auch schon herausgefunden durch Bluttests, denn es sei total unglaubwürdig, dass die Babys die ganze Zeit ruhig schlafen würden trotz all des Lärms der Innenstadt. Beeindruckt war ich von einer etwa 80 Jahre alten Oma, die am Straßenrand auf einer Ukulele spielte, aber in Wirklichkeit nur so tat, indem sie ihre Finger darüber hin- und her bewegte, ohne dass ein einziger Ton hervorkam. Ich sprach die Oma an, aber sie reagierte überhaupt nicht. Auch Ruth stellte ihr Fragen, aber dann gab sie uns ein Zeichen, dass sie taub sei. Sie hatte nur noch 3 Zähne im Mund und erinnerte mich mit ihrem milden Lächeln an meine Schwiegermutter. Wir gaben ihr eine Spende in die Hand und machten ihr Zeichen, dass diese von Gott sei. Wir gingen weiter und fanden immer mehr Bettler, so dass unser Kleingeld schon bald aufgebraucht war. Uns war klar, dass wir beim nächsten Mal besser mit belegten Sandwiches kommen sollten, was viel wirksamer und persönlicher ist.

Nachdem wir zum Schluss auch noch Spielsachen und Lebensmittel eingekauft hatten, gingen wir in ein Internetcafe, um unsere Emails und WhatsApp-Nachrichten zu lesen und zu beantworten. Zu meiner Überraschung und Freude hatte mir Bruder Daniel Ahner geschrieben, den ich schon vor 30 Jahren kennenlernte und den ich vor zwei Jahren das erste Mal wiedersah bei einem Besuch in Mönchengladbach. Seither bekommt auch er meine Rundbriefe und hatte nun das erste Mal geschrieben, um sich zu bedanken und mir seinen Standpunkt mitzuteilen. Schon bei meinem Besuch vor zwei Jahren hatte er mir mitgeteilt, dass ihm durch ein Buch von N.T. Wright über die sog. neue Paulusperspektive „die Augen aufgetan“ worden seien und er seither den fundamentalistischen Glauben an die Bibel aufgegeben habe zugunsten eines „befreienden“ Glaubens. Er hatte gehofft, dass ich für diesen auch empfänglich sei, wundere sich aber nun, dass ich „zu meinem erzkonservativen Glauben zurückgekehrt“ sei und mich wieder solchen „staubtrockenen Brüdern“ unterworfen hätte, die Menschen in eine ägyptische Sklaverei bringen würden, aus die der HErr uns doch befreien wollte. Ich schrieb ihm sofort zurück, dass ich gerne „konservativ“ („erhaltend„) bin, denn wir sollen ja die Wahrheit festhalten und nicht aus der Hand geben. Auch den Vorwurf der „Gefangenschaft“ sähe ich überaus positiv, wenn es sich auf die Gefangenschaft Christi beziehe (Philem. 1+9). Aber der HErr habe uns eine Befreiung von der Sünde verheißen und nicht eine Befreiung zum Sündigen: „Du weißt, dass nicht alles, was befreiend wirkt, wirklich Freiheit ist, und erst recht muss etwas Befreiendes nichts mit der Wahrheit zu tun haben. Seit nunmehr 50 Jahren schreit die Welt: ‚Lasset uns zerreißen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile‘ (Ps.2:3). Gemeint sind hier die christlichen Normen und Überlieferungen… Willst Du Dich jetzt an ihrem Geschrei beteiligen?...“

Am Abend gingen wir mit ein paar Geschenken zu Ricardo und seiner Familie. Ich fragte ihn, ob er mich morgen Nachmittag begleiten würde, um das Evangelium in der Innenstadt zu verbreiten, und er sagte mir zu, dem HErrn sei Dank! Die Bibelstunde verschoben wir auf Sonntagnachmittag. Ich unterhielt mich mit Ricardos Tochter Lizet (23), die noch im Jura-Studium ist, aber gerade eine kleine Tochter bekommen hat, über die Frage, wie eine gläubige Anwältin unter Berücksichtigung der Bergpredigt sich aus gerichtlichen Streitigkeiten heraushalten kann („Wenn jemand deinen Leibrock fordert, dem gib auch noch deinen Mantel dazuMt.5:40). Sie erwiderte, dass sie hauptsächlich als Mediatorin arbeiten möchte, um zerstrittene Parteien zu einer Einigung zu bewegen. Ich erinnerte sie daran, dass damit eine große Verheißung verbunden sei: „Glückselig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes geheißen“ (Mt.5:9). Dann lud uns Ricardo zum Abendessen ein. ich sprach mit ihm über den Bibeltext, den wir heute Morgen in 2.Kön.5 gelesen hatten. Dort heißt es ja, dass Naaman nach seiner „Taufe“ und Bekehrung um Nachsicht bat, wenn er aus rein beruflichen Gründen seinem König beim Götzendienst im Hause Rimons behilflich sein müsse, und dass der Prophet ihm daraufhin durch einen Friedensgruß zu verstehen gab, dass das schon in Ordnung sei und er sich keine Sorgen machen müsse. Ich erklärte Ricardo, dass ein Freund von mir schon von Anbeginn seiner Anstellung im Altenheim ständig Berichte ausfüllen und unterschreiben muss, die nicht den Tatsachen entsprechen, dass er aber keine andere Wahl habe, da dies alle so machen würden und man ihn andernfalls kündigen würde. „Gott verlangt nicht unsere Selbstzerstörung“ sagte ich zu Ricardo. Er war aber anderer Meinung und gab Zeugnis davon, wie er schon mehrere Male sich geweigert hatte, sich an der Korruption und der Vetternwirtschaft im Fischereiministerium zu beteiligen, in welchem er arbeitete: „Wie können wir das Salz der Erde sein für die Ungläubigen, wenn wir uns an ihrer Betrügerei beteiligen anstatt sie zu boykottieren?!“ Da hatte er auch wieder recht.

Lima, 07.12.2019 Heute morgen lasen wir in 2.Kön.6 von der verlorenen Axt, die dem Prophetenschüler versehentlich in den Fluss fiel und die der Prophet Elia dann durch ein Wunder zum Schwimmen brachte, so dass er sich die geliehene Axt wieder aus dem Wasser holen konnte. Schon vor Jahren habe ich mal eine sehr schöne allegorische Auslegung zu dieser Geschichte gehört: Im Grunde soll jeder Mensch auf Erden ein Lernender werden, so wie dieser Prophetenschüler. Bei all seiner Anstrengung, Gott dienen zu wollen, macht er plötzlich die Erfahrung, dass er das Leben (Axt), das Gott ihm „geliehen“ hat, durch seine Unachtsamkeit verloren hat. Es ist dem Tode preisgegeben (Jordan) durch die Sünde, denn diese wiegt so schwer, dass es natürlicherweise unmöglich ist, dass man sein Leben/seine Seele dem Tode entreißen kann. Die einzige Möglichkeit, der drohenden Strafe zu entgehen, besteht darin, sich an den von Gott gesandten Propheten (Jesus) zu wenden und Ihn um Hilfe anzuflehen. Dieser nun zeigt den Rettungsweg auf, indem Er einen grünen Zweig vom Baum abschneidet und ins Wasser wirft: Auch der HErr Jesus wurde „abgeschnitten aus dem Lande der Lebendigen, wegen der Übertretung meines Volkes…“ (Jes.53:8, Dan.9:26). ER sagte: „Wenn man dies tut an dem grünen Holze…“ (Luk.23:31). Um uns aus dem Tod zu erretten, musste Er selbst hinab sinken in das Reich des Todes, damit wir zusammen mit Ihm auferstehen mögen. Im Glauben dürfen wir diese Wahrheit nun erkennen und annehmen. Die Aufforderung an uns lautet aus dem Munde des Propheten: „Ergreife das ewige Leben!“ (1.Tim.6:12). Wir sind schon mit Christus auferstanden, aber wir sind noch nicht am rettenden Ufer. Wir sollen die verbleibende Zeit unseres Lebens „schwimmen lernen„, d.h. die Sünde und den Tod durch den Glauben zu überwinden (1.Joh.5:4).

Ruth wollte heute ihre Freundin Miluska besuchen, um mit ihr zusammen in ihrer Tierarztpraxis zu arbeiten. Ich schmierte am Vormittag etwa 30 Butterbrote mit Wurst, Marmelade oder „Manjar“ (Karamell-Creme). Da klopfte es an der Tür und zwei ältere Damen stellten sich als Zeugen Jehovas vor. Auch ich war ein Zeuge Jehovas, aber kein Sklave der Wachturm-Gesellschaft. Sie fingen dann an, mir zu erklären, dass Gott einen Namen habe, bestritten jedoch dann meinen Einwand, dass Gott sogar viele Namen habe. Dann sagte ich: „Bevor wir weiterreden, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich als Christ an das Gebot in 1.Tim2:12 gebunden bin, dass eine Frau nicht lehren darf und ich als Mann dies deshalb auch nicht zulassen kann. Wenn Sie jedoch Fragen an mich haben, kann ich Ihnen diese gerne beantworten.“ Hier widersprach mir die eine der beiden „Es steht aber auch geschrieben: ‚Der Siegesbotinnen ist eine große Schar‘ (Ps.68:11). Wir lehren hier ja nicht von der Kanzel, sondern verbreiten das Evangelium!“ Ich dachte: Na, die kennt sich aber aus! „Sie brauchen mir aber ja gar nicht mehr das Evangelium zu verkünden, denn ich bin ja selber längst Christ. Aber wenn wir jetzt ein Lehrgespräch führen wollen, dann soll ich als Mann lehren nach der Schrift und Sie sollen lernen.“ Dazu waren sie jedoch nicht bereit und gingen wieder.

Kurz darauf bekam ich Besuch von meinem Walter, der eigentlich Ruth sprechen wollte wegen einer fehlerhaften Stromabrechnung. Ich sagte: „Walter, ich möchte Dir mal ein Geschäft vorschlagen: Ich streiche Dir völlig kostenlos die Vorderseite von Deinem Kiosk und lackiere Dir auch die Gittertür, und als Gegenleistung sollst Du dann Werbung machen bei all Deinen Kunden hier in Matute und ihnen sagen, dass ich Malermeister bin und gerne für sie arbeiten würde. Einverstanden?“ Walter war natürlich sehr dankbar für dieses Angebot und versprach, auch seinen Teil daran zu tun. Ich bot ihm dann ein Glas Lúcuma-Saft an und wir unterhielten uns eine Weile. Ich fragte ihn: „Sag mal Walter, die Freundin, die Dich am Sonntag begleitet hatte, um uns vom Flughafen abzuholen – ist das nur so eine Bekanntschaft oder bist Du mit ihr auch intim?“ – Walter antwortete freimütig: „Ja, ich schlafe mit ihr auch gelegentlich, ist doch klar!“ – „Aber Du weißt, das das Sünde ist, denn Ihr seid nicht verheiratet miteinander“ sagte ich. Er entgegnete: „Aber das ist doch ganz normal und jeder andere Mann würde das doch auch tun!“ – „Aber Du bekennst doch, Christ zu sein. Dann bist Du um so mehr verpflichtet, die Gebote Gottes einzuhalten. Die Bibel nennt das Hurerei was Ihr tut, und die Hurer kommen nicht in das Reich Gottes!“ – „Im Grunde hast Du ja recht, Simon, aber wenn Gott so streng wäre, dann würde am Ende doch sowieso keiner gerettet werden, denn fast alle Männer haben schon Hurerei getrieben.“ – „Also ich bin jungfräulich in die Ehe gegangen und habe meine Frau auch noch nie betrogen.“ – „Ja, das mag ja sein; vielleicht gibt es 5 % aller Männer, die das noch nicht getan haben.“ – „Das Problem ist, dass Du das Wort Gottes nicht ernst nimmst. Aber ich sage Dir, dass Du verloren gehen wirst, wenn Du nicht Buße tust und damit aufhörst.“ – „Ich habe auch vor, damit aufzuhören.“ – „Aber noch nicht sofort? Stell Dir mal vor, Du hast morgen einen Herzinfarkt und stehst dann vor dem HErrn Jesus. Was wirst Du Ihm dann sagen wollen, wenn Er dich fragt, warum Du nicht umgekehrt bist von dieser Sünde?“ Da wurde Walter still und wollte nicht weiter sprechen.

Gegen 15.30 Uhr kam dann Ricardo zu mir und wir machten uns mit Traktaten und den geschmierten Sandwichbroten auf den Weg in die Innenstadt. Ich hatte mir zuvor extramein T-Shirt mit dem aufgedruckten Bibelspruch in Spanisch angezogen: „Tut Buße, denn das Reich er Himmel ist nahe gekommen!“ Wie immer war der Verkehr auf der Avenida Abancay so dicht, dass es teilweise nur im Schritttempo voranging. Wäre gar kein Verkehr, so würde man die 5 km bis zur Innenstadt in ca. 7 Minuten schaffen; so aber brauchten wir fast eine 3/4 Stunde. Wir stiegen bei der Avenida Grau aus und drängten uns an Hunderten von Passanten vorbei in einen kleinen Stadtpark, in welchem die vielen Bänke fast alle voll waren mit Menschen. Eigentlich ein sehr guter Ort zum Predigen, wenn es nicht so laut wäre wegen einer nahegelegenen Tanzveranstaltung. Aber ich wollte ohnehin erst einmal die Brote loswerden und ging deshalb gezielt zu ärmlich aussehenden Parkbesuchern. Ich sagte jedes Mal: „Entschuldigen Sie, ich habe ein kleines Geschenk für Sie...“ dann holte ich ein oder zwei Butterbrote aus dem Kasten und übergab sie mit den Worten: „Der HErr Jesus Christus ist das Brot des Lebens und hat sich für uns gegeben; wenn Sie Ihn haben, werden Sie nicht mehr hungern…“ Ricardo hat dann immer meine Worte ergänzt: „Aber Sie müssen erst Buße tun von Ihren Sünden und Jesus Christus um Vergebung bitten und nicht Maria oder irgend ein anderer Heiliger, denn nur Jesus ist der wahre Retter!“ Die Leute haben sich immer ganz herzlich bedankt und beteuert, dass sie auch an Jesus glauben und auch immer beten würden. Dann gab ich ihnen noch ein Traktat mit und wir gingen weiter.

Nachdem wir so dann einige Brote verteilt hatten, überquerten wir die Hauptstraße und gingen einige Quadras (Häuserblöcke) weiter zum Plaza de San Martín, wo ich ja schon oft gepredigt hatte. Ricardo sagte dann: „Simon, ich überlass Dir hier mal das Feld. Ich setze mich jetzt dort mal hin, denn ich bin sehr müde, und komme später zu Dir.“ Ich ging dann auf den Platz und schaute mir die verschiedenen Sitzgruppen an, wo es Bettler der schäbig Gekleidete gäbe. Da es Samstagnachmittag war, war der Platz ungewöhnlich voll, und wie immer war auch der Marxist Jaime da, der um sich herum eine Menschentraube von etwa 50 Leuten versammelt hatte, um mit ihnen über die Wahrheit des Marxismus zu philosophieren. Plötzlich sprach mich ein Mann an und ich erkannte ihn sofort: es war Miguel, der psychisch kranke Charismatiker, den ich in den letzten 3 Jahren jedes Mal hier gesehen hatte. Ich schenkte ihm zwei Brote, wollte ihn aber schnell wieder loswerden, weil er mich mit wirren Worten nur aufhalten konnte. Dann kam noch einer und wollte auch ein Brot haben. Ein weiterer sprach mich an und fragte mich, ob ich an die Trinität glauben würde (er war Zeuge Jehovas). Und innerhalb von 10 Sekunden war ich von etwa 6 oder 7 jungen Männern umgeben, die neugierig waren und zuhören wollten, was ich dann erklärte. Auf diesem Platz war es eben etwas ganz Normales, dass ein Redner sich hinstellt und eine Schar von Müßiggängern um sich versammelt; und ich war ja auch nicht der einzige.

Zunächst ging es um die Frage, ob die katholische Kirche die Hure Babylon sei. Ich hatte erklärt, dass es zwei katholische Kirchen gäbe, nämlich zum einen die universale (griech. katolikos), zu der alle Gläubigen aus allen Gemeindeausprägungen aller Zeiten gehören, und zum anderen die Römisch-Katholische Kirche. In der Kirchengeschichte war die RKK über viele Jahrhunderte die allein herrschende Staatskirche, zu der auch alle Christen gehören mussten, ob sie wollten oder nicht. Hier gab es also Überschneidungen des Begriffes „katholisch„. In dem Maße, wie die RKK sich des Staates bediente, um Andersgläubige auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen oder Kreuzzüge gegen Muslime im Namen Christi zu führen, wurde sie zur Hure Babylon, die den Glauben zur Durchsetzung gesetzloser Interessen missbrauchte. Einer der Zuhörer machte den Einwand, dass die RKK aber doch auch viele gute Sozialwerke hervorgebracht habe und man sie deshalb nicht in Bausch und Bogen ablehnen könne. Diesen guten Einwand nahm ich zum Anlass, um nach einem kurzen Überblick durch die Kirchengeschichte die Analogien zu den 7 Sendschreiben in Offb.2+3 als 7 Gemeindeausprägungen darzustellen, in welcher die RKK durch die Gemeinde in Thyatira dargestellt wird. Für diese aber hat der HErr Jesus ausgesprochen viel Lob gerade in Bezug auf die guten Werke. Aber Er kritisiert, dass diese Gemeinde es zugelassen hat, dass heidnische Lehren Einzug hielten und die Gläubigen zum Götzendienst verführt hätten. Dieses geschah durch einen Isebel-Geist, der die Geistlichen benebelt und kritikunfähig gemacht hat, sodass sie am Ende geistlich tote Kinder hervorbrachte.

Ein junger Mann unter den Zuhörern (ca. 28 J) rief plötzlich: „Mein Herr, ich kann Ihnen einen Bibelvers nennen, der ihr ganzes Lehrkostrukt auf einen Schlag zum Einsturz bringen wird!“ – „Na, da bin ich aber gespannt!“ grinste ich. „Dann schlagen Sie doch bitte mal in Ihrer Bibel auf und zwar 1.Tim.3:15!“ sagte er. „Ich weiß, was da steht“ sagte ich „und ich ahne auch schon auf was Du hinaus willst. Nämlich: Wie kann eine Gemeinde des HErrn, die doch der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit ist, auf einmal heidnische Lehren übernehmen, nicht wahr?“ – „Ja,“ sagte er, und Sie machen damit obendrein den HErrn zum Lügner, der doch verheißen hat, dass Seine Kirche nicht von den Pforten des Hades überwältigt werden wird. Nach Ihrer Darstellung ist ja aus der Gemeinde des HErrn die Hure Babylon entstanden, oder etwa nicht?“ – „Nein, so kann man das nicht sagen. Vielmehr ist es so geschehen, wie der HErr es im Gleichnis vom Acker beschrieb, dass der Teufel falsche Christen unter die echten streut, die die Aufgabe haben, falsche Lehren wie Sauerteig in das Feinmehl der gesunden Lehre hineinzumengen, bis die ganze Lehre durchsäuert ist, so wie der HErr es in einem anderen Gleichnis beschreibt.“ – „Dann nennen Sie mir doch mal Beispiele für diese angeblich falsche Lehren, die die Römisch-Katholische Kirche angeblich haben soll!“ – „Es gibt etwa 100 falsche Kehren, die überhaupt nicht der Bibel entstammen, dazu zählt die Marienverehrung, die Verwandlungslehre beim Abendmahl, die Babytaufe, die Priester, der Vatikan…“ – „Stopp! Bleiben wir z.B. mal bei der Taufe – Sie behaupten also, es wurden keine Babys getauft. Dann lesen Sie mal bitte Apg.16:31!“ – „Nein, das werde ich nicht tun, und ich möchte, dass wir jetzt diesen fruchtlosen Streit beenden, denn die Bibel sagt auch, dass wir uns nicht streiten sollen!“ sagte ich. Darauf verhöhnte er mich: „Ach, auf einmal kneift er und will angeblich nicht mehr streiten, weil ihm die Argumente ausgegangen sind!

Ich wandte mich einem anderen zu, der sich gemeldet hatte, und Ricardo ging auf den jungen Katholiken zu, um weiter zu diskutieren. Im Nu spaltete sich so der Haufen, und ich sah, wie sich ein zweiter Ring um Ricardo und diesem jungen Mann gebildet hatte. Die nächste Frage, die mir gestellt wurde, war, was denn mit den Toten im Alten Testament sei, die nie das Evangelium gehört hatten, wenn man doch nur durch den Glauben an das Evangelium gerettet werden könne. Und so ging das noch etwa anderthalb Stunden weiter, wobei ich auch sehr viel Unterstützung erhielt von anderen jungen Christen, so dass ich manchmal gar nicht selber antworten brauchte, sondern sie dies für mich taten. Zum Schluss war da ein Agnostiker namens Miguel, ein Geschäftsmann, der sehr kluge Einwände hatte, aber das Gespräch sehr stark in Richtung Politik lenken wollte. Er kam mit den typischen Argumenten wie „Religion ist das Opium des Volkes“ und hielt mich eine ganze Weile ab von der Beantwortung nützlicherer Fragen, weil er eigentlich keine Antwort von mir hören, sondern selber einen Vortrag halten wollte. Deshalb unterbrach ich ihn und bat ihn höflich, Verständnis dafür zu haben, dass ich nicht länger über Politik reden wolle.

Dann drängte mich Ricardo, zum Ende zu kommen, da es allmählich schon dunkel geworden war. Auf einmal erinnerte ich mich daran, dass wir von den 30 Butterbroten noch gut die Hälfte gar nicht verteilt hatten. Spontan bot ich den Zuhörern an, dass sie sich gerne bedienen dürften und sich jeder eine Stulle nehmen durfte. Im Nu war die Kiste leer. Dann fragten sie mich, zu welcher Gemeinde ich gehöre und ob sie mich mal besuchen kommen dürften. Ich sagte, dass ich auch noch ein paar Schriften für Gläubige und Neue Testamente hätte. Als ich sie hervorholte, rissen sie mir diese förmlich aus der Hand. Um ein letztes Neues Testament gab es sogar noch ein Gezerre (Was für ein Unterschied zu Deutschland!). Ricardo drängte mich wieder, und ich rief den Leuten zu, dass sie auch gerne eingeladen seien zu unserer Bibelstunde „Morgen Nachmittag um 17:00 Uhr in der Unidad Vecinal de Matute, Block 59 A-3.“ Einige gaben mir einen Stift und baten mich, das aufzuschreiben. Dann verabschiedete ich mich und ging mit Ricardo aus der Innenstadt raus zur nächsten Bushaltestelle. Ich fragte ihn: „Na, Ricardo, wie fandest Du das?“ – „Nicht so gut. Diese ganzen Diskussionen bringen doch nichts, weil die Leute sowieso nichts annehmen wollen.“

Ruth kam etwa gegen 21:30 Uhr auch nach Haus. Sie hatte zusammen mit Miluska ein Handy gekauft für 400 Soles, damit wir ab jetzt auch erreichbar sind und selber auch kostenlos über WhatsApp nach Deutschland telefonieren können.

Lima, 08.12.2019 Heute morgen hatte Ruth mal wieder sehr starke Schmerzen und war schlecht gelaunt. Sie bereitete Frühstück, und als wir saßen, erzählte ich ihr von den Gesprächen in der Innenstadt. Sie sagte: „Ricardo hat recht. Diese Einsätze bringen im Grunde gar nichts, außer dass sie Dein Ego erhöhen, weil Du glaubst, dass die Leute Dich als Gringo bewundern. Aber wenn Du wirklich Menschen gewinnen willst, dann musst Du persönliche Gespräche führen. Außerdem sollen wir den Glauben in erster Linie vorleben – Dein Umfeld soll sehen, dass Du ein neuer Mensch geworden bist, und erst an zweiter Stelle sollen wir auch darüber reden. Ich finde es nicht gut, wenn Du jetzt jeden Tag in die Innenstadt fährst und mich dabei vernachlässigst. Es reicht doch völlig aus, wenn Du einmal in der Woche oder einmal im Monat in der Stadt evangelisierst! Hier in Lima gibt es schon so viele andere, die dies regelmäßig tun, und kaum einer hört ihnen zu. Deshalb bilde Dir doch nicht ein, dass die Menschen von Dir das Evangelium hören wollen. Sie stehen nur aus reiner Neugier da oder weil sie hoffen, von Dir Geld oder Essen zu bekommen. Bruder Arturo Vicente aus Kanada hat so gut wie nie Spendengelder gegeben, weil er sich sicher sein wollte, dass die Menschen wirklich nur am Wort Gottes interessiert sind und nicht am Geld. Deshalb hat sich die Spreu vom Weizen getrennt, und es kamen am Ende wirklich nur noch die aufrichtigen Gläubigen zu den Versammlungen. Du solltest Dich deshalb lieber um solche Geschwister kümmern und mit Gottes Hilfe eine Gemeinde aufbauen. Aber das Evangelisieren kannst Du ruhig den anderen überlassen. Der HErr rettet sowieso schon die, die Er erretten will, und braucht Dich dazu nicht unbedingt.“ Ich sagte: „Ja, Er braucht mich nicht, aber Er will mich gebrauchen!

Dann gingen wir nach nebenan ins Wohnzimmer und machten unsere Bibellese. Wir lasen 2.Kön.7, wobei wir auch noch Kap. 6 ab Vers 24 dazu lasen, wo von der Hungersnot in Samaria die Rede ist. Als wir dann zu 7:9 kamen, unterbrach ich und sagte: „Schau mal Ruthi: hier hast Du die Bestätigung, dass wir nicht schweigen dürfen vom Evangelium oder es anderen überlassen könnten, denn Gott erwartet von uns, dass wir selber hingehen und den Menschen die gute Nachricht verkünden. HEUTE ist der Tag des Heils, und wenn wir die Zeit nicht ausnutzen zum Predigen, dann wird uns Schuld treffen. Du solltest mich als meine Frau hier im Glauben unterstützen und hinter mir stehen! Und selbst dann, wenn meine Motive irgendwie nicht lauter wären – was nicht einmal ich selbst beurteilen kann geschweige denn Du – sollen wir trotzdem das Evangelium verbreiten, wie Paulus in Phil.1 sagt, denn es ist unsere Pflicht!“ Ruth war einverstanden und nickte still. Wir beteten gemeinsam, dass der HErr doch die Frucht aufgehen lassen möge, die gesät wurde. Dann machten wir uns auf den Weg, um noch einige Einkäufe zu machen, denn Ruth wollte für die Brüder, die am Nachmittag kämen, noch ein Essen bereiten. Zudem waren auch noch Vorbereitungen zu treffen, da wir für morgen eine Reise ins Gebirge geplant hatten, und zwar eine Woche nach Cajamarca (ausgesprochen: Cachamarka).

Um 17.00 Uhr standen Ricardo, seine Tochter Sara, sowie die Brüder Hugo und Edilberto vor der Tür und wir hießen sie willkommen. Das Thema, über das ich sprechen wollte, war die Frage: „Welche prophetische Bedeutung haben die sieben Sendschreiben?“ Ich erklärte ihnen noch mal die Kirchengeschichte und die Beurteilungen des HErrn über die unterschiedlichen Epochen an Hand von Offb.2-3. Insbesondere das Lob und die Kritik des HErrn an Thyatira sollte uns als Evangelikale zu einer ausgewogeneren Beurteilung der Katholischen Kirche führen, da es dem HErrn nicht vorrangig um perfekte oder fehlerhafte Bekenntnisse geht, sondern um das, was am Ende des Tages dabei herauskommt, also unsere Werke. Gerade die scharfe Kritik des HErrn an Laodizea sollte uns aufhorchen lassen, dass der HErr unsere falsche Selbstsicherheit und Überheblichkeit viel mehr verabscheut als „das Wenige„, was Er an Thyatira zu beanstanden hat. Wir sollten alle bereitwillig das Kaufangebot des HErrn in Offb.3:17-18 annehmen und diese drei heilsnotwendigen Stücke um jeden Preis erwerben, indem wir unser Denken ändern. Die Brüder waren im Prinzip einverstanden, aber Ricardo beharrte darauf, dass alle Denominationen nichts mit der Ekklesia des HErrn zu tun hätten, da sie von Menschen gegründet seien, und zwar genau genommen von Freimaurern. Ich fragte ihn, ob er irgendeinen gerichtverwertbaren Beweis für seine krude These hätte, dass überhaupt irgend eine Gemeinde von Freimaurern gegründet wurde. Er sagte: „Keinen direkten, aber einen indirekten Beweis, denn der HErr sagte ja: ‚An den Früchten werdet ihr sie erkennen‘.“ Ich wollte mich nicht mit Ricardo streiten, deshalb beließ ich ihn in diesem Wahn. Dann gaben auch noch die anderen beiden Brüder ihre Meinungen dazu, wobei sie betonten, dass wir andere nicht zu richten hätten.

Auf einmal klopfte es an der Tür und einer der Zuhörer von gestern trat ein, ein großer und sehr schlanker Mann mittleren Alters. Er stellte sich als Lehrer namens José-Jesus (47) aus Piura vor, setzte sich und hörte unserer Unterredung still zu. Nach der Bibelstunde und Gebet gab Ruth das Essen und Trinken an die Besucher. Auf einmal erzählte uns Bruder Edilberto (76), dass er sich morgen auf die Reise in den Urwald nach Pucallpa und Iquitos machen würde, um dort Traktate zu verteilen. Ich war ganz überrascht über diese Nachricht, denn das hatte ich gar nicht erwartet von diesem alten Bruder. Ruth sprang sofort auf, holte eine gewisse Summe von den Spendengeldern und ließ sie mich dem Bruder vertraulich übergeben. Wir beteten dann noch einmal besonders für diese Reise des Bruders und entsandten ihn mit dem Segen des HErrn. Als dann alle gegangen waren, fragte ich Jose-Jesus, ob er mal von sich erzählen wolle, wer er sei und woher er komme. Dann stand er auf (als ob er auf einer Behörde sei) und sagte mit ernster Stimme: „Mein Name ist Jose Jesus …, geboren bin ich am 11.09.1972 in einem Dorf … im Distrikt … als viertes von insgesamt sechs Kindern der Eheleute… usw.“ Ich dachte, dass ich das so genau eigentlich gar nicht wissen wollte und sagte: „Setzt Dich doch wieder, José, und entspann Dich; wir sind doch hier unter uns und es reicht eigentlich, wenn Du nur kurz mal erzählst, wer Du bist und was Gott an Dir getan hat.“ Doch dann erzählte José anderthalb Stunden lang ohne Unterbrechung, was er alles in den letzten 20 Jahren seines Lebens erlebt hatte, und es war keineswegs langweilig…

Nach seinem Studium auf Lehramt wurde er vom Schulamt in den Nordosten des Landes entsandt in eine ländliche Region, wo er als Grundschullehrer arbeiten wollte. Dieser Landstrich war aber dafür bekannt und berüchtigt, dass er schon seit Jahrhunderten unter einer anarchistischen „Selbstverwaltung“ stand, auf die weder Polizei noch Militär Einfluss hatten, sondern mafiöse Familien-Clans nach Willkür und traditionellen Regeln herrschen, die von allen stillschweigend akzeptiert werden. Die Menschen leben dort in Endogamie, d.h. es gibt nur wenige Großfamilien, die alle miteinander verwandt sind, weil man immer nur untereinander heiratet. Die führende Familie, die hier hauptsächlich das Sagen habe, stamme von der Volksgruppe der Sarcos. Hierbei handelt es sich um sephardische Juden, die helle Hautfarbe, grüne Augen und z.T. sogar rotblonde Haare hätten. Sie stammen aus jener Vertreibung aus dem Jahre 1493, als Königin Isabel die Juden aus Spanien vertrieb. Diese hatten jedoch längst den katholischen Glauben angenommen, übten ihn jedoch mit einem eigenwilligen Götzendienst aus. Z.B. finden in den Kirchen keine Messen mehr statt, sondern stattdessen Hahnenkämpfe, bei denen sich die Einheimischen mit Zuckerrohrschnaps betrinken und sich häufig dann mit der Machete zum Spaß bekämpfen. Neben heidnischem Aberglauben und Schamanentum haben sie aber auch einen speziellen Götzendienst, indem sie ein riesiges Holzkreuz als eine Art Glücksbringer und Gottheit verehren und um dieses herum tanzten. Einmal im Jahr, zu einem bestimmten Fest, muss dann irgend ein Mensch ermordet werden. Dieser Mord ist eine Art „Opfer“ und wird auch von niemandem aufgeklärt. Als die Chilenen im 19.Jh. Peru überfielen, ließen sie dieses Outlaw-Landstück in Ruhe, weshalb beim Eintritt in dieses Stammesgebiet ein Schild steht mit der Aufschrift: „Unsere Provinz haben die Chilenen sich nicht zu erobern getraut!

Ich unterbrach José und wies ihn noch mal darauf hin, dass er es nicht zu ausführlich machen brauche, sondern mal auf den Punkt kommen möge. Er bat noch etwas um Geduld, denn diese lange Einführung sei wichtig gewesen, um zu verstehen, warum ihm alles Folgende passiert sei. Dann erklärte er, dass es in dieser bergigen Region jede Menge Lagunen gebe auf 2.800 m Höhe, wo die Leute Magie betrieben, und zwar wurde in bestimmten Lagunen weiße Magie und in anderen schwarze Magie betrieben. Wenn man also sich an einer Person rächen wolle, dann gab man den Hexern Geld, um diese Person durch eine Art Voodoo-Zauber zu verwünschen. Und genau das sei ihm passiert worden, weil er es gewagt hatte, die örtliche Verwaltung wegen Korruption und Vetternwirtschaft zu verklagen, nachdem er seinen Lehrerjob 2003 plötzlich, unverschuldet und unrechtmäßig verlor zugunsten eines Familienmitglieds der Bürgermeisterin. In den darauffolgenden 10 Jahren führte er einen juristischen Krieg gegen die Behördenwillkür und musste plötzlich erleben, wie man ihn mehrfach sogar versucht hatte, umzubringen. Er wurde verleumdet, falsche Zeugen haben gegen ihn ausgesagt und Akten verschwanden plötzlich. Dennoch hatte er zwischendurch auch immer wieder Teilerfolge erzielt, so dass er seinen Glauben an die Justiz nicht aufgab.

Doch 2013 überstürzten sich dann die Ereignisse: er besaß ein kleines, altes Haus in Ayabaca, der Provinzhauptstadt, hatte aber ein Jahr lang bei seiner krebskranken Mutter in Piura verbracht, um sie zu pflegen. Doch als er zurückkam, erlebte er den Schock seines Lebens: sein Haus war verschwunden; man hatte es in der Zwischenzeit ohne seine Erlaubnis abgerissen und dem Erdboden gleich gemacht. Er beschwerte sich bei den Behörden und erfuhr, dass dies auf Anordnung jener Bürgermeisterin geschah, weil es angeblich Risse im Haus gab, die das Haus hätten zum Einsturz bringen und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährden können. Er verlangte sofort Schadenersatz und eine Herausgabe aller seiner Habe, die er sich mühselig in verschiedenen Lagerhallen zusammensuchen musste. Doch für einen Prozess fehlte ihm nun das Geld, um seinen Anwalt zu bezahlen, denn man hatte ihn inzwischen wegen angeblicher psychischer Instabilität die Lehrerlaubnis entzogen, so dass er kein Einkommen mehr hatte. Er machte daraufhin einen Sitzstreik vor seiner Schule, und musste plötzlich erleben, wie eine Gruppe von sechs Frauen ihn vor den Augen der traumatisierten Grundschüler so schwer mit Kabeln und Stöcken verprügelten, dass er ohne polizeilichen Schutz das Weite suchen und auf seiner Flucht auch noch von einem Hund gebissen wurde. Er zog nach Chimbote in ein billiges Hotel. Da er aber das Zimmer nicht mehr bezahlen konnte, wechselte man das Schloss und behielt sein ganzes Hab und Gut als Pfand, inkl. seiner ganzen Papiere, bis er seine Schulden bezahlt hätte.

Er zog daraufhin 2014 nach Lima und erkrankte an der Tuberkulose. Doch 15 Tage, bevor seine Therapie beendet wäre, kündigte ihm dann auch noch die Privatkrankenversicherung. Schwerkrank mit einer hochansteckenden Infektionskrankheit musste er nun um die Fortsetzung seiner Therapie kämpfen, die ihm schließlich auch gewährt wurde. Er lebte nun als Obdachloser auf der Straße und verdiente sich zwei Mahlzeiten am Tag durch das Sammeln von recycelbarem Müll, durch den er etwa 10 Soles pro Tag bekam. „Wenn ich aber nur 6 Soles verdiente, reichte es nur für eine Mahlzeit und ich musste hungern„. Dann erfuhr er plötzlich von dem Tod seiner Mutter, was ihm völlig das Herz brach, denn sie war der einzige Mensch, der ihn liebte. Nun war ihm jeder Lebensmut entschwunden und er fragte sich, warum Gott dies alles zugelassen habe. Er weinte Tage und Wochen lang. Eines Abends im Juli 2019 fand ihn ein junges Ehepaar, wie er hungernd und frierend in einem Versteck kauerte. Das Ehepaar waren evangelikale Christen. Sie nahmen ihn in ihr Haus auf, gaben ihm zu Essen und er konnte sich duschen. Von nun an nahm er auch regelmäßig an den Gottesdiensten teil und er wurde liebevoll wie ein Bruder behandelt. Da das Ehepaar ihn aber nicht länger bei sich wohnen lassen konnte, mietete der Bruder namens Daniel eine Ein-Zimmer-Wohnung für ihn an, die er selbst bezahlte. Er vermittelte ihm auch einen Job als Wärter für eine staatliche Gesundheitsbehörde, aber unter der Bedingung, dass er seine Schulden bei Daniel nach und nach zurückzahlen müsse durch die Einkünfte, die er durch seine Arbeit habe. Doch am 26.11.2019 wurde er in das Büro der Gebäudeverwaltung gerufen und man gab ihm eine Kündigung, da sich angeblich Besucher über ihn beschwert hätten, dass er unfreundlich gewesen sei. Ich fragte Jose-Jesus, ob wir vielleicht mal nach draußen gehen können in die Parkanlage von Matute, um dort weiterzureden. Wir gingen raus.

Nun war er wieder arbeitslos und hat Angst, dass er demnächst auch noch seine Wohnung wieder verlieren könnte, da er seine Schulden nicht bezahlen kann. Er traue sich schon gar nicht mehr, zur Gemeinde zu gehen, weil Daniel dann erfahren würde, dass er seine Arbeit wieder verloren habe. Wir setzten uns auf eine Parkbank, und ich sagte: „Weißt Du, Jose, Du hast mir jetzt zwei Stunden lang fast deine ganze Lebensgeschichte erzählt, und ich hätte nie gedacht, dass sie so traurig ist. Was ich allerdings vermisst habe, war, dass Du auch mal etwas über Deine Beziehung zu Gott sagst“. – „Wie meinst Du das?“ fragte er. „Naja, Du weißt ja, dass wir Christen sind, und deshalb versuchen wir immer, Gott in all unseren Überlegungen mit einzubeziehen, d.h. zum Beispiel zu fragen: Warum hat Gott dies zugelassen? Was will Gott mir damit sagen? Glaubst Du eigentlich an Gott?“ – Zögernd antwortete er: „Natürlich glaube ich an Gott. Ich bin schon von Kind auf gläubig.“ – „Du meinst katholisch gläubig?“ – „Ja, aber ich bin heute eher evangelisch gläubig, habe aber auch mein eigenes Bibelverständnis. Z.B. glaube ich nicht an die Dreieinigkeit und auch nicht an den Sonntag.“ – „Wann hast Du Dich denn bekehrt?“ – „Das kann ich eigentlich gar nicht sagen, ich habe ja schon immer geglaubt.“ Dann versuchte ich ihm behutsam zu erklären, dass es beim Glauben nicht allein um den Glauben an Gott geht, und erst recht nicht um bestimmte Lehrauffassungen, sondern darum, dass man durch den Glauben an das, was der HErr Jesus auf Golgatha für uns getan hat, eine Wiedergeburt erfährt und von Gott ein neues Herz bekommt. Ich erzählte ihm dann von mir, wie ich mich mit 16 J. bekehrt hatte, aber wie ich mich mit 46 Jahren noch einmal bekehren musste, weil ich zwischenzeitlich auch 18 Jahre lang ungläubig war.

Schließlich fragte ich ihn, ob er eigentlich in der Bibel lese. Er sagte, dass er eine ganze Weile darin gelesen habe, aber dass er in der letzten Zeit nicht mehr in der Bibel lese. Ich fragte ihn, warum nicht. Plötzlich sagte er mit stockender Stimme: „Mein Verhältnis zu Gott hat sich zuletzt sehr verschlechtert… Ich kann einfach nicht mehr an die Liebe Gottes glauben, – nach all dem, was passiert ist… Ich muss auch ständig an meine Feinde denken und an das, was sie mir angetan haben.“ Auf einmal fing er sehr stark an zu Heulen und zu Schluchzen. Ich nahm ihn in den Arm und redete tröstend zu ihm, dass Gott all dies erlaubt habe, damit er sich zu ihm bekehre und fortan all seine Hilfe beim HErrn suche. Er schluchzte unentwegt weiter und so verblieben wir eine ganze Weile bis er sich beruhigt hatte. Dann fragte ich ihn, ob er bereit sei, jetzt sein Leben dem HErrn zu übergeben, damit Gott ihm ein neues Herz schenke. Er war dazu bereit, und wir beteten gemeinsam. Er betete, dass der HErr Jesus ihm doch all seine Schuld vergebe, dass er all die Jahre selber gekämpft habe, anstatt auf Gott zu vertrauen, und dass der HErr ihm doch endlich einen Neubeginn schenken möge durch Seinen Heiligen Geist. Wir sagten „Amen“ und umarmten uns noch einmal, und ich fragte ihn, ob ich ihm eine Bibel schenken dürfe (glücklicherweise hatte ich diesmal wenigstens eine Verschenkbibel dabei). Ich ging in die Wohnung und holte sie. Dann gab ich ihm mal eine ausreichende Geldspende für die nächste Woche und erklärte ihm, dass ich ihn auch weiterhin helfen würde, sobald wir wieder aus Cajamarca zurück sind. Wir verblieben so, dass wir uns nächsten Sonntag wiedersehen würden zur Bibelstunde.

Cajamarca, 09.12.2019 Heute morgen lasen wir in unserem Bibeltext in 2.Kön.8 von der siebenjährigen Hungersnot, vor der Elisa die Frau aus Kap.4 rechtzeitig gewarnt hatte und die sich deshalb im Philisterland versteckt hatte. Dies erinnerte mich an Offb.12, und ich frage mich, ob diese ganzen, merkwürdigen Erlebnisse von Elia und Elisa nicht alle auch eine prophetische Botschaft für uns haben bezüglich der letzten sieben Jahre. Demnach könnte es sich bei der Geburt eines Sohnes für die Frau aus Kap.4, der plötzlich starb und gleich darauf wieder zum Leben erweckt wurde, um jenen „männlichen Sohn aus Offb.12 handeln, der eine geistliche Geburt des Christus in unseren Herzen darstellen könnte, also eine verheißene Belebung des Volkes Gottes kurz vor der Wiederkunft des HErrn Jesus. Ich müsste mir wirklich mal mehr Zeit nehmen, um diese Parallelen aufzudecken, zu entschlüsseln und prophetisch zu deuten. Irgendwie spürt man deutlich, dass diese Erlebnisse kein Zufall sind, sondern dass Gott uns hier eine verschlüsselte Botschaft mitteilen könnte. Aber um dieses herauszufinden, wäre es wünschenswert, wenn 2 – 3 Brüder, die die allegorische Sprache der Schrift beherrschen, gemeinsam forschen und ihre Entdeckungen zusammentragen.

Nachdem wir am Vormittag unsere Sachen zusammengestellt haben, die wir für unsere einwöchige Reise nach Cajamarca, holte uns der gläubige Taxifahrer Jaime ab, um uns zum Flughafen zu bringen. Dort erlebten wir dann jedoch eine Überraschung, dass nämlich der ungewöhnlich günstige Flug in Höhe von 65 Dollar hin und zurück ein Tarif war, den es nur gibt, wenn wir ohne Gepäck gereist wären. Da wir aber Gepäck dabei hatten, mussten wir einen Betrag von 150 Soles (45 Dollar) pro Person nachzahlen, was insofern unangenehm war, weil unser Reisebudget ohnehin knapp war. Ruth war gleich wieder aufgeregt, aber ich beruhigte sie, dass wir uns keine Sorgen machen sollen, denn der HErr sorgt ja für uns. Kurz danach fiel uns ein, dass wir auch unsere Jacken vergessen hatten, denn im Hochgebirge sind es ja nicht mehr 25 C Grad, sondern nur noch 12 C Grad im Schnitt. Doch auch diese Sorge wollten wir dem HErrn überlassen und getrost sein. Am Ende stellte sich heraus, dass unsere Pullover und Regenponchos völlig ausreichten. Cajamarca (ausgesprochen Cachamarca) liegt in einem Andental in Höhe von 2.750 m. Die Stadt erlangte im Jahr 1532 Bekanntheit, weil dort der Inkakönig Atahualpa und der Marquis Don Francisco Pizarro zum ersten Mal auf einander stießen. Durch einen Überraschungsangriff töteten die Spanier auf einen Schlag 3000 Indianer und nahmen Atahualpa gefangen. Er bat darum, ihn nicht zu töten und bot ihnen an, dass seine Leute einen ganzen Raum bis an die Decke mit Gold und Silber füllen würden, wenn man ihn frei ließe. Der Inka erfüllte sein Versprechen, doch die Spanier ließen ihn dennoch nicht frei. Knapp ein halbes Jahr später im Jahr 1533 wurde er von den Spaniern hingerichtet.

Als wir in Cajamarca ankamen war es bewölkt und regnete ein wenig. Jetzt im Winter ist die Regenzeit, d.h. vormittags scheint die Sonne, aber nachmittags regnet es. Wir merkten sofort die dünnere Luft, denn das Hinaufgehen strengte ziemlich an. Wir nahmen uns ein Hostal (Pension) für 10 Dollar/Nacht/Person. Am späten Nachmittag hatte es aufgehört zu tröpfeln, und wir machten einen Spaziergang zum Plaza de Armas und zum Mercado Central, wo wir Lebensmittel einkauften, denn wir hatten den ganzen Tag noch nichts gegessen. Cajamarca ist ein sehr fruchtbares Land, wo buchstäblich Milch und Honig in solchen Mengen fließt, dass es berühmt geworden ist für seinen Käse. In der Altstadt gibt es fast an jeder Straßenecke einen Käseladen. Man ist diesen leicht säuerlich- salzigen Weißkäse zusammen mit Oliven, die es auch überall zu kaufen gibt. Die Preise in Cajamarca sind sehr niedrig und es gibt auch nicht viele Touristen um diese Jahreszeit. 90 % aller Touristen hier sind ohnehin Peruaner, was auch veranschaulicht, dass Peru in den letzten 10 Jahren zu bescheidenem Wohlstand gelangt ist (früher gab es eigentlich keinen einheimischen Tourismus). Dabei gibt es in der Region von Cajamarca beinahe genauso viele archäologische Attraktionen wir im Raum Cuzco. Hinzu kommt eine sehr beeindruckende Natur. Am Abend buchten Ruth uns für die Vormittage eine Bustour für jeden Tag, um die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.

Cajamarca, 10.12.2019 Das Zimmer in der Herberge war zwar wunderbar, aber die ersten drei Stunden (bis etwa 23.00 Uhr) konnten wir kaum schlafen, denn nebenan war so eine Disco-Veranstaltung mit einem fürchterlichen Lärm. Ich versuchte, durch Lesen müde zu werden, aber alle zwei Minuten musste ich zudem heftig husten. Ich versuchte das Kitzeln in meinem Hals zu unterdrücken, aber das gelang mir immer nur maximal 5 Minuten, und dann musste ich wieder kräftig husten, so dass Ruth mir Vorwürfe machte, warum ich mich nicht warm genug angezogen hätte. Sie gab mir nochmal eine Tablette Antibiotika, durfte mir aber kein ACC Hustenlöser geben, weil man diesen nur morgens nehmen darf. Irgendwann hörte das Husten tatsächlich auf, aber ich konnte einfach nicht mehr einschlafen. Es war auch sehr kalt im Zimmer Ich betete: „HErr, ich bitte Dich, mir Schlaf zu schenken. Aber wenn nicht, dann ist es auch gut und ich danke Dir auch dafür.“ Manchmal verstehen wir die Dinge ja nicht, aber dürfen sie dennoch im Vertrauen aus Gottes Hand annehmen. So ruhte ich mich den Rest der Nacht nur noch aus und dachte über vieles nach. Unter anderem fragte ich mich, warum so viele Christen glauben können, dass Gott das Opfer einer 3000fachen Vergewaltigung nach ihrem Tod genauso lange bestrafen wird wie ihren Vergewaltiger, nämlich mit ewiger Feuerseequal. Man muss sich das nur mal vorstellen: Da erlebt z.B. ein Mädchen 10 Jahre ihres Lebens die „Hölle auf Erden„, weil sie täglich 1-2 mal von ihrem Stiefvater brutal vergewaltigt wird, und dann soll sie wegen ihres fehlenden Glaubens an den HErrn Jesus auch gleich nach dem Tod noch pausenlos weitergequält werden, so als ob ihr Leiden zu Lebzeiten überhaupt keine Berücksichtigung finde. Vielleicht war sie ja gerade wegen ihres Kindheitstraumas so dermaßen verbittert, dass sie deshalb den HErrn Jesus nicht annehmen konnte…

Am Morgen las ich 2.Kön.9 vor, als Jehu zum König gesalbt wurde, um im Auftrage Gottes das Haus Ahabs auszurotten. Doch trotz all des Ernstes und der verheerenden Konsequenzen der Sünde, die dem Jehu doch eigentlich als Vollstrecker hätten bewusst sein sollen, tat er es am Ende doch seinen Vätern gleich, so dass auch sein Haus ausgerottet wurde (man denke hier an Röm.2:1-4). Wir beteten, aßen ein kleines Frühstück aus Avocado-Brötchen und Soja-Bohnensaft und mussten dann zum etwa 1,5 km entfernten Plaza de Armas laufen, wo uns um 8:30 Uhr der Kleinbus mitnahm. Die erste Station, wo der Bus anhielt, hieß Polloc (ausgespr. Pojok), wo es mitten im Gebirge eine alte Abtei mit Kapelle gab, die 2006 aufwendig renoviert und von Schülern der Sekundarstufe 2 unter Leitung eines gew. Don Bosco mit Bildern aus Mosaiksteinen und Buntglasscherben verziert wurde. An einer Wand stand der Spruch: „Antes morir que pecar„, d.h. „Lieber sterben als sündigen„. Als nächstes fuhr uns der Reiseleiter zu einem „Steinwald“ mit bizarren Felsformationen, die durch ein tektonisches Aufwölben der Erdschichten entstanden waren. Dann fuhr der Kleinbus zu einer Ortschaft namens Namora, wo es eine Gitarrenmanufaktur gab. Wir setzten uns auf Holzbänke und ein Einheimischer erklärte uns unter freiem Himmel, wie eine Gitarre hergestellt wird, dann gab er uns zusammen mit einem Flötenspieler eine folklorische Gesangseinlage, bevor wir uns ein wenig unter den Kunsthandwerkregalen umschauen durften. Dann fuhren wir zu einer 3000 m hoch gelegenen Lagune namens San Nicolás, wo wir auf einem Schilfboot zu einer Insel hinübersetzten, die aus Schilf hergestellt wurde. Zu Mittag aßen wir dann Reis mit Kürbissoße und gebratenem Meerschweinchen bzw. Forelle.

Als wir am frühen Nachmittag wieder zurück in Cajamarca waren, fing es stark an zu regnen. Im Nu verwandelten sich die schmalen Straßen in Wasserkanäle. Jetzt wurde mir auch klar, warum die Bordsteine mit etwa 40 cm Höhe ungewöhnlich hoch sind. Die Bürgersteige sind mit etwa 1 m so schmal, dass Ruth und ich kaum nebeneinander gehen konnten. Wir ruhten uns im Hostal-Zimmer aus und machten am frühen Abend nochmal einen Spaziergang, als es aufgehört hatte zu regnen. Die Straßen waren voll mit Menschen. Wir gingen auf den parkähnlich angelegten Plaza de Armas. Ich hoffte, hier ein paar müßig sitzende Leute zu finden, denen ich das Evangelium verkündigen könnte, aber es gab nur junge Liebespaare, die miteinander turtelten, oder Einzelpersonen, die wie gebannt auf ihr Smartphone starrten. Dann gingen wir hoch zur alten Kathedrale aus dem 17.Jh. In einem Fußgängerbereich sahen wir Jugendliche, die zu Folkloremusik synchron tanzten. Sie übten wohl für einen Tanzwettbewerb. Ruth kaufte sich eine Poncho-Strickjacke und wir gingen wieder heim.

Während man Städte im Gebirge wie z.B. Cajamarca oder Cuzco als „verschlafenes Nest“ bezeichnen kann, was die Kriminalität angeht (es gibt hier noch nicht einmal Graffiti an den Wänden), so gibt es in den Nachrichten über Lima seit einem Jahr nur ein Thema: die Kriminalität von Venezolanern. Seitdem vor zwei Jahren Hunderttausende von Venezolanern nach Peru geströmt sind, z.T. sogar zu Fuß, um der Hungersnot in ihrem Land zu entkommen, sieht man im Stadtbild von Lima nun an jeder Ecke Venezolaner, die irgendetwas verkaufen. Zwar sind auch viele nach Ecuador und Kolumbien geflüchtet, Peru aber war nicht nur wegen seines wirtschaftlichen Aufschwungs, sondern auch wegen seiner Willkommenskultur das bevorzugte Wunschland. Doch während die Venezolaner vor zwei Jahren noch bewundert und geliebt waren wegen ihres Ehrgeizes und ihrer hohen Bildung, hat sich das Blatt nun gewendet, nachdem sich inzwischen eine gut organisierte Mafia gebildet hat, die am laufenden Band Terror in Lima verübt, fast schon so wie früher der Sendero Luminoso. Verräter müssen sich vor laufender Kamera selbst denunzieren, bevor ihnen in den Kopf geschossen wird. Gestern haben sie zwei jugendliche Venezolaner geköpft, weil sie Erpressungsgelder veruntreut hatten. Die Leichen haben sie in vier Teile geschnitten und in Müllsäcken vor Überwachungskameras aus dem Haus geschafft. Einer der beiden Opfer (24) war sogar Sänger in einer Pfingstgemeinde, aber er führte scheinbar ein Doppelleben. Die Peruaner fordern jedoch keinen Einwanderungsstopp wie in Deutschland, sondern greifen immer häufiger zur Selbstjustiz bis hin zum Lynchmord von aufgebrachten Anwohnern. Sie unterscheiden also zwischen anständigen oder kriminellen Venezolanern und scheren nicht alle über einen Kamm. Dennoch ist die Gewaltbereitschaft der Venezolaner deutlich höher als bei den Peruanern. Wegen 10 Soles (3,-€) wurde schon ein Passant abgestochen. Verglichen mit Deutschland hat die syrische Flüchtlingskrise nach meinem Eindruck nur einen Bruchteil an solcher Kriminalität hervorgebracht, was nicht zuletzt wohl auch mit der islamischen Frömmigkeit der meisten syrisch-irakischen Flüchtlinge zu tun hat. Man muss aber auch bedenken, dass in den deutschen Medien viele Straftaten verheimlicht werden.

Cajamarca, 11.12.2019 Während ich inzwischen endlich überm Berg bin mit meiner Erkältung, ging es Ruth heute Morgen leider sehr schlecht. Neben ihren Muskelschmerzen, wurde sie von Hals- und Kopfschmerzen gequält. Wir beteten und lasen unseren heutigen Text in 2.Kön.10. Es ist erstaunlich, dass Israel trotz der großartigen Manifestation der göttlichen Macht in 1.Kon.18 und der damit verbundenen Ausrottung des Baalgötzendienstes, schon ein paar Jahrzehnte später wieder so viele Baalspriester hat, die Jehu wieder restlos ausrotten. Heute steht der Besuch bei einer christlichen Kooperative auf dem Programm. Gläubige Christen haben vor 35 Jahren eine Farm gegründet in Porcón nach dem Prinzip der Urgemeinde mit zahlreichen Wildtieren aus Peru, die in ihrem natürlichen Habitat leben. Als ich dies hörte, war ich natürlich sehr neugierig, weniger auf die Tiere als auf die Glaubensgeschwister. Nach 1,5 Stunden fuhr unser Kleinbus durch ein Tor in einen Wald hinein, in welchem alle 50 m ein großer Bibelvers auf etwa 1 qm großen Plakaten. Von einer Anhöhe aus konnte man dann die hügelige Landschaft sehen voll mit Tannen, die es hier in Peru eigentlich gar nicht gibt (im Gebirge gibt es eigentlich nur Eukalyptusbäume). Der Touristenführer Miguel erklärte uns, dass dieses Grundstück von 12.000 ha im Privatbesitz dieser Kooperative sei und dass diese baumlose Ödnis vor 35 Jahren aufgeforstet wurde mit Hilfe von Spendengeldern und einem Kredit, indem man 13 Millionen Nadelholz-Setzlinge einpflanzte, die aus Chile und Kanada geliefert wurden. Jetzt verdiene die Kooperative mit der Verarbeitung und dem Verkauf des Holzes, aber neuerdings auch durch den Tourismus.

Wir stiegen aus auf dem Dorfplatz und warteten kurz, bis der Reiseleiter Miguel die Eintrittsgelder für uns bezahlt hatte. Auch auf dem Dorfplatz waren an jedem Haus Bibelverse zu lesen, meist aus den Psalmen, die z.T. ungewöhnlich und auch hochemotional waren, wie z.B.: „Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott„. Ich ahnte schon, dass die Kommunität wohl auch sehr sittenstreng ist. Als nächstes fiel mir auf, dass die Bewohner des christlichen Dorfes scheinbar alle Einheimische waren, denn ich sah keinen einzigen Gringo (später erfuhr ich, dass dies auch tatsächlich zutraf). Bevor nun der Rundgang durch den Tierpark losgehen sollte, zeigte uns Miguel, die Toilettenräume, falls einer noch mal austreten will, und den Verkaufsladen. Hinter dem Tresen saßen vier Indiofrauen, die Kleider strickten bzw. aus einem Wollknäuel am Stab einen Wollfaden sponnen. Die Frauen trugen ihre typisch indianische Kleidung, die extrem bunt war. Der Laden war voll mit Kunsthandwerk, das sie offensichtlich selber hergestellt hatten. Ich kaufte mir ein dünnes Buch mit vielen Bildern, wo diese Kooperative „Granja Porcón“ vorgestellt und auch die Geschichte derselben erklärt wurde. Dann ging’s los; wir stiegen auf einen Hügel und sahen zunächst eine kleine Herde Vicuñas in unmittelbarer Nähe. Diese Lama-Art ist sehr selten, aber auch sehr zierlich und scheu. Ihr extrem weiches Fell gehört zu dem Teuersten, was es auf dem Textilmarkt zu kaufen gibt. In freier Natur bekommt man sie fast nie zu Gesicht.

Dann gingen wir von einem Gehege zum nächsten und sahen Hirsche, einen Kondor, Rebhühner, Vicachas, Andenfüchse, Emus, jede Menge Greifvögel, Wildschweine, Löwen, Jaguars, Affen, Brillenbären und Papageien. Dann gingen wir zum Mittagessen in das dorfeigene Restaurant mit Blick auf die Küche, wo die Indiofrauen bei offenem Feuer das Essen zubereiteten. Es gab Alpakafleisch mit Reis und einem Maiskolben, aber ich hatte keinen Hunger, weshalb nur Ruth aß und mich probieren ließ. Ich wollte mehr über die Bruderschaft erfahren und sprach einen jungen Indio an. Er sei hier geboren und auch zur Schule gegangen, denn sie haben ihre eigene Grundschule und „Segundaria“ (Sek. stufe 2). „Wie konnte sich die Kooperative eigentlich dieses riesige Grundstück leisten, da sie doch nur aus besitzlosen Landarbeitern bestand?“ wollte ich von ihm wissen. „Ursprünglich hatten es Amerikaner gekauft, um hier eine Kooperative zu beginnen; aber dann wurde das Grundstück Anfang der 70er Jahre enteignet im Zuge der Bodenreform unter der Militärdiktatur von Präsident Velasco Alverado. Eine Gruppe von gläubigen Bauern unter Führung von Bruder Alejandro übernahmen dann das Grundstück, wurden aber später von den Gläubigen aus den USA und Belgien unterstützt.“ – „Welcher christlichen Benennung gehört ihr an?“ fragte ich. „Keiner. Wir sind einfach nur Christen und leben nach der Bibel“. – „Habt ihr Fernsehen?“ – „Die meisten nicht, aber es wäre nicht verboten.“ – „Und habt Ihr Internet?“ – „Ja natürlich.“ sagte er.

Als wir später wieder im Bus saßen, las ich in dem Buch näheres über die Entstehungsgeschichte von Granja Porcón: Ihr Gründer Alejandro Quispe Chilón (71) wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land auf und hat auch nie eine Schule besucht. zusammen mit seinem Bruder Felipe gründete er 1975 die Landarbeiter-Kooperative „S.A.I.S. Atahualpa Jerusalén“ und bekam zusammen mit anderen Kooperativen das 12.881 qm große Grundstück vom Staat überschrieben. Da sie jedoch kein Geld hatten und der Anbau von Gemüse viel zu wenig abwarf, lebten sie Einheimischen zunächst weiter in bitterer Armut. Doch dann hatte Alejandro eine Vision: In Jes.41:19-20 las er: „Ich werde Zedern setzen in der Ödnis,… Zypressen, Tannen und Kiefern allzumal, damit sie sehen und erkennen und zu Herzen nehmen und verstehen, dass die Hand des HErrn dies gemacht hat, und der Heilige Israels es schuf„. Ausgehend von dieser Verheißung machte Alejandro in der Ratsversammlung der Kooperativen-Delegierten den Vorschlag, dass das hügelige Grundstück mit Tannen und Zedern aufgeforstet werden sollte. Die anderen Gesellschafter hielten ihn für verrückt und lehnten seinen Vorschlag total ab. Dann versuchte er ihnen zu erklären, warum eine Aufforstung auf lange Sicht Sinn macht. Aber sie erwiderten: „Sollen wir etwa Holz essen?“ Er erwiderte: „Wir werden kein Holz essen, aber wir machen uns Essen mit dem Holz und ernähren uns durch das Holz.“ Damit wollte er sagen, dass sie das Essen nicht länger durch das Verheizen von getrocknetem Kuhmist kochen müssten, und dass sie durch den Verkauf des Holzes Einnahmen hätten. Aber die Gesellschafter fragten skeptisch: „Wie viele Jahre werden wir warten müssen, bis die Bäume groß genug sind, um sie fällen zu können?“ Er sagte: „20 Jahre.“ Sie reagierten empört und sagten: „Werden wir etwa noch so lange leben?!“ Er entgegnete: „Ihr müsst auch mal an Eure Zukunft denken!“ – „Wir brauchen keine Zukunft, sondern müssen in der Gegenwart satt werden.“ Daraufhin stiegen die allermeisten – im doppelten Sinne „Ungläubigen“ – aus diesem Projekt aus und zogen mit ihren Familien nach Lima in der trügerischen Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Diejenigen aber, die Gott vertrauten, blieben zurück und ließen sich mithilfe von ausländischen Bürgschaften und Krediten Baumsetzlinge liefern, so dass Granja Porcón heute die größte künstliche Bewaldung in Peru ist und weltweit zu den erfolgreichsten Entwicklungshilfe-Projekten zählt, dass höchste Anerkennung von Politikern und der Öffentlichkeit hat.

In Granja Porcón leben derzeit ca. 1.200 Christen. Niemand besitzt ein eigenes Grundstück mit Haus, sondern sie haben Gütergemeinschaft wie in der Urgemeinde. Die Männer arbeiten zusammen auf den Feldern und in der Forstwirtschaft, während die Frauen sich gemeinsam um die häuslichen Arbeiten und die Auferziehung der Kinder kümmern. Auf 400 ha leben etwa 700 Kühe, Schafe und Lamas. Sie haben ein eigenes Sägewerk und stellen auch selber Möbel her. Zudem haben sie Becken, wo sie Forellen züchten und auch eine Imkerei. Sie leben also nahezu autark, was in der bevorstehenden Drangsalszeit sehr nützlich sein wird. Ich habe den jungen Mann auch mal gefragt, ob auch eine ausländische Familie aufgenommen werden könnte in Granja Porcón, und er sagte: „Selbstverständlich, denn wir haben laut unserer Statuten als Bedingung nur, dass man gläubig sein muss, aber ansonsten zählen weder Rasse noch Hautfarbe oder Sprache. Allerdings kann sich hier niemand ein Grundstück bei uns kaufen, sondern muss mit dem Prinzip der Gütergemeinschaft einverstanden sein.“ Na, das hört sich doch gut an!

Cajamarca, 12.12.2019 Ruth hatte mal wieder kaum geschlafen wegen ihrer Schmerzen und war entsprechend schlecht gelaunt. Sie hat immer einen sehr hohen Adrenalinpegel und nimmt deshalb häufig abends Diazepan oder Amitriptilin, was aber nicht immer wirkt. Ihre leichte Reizbarkeit und ihr aufgedrehtes Temperament sorgen automatisch dafür, dass ich immer beruhigend auf sie einwirken muss, damit sie nicht heiß läuft und bei ihr die Sicherungen durchdrehen. Wir lasen heute 2.Kön.11 und ich las dann auch noch Kap. 12 dazu. Was für eine Frau, die Atalia! die ihre eigenen Kinder tötet, um selbst Königin zu werden! Aber auch der Baalskult ist schon wieder aufgeflammt, obwohl Jehu ihn doch mit Stumpf und Stiel ausgerottet hatte. Der Priester Jojada muss die Kinder Israel mal wieder daran erinnern, dass sie „das Volk des HErrn seien“ und macht als Gedächtnisstütze einen Bund mit ihnen (V.17). Sein Zögling Joas muss ihm jedoch später den Vorwurf machen, dass er und die anderen Priester die Renovierung des Hauses Gottes vernachlässigt hätten. Das erinnert mich an unsere Martinigemeinde die gerade für 3 Millionen Euro renoviert wurde. Ich habe da ehrlich gesagt kaum Verständnis für, denn im Neuen Bund haben wir ja nicht mehr ein irdisches Haus, sondern ein geistliches, bei dem ebenso nötig „Risse abgedichtet“ werden müssen, – nur dass dies kein Geld kostet.

Heute sollte es mit dem Kleinbus nach Cumbe Mayo gehen, eine Art Canyon, wo man gut wandern konnte. Die Luft ist in über 3.500 m natürlich schon ziemlich dünn, so dass der Aufstieg sehr anstrengend war. Wir sahen Höhlen mit Petroglyphen (Steinmetzbildern) aus der Prä-Inca-Zeit und auch jede Menge Aquädukte (d.h. Wasserkanäle), die in die Felsen hineingefräst wurden und so schnurgerade sind, als wären sie mit einer Betonsäge geschnitten. Obwohl ich mich eingecremt hatte und immer einen Sonnenhut trage, hatte ich später einen ganz ordentlichen Sonnenbrand. Auf der Rückreise hatte ich Gelegenheit, mit dem Reiseführer und den anderen Reiseteilnehmern über das kommende Weltreich des Antichristen und über die Notwendigkeit der Wiedergeburt, indem ich Zeugnis gab, was der HErr in meinem Leben getan hat. Möge der HErr dies gebrachen, um die Busreiseden zum Nachdenken gebracht zu haben! Nach dem Mittagessen sind wir noch zum „Quarto de rescate“ gegangen, das ist jener Raum von etwa 50 qm Größe (1,5 Wohnzimmer), in welchem der letzte Inkakönig Atahualpa gefangen gehalten wurde und versprach, dass seine Leute diesen Raum bis auf 2,00 m Höhe mit Goldschätzen füllen könnten, als Lösegeld für sein Leben. Die Steine des Raumes sind ganz gerade geschlagen und passgenau aufeinander gelegt, dass kein Mörtel mehr nötig war. Im Anschluss sind wir ein Archäologische Staatsmuseum gegangen. Es gibt in Cajamarca ungewöhnlich viele Ausgrabungsstätten, und besonders die Japaner haben in den letzten 40 Jahren sehr viele Artefakte gefunden aus den Epochen der amerikanischen Frühgeschichte um 1.200 v.Chr. Wir sahen jede Menge Tonflaschen, Schalen, Kelche, aber auch Gold- und Silberschmuck und sogar Werkzeuge und Löffel aus Knochen oder aus Kupfer.

Am Abend ging es Ruth zunehmend schlecht. Sie war so heiser, dass sie kaum sprechen konnte. Sie kaufte sich verschiedene Antibiotika, die man hier in den Apotheken rezeptfrei als Einzeltabletten kaufen kann. Ich war so müde, dass ich schon früh einschlief. Aber mitten in der Nacht wurde ich durch das Weinen von Ruth geweckt. Ich fragte sie, was sie habe, aber sie konnte kaum sprechen. Sie konnte mal wieder nicht schlafen vor Schmerzen und hatte schwere Depressionen. Während ich sie massierte, sagte sie mit schluchzender Stimme: „Der HErr hat mich verworfen. Er will mich nicht heilen, weil meine Sünden so viele sind. Aber Gott ist mir gnädig gewesen, dass ich auch ein schönes Leben haben durfte bis vor 8 Jahren. Wenn der HErr mich aber nicht heilen will, warum nimmt Er mir dann nicht das Leben? Ich will nicht mehr so weiterleben. Ich halte es nicht aus. Ich bin nicht so stark, dass ich mein Leben noch länger ertragen kann.“ Ich versuchte sie zu trösten, aber sie wollte ihrem Herzen Luft machen, deshalb ließ ich sie reden. Dann betete ich still für sie, und nach einer Weile schlief sie ein.

Cajamarca, 13.12.2019 Heute morgen ging es Ruth schon ein klein wenig besser. Sie hatte keine Depressionen mehr, aber war immer noch heiser und fühlte sich schlapp. Im Zimmer sind auch gerade einmal nur 12 – 15 C in der Nacht, so dass es nicht gerade förderlich ist für den Heilungsprozess. Da unser heutiger Ausflug erst am Nachmittag stattfand, konnte sie sich noch etwas erholen. Wir lasen am Morgen 2.Kön.13, wo der Prophet Elisa durch das Wort des HErrn die Chance gibt, je nach der Häufigkeit, mit derer Pfeile auf den Boden schlägt, Siege zu haben gegen ihren syrischen Feind. Zwei Dinge fallen mir hier auf: Zum einen nimmt unser Tun und Lassen Einfluss auf den Lauf der Geschichte, so dass also nicht alles vorherbestimmt ist. Zum anderen erweist Gott Seine Güte hier an einen untreuen König, um ihn dadurch zur Buße zu leiten. Er hörte das Gebet von Joas und erbarmte sich des Volkes Israel, als Er ihre Bedrängnis sah. Dies zeigt wiederum, dass Gott REAGIERT auf neue Situationen, und zwar sogar entgegen Seiner ursprünglichen Ankündigung in 5.Mose 28, weil Er nicht den Tod des Sünders will, sondern auf seine Umkehr setzt. „Lass ihn noch dieses Jahr…“ sagt der Heilige Geist zum HErrn jedes Mal, wenn noch ein Fünkchen Hoffnung besteht – auch in unserem Leben. Und Gott überlässt diese Chance zur Umkehr nicht tatenlos dem Zufall, sondern Er „düngt und bewässert“ den fruchtlosen Baum unseres Lebens, in der Hoffnung, dass unser Leben immer noch die notwendigen Früchte bringt.

Wir fuhren am Nachmittag zu einem Ort namens Otuzco, wo es eine hohe Felswand gab mit 134 „Fenstern“ von etwa 40 x 60 cm Größe. Hierbei handelt es sich um einen Friedhof aus prä-inkaischer Zeit, also aus dem Altertum. Schon damals hatten die Indianer die Idee, die Gebeine ihrer Verstorbenen in Wandkästen zu tun. Da sie jedoch keinen Zement kannten, um die Leichen einzumauern (wie es heute in S.A. üblich ist), haben sie diese Briefkasten-großen Nischen in die Felswand gemeißelt. Dort passten allerdings gerade einmal nur die Knochen rein, weshalb sie die Toten wahrscheinlich vorher noch verbrennen mussten. Wir machten dann noch einen kleinen Spaziergang, der über eine Hängebrücke führte und schauten Indiofrauen dabei zu, wie sie im Fluss ihre Wäsche wuschen. Dann ging die Sonne unter und wir fuhren wieder zurück nach Cajamarca.

Lima, 14.12.2019 Am heutigen Samstag sollte unser Flug nach Lima erst um 16:34 Uhr starten, deswegen hatte ich die Idee, vormittags mal die Adventisten zu besuchen. Wie sich später herausstellte, wurde uns dieser Besuch zum großen Segen vom HErrn, weil wir dort ein deutsches Ärzte-Ehepaar kennenlernten, die uns viel halfen (aber dazu später mehr). Zunächst lasen wir in 2.Kön.14 vom jüdischen König Amazjas, wie er ohne Not den König Joas in Samaria herausforderte, sich aber nicht von diesem warnen ließ und schließlich eine schwere Niederlage von ihm erfuhr. Amazja war zunächst ein gerechter König, fing aber irgendwann an, die Götter seiner besiegten Feinde zu verehren, weshalb Gott es zuließ, dass er den Kampf gegen den gesetzlosen König Joas verlor. Auch wir Gläubigen sollen uns hüten, uns mit Ungläubigen auf einen Streit einzulassen, denn wir sollen sie ja für den HErrn gewinnen und sie nicht durch ein falsches Vorbild abschrecken, sich zum HErrn zu bekehren.

Diese Lektion konnten wir gerade heute Morgen beim Aus-checken aus dem Hostal anwenden: Denn gestern Abend, als Ruth duschen wollte, fiel plötzlich die Glasscheibe des Schiebefensters von ganz alleine auf den Fliesenboden und zersplitterte. Ich sagte dem Herbergswirt Bescheid, und er kam hoch mit einem Kehrblech und Handfeger. Ruth hatte wohl beim Zuschieben des Metallfensters die Scheibe aus der Führungsschiene gehoben ohne es zu merken. Der Besitzer war nun sauer und sagte zu Ruth, dass wir den Schaden ersetzen müssen. Ruth war darüber aufgebracht und hatte ihn darauf hingewiesen, dass dies nicht hätte passieren können, wenn das Fenster stabil gebaut wäre. Zudem hätten wir schon die ganze Woche kein heißes Wasser in der Dusche gehabt, weil die Therme kaputt war, und hätten dafür ja schließlich auch eine Minderung fordern können. Als Ruth mir später von der Diskussion erzählte, erinnerte ich sie daran, dass wir nach dem Wort des HErrn jedem das zu geben hätten, was er von uns fordert, damit wir ein Zeugnis sind. Als wir dann am Morgen gehen wollten, bat der Wirt erneut um einen Schadenersatz. Ich erklärte ihm, dass er diesen auch bekommen solle, da wir Christen sind und der HErr dies von uns erwarte. Zugleich wies ich ihn jedoch auch auf die kaputte Dusche hin, und das er deshalb eigentlich kein Recht hatte, von uns Schadenersatz zu verlangen. Als wir ihn dann fragten, wie viel er von uns wolle, verzichtete er plötzlich von sich aus auf eine Entschädigung und wollte selbst auf unser Drängen hin nichts mehr haben. So verabschiedeten wir uns im Frieden von einander.

Um 9:30 Uhr begann in der Adventgemeinde zunächst die sog. „Sabbatschule“, bei welcher sich die Gläubigen in mehreren Stuhlkreisen zusammensetzen, um über die täglichen Lektionen aus einem Sabbatschulheft zu sprechen. Thema war diesmal Nehemia 13. Ein älteres Ehepaar bat uns jedoch, dass wir uns als Gäste einmal kurz vorstellen sollten. Als sie erfuhren, dass wir aus Deutschland kämen, sagten sie, dass sie ebenso aus Deutschland seien und gerade zu Besuch wären bei ihrer Tochter, die mit ihrem peruanischen Ehemann in Cajamarca wohne. Nach der Bibelstunde wurden die Stühle wieder in Reihen zurecht gerückt, und der eigentliche Gottesdienst begann. Nachdem wir ein paar Lieder gesungen und gebetet hatten, kündigte der Pastor die Taufe eines 11-jährigen Mädchens an. Dabei musste das Mädchen vor der Gemeinde mehrere Fragen des Pastors mit den Worten: „Ich verspreche es!“ beantworten, was mich sehr stark an den Alten Bund erinnerte in 2.Mo.19, wo das Volk dem Mose ebenso ein Versprechen ablegte, dass sie eigentlich gar nicht zu halten imstande waren. Ist ein 11-jähriges Mädchen eigentlich überhaupt schon mündig bzw. „geschäftstüchtig„, um in einen Bund mit Gott einzutreten? fragte ich mich. Na ja…

Oben über der Kanzel war eine Art Empore, hinter dem man durch eine große Öffnung in den Raum mit dem Taufbecken schauen konnte. Das war an sich eine geniale Idee, weil so die Gemeinde direkt die Taufhandlung beobachten konnte (was normalerweise nicht so gut zu erkennen ist). Nach der Taufe wurden wieder schöne, altbekannte Kirchenlieder gesungen (z.B. „Wenn der Heiland, wenn der Heiland als König erscheint„), deren Text von einem Powerpointer auf eine Leinwand geworfen wurde. Merkwürdigerweise war die Musikbegleitung sogar inkl. Chorgesang laut vom Band zu hören, so dass man theoretisch gar nicht mehr selber mitsingen brauchte. Dann folgte ein kurzes Anspiel der Kinder verbunden mit einer Rede des Jungscharleiters an die Kleinen, bis dann endlich die eigentliche Predigt begann über das Thema: Das verlorene Schaf. Nach dem Ende des Gottesdienstes verließen die Gläubigen in einer nahezu militärischen Ordnung den Kirchenraum , indem zuerst die erste Reihe rechts vorne aufstand und im Gänsemarsch hinausging, dann die erste Reihe links, dann die zweite Reihe rechts, dann die zweite Reihe links usw. Während sie so an mir vorbeigingen, fiel mir auf, dass viele der Indios so klein sind, dass ich mit meinen 1,94 m sogar im Sitzen noch genauso hoch war wie sie.

Irgendwie konnte ich es nicht für einen Zufall halten, hier im peruanischen Hochgebirge Deutsche anzutreffen, denn man sah in dieser Region so gut wie nie einen Gringo. Ihnen aber ging es wohl genauso, weshalb uns das Ehepaar beim Hinausgehen ansprach, ob wir noch etwas Zeit hätten; wir setzten uns zunächst noch einmal hin und unterhielten uns. Roland und Delmira Gallewski erzählten , dass sie aus Bad Fallingbostel kommen und so wie wir erst seit zwei Wochen in Peru sind. Sie luden uns ein zu einem gemeinsamen Mittagessen bei ihrer Tochter, die in der Nähe des Flughafens wohne. Wir bedankten uns für das Angebot und nahmen es gerne an. Dass wir keine Adventisten sind, schien sie nicht zu stören, und ich vermied es, mit ihnen über den Sabbat zu diskutieren. Stattdessen kamen wir irgendwie auf das Thema Abendmahl, und Roland hielt einen ausführlichen Vortrag darüber, dass der HErr Jesus unmöglich „vergorenen Wein“ verwendet haben konnte, sondern nur unvergorenen Traubensaft, den er gemäß Joh. 2 als „guten Wein“ bezeichnete. Warum die Pharisäer den HErrn Jesus als „Trinker“ beschimpften oder die Korinther beim Abendmahl „betrunken“ waren, konnte er mir nicht erklären; stattdessen wusste er aber, wie man Traubensaft in der Hitze des Orients haltbar machen könne, und zwar indem man ihn luftdicht verschloss (das hatte meine Frau übrigens auch mal gemacht, als sie fürs Abendmahl im Spanischkreis selbstgemachten Traubensaft mitbrachte; aber als ich die Flasche öffnete, spritzte der halbe Flascheninhalt sofort an die Decke. Da ich ihm aber nicht widersprechen wollte, behielt ich diese Erfahrung für mich).

Zum Mittag gab es zunächst einen Blattsalat mit Tomaten und Olivenöl und als Hauptgang einen Eintopf mit Gemüsesorten aus der Region. Vom Thema Alkohol kamen wir als nächstes auf das Thema Tabletten bzw. Medizin im Allgemeinen, und da erklärte Roland, dass er ein Arzt im Ruhestand sei. Diese Gelegenheit wollte ich nutzen, um ihn mal zu den Themen Bluttransfusion, Organspende und Impfen zu befragen. Zum Glück sah er es genauso wie ich, dass uns diese medizinischen Möglichkeiten von der Schrift her nicht untersagt sind, zweifelte jedoch, ob Impfstoffe oder Organverpflanzungen wirklich immer den Nutzen bringen würden, den man von ihnen erhoffe, sondern sah vor allem die Gefahr des Missbrauchs durch Profitgier. Dann kamen wir auf die rheumaartige Erkrankung meiner Frau zu sprechen. Er erklärte uns, dass Studien ergeben hätten, dass Menschen aus dem afrikanischen und asiatischen Raum (zu dem auch jene der indigenen Rasse zählen, da sie ja über Alaska den amerikanischen Kontinent bevölkert haben) keine Milchprodukte vertragen würden, da sie auf diese meist empfindlich mit entzündlichen Erkrankungen reagieren würden wie Rheuma oder Gicht. Überhaupt sei Milch normalerweise nur für den sofortigen Konsum bestimmt und ursprünglich bei einer gesunden Kuh auch nur in geringen Mengen verfügbar (4-5 Liter/Tag)), während die Kuh ihr Kalb stillt. Die heutigen Kühe sind jedoch so hochgezüchtet, dass sie Jahr für Jahr bis zu 40 Liter am Tag Milch produzieren müssen.

Um das Wachstum von Nutztieren zur Schlachtreife zu beschleunigen, gibt man den Tieren vier verschiedene Antibiotika, die die selbstregulierende Wirkung von Darmbakterien unterbinden sollen, so dass die Tiere schnell dick werden. Diese Antibiotika nehmen wir aber durch den Fleisch- und Fischkonsum in uns auf, so dass sie auch bei uns das Übergewicht fördern und damit auch all die bekannten Zivilisationskrankheiten. Selbst wenn wir also von der Bibel her alles essen dürften, sei durch die moderne Massentierhaltung inzwischen fraglich geworden, ob Fleisch und Milchprodukte überhaupt noch „nützlich“ seien für den Körper. Die vegane Ernährung würde bei Schmerzpatienten wie Ruth zwar nicht zur völligen Heilung führen, aber sie würde die Krankheitsschübe ähnlich wie bei MS-Kranken deutlich reduzieren und den degenerativen Prozess der Erkrankung zum Erliegen bringen. Das hörte sich alles sehr überzeugend an, und ich beschloss in dem Moment, dass ich von nun an zusammen mit Ruth eine vegane Ernährung anstreben möchte – nicht nur zum Schutz der Tiere, sondern auch zur Gesundmachung und Gesunderhaltung. Der HErr hatte also dieses Ehepaar dazu benutzt, um Ruth und mir hierin die Augen zu öffnen.

Während des zweistündigen Gesprächs nach dem Mittagessen wollte die Tochter Melanie (ca. 28 J.) nochmal eben mit dem Wagen kurz etwas besorgen, um gleich wiederzukommen. Aber sie kam nicht. Im Wagen war jedoch unser ganzes Gepäck. Als es nun 15:00 Uhr war und wir eigentlich zum Flughafen mussten, war sie immer noch nicht zurück. Ihre Mutter rief sie auf dem Handy an, aber sie ging nicht ran. Wir unterhielten uns noch etwas weiter, aber gegen 15:30 Uhr begannen wir uns Sorgen zu machen, denn der Flug sollte ja um 16:34 Uhr starten, und man muss normalerweise immer schon 1 – 2 Stunden vorher einchecken. Jetzt wurde mir klar, dass dies eine Prüfung vom HErrn ist, dass wir uns keine Sorgen machen sollten, sondern gemeinsam beten mögen, was wir dann auch taten. Als sie um 15:45 Uhr immer noch nicht da war, machte ich den Vorschlag, dass wir mit dem Taxi fahren könnten, um einfach ohne Gepäck ins Flugzeug zu steigen, denn immerhin hatte ich die Reisepässe dabei, und das Gepäck könnten wir uns ja später nachliefern lassen auf dem Landweg (Busse übernehmen in Peru auch die Aufgabe von Speditionen), was zudem recht preisgünstig ist. Wir fuhren also schnell mit dem Taxi zum Flughafen und rannten zum Schalter. Gerade rechtzeitig wurden wir als die Letzten noch eingelassen und betraten das Flugzeug.

Lima, 15.12.2019 Heute hat der HErr uns sehr gesegnet. Heute ist der Tag des HErrn (Offb.1:10), der Tag der Auferstehung, der Tag des Heils! Und so hat auch heute der HErr das Heil in unserem Leben wieder ein Stück vermehrt, indem sich Dinge zum Guten wandten und wir wieder ein paar Schritte vorangekommen sind auf dem Weg des HErrn, indem wir das gute Land in Besitz nehmen durften. Nachdem wir am Morgen Haferbrei mit Weintrauben gegessen hatten, lasen wir 2.Kön.15, wo u.a. von Ussija die Rede ist der zwar einen rechtschaffenen Wandel vor Gott führte, aber irgendwann doch dem Übermut erlag, als er sich anmaßte, auch selber das Rauchopfer darzubringen (vergl. 2.Chr.26). Worin besteht hier die Gefahr in UNSEREM Leben? Auch wir sollen uns nicht in ein fremdes Amt mischen (1.Petr.4:15), erst recht nicht, wenn wir uns zu Höherem berufen fühlen und von uns in unnüchterner Weise mehr halten, als es sich eigentlich geziemt (Röm.12:3). Hochmut kommt vor dem Fall, aber wenn wir fallen, vermag der HErr uns wieder aufzurichten (Röm.14:4). Gott erlaubt Demütigungen, um uns zu zeigen, dass unser Charakter verderblich ist wie der Aussatz. Auch so einen Aussatz wie bei Ussija gebraucht Gott zu unserem Heil.

Was mir auch auffällt, ist dieser eine Satz, der auch in Kap. 15 zweimal erwähnt wird: „DOCH DIE HÖHEN WICHEN NICHT, denn das Volk opferte und räucherte noch auf den Höhen“ (1.Kön.15:14, 2.Kön.12:3, 14:4, 15:4+5, 2.Chr.15:17). Diese „Höhen“ sind jene Dinge in unserem Leben, denen wir noch einen viel zu hohen Stellenwert einräumen, der eigentlich Gott allein gebührt. Das können sogar Höhen im buchstäblichem Sinn sein, denn der Fernseher steht ja z.B. auch nicht auf dem Fußboden, sondern auf einer „Höhe„, damit wir ihn besser sehen und ihm unsere Zeit opfern können. Aber auch die Leidenschaft des Rauchens ist so ein „Räucherwerk„, das wir unserer Genusssucht darbringen. Es können aber auch alle möglichen anderen, hartnäckigen Leidenschaften und Lüste sein, die wir nicht aufgeben wollen („sie wichen nicht…“), und die uns im Glaubenswachstum lähmen. Wir reden uns ein: „Das ist schon in Ordnung vor Gott“, aber der HErr sagt uns: „Du glaubst wohl, dass Ich die Dinge genauso sehe wie Du! (aber das tu Ich nicht)“ (Ps.50:21). Ich sage extra WIR, denn ich glaube, dass es wohl kaum einen Gläubigen gibt, der sich von diesem Vorwurf nicht auch angesprochen fühlt. Umso dankbarer können wir sein, wenn uns wenigstens noch unser Gewissen schlägt durch das Wirken des Heiligen Geistes und in uns die Sehnsucht brennt, unser Leben verändern zu wollen!

Heute habe ich wirklich eine Belebung und Stärkung im Glauben erfahren, indem ich einen heiligen Eifer in mir spüre, meine bisherige Halbherzigkeit zu überwinden und rigoros (d.h. kompromisslos) auf alle Dinge zu verzichten, von denen ich weiß, dass sie mich schädigen. Von meiner Natur her bin ich sehr leicht verführbar und erliege leichter einer Versuchung als die meisten andere Menschen (Stichwort: „Sanguiniker“). Mein Geist ist willig, aber mein Fleisch ist schwach. Deshalb helfen mir besonders solche „Schlachtrufe“, um mich zu motivieren. Heute Vormittag war ich mit Ruth auf dem Wochenmarkt, und wir haben bewusst darauf geachtet, möglichst gesund und nahrhaft einzukaufen. Die Übung im leiblichen Verzicht ist zwar nur von geringem Nutzen (1.Tim.4:8), aber sie kann stark motivierend wirken auf die geistige Entschlossenheit. Deshalb ist ja auch das Fasten so segensreich für unseren Glauben, worin ich mich auch noch viel mehr üben muss.

Ruth hatte die Idee, für heute Abend zur Bibelstunde auch ihren Nachbarn Antonio (62) einzuladen. Er war schon einmal gläubig in seiner Jugend, ist aber dann in die Welt zurück gegangen und zum Hurer und Alkoholiker geworden. Sie fragte ihn und er sagte prompt zu. Von dieser überraschenden Zusage animiert, fragte Ruth auch ihren Schwager Walter (70), ob er Lust hätte, ebenso an der Bibelstunde teilzunehmen. Normalerweise sagt Walter in solchen Situationen immer „Nein“ und findet immer irgend eine Ausrede. Deshalb hat er auch schon seit Jahren nicht mehr an einer Bibelstunde teilgenommen. Doch zu Ruths Überraschung sagte auch ihr Bruder Walter plötzlich zu, zu kommen. Auch Walter war früher mal gläubig und ist dann wieder völlig lau und weltlich geworden. Wahrscheinlich war er auch nie wirklich wiedergeboren. Ruth bat mich also, eine evangelistische Predigt zu halten.

Als es dann 18:00 Uhr war, kam Antonio tatsächlich und kurz darauf auch Walter und Ricardo. Hugo und Edilberto kamen allerdings nicht, weil Ricardo und ich es versäumt hatten sie einzuladen (ich dachte, Ricardo würde es tun, und Ricardo dachte, ich hätte es getan). Auch der Jose Jesús kam nicht, was mich ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht hatte, aber ich nahm es aus Gottes Hand. Wir beteten und Ruth bot allen belegte Brötchen an und ein Glas Limonade sowie eine Tasse Fencheltee. Dann predigte ich an Hand von Psalm 50 über das Gericht Gottes, das am Hause Gottes anfange und über die Notwendigkeit, Gott zu fürchten und Ihm dankbar zu sein, denn Gottes Zorn wird sich ja gerade über jene ergießen, die sich für schlauer hielten und keine Notwendigkeit zur Buße und Umkehr sahen. Dann bot ich Ricardo das Wort, der allerdings unvorbereitet war und dann eine scheinbar endlos lange Predigt über 1.Kor.13 hielt. Als er dann den reichen Jüngling erwähnte, sagte er, dass der HErr die Aufforderung, seinen Besitz den Armen zu geben, nur als abschreckende Prüfung gemeint hatte, aber keineswegs als ernstzunehmende Aufforderung, dass wir wirklich alles Besitz den Armen geben sollten (Mt.19:21). Hier unterbrach ich und widersprach Ricardo, das dies ja bedeuten würde, als hätte der HErr Jesus nur zum Schein übertrieben und eine Forderung aufgestellt, die angeblich unerfüllbar sei, aber der HErr trotzdem aufgestellt habe. Ich erklärte Ricardo und den anderen, dass wir uns als Gläubige von all unserem Besitz „verabschieden“ sollten, indem wir jederzeit bereit sind, ihn bei einer sich ergebenden Gelegenheit wegzugeben oder uns sogar berauben zu lassen (Hebr.10:34).

Als wir dann zum Schluss kamen, sagte ich zu Walter und Antonio: „Ich freue mich, dass Ihr heute mal bereit waret, dabei zu sein, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Euch einmal ganz ehrlich zu bekennen, dass Ihr Euch noch einmal zurückbekehren müsst zum HErrn, denn Ihr wisst, dass Ihr schon seit Jahren nicht mehr dem HErrn folgt. Wenn Ihr nicht umkehrt, dann werdet Ihr verloren gehen, denn Hurer und laue Christen wie Ihr werden nicht in das Reich Gottes eingehen, sagt die Heilige Schrift. Deshalb flehe ich Euch an, zum HErrn zurückzukehren, denn dies ist vielleicht die letzte Chance für Euch. Wenn Ihr morgen sterbt, dann müsst Ihr Euch 100 % sicher sein, dass Ihr dann beim HErrn seid...“ Ruth kniff mir in diesem Moment heimlich in die Seite, so als wollte sie mir sagen, dass ich nicht so hart reden sollte. Ich ließ mich jedoch nicht beirren, sondern fragte Walter direkt: „Glaubst Du, dass Du mit 100 %iger Sicherheit errettet sein wirst, wenn Du heute Nacht stirbst?“ Zu meiner Überraschung sagte Walter: „Nein, sondern ich bin mir eher sicher, dass ich nicht errettet werde.“ – „Aber wenn Du das weißt, warum kehrst Du dann nicht heute noch zum HErrn um und bittest ihn wie der verlorene Sohn um Vergebung?“ fragte ich.

Weil ich nicht zu den Berufenen zähle. Mein Vater wollte ja, dass ich in seine Fußstapfen trete als Evangelist, aber am Ende hat Gott nur meinen Bruder Israel errettet, aber nicht mich, weil ich treulos war. Es ist in der heutigen Welt so ein frommes Leben zu führen, wie Du es beschreibst. Solche Christen wie Du sind ja ganz selten. Ich habe einfach nicht diese Gabe so wie Du und diesen Eifer. Ich kann das nicht und eigne mich nicht dafür. Aber ich hoffe, dass Gott mich trotzdem annimmt…“ – „Aber wir können ohnehin aus uns selbst alle nichts tun; wir sind von Gott abhängig. Aber genau darum geht es ja, dass wir uns von Gott verändern lassen müssen,“ sagte ich; „wir müssen einfach nur Gott gehorchen, so wie Schüler dem Lehrer gehorchen. Den Lernerfolg können wir ganz getrost Gott überlassen; wir dürfen nur nicht die Schule Gottes schwänzen, so wie Du es jetzt all die Jahre getan hast. Der HErr berücksichtigt auch, wenn wir irgendwelche geistigen oder charakterlichen Defizite haben. Es geht ja nicht darum, viel zu wissen, sondern darum, dass wir das Gelernte anwenden und umsetzen. Deine Mutter Lucila z.B. hatte nur eine sehr begrenzte Intelligenz, aber sie hat immer getan, was sie vermochte. Wem wenig gegeben ist, von dem verlangt der HErr auch nicht mehr, aber wir dürfen uns nicht dahinter verstecken, dass wir nicht genug begabt seien, um dann am Ende wie der faule Knecht mit leeren Händen da zustehen.“

Dann wand ich mich an Antonio und fragte ihn: „und wie ist es mit Dir, Antonio? Ich habe gehört, dass Du mal einen guten Anfang genommen hattest mit dem HErrn, aber dann vom Wege abgekommen und wieder in die Welt gegangen bist. Heute ist die Gelegenheit, dass auch Du wieder zurückkehren kannst zum HErrn, indem auch Du im Gebet Ihn um Vergebung bittest und noch einmal ganz neu anfängst. Was meinst Du?“ Er sagte mit unterwürfiger Stimme: „Ja, es ist wahr, dass ich mich vom HErrn entfernt habe. Aber ich habe nie aufgehört, an Ihn zu denken...“ Dann hat er noch vieles weitere gesagt, aber ich habe ihn nicht gut verstanden, weil er sehr genuschelt hat. Ich schlug dann vor, gemeinsam zu beten, und dass jeder sich beteiligen möge, wenn er will. Als dann die Runde an Walter kam, betete er: „Gesegneter Vater, ich bitte Dich, dass Du mir meine Sünden vergibst, dass ich nicht dem HErrn Jesus gefolgt bin in den letzten Jahren. Ich bitte Dich, dass Du mich rettest, dass ich eines Tages auch in Dein himmlisches Reich komme. Bitte helfe mir, dass ich von jetzt an, Dir gehorche und Deinen Willen tu. Amen„. Nun betete Antonio und sagte: „Himmlischer Vater, auch ich bitte Dich, dass Du mich erneuern mögest, und dass … (unverständlich) … Amen„. Was für eine Freude, dass die beiden an diesem Abend sich gedemütigt und ihren Wunsch geäußert haben, zum HErrn umzukehren! Möge der HErr in ihnen wirken, dass es doch nicht nur bei diesem Lippenbekenntnis bleiben möge, sondern auch noch echte Frucht entstehe! Wir standen auf und umarmten uns.

Lima, 16.12.2019 Die Nacht war recht kurz, als wir um 6:00 Uhr aufstanden, denn wir waren erst gegen Mitternacht ins Bett gegangen (weil Ruth nicht schlafen konnte, hatten wir noch ein wenig Schach und Dame gespielt). Wir lasen 2.Kön.16 über den gesetzlosen König Ahas, der die assyrische Kultur und Religion so sehr bewunderte, dass er sich einen Altar wie den in Damaskus in das Heiligtum Gottes stellte und den Altar Gottes einfach in die Ecke stellte. Mir kam vor einiger Zeit mal der Gedanke, dass man hierin vielleicht eine Parallele zur modernen Gewohnheit sehen könnte, die Lobpreismusik an der zeitgeistmäßigen Popkultur zu orientieren. Dabei haben gerade in geistlichen Dingen weltliche Maßstäbe nichts zu suchen, auch wenn sie noch so attraktiv auf äußere Sinne wirken mögen. Aber stehen wir vielleicht auch in dieser Gefahr, uns von Größe, Reichtum und Schönheit blenden zu lassen? Die meisten Anschaffungen der Reichen dienen ihnen ja, um andere Reiche zu beeindrucken und vor ihnen zu gelten. Wenn wir es uns leisten können, stehen wir in der Gefahr, unsere Wohnungen so aufwendig, modern und geschmackvoll auszustatten, dass sie nicht mehr zu unserem HErrn passen, der nach Seiner Geburt in eine Krippe gelegt wurde und der selbst nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlege. Stattdessen sollten unsere Anstrengungen in Dinge investieren, die man nicht sieht, z.B. in die verborgene Frömmigkeit.

Ich nahm mir für heute Nachmittag vor, wieder in die Stadt zu fahren, um zu evangelisieren. Vorher wollte Ruth mit mir aber noch nach Gamarra fahren, um günstig Lebensmittel einzukaufen, insbesondere Körner fürs Müsli. Unter den überdachten Marktständen gab es jede Menge Stände, in denen okkulte Gegenstände, Tinkturen und Kräuter angeboten wurden, da es in Peru viele Menschen gibt, die Aberglaube, Schamanismus und Hexerei praktizieren. Unter anderem wurden merkwürdige Schwerter uns Dolche verkauft – keine Ahnung wofür. Besonders schockiert war ich, als ich dort ausgetrocknete Tierföten sah von einem Rind oder Esel. Ich fragte die Marktverkäuferin, für was die gut sein sollen. Sie sagte: „Um der Mutter Erde Opfer darzubringen„. Auweia, dachte ich. Hier in Peru gibt es also noch richtigen Götzendienst. Bestimmt war diese ganze Markthalle auch voller dämonischer Geister. Deshalb sang ich leise christliche Lieder, während Ruth am Einkaufen war.

Gegen 16.00 Uhr waren Ruth und ich wieder in die Innenstadt gefahren und trennten uns für die nächsten 3 Stunden. Ich ging wie immer auf den Plaza de San Martín, der diesmal außergewöhnlich voll war. Es waren gefühlte 500 Menschen, die sich zum größten Teil um etwa 3 Redner scharten. Alle drei gehörten den National-Kommunisten an und beschimpften lauthals die korrupten Politiker Perus und großem Applaus der Menge. Mir fällt auf, dass es über die Jahre immer mehr geworden sind, die ihnen zuhören. Kein Wunder, denn sie treffen sich ja auch schon seit 3 – 4 Jahren jeden Nachmittag hier und sind inzwischen zu einer Stimme der Benachteiligten geworden. Sie haben eine brillante Rhetorik und wirken sogar auf mich durchaus glaubwürdig und symphytisch. Inzwischen haben sie sogar ihre eigene Partei gegründet und nennen sich „El frente amplio“ („Die breite Front“). Sie wollen bei den bevorstehenden Wahlen am 20.01.20 zum ersten Mal den korrupten Parteien die Stirn bieten, ähnlich wie die AfD in Deutschland es vor 5 Jahren tat. Wenn sie eine Mehrheit bekämen, dann würden mit Sicherheit „Köpfe rollen„, denn ihr Hass auf den Kapitalismus á la Donald Trump, der mit langem Arm in Peru hineinregiert, ist riesengroß. Dabei übersehen sie, wie viel Leid und Elend auch der Sozialismus schon in die Welt gebracht hat. Ganz hinten vom Platz sah ich einen jungen Venezolaner sitzen. Er ist einer von 1,5 Millionen Venezolanern, die ihr Land wegen der desaströsen wirtschaftlichen Situation dort verlassen mussten und fragt sich wohl, wie man heute überhaupt noch für den Sozialismus sein kann.

Ich ging auf ihn zu, setzte mich neben ihn und sprach ihn an: „Du bist aus Venezuela, nicht wahr?“ – „Ja„, sagte er. Das erkannte man sofort, denn die Venezolaner haben sehr weiche Gesichtszüge und sprechen auch mit einem starken Akzent. „Erlaubst Du mir, dass ich Dir ein wenig aus dem Wort Gottes erzählen darf?“ fragte ich ihn. „Ja, warum nicht.“ – Daraufhin frage ich ihn: „Weißt Du, was das Evangelium ist?“ – „Nein.“ sagte er. Dann erklärte ich ihm den Heilsplan Gottes und die Notwendigkeit einer persönlichen Gemeinschaft mit dem HErrn Jesus (denn die Katholiken sehen sich ja alle als „gläubig“ an, haben aber meist keine echte Beziehung zum HErrn, da ja alles nur über die Kirche vermittelt wird). Dann fragte ich ihn, ob er mal etwas von sich erzählen wolle, wie es ihm geht und welche Erfahrung er bisher mit Gott gemacht habe. Er heiße Juan-Carlos (26) und berichtete, dass er vor einem Jahr nach Peru kam und mittlerweile auch einen kleinen Aushilfsjob gefunden habe, durch den er sich über Wasser halten kann. Er fühle sich jedoch sehr einsam, da er hier in Peru niemanden kenne und seine Familie noch in Venezuela blieb. Ich dachte: ja, der Mensch lebt eben nicht von Brot allein. Dann sagte ich: „Juan-Carlos, ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass ich Dich angesprochen habe, sondern ich soll Dir vom HErrn ausrichten, dass Er Dich retten will, und zwar nicht nur aus Deiner jetzigen misslichen Lage, denn Deine Not ist in Wirklichkeit weitaus größer, als Dir im Moment bewusst ist. Denn wenn Du heute Abend oder morgen auf einmal sterben solltest, dann wirst Du dem Gericht Gottes anheimfallen wegen all Deiner Sünden, die Du bereits begangen hast, und ohne den HErrn Jesus wirst Du keinen Fürsprecher haben bei dem himmlischen Vater. Wenn Du Dich aber jetzt bekehrst und Gott um Errettung bittest, indem Du Jesus aufnimmst, dann wirst Du durch ihn gerechtfertigt und ein Kind Gottes werden. Möchtest Du das?“ – Er zögerte und war sehr verunsichert. Mit leiser Stimme sagte er: „Ja„. Ich bot ihm dann an, für ihn zu beten und dass er sich meinem Gebet dann anschließen könne. Dann begann ich zu beten und bat den HErrn um seine Rettung. Als nächstes fragte ich ihn, ob auch er nun beten wolle, aber er sagte, dass er nicht wisse, wie man betet. Ich bot ihm an, für ihn die Sätze vorzubeten, die er mir nachsprechen könne, wenn er einverstanden sei, und so sprach er mir Satz für Satz nach bis wir gemeinsam „Amen“ sagten. Dann beglückwünschte ich ihn zu seiner Entscheidung, lud ihn zu unserer Bibelstunde ein und tauschte noch mit ihm unsere Adressen und Telefonnummern aus.

Dann stand ich auf und ging weiter über den Platz, wobei ich Ausschau hielt nach Personen, die möglichst tatenlos auf den Bänken saßen, um sie anzusprechen. Auf einmal ging ein kleiner Mann an mir vorbei, der genauso aussah wie jener Gangster Mario, den ich vor einem Jahr hier kennengelernt und der sich dann bekehrt hatte. Ich schaute ihm nach und er drehte sich auf einmal zu mir um, als hätte er mich bemerkt. Ich ging auf ihn zu und fragte: „Sag mal, Du bist doch der Mario, nicht wahr? Erkennst DU mich wieder?“ – Er sagte: „Ja, ich heiße Mario, aber woher kennen Sie mich?“ Da merkte ich, dass es doch nicht jener Mario war, für den ich ihn hielt, sondern er nur zufällig den gleichen Namen hatte. Ich fragte ihn: „Was hältst Du davon, wenn wir uns mal hinsetzen, um miteinander zu reden?“ Statt Verwunderung spürte ich eher eine Art Erleichterung bei ihm über meinen Vorschlag und wir setzten uns. „Ich sag es frei heraus, worum es mir geht, und zwar bin ich Evangelist und möchte Dir das Evangelium vom HErrn Jesus Christus und der Gnade Gottes erzählen, damit Du gerettet wirst von Deinen Sünden. Erlaubst Du es mir?“ Er willigte ein, und ich wiederholte noch einmal, warum der HErr Jesus in die Welt gekommen ist und warum jeder Mensch umkehren muss von seinem bisherigen Weg. Dann bot ich ihm an, doch mal etwas von sich zu erzählen. Mario beugte sich mit seinen Ellenbogen auf die Knie und sagte mit leiser Stimme: „Mein Leben ist bisher ein einziges Desaster gewesen.“ – „Erzähl doch mal von Anfang an.“ bat ich ihn. „Also, im Grunde begann mein ganzes Elend, als ich aus dem Gefängnis kam…“ Ich unterbrach ihn: „Vielleicht solltest Du noch etwas früher beginnen. Wieso warst Du denn im Gefängnis?“ – „Na, wegen Raub. Ich war 7 Jahre im Gefängnis. Aber danach habe ich nichts mehr verbrochen“. – „Und wie ging’s dann weiter?“ Dann berichtete er mir, wie er versehentlich von einem Haus runterfiel und sich dadurch einen komplizierten Trümmerbruch am rechten Arm zuzog, durch welchen er nur eingeschränkt arbeiten kann. Da er nicht genau Geld nach Hause brachte, habe der Vater ihn aus dem Haus geworfen, so dass er seit einem Jahr auf der Straße lebe. „Ich bin völlig verzweifelt, weil ich kaum zu Essen habe und Angst habe, krank zu werden, weil ich mir keinen Arzt leisten kann. Ich bin ja bereit, jede Arbeit zu machen, wenn ich nur etwas Geld bekäme, um zu leben…“

Ich erzählte Mario die Geschichte vom barmherzigen Samariter, dass dies der HErr Jesus sei, der gerade solchen Menschen bereits ist, aus der Not zu helfen, die sich als „halbtot“ erkannt haben, um sie von ihren Sünden zu heilen und in eine Herberge zu bringen. „Der HErr Jesus hat schon alles für Dich getan. Auch an Dich hat Er vor 2000 Jahren gedacht, als Er am Kreuz für Dich starb und Dir damit ein Geschenk gemacht, das Du nur noch willig in Empfang nehmen musst durch den Glauben. Willst Du errettet werden?“ – „Ja. Was muss ich tun?“ – „Dann lass uns jetzt gemeinsam beten, erst ich und dann Du. Bekenne dem HErrn Deine Sünden und bitte Ihn um Gnade und Vergebung, dann wirst Du gerettet.“ Ich fing an zu beten und gab ihm danach ein Zeichen. Dann betete er, allerdings so leise, dass ich fast nichts verstand. Ich sah jedoch, dass viele Tränen aus seinem Gesicht auf die Erde tropften. Dann umarmte ich ihn und hieß ihn in der Familie Gottes willkommen. Wir standen auf und spazierten etwas über den Platz (weil es dort, wo wir saßen, stark nach Urin roch). Ich erklärte ihm, dass ich bereit sei, ihm aus seiner Not zu helfen, soweit ich es vermag, aber dass er auch der Buße würdige Früchte bringen müsse. Dies hieße, dass er sich als nächstes taufen lassen und regelmäßig zu den Versammlungen kommen sollte. Wir würden ihm auch eine Bibel schenken, falls er sich keine leisten könne. Er sagte: „Selbstverständlich will ich all dies jetzt tun. Meine Frage wäre nur, ob Sie mir vielleicht etwas zu Essen geben könnten…“ – „Ja, kein Problem. Ich lade Dich ein, mit mir was zu essen. Und morgen Abend kommst Du zu unserem Hauskreis, einverstanden?“ Wir gingen in ein nahegelegenes China-Restaurant, und er bestellte für sich einen Arroz Chaufa (Reisteller mit kleinen Gemüse- und Fleischstücken) für 7, 5 Soles (2,-€). Ich selbst bestellte nichts, weil ich schnell wieder zum Platz zurückmusste, denn es war schon 17:55 Uhr, und ich wollte Ruth nicht verpassen. Ich gab ihm noch 10 Soles und sagte: „Erinnerst Du Dich noch an das Gleichnis vom Samariter? Er gab dem Wirt 2 Dinare und ich gebe Dir hier so viel wie Du für morgen brauchst, bis wir uns wiedersehen.“

Dann lief ich schnell zum Platz und wartete auf Ruth, denn wir hatten uns ja für 18:00 Uhr verabredet. Aber Ruth kam nicht, und um mir die Zeit zu vertreiben, hörte ich ein wenig den „Rattenfängern“ zu, wie sie auf das politische System schimpften. Mittlerweile waren es noch weit mehr Menschen, die zuhörten, vielleicht sogar 1000. Die Redner sprachen mit Verstärkern, und ich erinnerte mich daran, dass man mir dies vor drei Jahren noch verboten hatte, als ich mit Bruder Klaus Rost hier stand. Ich sah von weiten einen Polizisten stehen und ging auf ihn zu. „Entschuldigen Sie, ich habe mal eine Frage: Warum erlaubt die Polizei, dass diese Leute hier mit Lautsprechern die Politiker dieses Landes beschimpfen und die Menschen gegen die Obrigkeit aufhetzen?“ – „Das frage ich mich auch“ sagte der Polizist, „aber das ist eine Entscheidung der Municipalidad (Stadtverwaltung). Grundsätzlich gilt ja die Meinungsfreiheit, aber ich finde das auch nicht gut, dass man dies alles zulässt„. Ich erklärte ihm – ohne dass er mich danach gefragt hätte – warum ich hier sei, und dass sich heute schon zwei Menschen aus der Finsternis zum Licht bekehrt hätten. „Und vielleicht werden Sie heute der Dritte sein!“ sagte ich lächelnd. Er grinste verlegen. Dann erklärte ich auch ihm die Heilsbotschaft, aber merkte, dass er mir nur wie auf glühenden Kohlen zuhörte und am liebsten weggegangen wäre, aber gezwungen war, dort seinen Posten zu halten. Als ich fertig war, wollte ich ihn nicht länger quälen, sondern verabschiedete mich freundlich.

Ruth war immer noch nicht da, obwohl es schon 18:20 Uhr war. Ich schlenderte über den Platz und blieb bei dem Redner mit der größten Zuhörerschaft stehen. Ich hatte ihn schon mal gesehen, denn er gehörte zu der Gruppe von Lorenzo, mit dem ich vor zwei Jahren mal eine öffentliche Debatte geführt hatte. Das war aber wirklich ein feuriger Redner, dachte ich, denn seine Sätze schossen nur so treffsicher aus ihm heraus, und das Publikum liebte ihn und klatsche immer wieder. Auf einmal sagte er: „Ich sehe hier gerade den Matthäus unter den Zuhörern, mit dem wir schon mal eine Debatte hatten. Matthäus, komm doch mal hier nach vorne!“ Er winkte mir zu, und ich sagte: „Ich heiße Simon“. – „Ach ja, entschuldige, ich habe Deinen Namen nicht mehr in Erinnerung gehabt. Komm doch mal her!“ – Ich ging mit etwas Verlegenheit zu ihm, und er sagte: „Wir können doch mal ein wenig über den Glauben von Simon sprechen, denn Simon ist ein richtiger Bibelgläubiger. Wie heißt deine Religion noch mal?“ Er gab mir das Mikrophon und ich sagte: „Ich bin evangelikaler Christ.“ Dann sagte der Redner, der sich als Andrés vorstellte: „Ach, ein Evangelikaler bist Du also. Ich habe hier schon einmal eine Debatte geführt mit einem anderen Evangelikalen. Er hieß Paul Washer. Kennst Du ihn?“ – „Ja, ich habe von ihm gehrt“ sagte ich. „Ach, Du kennst also Paul Washer!“ Dann vereinbarten wir, dass jeder von uns nun jeweils immer 5 Minuten Zeit habe, um etwas ins Mikrophon zu sagen zu der Zuhörerschaft. Ich sollte anfangen und nahm das Mikrophon:

Liebe Leute, ich bedanke mich, dass ich diese Gelegenheit hier bekomme, zu Ihnen zu sprechen. Ich heiße Simon Poppe und bin aus Deutschland zu Besuch hier. Bevor ich Ihnen etwas über meinen Glauben erzähle, muss ich darauf hinweisen, dass ich hier eigentlich gerade nur auf meine Frau warte und diese Debatte leider wieder beenden muss, sobald sie kommt. Was die politischen Ansichten meines Vorredners betrifft, so kann ich seine Wut über die Korruption der Politiker gut nachvollziehen. Diese Welt ist wirklich voller Ungerechtigkeit, und es wird Zeit, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Aber in dieser Welt wird es nie eine vollkommene Gerechtigkeit geben können, denn die meisten Missetaten geschehen ja im Verborgenen. Aber die Bibel sagt, dass Gott, der Schöpfer dieser Welt, einen Tag bestimmt hat, an dem Er alle Menschen gerecht richten wird, und zwar durch Seinen Sohn Jesus Christus. Und Er wird eine neue Welt schaffen, in der Gerechtigkeit wohnt. Mir ist klar, dass die meisten von ihnen dies für lächerlich halten, weil Sie nicht an Gott glauben und die Religion für ein Opium des Volkes halten. Aber selbst wenn Sie nicht an die Bibel glauben, können Sie erkennen, dass es einen Gott geben muss, der Sie erschaffen hat, denn wenn Sie sich morgens im Spiegel betrachten, dann sehen Sie, wie perfekt Er Sie geschaffen hat. Jedes Teil ist an seinem Platz und erfüllt eine sinnvolle Funktion. Die Evolution kann keine perfekten Wesen hervorbringen, weil sie auf dem Prinzip des Chaos basiert. Und auch der Kommunismus hat nur Chaos und Leid in die Welt gebracht mit Millionen von Toten weltweit. Denn der Mensch ist nicht in der Lage, dauerhaft Recht und Gerechtigkeit zu gewährleisten, wenn er Gott nicht fürchtet. Das sehen wir ja gerade in diesem Land, wo doch fast alle Politiker sich bestechen ließen. Die Bibel sagt, dass erst mal der Mensch erneuert werden muss durch die Kraft Gottes, bevor sich überhaupt die Gesellschaft verändern kann. Und Gott will jeden Menschen ganz frei machen von all seiner Bosheit, deshalb hat Er Jesus gesandt, um unsere Schuld auf sich zu nehmen. Karl Marx war auch einmal Christ in seiner Jugendzeit, aber ist dann mit 21 J. vom Glauben abgefallen. Aber er hat aus der Bibel das Prinzip der brüderlichen Gütergemeinschaft übernommen und wollte es dann ohne Gott mit Gewalt den Menschen aufzwingen. Aber das funktioniert eben nicht, wenn der Mensch nicht vorher durch den Geist Gottes erneuert wurde...“

Dann gab mir einer von Andrés Leuten ein Zeichen, dass die 5 Minuten um sind und nun der andere dran sei. Ich gab das Mikrophon zurück, aber keiner klatschte, sondern alle warteten nur darauf, dass mir der Andrés nun ordentlich den Marsch blasen würde. Er nahm das Mikrophon und sagte: „Die Natur lehrt uns, dass der Mensch für den Kommunismus geboren ist. Seht Euch die Sonne an: sie scheint für alle Menschen! Sehrt Euch die Natur an: sie bietet Nahrung für alle Menschen! Welche Farbe hat das Blut? Jawohl! es ist rot!“ Das Publikum lachte und klatschte. In dem Moment tippte mir Ruth von hinten auf den Rücken. Ich wandte mich zu den Veranstaltern und zeigte an, dass ich nun leider gehen müsse. Ich hörte ein großes Seufzen in der Menge, nahm Ruth an die Hand und ging weg ohne mich umzudrehen.

Lima, 17.12.2019 Unsere heutige Morgenandacht über 2.Kön.17 handelt von der Gefangennahme des Volkes Israel nach Assyrischen durch den König Salmanasser. Gott zieht hier einen Schlussstrich unter dieses traurige Kapitel von Königen, die alle nur in Sünde und im Götzendienst lebten, selbst wenn einige von ihnen zeitweise mal Buße taten oder sich von den Propheten Gottes etwas sagen ließen. In den Büchern der Propheten finden wir über viele Seiten diesen traurigen Abgesang und auch dieses ausgedrückte Unverständnis, wo Gott doch alles für sie getan hatte, damit sie Frucht bringen und Ihn so sehr enttäuschten (Jes.5:1-7). Gott ruft durch Jesaja den Himmel und die Erde als Zeugen an und beklagt sich über Seine Kinder, die Er auferzogen hatte, aber die von Ihm abgefallen sind (Jes.1:2). Wie bitter muss diese Ablehnung für Gott gewesene sein – wir können uns dies ja am Bilde eines Vaters gut vorstellen, dessen Kinder sich von ihm losgesagt haben. Aber Gott lässt diese Schmach nicht auf sich sitzen: Er bestraft Sein Volk, aber Er zeigt auch der ganzen Welt, dass Er es schafft, Sein Volk, das unter die Nationen verstreut wurde, wieder zurückzuholen durch den Glauben an den HErrn Jesus. Die 10 Stämme sind ja nur zu einem ganz geringen Teil wieder zurückgekehrt in ihr Land und haben sich dort mit den heidnischen Völkern vermischt (die „Samariter„). Der überwiegende Teil ist in die Diaspora gegangen in den Kaukasus und später nach Europa und Amerika. Die Epheser waren keine Heiden, sondern wurden nur „entfremdet dem Bürgerrecht Israels„, das sie einmal besaßen. Die Römer hatten Abraham als „Vater nach dem Fleische“ (Röm.4:1). In Jesus Christus hat Gott uns, das Haus Israel, durch den Glauben wieder zurückgeführt, indem Er Sein Gesetz in unsere Herzen geschrieben hat (Jer.31:31-33 – man beachte, dass in Vers 31 nur von Israel und Juda die Rede ist, nicht von irgendwelchen Heiden. Trotzdem hat sich diese Verheißung bereits erfüllt gem. Hebr.10:16). Wir beteten, dass der HErr doch die Gefangenschaft Seines heutigen Gottesvolkes wenden möge, damit wir und wieder von Herzen am HErrn erfreuen mögen.

Während Ruth heute Vormittag einen Arzttermin hatte, verbrachte ich die Zeit mit Lesen und Schreiben. Ricardo hatte mir erlaubt, sein WLAN zu benutzen, so dass ich endlich mal wieder meine ganzen Nachrichten aus Deutschland lesen und beantworten konnte. Ich überlegte, wie ich Leuten wie Mario in Zukunft helfen könnte, wieder einen Neustart zu beginnen. Am Einfachsten wäre es, wenn ich eine Firma gründen würde für Malerarbeiten, denn dann könnte ich denen einfach Arbeit geben unter meiner Anleitung. Aber dazu müsste ich schon wirklich hier dauerhaft wohnen, sonst ist das nichts Halbes und nichts Ganzes. In Callao soll es ja eine Einrichtung geben für ehemals drogenabhängige Neubekehrte, die von Evangelikalen geleitet wird. Francisco kennt deren Adresse, deshalb müsste ich ihn mal fragen. Ich könnte ja Mario auch erst einmal anbieten, mit mir zusammen die Fassade und den Vorhof der Wohnung zu streichen, denn der sieht im Moment ja noch katastrophal aus. Überall liegen tote Kakerlaken, die durch das Gift, das Ruth an die Türschwelle gestreut hat verendet sind. Und der ganze Hof ist mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Ein Hochdruckreiniger wäre jetzt ideal. Ich muss auch das morsche Holz mal austauschen, denn so schäbig wie die Überdachung jetzt aussieht, ist das kein Zeugnis. Ich könnte mit Mario morgen zum Baumarkt fahren und Farben kaufen; und dann könnten wir anfangen, den Vorhof wieder schön zu machen. Dann sehe ich, wie er arbeitet, ob er zuverlässig ist und kann zur Belohnung mit ihm neue Kleidung kaufen. Auch müssen wir unbedingt jetzt mal eine Badezimmertür haben, denn wenn Mario mal bei uns Duschen will oder einer der Brüder auf Toilette muss, ist das kein Zustand, wenn wir keine Türen haben. Und Ruth drängt mich, dass ich endlich Gardinenstangen besorgen soll, um die Gardinen wieder aufzuhängen. Es ist erst ein Viertel der Zeit rum, und ich muss zusehen, dass ich arbeite („Sechs Tage sollst du ARBEITEN…“). Wenigstens vormittags sollte ich mich irgendwie nützlich machen – vielleicht durch privaten Deutschunterricht… Ich werde einen Handzettel schreiben und drucken lassen, in welchem ich Deutsch oder Englisch anbiete und diesen dann verteilen, um zu testen, ob Interesse besteht. Und zugleich könnte ich ein Traktat schreiben und drucken lassen, in welchem ich die Leute zur Bibelstunde einlade.

Am Abend um 19:30 Uhr kam Ricardo zur Bibelstunde. Er sagte, dass sich Edilberto und Hugo entschuldigt hätten, dass sie heute nicht kommen würden. Ich fragte Ricardo, ob sie sich eigentlich inzwischen versöhnt hätten, denn sie waren doch im Streit auseinandergegangen. „Wie ist es überhaupt zu dem Streit gekommen?“ fragte ich Ricardo. Er erklärte mir, dass Hugo zwar einen sehr demütigen und bescheidenen Eindruck mache, aber dass er viel Geld habe, da er ein Unternehmer sei. Tomás (75) hingegen ist ein armer und hochverschuldeter Aushilfsmaler, der sich von Hugo regelmäßig immer Geld schenken lässt. „Letzten Sonntag konnte Tomás nicht zur Bibelstunde kommen, weil er für den Pastor der Allianzgemeinde gerade am Sonntag einen Schwarzauftrag machte – stell Dir das mal vor! Und jetzt hat sich Tomás vor kurzem von Kredithaien Geld geliehen, dass er regelmäßig mit hohen Zinsen zurückzahlen muss. Weil er das aber nicht konnte, hatte Hugo ihm am Dienstag vor zwei Wochen 30,- Soles gegeben. Nach der Bibelstunde habe dann Edilberto erklärt, dass er in einer Woche mit selbstgedruckten Traktaten in den Urwald fahren wolle und fragte, ob ihm jemand dafür noch finanziell unterstützen wolle für die Fahrtkosten. Spontan gab nun Tomás dem Edilberto die 30,- Soles, die er sich gerade erst von Hugo geben ließ. Hugo hatte das gesehen und sagte zu Edilberto dass er das nicht von ihm annehmen dürfe, da dieses Geld ja für die Bezahlung von seinen Schulden gedacht war. Edilberto sah eine Rückgabe aber nicht ein und fragte Hugo, warum er ihn denn nicht finanziell unterstützen wolle. Hugo erklärte dann, dass er die Aktivitäten von Edilberto nicht nachvollziehen könne, denn warum müsse er ausgerechnet nach Pucallpa in den Urwald fahren, wenn es doch auch hier in Lima genügend Ungläubige gäbe. Darauf sagte Edilberto zu Tomás: ‚Wir sollten in Zukunft keine Gemeinschaft mehr mit Hugo haben, denn er hat einen anderen Geist!‘ Daraufhin verließ Hugo traurig den Hauskreis in der Wohnung von Edilberto. Aber wie es scheint, haben sie sich inzwischen wohl schon wieder vertragen, denn sonst wäre Edilberto ja nicht gekommen am Sonntag vor 10 Tagen“. Ich fragte mich, wie man überhaupt so schnell beleidigt sein könne.

Es war schon 20:15 Uhr, und Mario war immer noch nicht gekommen. Was ist bloß los mit den Peruanern! Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass einer uns sitzen ließ, er versprochen hatte zu kommen. Wir fingen also an mit der Bibelstunde, und ich nutzte die Gelegenheit, um mit Ricardo mal an Hand des Buches Hiob über Regeln der Kommunikation zu sprechen. „Dein improvisierter Vortrag letzten Sonntag über 1.Kor.13 war ganz gut, aber viel zu lang. Du wiederholst und wiederholst und wiederholst immer die gleiche Aussage, und dadurch wird es langweilig, denn die Botschaft war doch längst von allen verstanden worden. Du solltest versuchen, unterschiedliche Gedanken zu nennen, die irgendwie einen Bezug zu dem Thema haben, über das ich einleitend gesprochen hatte in Ps.50. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Du eine ganz neue Predigt hältst mit einem ganz neuen Thema. In Bremen machen wir das immer so, dass wir uns dann alle zusammen über den Text austauschen. Dadurch, dass jeder sich beteiligen kann, langweilt sich auch keiner.“ – „Aber Gott ist ein Gott der Ordnung“ wandte Ricardo ein. „Wenn alle miteinander nur diskutieren wollen, dann wird das Wort zerredet. Außerdem führt das nur zu fruchtlosem Streit“. – „Das sagst Du, weil Du das noch nicht bei uns in Bremen gesehen hast: Wir lachen zusammen und jeder erzählt dann auch mal eine Anekdote aus seinem Leben, was er mit dem HErrn erlebt hat. Das ist viel schöner als nur so ein langer, trockener Vortrag, bei dem immer nur einer redet.“ – „Aber wenn man eine biblische Lehre erklären will, dann ist es sehr störend, wenn ständig jemand dazwischen reden will. Man kann doch warten, bis der andere fertig ist.“ – „Aber es steht auch geschrieben, dass man einer spontanen prophetischen Eingebung immer den Vorrang geben soll gegenüber der gewöhnlichen Unterweisung (1.Kor.14:30).“ – „Ob es aber wirklich vom Heiligen Geist ist, muss ja nach Vers 29 erst einmal geprüft und bestätigt werden. Wenn man aber jemanden spontan ins Wort fällt, würde das sofort in eine Diskussion ausarten wie am letzten Sonntag.“ – „Dies geschah nur, weil Du etwas Falsches behauptet hattest über den HErrn Jesus und hast mir noch nicht einmal erlaubt, Dich zu unterbrechen, obwohl ich Dir mehrfach Zeichen gegeben habe. Das ist nicht sehr höflich.“ – „Aber Du bist laut geworden und hast mir vor allen anderen widersprochen, obwohl Walter und Alberto noch nicht einmal richtig gläubig sind!“ – „Da hast Du recht, das war nicht gut.“ räumte ich ein. Wir verabschiedeten uns herzlich und befahlen uns dem HErrn an. Am Abend erfuhren wir durch die Nachrichten, dass es in Cajamarca die schwersten Regenfälle und Überschwemmungen seit Jahren gegeben habe und die Straßen zu reißenden Flüssen geworden sind. Dabei waren wir ja erst vor zwei Tagen dort gewesen! Welch eine Gnade, dass der HErr uns davor bewahrt hat, aber welch eine Tragödie für die Menschen vor Ort!

Lima, 18.12.2019 Wie wunderbar in 2.Kön.18 zu lesen, dass es unter allen Königen von Juda niemanden gab, der so gerecht war wie der König Hiskia, also selbst Josaphat und Josia reichten nicht an ihn heran, „Weil er dem HErrn gefolgt war und nicht von Ihm abwich, denn er hielt die Gebote des HErrn ein, die er dem Mose vorgeschrieben hatte“ (V.6). Er weigerte sich auch, dem König von Assyrien zu dienen, aber später bekannte er dies als Sünde und bezahlte an ihn ein Strafgeld (V.11+14). War dies richtig? Eigentlich müsste es ja richtig sein, denn Gott machte ihm ja keinen Vorwurf wie bei Asa (2.Chr.16:1-9). Er wollte Gottes Volk schützen und verwendete dafür den ungerechten Mammon. Aber im Alten Bund war es doch eigentlich ein Frevel, etwas aus dem Haus des HErrn hinauszunehmen, um es für rein profane Zwecke zu ge- bzw. missbrauchen. Und wenn es Gottes Wille gewesen wäre, hätte es dann nicht auch den König Sanherib besänftigen müssen, so dass er nicht immer mehr verlangte? Ein Bruder namens Elias Schrenk hat einmal geschrieben, dass man am Erfolg oder Misserfolg einer Sache nicht Rückschlüsse ziehen dürfe, ob eine Sache nach Gottes Willen war oder nicht. Und tatsächlich nimmt ja die Bedrohung durch Sanherib schließlich noch ein gutes Ende, indem der HErr den Hochmut der Assyrer zunichtemacht und sich durch das Vertrauen Hiskias verherrlichen kann. Daraus dürfen wir schließen, dass Misserfolge durchaus mit einem Plan Gottes verbunden sein können, den wir erst ganz am Ende verstehen. Dadurch ermutigt, beteten wir gemeinsam für unsere Geschwister in Peru und Deutschland, dass der HErr sie ermutigen möge in allen Anfechtungen.

Zum Frühstück gab es heute das Körnermix-Müsli, das wir aus den Zutaten aus Gamarra gemischt haben (Maka, Kiwitscha, Chia, Haferflocken, Sesam, Quinoa, Pollen und sogar ein bisschen Anis) – superlecker! Als Getränk hatte Ruth einen Aloe Vera-Saft aus einer langen kaktusähnlichen Schote hergestellt, der wie eine Mischung aus süßem Bier und Apfelwein schmeckte. Das war so eine geballte Ladung an Gesundheit, das ich den ganzen Vormittag mich immer wieder hinlegen musste, zumal wir ja neuerdings auch auf Kaffee verzichten. Beim Abhängen der Wäsche wurde mir die Notwendigkeit bewusst, die Hosentaschen vor dem Waschen zu kontrollieren, ob sie noch Taschentücher enthalten, denn ein Papiertaschentücher hatten bewirkt, dass die gesamte Wäsche übersät war mit winzigen Papierschnipseln. Da Mario gestern nicht gekommen war, will ich die Renovierarbeiten lieber ans Ende unseres Peruaufenthalts hängen, weil wir dann besser absehen können, wie viel Geld wir noch haben. Stattdessen will ich mich weiter auf das Missionieren konzentrieren und heute Nachmittag nochmal mit belegten Broten in die Innenstadt gehen. Bis dahin will ich ein Traktat schreiben und es in Druck geben, damit ich nicht – wie zuletzt – meine Adresse auf die letzte Seite meiner Bibel schreiben muss, um sie dann als Schnipsel herauszureißen. Ruth telefoniert schon die ganze Zeit mit unserer Freundin Eva, die seit Jahren unter dem regelmäßigen Fremdgehen ihres Mannes leidet, ein Adventistenprediger, sich aber nicht von ihm scheiden lassen kann, da sie und ihr Sohn wirtschaftlich von ihm abhängig sind. Ruth machte ihr Mut, auszuharren und bereitwillig dieses Kreuz zu tragen. „Wenn Du weinen und schreien willst, dann geh hinaus, steige auf die Berge und schreie Deine Wut laut heraus. Du darfst auch mit Steinen werfen, bis sich Deine Wut abgekühlt hat. Aber lass Deinen Mann nicht Deine Wut spüren und mach ihm auch keine Vorwürfe mehr, denn damit machst Du alles nur noch schlimmer“ gab Ruth ihr als Ratschlag.

Inzwischen sind wir wieder zurück, und es ist 22:42 Uhr. Es ist mal wieder viel passiert: Nach dem Mittag habe ich erst mal ein Traktat geschrieben, dass im Wesentlichen nur aus zwei Sätzen bestand und sich an die Katholiken unter den Peruanern richtete: „Hasta cuando vacilaréis vosotros entre dos opiniones? Si Jesucristo es Dios, segueidle; y si la virgen Maria, id en pos de ella. (comp.1.Reyes 18:21) ‚En ningún otro hay salvación, porque no hay otro Nombre bajo el cielo, dado a los hombres, en que podamos ser salvos“ (Hech.4:12) Simon & Ruth Poppe, Unidad Vecinal de Matute 59 A-3, La Victoria, Lima, Tel.: 959813220 Reuniones:Dom.6 pm, Mart. 8 pm“ („Bis wann hinket ihr auf beiden Seiten? Wenn Jesus Christus Gott ist, dann wandelt Ihm nach, wenn aber die Jungfrau Maria, dann wandelt ihr hinterher. (vergl. 1.Kön.18:21) ‚Denn es ist in keinem anderen das Heil, denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in welchem wir gerettet werden müssen‘ (Apg.4:12). Simon& Ruth Poppe… Versammlungen: Sonntags 18:00 und Dienstags 20:00 Uhr„). In der spanischen Übersetzung steht der Text etwas anders: „Wie lange seid ihr hin-und hergerissen zwischen zwei Meinungen…“ Ich nahm die geschmierten Brote aus dem Kühlschrank, tat mir Sonnencreme ins Gesicht und Arme, betete mit Ruth, und dann gingen wir los. Zunächst fuhren wir zu einem Kopierladen in der Av. Petit Thouars, Wo ich 800 Flyer herstellen ließ für 18 Soles (ca. 5,-€). Dann fuhren wir weiter ins Stadtzentrum, wo ich mich von Ruth trennte. Zunächst verteilte ich die Butterbrote an die ärmlich aussehenden Menschen, und dann die Flyer. Innerhalb von 30 Minuten verteilte ich rund 500 Flyer an die Rumsitzenden, die alle bereitwillig einen nahmen. Einige kamen sogar zu mir gelaufen und rissen mir die Flyer fast aus der Hand. Nur etwa 1 % der Leute wollten keinen Flyer haben – was für ein Unterschied im Vergleich zu Deutschland!

Wie immer war der San-Martin-Platz auch diesmal wieder proppenvoll, und es gab etwa 3 – 4 Redner, die jeder an die 50 – 70 Zuhörer um sich scharrten. Ich suchte nun gezielt nach Leuten, die elendig in einer Ecke saßen ohne dabei auf ein Smartphone zu starren. Da sich einen so bemitleidenswerten Mann von etwa 60 Jahren, der wie verzweifelt auf den Platz starrte. Ich ging auf ihn zu und sprach ihn an: „Entschuldigen Sie, glauben Sie an den HErrn Jesus Christus?“ Zu meiner Überraschung sagte der Mann mit einem Lächeln: „Nein!“ Wie konnte ich mich nur so täuschen, denn der Mann war keineswegs elend, sondern machte auf mich auf einmal einen eher vergnügten Eindruck. Dann erzählte mir David – so hieß er – dass all das Unrecht und das massenhafte Sterben von Kindern in der Welt doch Beweis genug sei, dass es keinen Gott geben könne. Ich erklärte ihm, dass Gott einen Tag gesetzt habe, an dem Er die ganze Welt richten würde durch den HErrn Jesus, dass aber jeder, der an das Evangelium glaubt und den HErrn um Vergebung bittet, nicht mehr gerichtet sondern begnadigt werde. Daraufhin sagte David: „Seit 2000 Jahren warten die Menschen schon auf Jesus, aber Er kommt ja gar nicht!“ – „Ich glaube, dass es nur noch etwa 10 Jahre dauern wird.“ entgegnete ich. „Das haben die Christen schon immer gesagt. Ich kann mich noch erinnern, Anfang der 70er Jahre, da sagten sie auch, dass Jesus innerhalb der nächsten 10 Jahre wiederkommen würde!“ Nun sah ich mich genötigt, ihm etwas ausführlicher zu begründen, was die Bibel über die Prophetie sagt, und er hörte mir sehr aufmerksam und gespannt zu, ohne mir etwas zu entgegnen. Dann verabschiedete ich mich.

Als nächste verteilte ich weiter Flyer. Da sah ich auf einmal Mario an mir vorbeigehen. Ich rief ihn: „Hallo Mario! Warum bist Du denn gestern gar nicht zur Bibelstunde gekommen?“ – „Entschuldige, dass ich nicht Bescheid gesagt hatte, aber ich habe gestern Arbeit gefunden und musste bis 20:00 Uhr arbeiten, deswegen hatte ich es nicht mehr geschafft. Dafür komme ich aber auf jeden Fall am Sonntagabend.“ Ich ging weiter, als plötzlich der Atheist Andrés auf mich zukam und mich freundlich begrüßte. Er lud mich ein zu einer weiteren Debatte, aber ich lehnte ab, da es ja letztlich nur darum ginge, die Christen vor einer ungläubigen Meute an den Pranger zu stellen. Doch Andrés versicherte mir, dass ich auch ohne Debatte zu den Leuten sprechen dürfe durchs Mikrophon, wenn ich wolle. Dieses Angebot nahm ich gerne an, und wir gingen zu einem der Redner, der wie üblich die Politiker beschimpfte. Als er fertig war, gab Andés mir das Mikrophon; ich stellte mich vor, machte eine kurze Einleitung und erklärte dann, worum es im Glauben an den HErrn Jesus geht. Auf einmal lichteten sich die Reihen, und von den ursprünglich 50 Zuhörern blieben gerade einmal nur etwa zehn übrig (und diese gingen vielleicht auch nur aus einer gewissen Trägheit nicht weg). Ich beendete meinen Vortrag nach etwa 7 Minuten, und ein weiterer Redner übernahm nun das Mikrophon. Nun ging Andrés zu mir und sagte: „Simon, ich habe mal ein paar Fragen zur Bibel. Könnten wir uns vielleicht mal setzen, dass Du mir das erklärst?“ Wir setzten uns, und er fragte: „Du hattest gesagt, dass Gott so heilig sei, dass ein Sünder sich ihm nicht nahen könnte. Aber steht nicht auch geschrieben, dass Satan vor Gott treten konnte?“ Ich gab ihm eine Klarstellung, dass ein Sünder durchaus zu Gott kommen könne, aber dass niemand das Angesicht Gottes sehen dürfe. Wir lasen dann zusammen Jes.6 sowie 1.Kön.22:19-23 und ich erklärte ihm dann noch, dass der HErr Jesus nach Seiner Auferstehung alle Macht bekommen habe und Gott Ihm alle Seine Feinde zu Seinen Füßen legen werde.

Dann setzte sich eine ältere Frau neben mich und erwies sich als Glaubensschwester. Gloria fragte mich, was ich zum Thema Abtreibung zu sagen hätte und erzählte mir dann, dass ihre Eltern sie als 16-jährige gezwungen hätten, ihr Kind abzutreiben. Als sie dann später geheiratet hatte und ein weiteres Kind bekam, hat dieses einen Herzfehler gehabt, so dass er gesundheitlich sehr eingeschränkt sei. Ich erinnerte sie an die Sünden von König David, die trotz der Vergebung Gottes trotzdem noch Folgen nach sich zogen. Denn David hatte ja gemäß dem Gesetz für den Dieb gefordert, dass er das Gestohlene vierfach erstatten solle, und so musste David ja dann auch vier seiner Söhne verlieren. Da sie aber das Verbrechen in ihrer Jugend tat, als sie sich noch nicht über die Schwere der Sünde im Klaren sein konnte und zudem von den Eltern gedrängt wurde, sei sie nur vermindert schuldfähig gewesen bzw. gemäß Joh.9:41 gänzlich schuldlos. Dann fragte sie mich, wie das mit den Sünden der Vorväter zu verstehen sei, da Gott doch die Ungerechtigkeit der Väter heimsuche an den Kindern und Kindeskindern, am 3. und am 4. Gliede (2.Mo.34:7). Schließlich stünde doch auch geschrieben, dass der Sohn nicht die Ungerechtigkeit seines Vaters zu tragen habe (Hes.18:19-20). Ich sagte: „Grundsätzlich verlangt jede Ungerechtigkeit eine Sühne, entweder von dem Schuldigen selbst oder von dessen Nachkommen. Das ‚Heimsuchen‘ ist im Sinne einer Benachteiligung zu verstehen. So wie der Urgroßvater anderen Unrecht antat, ohne dass er dafür zur Verantwortung gezogen wurde, so soll zum Ausgleich auch seiner Nachkommenschaft Unrecht widerfahren. Diese haben zwar selber keine Schuld, aber sie sollen ihrem Großvater oder Urgroßvater behilflich sein, dass er nach dem Tod nicht die volle Schwere der Bestrafung alleine zu tragen habe, sondern sie auf verschiedene Köpfe verteilt werde. Allerdings gilt dies wirklich nur für das 3. und 4. Geschlecht, also nicht mehr für das 5. und auch nicht für das 2., weil es die direkte Vater-Sohn-Beziehung erheblich schädigen könnte. Der Sohn könnte seine Ehrfurcht vor dem Vater verlieren, wenn er dessen Ungerechtigkeit zu dessen Lebzeiten mittragen müsste.“

Auf einmal liefen alle Leute auf dem Platz in eine Richtung, und ich sah, dass sie vor einem riesigen Polizeiaufgebot mit Schutzhelmen und Schlagstöcken flohen. Einige warfen der Polizei jedoch Stühle und Farbbeutel entgegen. Plötzlich hörte man Schüsse, aber das waren wohl nur Tränengasgranaten. Der Platz hüllte sich in Rauch, und die Leute rannten weg oder verschanzten sich. Schwester Gloria forderte mich auf, ebenfalls zu fliehen, weil ich vor Schreck und aus Neugier wie angewurzelt dastand, als wäre ich selbst gar nicht beteiligt. Wir verließen den Platz und beobachteten das Weitere aus sicherer Entfernung. Doch inzwischen hatte sich die Situation auch schon wieder beruhigt. Wir sahen einen Demonstrationszug, der von der Polizei begleitet wurde, um mögliche Ausschreitungen oder Vandalismus zu vermeiden. Die Leute gingen wieder zurück auf dem Platz, und das taten auch wir. Ich gab Schwester Gloria meine Adresse und lud sie ein, am nächsten Sonntag zu unserer Bibelstunde zu kommen, was sie mir auch versprach. Dann verteilte ich weiter meine Handzettel und hielt Ausschau nach alleinsitzenden jungen Leute. Da sah ich einen Jugendlichen am Rande sitzen, der ziemlich feminin gekleidet war (z.B. rosa T-Shirt) und fragte mich, ob der wohl schwul sei. Ich sprach ihn an, ob ich ihm etwas vom Wort Gottes sagen dürfe, und er willigte sofort ein. Gerson (19) ist Venezolaner und sei seit einem Jahr in Peru. Er habe 20 Tage gebraucht, um mit seinen Brüdern und kleinen Schwestern die beschwerliche Reise ins „gelobte Land“ Peru zu bewältigen, teils zu Fuß und teils per Anhalter. Nun lebe er mit seinen kleinen Geschwistern in einem Hotelzimmer, das ihn 25 Soles pro Tag koste. Um dieses und ihren weiteren Lebensunterhalt bezahlen zu können, müssen er und seine Brüder täglich mindestens 30 Soles verdienen durch den Verkauf von Süßigkeiten. Meistens bleibt dann nichts mehr übrig, um auch noch ihrer kranken Mutter etwas zu schicken, die sie in Venezuela zurücklassen mussten.

Da Gerson bereits an Gott und Jesus glaubte, war es ein Leichtes, ihm auch noch die Notwendigkeit der Buße und einer persönlichen Beziehung zu Gott durch den Glauben an das Sühneopfer des HErrn Jesus nahezulegen. Am Ende meiner Erklärung, fragte ich ihn, ob er sich jetzt bekehren wolle. Er sagte: „Ja“. Dann betete ich für ihn und bat ihn danach, nun auch selbst zu beten. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe noch nie selbst gebetet…“ Ich machte ihm das Angebot, dass ich die Sätze für ihn vorsprechen könne, er aber prüfen müsse, ob er diese auch wirklich Gott sagen wolle. Nun sprach er mir Satz für Satz nach, und wir beendeten das Gebet mit einem gemeinsamen „Amen„. Obwohl viele das Vorbeten als unbiblisch ablehnen mögen, kann ich nur bezeugen, dass ich bei meiner Bekehrung mit 16 J. auch das Gebet des Bruders nachgesprochen hatte, selbst wenn ich nur die Hälfte von dem verstanden hatte, was sie da mit mir gemacht haben. Gott schaut ja ins Herz und sieht, wie wir es meinen. Leider konnte ich ihm nur 3,50 Soles geben, aber versprach ihm, dass meine Frau das Geld habe und sie jeden Moment kommen würde, um ihm eine richtige Spende zu geben. „Wenn Du möchtest, laden wir Dich gleich auch mal zum Essen ein, wenn meine Frau kommt.“ – „Nein, das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren; denn meine kleinen Schwestern sind zuhause und warten hungrig auf mich, dann ist es nicht in Ordnung, wenn ich währenddessen satt esse.“ – „Du hast einen noblen Charakter, Gerson. Vielleicht wollte Gott deshalb, dass ich Dich ansprechen sollte. Ich bin davon überzeugt, dass das kein Zufall war.“ Wir verblieben so, dass er noch einen Moment hier warten solle, während ich in der Zwischenzeit weiter Zettel verteile.

Es war schon 20:35 Uhr und ich machte mir schon ernsthaft Sorgen, dass Ruth noch immer nicht zurückgekommen war. Mir tat der Rücken weh, musste dringend pinkeln und fror am ganzen Körper. Da kam ein alter Mann auf mich zu, der aussah wie ein Prophet aus dem Alten Testament. Er hatte lange graue Haare und einen langen Bart. Dazu trug er eine Tunika, d.h. ein Gewand, das bis auf den Boden reichte, wie man es zur Zeit Jesu trug, allerdings mit Randverzierungen, als ob es ein Kostüm wäre. Ich hatte ihn schon öfter hier gesehen und wusste, dass er zu den „Israeliten des Neuen Bundes universal“ gehörte. Hierbei handelt es sich um eine weit verbreitete Gruppierung in Peru, deren Frauen sehr lange Kopftücher tragen, so dass sie aussehen wie Nonnen. Und die Männer tragen alle lange Bärte, wobei der Bartwuchs vieler Indios sehr dürftig ist. Die Gruppe wurde 1968 von Ezequiel Ataucusi Gamonal gegründet und fordert in Peru nichts weniger als eine Theokratie, indem das Gesetz Mose zum geltenden Zivil- und Strafrecht erhoben werden solle. Versuche als Partei einen Platz im peruanischen Parlament zu erlangen, sind trotz einer hohen Mitgliederzahl bisher gescheitert, da man die Gruppierung wegen einer fehlenden Trennung zwischen Kirche und Staat als verfassungswidrig einstufte. Der Mann war außerordentlich freundlich zu mir und erzählte etwas, dass der HErr Jesus im Jahr 2020 einen großen Schuldenerlass geplant habe. „Darf ich mal fragen, wie alt sie sind?“ – „78 Jahre“ – „Ach, ich hätte Sie etwas jünger geschätzt. Wie heißen sie denn?“ – „Mein Name ist Oc.“ – „Wie?“ – „Ja, mein Name besteht nur aus zwei Buchstaben: O und C, – Oc.“ – „So einen Namen habe ich aber noch nie gehört. Klingt wie eine Abkürzung von Octavius“ – „Das mag sein, das der Name ungewöhnlich ist, aber ich heiße nun mal so. Auch mein Vater hieß Oc.

In dem Moment klopfte mir Ruth von hinten auf die Schulter. Was war ich erleichtert, dass sie wieder zurück war! Ich verabschiedete mich von Oc und erzählte Ruth, dass sich ein junger Venezolaner bekehrt habe, dem ich eine Spende versprochen hatte. Wir gingen dorthin, wo er auf mich warten sollte, aber er war nicht mehr da, und nirgendwo zu sehen. Das erinnerte mich ein wenig an 1.Mo.38:21-23, und ich nahm es aus Gottes Hand. Vielleicht würde ich ihn beim nächsten Mal wiedersehen, so wie den Mario. Wir gingen zur Bushaltestelle, aber ich fühlte mich gar nicht gut. Ich hatte zwar keinen Schnupfen oder Husten mehr, aber ich fror am ganzen Leib und war völlig erschöpft. Später stellte sich heraus, dass ich auch Fieber und Kolik hatte.

Lima, 19.12.2019 Als ich heute Morgen auf Toilette ging, hatte ich Durchfall. Das war also der Grund, warum ich Fieber hatte. Mein Kreislauf war matschig, so dass ich mich entschied, erst mal im Bett zu bleiben. Nachdem Ruth mir Paracetamol gab, schwitzte ich rund 1 Liter Wasser aus. Eigentlich wollten wir heute zu Edelvina fahren, jener gläubigen Mutter die vor zwei Jahren ein mehrfach behindertes Kind zur Welt brachte und seither von Ruth regelmäßig finanziell unterstützt wird. Ruth machte sich schon bald auf dem Weg, um neben anderen Einkäufen auch Medizin für mich zu kaufen. Wie schön, dass Ruthi so fit ist und im Moment so gut wie keine Schmerzen hat, seit sie sich vom Arzt etwas hat spritzen lassen. Sie wirbelt so hyperaktiv im Haus rum, kocht Essen und kümmert sich nebenbei noch um mich – dem HErrn sei Dank, dass Er mir so eine fleißige Frau geschenkt hat. So steht es ja auch geschrieben: „Wenn der eine fällt, richtet die andere ihn wieder auf“ (Pred.4:10). Ich war heute Vormittag wieder so schlapp, dass ich fast nur im Bett lag und mich ausruhte. Gegen Mittag ging es mir schon etwas besser, so dass ich schreiben konnte. Ich habe jetzt auch gerade einen Aufsatz angefangen zu der Frage, ob wir Nationenchristen in Wirklichkeit die verlorenen Stämme des Hauses Israel sind (Joh.10:16, Luk.15:3-32), dass wir also nicht nur eine geistliche, sondern auch eine leibliche Abstammung zu unserem Vater Abraham haben.

Heute Morgen lasen wir in 2.Kön.19, wo Hiskia dem Jesaja sagen ließ: „Die Kinder sind bis an die Geburt gekommen, aber da ist keine Kraft zum gebären“ (V.3). Was für ein Wechselbad der Gefühle! Da ist zum einen die Freude auf das zu erwartende Kind, aber zum anderen die Angst, dass nicht nur das Kind, sondern auch die Mutter vorher sterben wird, weil es keine Kraft mehr gibt, das Kind zur Welt zu bringen. Geistlich gesprochen spricht Hiskia hier von der Belebung des Volkes Gottes, die bereits begonnen hatte, aber die nun im Keim zu ersticken drohte, weil das Volk massiv eingeschüchtert wurde durch den Rabsake, dem König von Assyrien. Wenn man auf die Rede des Rabsake in Kap.18 achtet, dann klingt die Argumentation nicht nur schlüssig, sondern auch das Versprechen verlockend. Scheinbar meinte es Sanherib nur gut mit Juda – menschlich gesprochen. Auch er tat das, was später auch die Inkas taten, dass er die eroberten Völker umsiedeln ließ, um sie durch kulturelle Entwurzelung an künftiger Rebellion zu hindern. Allerdings wird das Anrecht Gottes und Seine Macht einfach verschwiegen und damit verleugnet. Diese Begebenheit wird sich auch in der Zukunft wiederholen, wenn die Heere von Gog gegen Jerusalem hinaufziehen. Aber sie erfüllt sich auch jedes Mal, wenn wir heute als Christen in Versuchung kommen und der Feind uns dann das Blaue vom Himmel verspricht, um uns zur Sünde zu reizen. Hiskia ließ sich jedoch nicht beirren: Als er den Brief des Feindes Gelesen hatte, breitete er ihn im Gebet vor dem HErrn aus und bat Ihn um Hilfe. Genauso mache auch ich es immer, wenn ich in der Post den Brief eines Kunden oder gar dessen Anwalt finde. Ich lese ihn dann immer erst nach dem Gebet, damit ich dann schon in der richtigen Herzenshaltung bin.

Am Abend kam uns Bruder Edilberto besuchen. Er berichtete uns von seiner Reise nach Iquitos, wo er in den letzten 10 Tagen Traktate verteilt hatte. Dann sprachen wir auch über den Streit, den Hugo und er miteinander hatten. Edilberto verschwieg mir, dass er Hugo beleidigt hatte und stellte es so dar, als habe Hugo nur einfach so plötzlich die Wohnung von ihm verlassen. Ich sagte aber nichts, sondern bat ihn nur inständig, dass er sich doch wieder mit dem Hugo versöhnen möge, zumal sie sich schon seit über 13 Jahren kennen und sich jeden Samstag morgens um 7:00 Uhr zum gemeinsamen Gebet treffen. Edilberto beteuerte sein Bedauern, dass die anderen Brüder seinen missionarischen Eifer nicht (mehr) teilen würden. Früher hätten sie ihn noch finanziell unterstützt, auch zuletzt beim Druck der Traktate. Aber in den letzten Jahren sei ihr Interesse am Missionieren erlahmt, und sie seien auch nicht damit einverstanden, dass Edilberto so weite Reisen unternehme, um das Evangelium auch in abgelegene Teile des Landes zu verbreiten. Dem musste ich zustimmen, da es in Lima doch noch genug Menschen gebe, die sich noch bekehren müssten. Edilberto wies mich darauf hin, dass er schon in ganz Lima das Evangelium verbreitet habe und darüber hinaus auch in sieben weiteren Departements von Peru. Ich erklärte ihm, dass ein einmaliger Besuch in irgendeiner Stadt doch noch lange keinen Anlass gebe, sich einer vollständigen Missionierung dieser Stadt zu rühmen, da ja nur ein winziger Bruchteil überhaupt erreicht wurde. Trotzdem bewundere ich aber seinen Eifer, den man auf jeden Fall auch weiter unterstützen solle und bot ihm an, dass wir zukünftig zusammen hinausgehen könnten mit dem Evangelium, sobald ich wieder gesund sei. Dann erzählte er mir, dass er Sonntags immer regelmäßig in eine Pfingstgemeinde gehe (schon seit 23 Jahren), die einen sehr guten Prediger habe, sich allerdings in den letzten Jahren immer mehr dem Zeitgeist angepasst habe. Ich sagte ihm, dass wir die gerne mal kennenlernen würden, und wir verabredeten uns für den nächsten Sonntag.

Lima, 20.12.2019 An diesem Morgen ging es mir schon wieder sehr gut, dem HErrn sei Dank! Durch mein häufiges Kranksein und die Sommerhitze hier habe ich in den letzten zwei Wochen schon über 6 Kilo abgenommen (von 105 kg auf 98,6 kg). Nicht immer ist Krankheit ein Züchtigung wegen unbekannter Schuld, was wir auch heute lasen in 2.Kön.20. Gott war sehr zufrieden mit der Treue Hiskias und wollte nicht, dass er seinen Lohn verlieren würde (2.Joh.8); deshalb ließ er ihn schon mit 39 Jahren erkranken, um ihn durch ein vorzeitiges Abberufen vor möglicher Sünde zu bewahren. Aber der HErr gewährte die Bitte Hiskias, ihn noch 15 Jahre weiterleben zu lassen. Dies wurde schließlich aber nicht zum Segen, sondern eher zum Schaden; denn „sein Herz überhob sich„, indem er sich mit seinem Reichtum vor den babylonischen Botschaftern rühmte. Zudem wurde in den 15 Jahren sein Sohn Manasse geboren, der einer der schlimmsten Könige von Juda überhaupt wurde! Wir lernen also daraus, dass wir bei jeder Bitte hinzufügen sollten: „…aber nicht mein Wille soll geschehen, sondern Dein Wille„, denn der HErr weiß ja viel besser, was gut für uns ist. Manasse hat so viel Schaden angerichtet, dass sich der HErr wohl zu seiner Zeit endgültig entschied, auch den Stamm Juda in Gefangenschaft zu führen. Selbst als Manasse sich am Ende seines Lebens noch bekehrte, war Gott nicht mehr bereit, Seinen Plan noch einmal zu ändern.

Heute Vormittag fuhr ich zu einer Metallfirma und kaufte zwei Alu-Gardinenstangen. Dann besuchten Ruth und ich Don Eulogio, den Vater von Ruths bester Freundin Raquel (Rahel), der schon 88 J. ist und den man vor kurzem überfallen und ausgeraubt hat, als er seine 700 Soles Rente von der Bank abgeholt hatte. Nach dem Mittag fuhren wir zu der Spedition, die unsere beiden Koffer aus Cajamarca nachgeliefert hatte, um sie abzuholen. Von dort sind wir in der gleichen Straße zu einem Straßenblock gegangen, wo man selbsthergestellte Möbel günstig einkaufen kann. Eigentlich suchten wir einen Kleiderschrank, aber am Ende kauften wir nur ein Bücherregal und zwei Klappstühle, die uns dann ein Taxi nach Matute gebracht hat. Danach war ich ziemlich k.o., da ich immer noch geschwächt bin durch das Fieber und Durchfall, so dass ich den Rest des Nachmittags und Abends schreibend im Bett verbrachte.

Lima, 21.12.2019 Ruth konnte in der Nacht mal wieder nicht einschlafen. Als ich mitten in der Nacht aufwachte, jammerte sie über ihre Schlaflosigkeit und ihre Rückenschmerzen. Sie hatte schon zwei Tabletten Diazepan und eine Tablette Amitriptilin genommen. Ich massierte sie, und wir unterhielten uns über das Buch von Rebekka Brown, das sie gerade las, bis ihr auf einmal müde wurde und sie endlich einschlief. Heute Morgen um 6:30 Uhr wurde ich durch ihr lautes Schnarchen geweckt. Ich dankte Gott und stand leise auf, um sie nicht zu wecken. Ruth ist immer so voller Adrenalin – bedingt durch ihre Schmerzkrankheit – dass sie selbst nach einem arbeitsreichen Tag einfach nicht müde wird. Wenn sie aber mehrere Nächte hintereinander nicht richtig geschlafen hat, kriegt sie meist schwere Depressionen, in welchen sie glaubt, Gott habe sie verlassen und sie wolle nicht mehr leben etc. Dieses ständige Auf und Ab an Gefühlen hat mich zwar zum einen schon etwas abgestumpft, zum anderen aber auch völlig abhängig gemacht von Ruths Gefühlslage, denn ich kann nur glücklich sein, wenn Ruth auch glücklich ist.

Wenn man sich fragt, wie es möglich sein konnte, dass Manasse in 2.Kön.21 ein so treuloser König werden konnte, wo er doch einen so frommen Vater hatte, dann achte man auf sein Alter: Ein Zwölfjähriger, der gerade erst in die Pubertät gekommen ist, kann doch unmöglich schon die Aufgaben eines Königs wahrnehmen, weil er noch viel zu unreif ist. Hier sehen wir auch eine Warnung, wenn Gläubige, die erst mit 40 Jahren heiraten, dann noch ein gemeinsames Kind haben wollen (Hiskia war 42, als Manasse zur Welt kam). Denn selbst wenn die Eltern dann nicht frühzeitig sterben, haben sie oftmals nicht mehr die gleichen väterlichen oder mütterlichen Instinkte wie wenn sie früh schon Kinder bekommen hätten, sondern neigen wohl eher zur Nachgiebigkeit und falschen Toleranz, so dass die Heranwachsenden nicht den richtigen Halt finden. Die kanaanitische Götterwelt muss auf einen Jugendlichen damals in etwa die gleiche Anziehungskraft ausgeübt haben wie die heutigen PC-Spiele (Game of Thrones etc.), weil man sich in eine Welt voller übersinnlicher Kräfte hinein phantasiert. Dann brauchen sich gläubige Eltern auch nicht wundern, wenn irgendwann ihre Kinder den Glauben an die Bibel verlieren, weil sie die dortigen Geschichten ebenso nur für eine Phantasiewelt halten.

Nachdem wir gemeinsam gebetet hatten, fragte mich Ruth, was ich heute vorhätte. „Entweder fahre ich wieder in die Stadt zum Evangelisieren oder ich kaufe Material und Werkzeug, um das Vorhofdach zu reparieren, sowie die Mauer und die Fassade zu streichen.“ Ruth wollte gerne nach Francisco fahren, um ihm in seiner Tierarztpraxis zu helfen, aber sie fühlte sich dazu zu unausgeschlafen. Am Ende entschieden wir uns, gemeinsam zum Baumarkt zu fahren, denn an diesem letzten Samstag vor Heiligabend wird wieder ein völliges Verkehrs-Chaos sein so wie die anderen Male. Wir fuhren nach Sodimac und kauften Fassadenfarbe, Lack und Streichwerkzeug, sowie Schrauben, Bohrer und eine Säge; dann fuhren wir wieder zurück, aßen Mittag und ruhten ein wenig aus. Am Nachmittag habe ich das Regal an die Wandgeschraubt, Gardinen aufgehängt und den Vorhof leergeräumt. Auf dem Boden lagen etwa 30 tote Kakerlaken. Als wir abends noch mal zusammen zum Supermarkt gingen, hatte ich starke Rückenschmerzen.

Lima, 22.12.2019 Heute morgen lasen wir in 2.Kön.22 wie König Josia zum ersten das Gesetz Mose vorgelesen bekommt – normalerweise sollte dies ja jedes Jahr zum Laubhüttenfest vorgelesen werden (5.Mo.31:11) – und sofort seine Kleider zerreißt (was damals ein nicht ungewöhnlicher, emotionaler Ausdruck der Verzweiflung und Trauer war). Dies geschah jedoch nicht in Heuchelei, denn Gott sah seine Tränen und dass sein Herz weich geworden war, wie Er es ihm durch die Prophetin Hulda mitteilte. Dennoch konnte Josia durch seine Gerechtigkeit nur seine eigene Seele retten, aber nicht mehr verhindern, dass der HErr das Festbeschlossene über Juda und Jerusalem wieder zurücknehme. Josia war schon vor seiner Buße ein Gerechter während seiner Jugendzeit und tat alles, was er auch ohne Kenntnis des Gesetzes tun konnte. Aber er begnügte sich nicht damit, sondern war offen für jede neue Belehrung, wie er Gott gefallen könnte. Als er dann das Gesetz hörte, kam es wie eine geballte Ladung auf einmal, und sein zartes Gewissen schlug ihn, dass er sofort in Tränen ausbrach vor Scham über die Sünden seiner Vorväter. Ähnlich erschrocken reagierte ich damals mit 15 J., als mir mein adventistischer Freund Manfred zum ersten Mal erklärte, dass die Babytaufe gar nicht in der Bibel stünde. Ich dachte: „Das ist ja Betrug! Das kann doch nicht sein! Die Pastoren müssen doch wissen, was in der Bibel steht! So ein Skandal!

Um 9:45 Uhr holte uns Bruder Edilberto wie vereinbart zum Gottesdienst ab in der Emmanuel-Kirche in San Isidro. Im Foyer warteten schon rund 500 Menschen auf den Einlass, sobald der vorhergehende Gottesdienst zu Ende war. Als wir dann hinein gingen, sah die große Halle wie ein riesiges Kino aus. Die hohe Decke und die Wände waren in einem dunklen anthrazitgrau gestrichen. Hinter der Bühne waren 8 riesige Bildschirmwände, etwa 6 m breit und 4 m hoch, auf denen kunstvolle Graphiken blitzschnell vorbeihuschten wie Lichtsteifen, Luftblasen oder Schneeflocken. Die Bühne selbst mit Musikband war hell erleuchtet in gelbem, weißem, rotem und blauem Licht. Die Musik war so laut, dass man an eine Diskothek erinnert wurde (wobei ich diese auch nur von Filmen kenne, aber noch nie in einer war). Zu Beginn des Gottesdienstes sollten wir alle zum Lobpreis aufstehen, aber es war so ein lauter Krach, dass ich mein eigenen Gesang nicht mehr hören konnte. Ich konnte mich auch gar nicht auf den Text an der Leinwand konzentrieren, weil diese vielen, schnell vorbeiflitzenden Bildeffekte mich völlig in den Bann gezogen hatten. Stattdessen begann ich, still zu beten und meine Verunsicherung dem HErrn zu sagen. „Was ist das hier!?? Was hat das noch mit einem Gottesdienst zu tun?! Was soll dieser Lärm!?“ Ich dachte an Mose, der sich über den Lärm wunderte, als er vom Berg hinabstieg. „Das Volk war zügellos geworden, denn Aaron hatte das Volk zügellos gemacht“ (2.Mo.32:25).

Die ganze Zeit fragte ich mich, wie der alte Bruder Edilberto diesen Diskolärm überhaupt gut finden kann. Später erfuhr ich die Antwort: er kannte gar nichts anderes, denn er war vor 23 Jahren in dieser Gemeinde gläubig geworden und nie in einer anderen Gemeinde gewesen. Edilberto versicherte aber, dass seine Gemeinde „früher noch nicht so modernistisch war, sondern man noch die alten Kirchenlieder sang.“ Als nach einer halben Stunde der Gesang und die Gebete zuende waren, begann eine Theatergruppe ein Stück zu spielen. Es handelte von den chaotischen Verhaltensweisen mehrerer Familien in einem Wohnblock in der Vorweihnachtszeit. Während alle emsig mit irgendwelchen Festvorbereitungen beschäftigt sind und sie sich alle nur noch streiten aus den unterschiedlichsten Gründen, klingelt die ganze Zeit die Türklingel, aber keiner der Familien kommt auf die Idee, mal zu öffnen, weil sie gerade zu sehr abgelenkt sind. Am Ende wird auf der großen Leinwand gezeigt: wer die ganze Zeit geklingelt hatte, nämlich ein junges Ehepaar, dessen Frau schwanger war und einen Platz suchte, wo sie ihr Kind gebären konnte – in Anspielung auf Maria und Josef. Dann folgte eine Predigt, in welcher der Pastor die Bedeutung von Weihnachten herausstellte und von der „bedingungslosen Liebe Gottes“ sprach, was er mit Joh.3:16 begründete. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte meine Kleider wie Josia demonstrativ zerrissen, um meinen Unmut auszudrücken, denn dieses „Evangelium“ litt unter einer extremen Verkürzung: keine Buße, keine Ermahnung, kein Gericht Gottes, kein Leben in Heiligung.

Aus lauter Frust schrieb ich meine Gedanken auf einen Zettel: „Die Liebe Gottes ist nicht bedingungslos, denn sie ist gebunden an die Glaubenstreue, was auch Joh.3:16 bestätigt (…alle, die an Ihn glauben…). Der HErr hat uns zwar schon geliebt, als wir noch Seine Feinde waren, aber Er nennt uns erst dann Seine Freunde, wenn wir tun, was Er uns geboten hat. Diese Gemeinde gibt vor, den HErrn Jesus zu lieben, aber missachtet Seine Gebote. Die Schwestern tragen beim Gebet kein Kopftuch, obwohl es klar geboten ist in 1.Kor.11:5. Zudem schweigen sie nicht in der Versammlung wies geschrieben steht in 1.Kor.14:34-38, sondern reden laut durchs Mikrophon. Außerdem tragen fast alle Frauen Männerkleidung. ‚Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz halten sie weit entfernt von Mir; vergeblich aber ehren sie mich, indem sie als Gebote Menschengebote beachten‘ (Mark.7:25).“ Ich reichte den Zettel dem Edilberto. Er las ihn und steckte ihn in seine Bibel. Als wir später draußen waren, sprachen wir darüber, und Edilberto gab zu, dass er über vieles auch sehr unglücklich sei, was in der Gemeinde geschehen sei. Er fragte mich, ob es in Deutschland denn Gemeinden gäbe, wo die Frauen ein Kopftuch und einen Rock im Gottesdienst tragen würden, denn scheinbar hatte er das noch nirgendwo gesehen. Bedauerlicherweise gibt es in Südamerika kaum Brüdergemeinden, geschweige denn Russlanddeutsche.

Ruth ging mit mir noch auf den Markt vorbei und kaufte frischen Fisch, den wir dann zum Mittag aßen. Dann kam Ricardo vorbei, um uns einzuladen, schon um 16:00 Uhr zu einem Kinderfest mitzukommen, dass seine beiden Töchter Sara und Lizet organisiert hätten. Ruth war müde und wollte nicht, deshalb ging ich allein. Auf einem Spielfeld mit Gummiboden hatte man mitten in der Wohnblocksiedlung von Matute einen Pavillon aufgebaut. Anlässlich eines jährlich stattfindenden Weihnachtsfestes für Kinder zwischen 4 bis 10 Jahren hatte der Nachbarschaftsverein Spenden gesammelt, um zwei Kinder-Animateure zu engagieren, die mit den Kinder tanzen und Spiele machen sollten, die eine als Weihnachtsmann verkleidet und der andere als Mickey Maus. Letzterer war Richard Pineda (27), der Sohn von Ricardo, der seine Rolle unter dem riesigen Mickey-Maus-Kopf sehr gut spielte. Die mit Lippenstift geschminkte Weihnachtsmännin sah eher aus wie eine Pornodarstellerin, denn ihr Mantel reichte gerade nur um den Po zu bedecken, während die Beine nackt blieben – Als wolle sie den kleinen Kindern sagen, dass das heute doch ganz normal wäre, sich so zu kleiden. Für die Kinder war das natürlich ein Gaudi, aber mit der Geburt Jesus hatte dieses Weihnachtsfest natürlich nichts mehr zu tun. Einmal fragte Mickey die Kinder: „Was ist das Wichtigste am Weihnachtsfest?“ Ein Kind: „Die Geschenke!“ Ein anderes Kind: „Nein, die Familie!“ Mickey (alias Richard) antwortet: „Ja genau, die Familie ist das Wichtigste an Weihnachten!“ …? Ich dachte nur: Ach, wie schrecklich! Und was ist mit Jesu Geburt?!

Um 18:00 Uhr ging ich mit Ricardo wieder zurück zu unserer Wohnung, denn die Bibelstunde sollte beginnen. Bald darauf sanden auch Edilberto (77) mit Thomas (75) vor der Tür. Wir beteten und ich machte eine kurze Andacht über 2.Mose 32, wobei ich bewusst Parallelen zog zu der heutigen Zügellosigkeit der Laodizea-Gemeinden, wo man ebenso um einen selbstgebastelten Jesus-Götzen tanzt, der mit dem biblischen Christus nichts mehr zu tun hat. An Ricardo gerichtet betonte ich jedoch auch die Fürbitte von Mose als Hinweis, dass wir uns als höher stehende Brüder nicht über andere Geschwister überheben dürfen, indem wir uns abkapseln und für etwas Besseres halten, sondern dass wir uns an Esra, Nehemia und Daniel ein Vorbild nehmen sollten, die alle die Schuld ihrer Brüder auf sich nahmen und Fürbitte für das Volk Gottes taten. „Wir müssen uns hüten, bei aller berechtigten Kritik an den verwahrlosten Denominationen heute, dass wir nicht zu selbstgerechten Pharisäern werden, die sagen: „HErr ich danke Dir, dass ich nicht so bin wie jene...“ Stattdessen sollen wir fleißig arbeiten im Weinstock des HErrn, solange es Tag ist, indem wir nicht nur zu den Ungläubigen hinausgehen mit dem Evangelium, sondern auch zu unseren verirrten Geschwistern, die wie verlorene Schafe ohne echte Hirten sind, um sie zu gewinnen. Auch Edilberto, Thomas und Ricardo beteiligten sich leidenschaftlich am gemeinsamen Austausch. Zum Schluss gab es dann noch eine sehr versöhnliche Geste, als Edilberto aufstand und dem Ricardo um Vergebung bat dafür, dass er aus Trotz die letzten Male nicht gekommen sei.

Lima, den 23.12.2019 Im ersten Teil des relativ langen 23. Kapitels aus 2.Könige lesen wir, wie Josia all die „Arbeit“ wieder zerstört, die seine Väter über Jahre errichtet, oder besser gesagt angerichtet haben. Wie viel Zeit und Geld haben auch wir früher in unsere Götzen investiert! Bei mir waren es bestimmt rund 10.000 Stunden und mindestens auch 10.000 Euro, die ich am Ende eigenhändig vernichten musste, keine Ahnung, vielleicht waren es auch viel mehr. Ich will gar nicht dran denken. HErr vergib! Man darf auch gar nicht drüber nachdenken, denn es ist nicht gerade erbaulich. In der zweiten Hälfte feiert Josia dann dem HErrn ein Passah, wie es seinesgleichen nicht gegeben hat seit den Tagen der Richterzeit – also selbst David und Salomo hatten nicht ein solches Passah gefeiert. Vielleicht lag es daran, weil zuvor so viel „Sauerteig“ ausgekehrt werden musste, dass dieses Passah so besonders war. „Wem viel vergeben wurde, der liebt viel„. Josia wollte alles richtig machen und tat es wohl auch. Aber irritierenderweise wurde er dann mit 39 Jahren vom ägyptischen Pharao getötet. Warum so früh? An seiner Stelle trat sein zweitältester Sohn Joahas, der aber nur 3 Monate regieren durfte, weil er dem Pharao scheinbar keinen Tribut zahlen wollte. Dieser setzte seinen älteren Bruder Eliakim auf den Thron, der schon 25 Jahre alt war zu diesem Zeitpunkt. Demnach muss Josia erst 13 oder 14 Jahre alt gewesen sein, als er Eliakim zeugte! Na sowas…

Heute Vormittag machte ich zunächst mit Ruth Hausarbeiten wie Wäsche abnehmen und aufhängen, Müll wegbringen etc. Dann gingen wir zusammen zum Internet-Laden, um unsere Nachrichten aus Deutschland zu lesen und zu beantworten. Wie schön, dass alles ruhig und friedlich ist, keine besonderen Vorkommnisse! Ich postete einen neuen Tagebuchausschnitt auf meine Internetseite und freute mich, dass den letzten schon 320 gelesen hatten. Mit gefühlten 40 ˚C Grad war es schwülheiss im Laden, sodass ich klitschnass geschwitzt war. Wir aßen den Rest vom gebratenen Fisch von gestern zusammen mit Reis und Süßkartoffeln, ruhten kurz aus und machten uns dann auf den Weg, als Edilberto kam, um mit mir zu evangelisieren. Als wir an der Avenida Mexico standen und auf den Bus warteten, sah ich etwas, was mich ziemlich schockiert hat: Vor einem großen Müllhaufen von 1,5 m Höhe standen zwei kleine Männer, die im Müll nach Essbarem suchten. Trotz der Gluthitze hatten sie beide jeweils eine uralte total verdreckte Steppjacke an. Auch ihre Hosen und Gesichter waren völlig verdreckt. Sie haben sich wohl seit vielen Wochen nicht mehr gewaschen. Ich tippte ihnen auf die Schulter und gab ihnen beiden etwas Geld (das allerdings nicht mal für eine Mahlzeit ausgereicht hätte, aber ich hatte leider nicht mehr dabei). Als der eine von beiden seine Hände aufmachte, kam mir das totale entsetzen, denn seine pechschwarze Handfläche ähnelte eigentlich eher der Pfote eines großen Hundes…

Auf halber Strecke in die Innenstadt hielt der Bus plötzlich an und der Fahrer teilte mit, dass der Bus hier nicht weiterfahre wegen des dichten Weihnachtsverkehrs. Wer wolle, müsse die letzten 2 km zu Fuß gehen. Wir entschieden uns indes, stattdessen auf den Plaza de Manco Capac zu gehen, der genauso groß war, wenn auch nicht ganz so gut besucht. Ich sagte zu meinem Bruder: „Ich halte immer Ausschau nach Leuten, die allein dasitzen und nicht auf ihr Handy starren, denn die haben meistens Zeit zum Reden.“ Edelberto erwiderte: „Ich werde mich zunächst noch etwas zurückhalten und sehen, ob ich von Dir etwas lernen kann.“ Ich sprach den ersten Mann an, setzte mich und kam gleich auf den Punkt. Nachdem ich ihm in groben Zügen das Evangelium erklärt hatte, fragte ich nach seiner Person und was er so mache. Er sagte, er habe gerade Mittagspause, müsse aber gleich wieder los, schaute auf die Uhr und sagte: „Ach, ich bin ja auch schon längst über die Zeit. Tut mir leid, dass ich jetzt gehen muss, hat mich sehr gefreut...“ und dann ging er. Ich stand auf und setzte mich gleich zum nächsten: „Darf ich Ihnen etwas aus dem Wort Gottes mitteilen?“ Der alte Mann winkte ab und drehte sich weg. „Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht belästigen.“ Wir gingen weiter und trennten uns in verschiedene Richtungen.

Dann setzte ich mich wieder mit der gleichen Frage zu einem anderen. „Ja, gerne„. „Glauben Sie an den HErrn Jesus?“ – „Natürlich“ – „Sind Sie auch erlöst durch das Blut Jesu?“ – „An sich, Ja.“ – „Wissen Sie auch mit 100 %iger Sicherheit, wo Sie die Ewigkeit verbringen werden?“ – „Ich hoffe im Himmel“ – „Aber sind Sie sich sicher?“ – „Nein, das nicht, aber ich bemühe mich schon, ein anständiges Leben zu führen.“ – „Sind Sie katholisch?“ – „Ja“ – „Glauben Sie, dass dies irgendwie ihre Chancen erhöht, gerettet zu werden?“ – „Ich denke nicht„. Dann versuchte ich, ihm der Reihe nach, dass alle Menschen von Jugend an auf den breiten Weg ins Verderben gehen, weil sie mit jeden Tag immer mehr Sünden aufhäufen, die ihr Strafmaß immer weiter erhöhen, und dass allein der HErr Jesus uns vor der Bestrafung im Feuersee retten kann, weil Er unsere Schuld für uns am Kreuz auf sich nahm. Ich endete mit den Worten: „Wenn Sie nicht 100 %ig sicher sind, dass Sie nach dem Tod in das Paradies Gottes gehen, dann können Sie 100 %ig sicher sein, dass Sie nicht in dieses eingehen werden, denn das müssen Sie heute festmachen. Entweder ist der HErr Jesus heute Ihr Herr oder Er wird dann Ihr Richter sein.“ Ich las mit ihm noch mal Joh.5:24 und fragte ihn, ob er bereit sei, heute sein Leben dem HErrn Jesus völlig auszuliefern, damit er Vergebung seiner Sünden erlange und der HErr fortan die Regie über sein Leben erhalte. Alberto (45) war dazu bereit.

Wir beteten zusammen, und Alberto bekannte sich vor dem HErrn als Sünder, der den Zorn Gottes verdient hatte und bat den HErrn um Erlösung. Ich dankte dem HErrn und beglückwünschte ihn zu seiner Entscheidung. „Ab jetzt bist Du ein Jünger des HErrn geworden und wirst durch den Geist Gottes und Sein Wort in die ganze Wahrheit geleitet. Lese nur fleißig in der Bibel, möglichst jeden Tag, und bete zum HErrn, dass Er Dir eine Gemeinde schenke, wo Du geistlich wachsen kannst. Vor allem lass Dich als nächstes taufen! Wenn Du möchtest, kannst Du gerne in unsere kleine Hausgemeinde kommen in Matute.“ Ich gab ihm den Handzettel mit unserer Adresse und auch er schrieb mir seinen Namen und Mobilnummer auf (Alfredo Flores), dann verabschiedeten wir uns, und ich ging weiter. Da sah ich auch schon den nächsten Mann, der mit verschränkten Armen auf einer Parkbank saß. Ich sprach ihn an, und er erlaubte mir, ihm vom Glauben zu erzählen. Anschließend fragte ich ihn: „Darf ich fragen, wie Sie heißen?“ – „Alfredo.“ – Überrascht sagte ich: „Eben gerade habe ich schon mal mit einem Alfredo gesprochen, und dieser hat sich danach bekehrt.“ Das hätte ich wohl nicht sagen sollen, denn nun schaute er mich sehr ernst und skeptisch an. Auf meine Fragen reagierte er so dermaßen einsilbig, dass er mir sein mangelndes Interesse und seinen Widerwillen spüren ließ. Da er sehr deprimiert aussah, fragte ich ihn dann, ob er traurig sei. „Nein.“ – Ich merkte, dass ich ihn nervte, deshalb sagte ich zum Schluss: „Ich möchte nicht Ihre Zeit stehlen, mein Herr. Aber mein Eindruck ist, dass Sie gar kein Interesse haben an dem, was ich sage, deshalb möchte ich mich hiermit höflich von Ihnen verabschieden„.

Als nächstes sah ich eine ältere Frau, die mit ihren ganzen Einkaufstaschen am Rande des Platzes saß, als würde sie auf jemanden warten. „Entschuldigen Sie, darf ich mich zu Ihnen setzen, um mit Ihnen über Gottes Wort zu reden?“ – „Setzen Sie sich, Jovencito („junger Mann„)!“ Dann hielt ich wieder meinen Vortrag, aber Sie sah mich verunsichert an und schien mir gar nicht richtig zuzuhören. Mir schien, ich sollte sie mal reden lassen und fragte sie nach ihrer Lebenssituation. Hernandina (74) kommt aus dem Gebirge in Andahuaylas, habe dort mehrere Chakras (Grundstücke), sei aber schon Ende der 60er Jahre nach Lima gekommen, damit ihre Kinder in Lima aufwachsen können. Ihre Mutter sei die letzten Jahre in eine Pfingstgemeinde gegangen, wo sie auch schon mal war. Ihre Tochter sei bei den Zeugen Jehovas, aber sie selbst gehe nirgendwo hin und glaube eigentlich auch an nichts. Da fragte ich Sie: „Sind sie glücklich?“ Sie lächelte, überlegte und sagte: „An sich ja. Eigentlich kann ich nicht klagen. Man hat zwar immer mal kleine Zipperlein, aber im Großen und Ganzen hatte ich ein schönes Leben gehabt.“ Als nächstes wollte ich Sie fragen: „Wissen Sie, wo Sie die Ewigkeit zubringen werden?“ und wartete, bis sie ausgeredet hätte. Aber sie ließ mich kaum zu Wort kommen, schweifte immer weiter ab und fühlte sich scheinbar auf einmal sicher und ganz in ihrem Element. Zwischendurch ging sie immer wieder an ihr Handy und beschrieb ihrem Bekannten, wo sie auf ihn warten würde. Offensichtlich hatte ich mir die falsche Person ausgesucht. Sie verabschiedete sich mit den Worten: „Gottes Segen, Brüderlein!

Ich schlenderte weiter und sah einen Jungen, der über Kopfhörer Musik hörte. Auch ihn lud ich ein zu einem Gespräch und erfuhr, dass er Arnie Silvio Dominguez (20) hieß. Ausführlich erklärte ich ihm das Evangelium an Hand des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter. Dann erinnerte ich ihn an den Dialog des HErrn mit dem Räuber am Kreuz und fragte Arnie schließlich, ob auch er dem HErrn Jesus gehören wolle, um eines Tages mit Ihm im Paradies zu sein: „Ja, das würde ich wirklich gerne“ – „Du hast aber auch gehört, was er dazu bekennen musste: 1. Dass er verdient, was über ihn verhängt wurde, weil seine Sünden den Tod verdienen, 2. dass der HErr Jesus unschuldig für Ihn stellvertretend am Kreuz litt und 3. dass auch er gerne nach dem Tod mit dem HErrn sein wolle und Ihn deshalb um Errettung bat. Bist Du bereit, dem HErrn gegenüber diese Bitten auch vorzubringen, um gerettet zu werden?“ – „Ja!“ sagte er. Dann lass uns jetzt beten, damit der HErr sich auch Deiner erbarme und Dir Seinen Heiligen Geist gebe zur Erlangung des Heils. Nachdem ich für ihn gebetet hatte, bat auch er mich, daß ich ihm die Worte vorsprechen möge, die er beten solle, was ich dann auch tat. Das Wort „redimir“ (erlösen) hatte er offensichtlich noch nie gehört. Nach dem Amen gab ich ihm die Hand und versicherte ihm, wie sehr der HErr sich freue, Ihn als Seinen Jünger in Seine Schule aufzunehmen. Ich ermahnte ihn, nun fleißig in der Bibel zu lesen und sich taufen zu lassen. Wir lasen dann noch zusammen die Geschichte von Philippus und dem äthiopischen Kämmerer, der sich sofort taufen lassen wollte. Ich gab ihm dann noch meine Kontaktdaten und verabschiedete mich.

Nun ging ich zu einem sehr elendig dreinschauenden Mann mittleren Alters, der auf mich sehr bedrückt wirkte. Sofort war er bereit zu einem Gespräch und erzählte mir, dass er früher Drogen genommen habe, weil sein Vater ihn immer nur geschlagen, er aber nie Liebe bekommen habe von seinen Eltern. Arved (34), sah viel älter aus als er war, aber auch mich schätzte er auf „60 J.“, was vielleicht an meinem inzwischen langen Bart lag, den ich mir dringend mal wieder kürzen muss; Ricardo meinte schon, ich würde aussehen wie der Weihnachtsmann). Arved lebt nun schon seit Jahren als Müllsammler (Recyclistista), wodurch er bis zu 30 Soles (8,-€) am Tag verdiene. Er hatte viele Narben am Körper und ihm fehlten schon fast alle Zähne. Arved habe „schon alle Krankheiten gehabt, die man sich denken könne„, aber „in Wirklichkeit gäbe es all diese Krankheiten gar nicht, sondern die Menschen würden sich diese nur einbilden„. Wenn man wirklich erkannt habe wie er, dass alle Krankheiten bloß Illusionen seien, dann würden sie sofort wieder verschwinden, denn Gott wolle uns in erster Linie von diesem „Irrwahn“ befreien. Er hatte sich warm geredet, so dass er nach jedem Einwand von mir sofort seinen Kommentar dazu gab und kaum in der Lage war, mir mal etwas länger zuzuhören. Offensichtlich war er froh, dass er jemanden zum Reden gefunden hatte, denn diese Gelegenheit war wohl eher selten. Deshalb ließ ich ihn weiterreden, wobei es den Anschein hatte, als wolle er mich bekehren zu irgendetwas. Sein eindringlicher Blick aus seinen rötlichen Augen ließen mich vermuten, dass er wahrscheinlich auch psychisch leicht gestört war, wenn nicht sogar dämonisch belastet. Da ich kaum zum Zuge kam, versuchte ich das Gespräch zu beenden: „Lieber Arved, man kann die Menschen vergleichen mit Gefäßen – manche sind leer und andere sind voll. In ein volles Gefäß kann man nichts mehr hineintun. Der HErr Jesus ist gekommen, die Menschen mit Seiner guten Botschaft zu füllen. Aber dazu muss man bereit sein, sich erst einmal selber zu leeren. Mein Eindruck ist, dass Du trotz Deiner Armut sehr zufrieden bist und kein Verlangen spürst, Dich vom HErrn beschenken zu lassen. Deshalb kann ich Dir, glaube ich, nicht weiterhelfen. Wer nicht will, der hat schon.“

Ich stand auf und sah mich nach Bruder Edilberto um. Er unterhielt sich auf einer Parkbank mit einem dicklichen Mann in scheinbar recht ausgelassener Stimmung. Ich begrüßte die beiden und Edilberto stellte mir seinen Gesprächspartner vor, dass er ein Katholik aus Huaraz sei, der aber auch an den HErrn Jesus glaube. Ich ließ sie und ging weiter zu zwei anderen, die auf einer Bank gegenüber saßen. Ich setzte mich in die Mitte der beiden und fragte den älteren, ob ich mit ihm über Gottes Wort reden dürfe. „Meinetwegen„. Dann wiederholte ich wieder alle Worte, die ich schon den anderen gesagt hatte. Auch José (43) stimmte mir in allem zu, war jedoch nicht darauf gefasst, dass ich ihn am Ende des Gesprächs zu einer Lebensübergabe auffordern würde. Ich drängte ihn, dass wir „Heute, wenn wir Seine Stimme hören, uns nicht verhärten“ dürfen, denn in der gleichen Nacht könne Gott ihm das Leben nehmen, und dann sei es zu spät, dem Gericht Gottes zu entfliehen. Aber José zögerte weiterhin und fühlte sich sichtlich unwohl. Vielleicht war es ihm auch unangenehm, mit mir zu beten, während ein junger Mann nur rund 1 m neben uns saß und alles mitbekam. Ich gab auf und ermahnte ihn, das von mir Bezeugte zu prüfen und weiter ernsthaft zu verfolgen. Dann wandte ich mich nach rechts zu dem anderen und fragte ihn, ob er schon ein Eigentum des HErrn Jesus sei. Frank (21) glaube an den HErrn und gehe auch seit einiger Zeit in eine Pfingstgemeinde, habe sich aber noch nicht bekehrt und taufen lassen. Nachdem ich ihm noch einmal alles erklärt hatte, fragte ich ihn, ob er den HErrn Jesus jetzt als Seinen Heiland annehmen wolle. „Ich möchte das lieber in meiner Gemeinde machen“ sagte er. „Aber Du bekehrst Dich doch nicht zu einer Mitgliedschaft in Deine Gemeinde, sondern zum HErrn Jesus, und das kannst Du überall an jedem Ort machen.“ Aber er wollte partout nicht, deswegen ließ ich ihn. Ich ging wieder rüber zu meinem Bruder und wir verabschiedeten uns von seinem Gesprächspartner. Um das Busgeld zu sparen, entschieden wir uns, die 2 km nach Matute zu Fuß zu gehen, zumal die Abendluft milde war mit schönem Sonnenuntergang.

Lima, 24.12.2019 Der heutige Bibeltext in 2.Kön.24 handelt von der ersten Eroberung und Wegführung der Bewohner von Juda und Jerusalem nach Babel unter König Nebukadnezar, unter denen auch der Prophet Daniel als junger Mann war, zusammen mit seinen 3 Freunden. Dieser Untergang der Herrschaft Judas war schon lange angekündigt durch die Propheten, so wie auch die Inkas damals lange zuvor durch ein Orakel informiert waren, dass ihr Reich untergehen würde durch eine Heeresmacht von Gott-ähnlichen Menschen aus fernem Lande. Wohl deshalb leisteten die Inkas auch keinen großen Widerstand, sondern ergaben sich in ihr Schicksal. Und auch die Judäer hatten von König Nebukadnezar nichts zu befürchten – wie ihnen der Prophet Jeremias von Gott ausrichten ließ – wenn sie nur nicht rebellieren würden gegen seine Herrschaft, die Gott ihm verliehen hatte. Es war zwar eine heftige Kränkung, dass dieser gottlose König alle Schätze des Hauses des HErrn raubte; aber dadurch, dass der Name des HErrn – der viel wertvoller ist als alle Schätze der Welt – nicht mehr in diesem Hause wohnen konnte, wegen all der Gräuel, die Juda in diesem Tempel aufgestellt hatte und all der Bluttaten, die von ihren Königen verübt wurden, deshalb hatte der Tempel keine Heiligkeit mehr und konnte auch mit Gottes Einwilligung abgerissen werden. Auch all die „Schätze“ an Erfahrungen, die wir während vieler Jahre mit Gott erlebt haben, werden vergessen und nicht mehr berücksichtigt werden, wenn wir wieder anfangen, gesetzlos zu werden. Der HErr kann auch uns dann zur Züchtigung in eine geistliche Gefangenschaft führen, wie es mir selber ja 1996 passiert ist (wenn auch nur für 18 Jahre und nicht 70).

Nach dem Frühstück wollte Ruth mir den Bart schneiden, weil sie sich nicht blamieren wolle vor der Familie Pineda, die uns am Abend eingeladen hatte. Während sie schnippelte, schrieb ich weiter an meinem Tagebuch, um die Zeit auszukaufen. Dann kam Bruder Julio (55) zu Besuch, ein Allround-Handwerker, dem Ruth die Elektrik im Hause zeigen wollte, da diese noch aus den 60er Jahren stamme und dringend modernisiert werden müsse, um das Haus vor Brand zu schützen. Julio schrieb uns eine Einkaufsliste, was wir besorgen sollten, und ich schlug vor, mit Ruth im Anschluss zum Baumarkt zu fahren, da ich mir jetzt doch endlich einen Hochdruckreiniger für 500 Soles (140,-€) zzgl. Schlauch kaufen wollte, um damit in Peru arbeiten zu können. Da aber auf vielen Höfen (auch dem unsrigen) kein richtiger Wasserablauf ist, brauche ich zusätzlich noch einen Trocken-Nass-Sauger, also einen Staubsauger, der zugleich auch Wasser aufsaugen kann. Ruth wollte unbedingt eine Klingel kaufen, vor allem aber eine bessere Stromsicherung, damit es bei einem Kurzschluss nicht zu einem Brand kommt. Als wir alles bekommen hatten, mussten wir fast 1000 Soles bezahlen (280,- €). Als wir zurückkamen, erfuhren wir von Walter, dass Ruths Cousine Eva am Mittag da war, zusammen mit ihrem Mann Efraín. Mit diesem hätte ich ja gerne mal gesprochen, um ihn zu fragen, wie er es eigentlich mit seinem Gewissen vor Gott vereinbaren kann, dass er all die Jahre seine Frau Eva schon mit anderen Frauen betrogen hat. Aber sie waren auf der Durchreise nach Ica und sind deshalb gleich weitergefahren. Eva hatte uns zwei große Säcke Obst und Gemüse aus dem Urwald mitgebracht, wo sie gerade mit ihrem Mann wohnt. Die Früchte hat sie aber nicht gekauft, sondern selber von Bauern dort geschenkt bekommen: Maniok, Orangen, Guayabana u.a., die aber sofort verbraucht werden mussten, da sie z.T. schon überreif waren.

Da noch ein paar StundenZeit war bis Heiligabend, wollte ich anfangen mit den Arbeiten im Hof. Zunächst räumte ich all diese uralten verstaubten Blumentöpfe, Steine, Pflanzen und Stuhle in eine Ecke des Hofes, um erst einmal grob zu fegen. Nach dieser Aktion war ich so nassgeschwitzt, dass ich erst mal duschen musste. Dann machte ich mir eine Schleifscheibe an die Flex und begann damit, den 14 m langen Gitterzaun auf der Grundstücksmauer von beiden Seiten abzuschleifen. Nach 2 Stunden schliff ich auch noch die Mauer selbst, weil dort 5 -6 Farbschichten übereinander abblätterten. Dann musste ich aufhören, denn es war schon 17:30 Uhr, und der Krach war eine Zumutung für die Nachbarn. Ich sah aus wie ein dreckiger Schornsteinfeger und musste gleich noch einmal unter die Dusche. Dann machten wir uns fertig und gingen rüber zur Familie Pineda, um mit ihnen Weihnachten zu feiern. Während der 9 kg schwere Truthahn noch im Ofen war, sang ich mit Ricardo abwechselnd Weihnachtslieder in Spanisch und Deutsch, aber auch andere Lieder von früher (Karaoke). Ricardo singt ja gerne und hat auch eine sehr schöne Stimme. Während die Frauen noch in der Küche mit den Vorbereitungen beschäftigt waren, spielten wir UNO und Memory, d.h. Ricardo, sein Sohn Richard, Ruth und ich. Dann wurde aufgedeckt, und wir konnten uns endlich richtig satt essen. Während wir uns alle fröhlich unterhielten, sagte Ricardos ungläubige Ehefrau Esperanza kein einziges Wort, denn sie wollte nicht gute Miene zum bösen Spiel machen (die Ehe zwischen Ricardo und Esperanza ist ja schon seit 3 – 4 Jahren völlig zerrüttet; seit einem Jahr reden sie fast kein Wort mehr miteinander). Daher war die Feier die ganze Zeit etwas angespannt. Nach dem Essen hielt ich dann eine Bibellese über Lukas 2 und verknüpfte dabei das sehnsüchtige Warten von Simeon und Hanna auf das erste Kommen des HErrn mit unserer sehnsüchtigen Erwartung heute auf das zweite Kommen des HErrn, das sich schon in rund 10 – 12 Jahren erfüllen könnte. Zum Schluss dankten wir dem HErrn für allen Segen und schauten uns noch zusammen das Feuerwerk um Mitternacht an.

Lima, 25.12.2019 Im letzten Kapitel des 2. Königebuches lesen wir zugleich, vom vorerst „letzten Kapitel“ der langen, tragischen Geschichte des Volkes Israel und Juda, indem der HErr durch Nebukadnezar nun endlich einen Schlussstrich zieht unter der unerträglichen Kette von Treulosigkeiten, die sich meist vom gesetzlosen Königsvater auf den Königssohn übertrugen. Diese Spielerei mit fremden Göttern hat nun ein jähes Ende gefunden, und der letzte rebellische König Zedekia muss die harte Realität mit ansehen, dass man ihm nicht nur die Königsmacht nimmt, sondern auch seine Söhne vor seinen Augen mit dem Schwert erschlägt, bevor man ihm selbst das Augenlicht nimmt. Sein Neffe Joaquin, der schon mit 18 Jahren in Gefangenschaft geriet, durfte nach 37 Jahren Haft die letzten Jahre seines Lebens wieder in Freiheit verbringen, weil seine Schuld durch die lange Haftstrafe beglichen wurde. Wir sehen hier zum einen Gottes Güte, der nicht immerdar rechten und nicht ewiglich nachtragen wird (Jes.56:17). Zum anderen aber sollen wir erkennen, dass auch wir schlechte Charaktereigenschaften von unserem Vater oder Großvater übernommen haben können, die nun Teil unseres Wesens sind, aber denen wir durch den Heiligen Geist und die Kraft der Auferstehung unseres HErrn Jesus nun überwinden sollen, damit sie uns nicht länger zum Bösestun verleiten. Kein Kind Gottes wird sich eines Tages mit dem Argument herausreden können, dass er/sie diesen Charakterzug nun einmal „schon immer hatte“ und dass schon der Vater oder die Mutter sich schon immer so verhielt. Nicht wir sind der Maßstab, sondern der neue Mensch in Christus Jesus, den Gott in uns nach Seinem Ebenbild schaffen will.

Nach dem Frühstück zog ich mir ausrangierte Kleidung an und nahm die Dose mit dem schwarzen Antirostschutzlack, um den Zaun, den ich gestern abgeschliffen hatte, nun mit einer kleinen Rolle und Pinsel zu lackieren. Dabei hörte ich die Apostelgeschichte als Hörbuch von meinem Smartphone. Auf einmal machte unser Nachbar Alfredo, der mich gesehen hatte, das Fenster auf und begrüßte mich. Vor 10 Tagen hatte er ja in der Bibelstunde bekannt, dass er nochmal einen Neuanfang mit dem HErrn machen wolle, war aber letzten Sonntag nicht zur Bibelstunde gekommen, weshalb ich ihn für diesen Sonntag einlud. Antonio bot mir einen Audioplayer an, auf dem er die ganze Bibel auf Spanisch drauf habe. Er holte ihn, machte ihn an und gab ihn mir leihweise. So hörte ich 2 bis 3 Stunden lang die Bücher 2.Kor., Gal., Eph. und Phil. auf Spanisch bis irgendwann Antonio das Gerät wieder an sich nahm, um den Akku aufzuladen. Ich lackierte derweil der Zaun immer weiter mit Pausen zwischendurch bis zum späten Nachmittag, bis meine Finger am Pinsel klebten.

Lima, 26.12.2019 Um 3:30 Uhr bin ich aufgewacht von den Geräuschen in der Küche und wusste sofort: Ruth konnte mal wieder nicht schlafen. Sie sagte, dass sie seit 2:00 Uhr in der Frühe wach sei und sich im Bett gelangweilt habe. Ich massierte sie – und siehe da: sie schlief dann auch kurzerhand wieder ein. Sie war gestern Vormittag mit Walter in der Innenstadt, hat aber dann den ganzen Nachmittag sich ausgeruht und im Buch von Rebekka Brown weitergelesen – kein Wunder, dass man dann nachts nicht mehr schlafen kann. Vor allem sind diese gruseligen Geschichten in diesem Buch („Er kam um die Gefangenen zu befreien„) ja wirklich keine Einschlaflektüre, sondern geeignet, um davon Albträume zu kriegen. Ich betete für Ruth und dankte dem HErrn, dass sie nun endlich schlafen könne.

Nachdem wir ein Buch aus dem Alten Testament durch haben, hatte ich Ruth gefragt, welche Texte wir denn als nächstes aus dem Neuen Testament lesen wollen, und sie hat sich für die Timotheusbriefe entschieden. Unser Pastor Olaf Latzel sagt in seinen Predigten immer mal wieder: „Jeder Christ muss mindestens einmal am Tag ein Kapitel aus dem AT lesen und ein Kapitel aus dem NT – darunter geht auf keinen Fall! Denn sonst ist man geistlich unterversorgt!“ Obwohl er da sicherlich recht hat, bezweifle ich, ob sich überhaupt auch nur annähernd der Mehrheit seiner Gemeinde an diese Richtschnur hält. Aber auf jeden Fall kann dieser Merksatz gerade jungen Christen eine wertvolle Orientierung geben, die sie dann über Jahrzehnte beibehalten. Wie viel Frucht hat also diese schlichte Aussage schon gebracht, die Olaf zudem immer wiederholt! Ich selber lese ja bei meinen Ausarbeitungen zwischendurch immer wieder in der Bibel, deshalb begnüge ich mich darüber hinaus mit nur einem Kapitel täglich, aber das wenigstens konsequent. In 1.Tim.1:1-11 ging es heute um die Gefahr, die von jenen Christen ausgeht, die „sich für Gesetzeslehrer halten, ohne zu verstehen, was sie da sagen oder fest behaupten“ (Vers 7). Welche Gefahr kann von solchen ausgehen? Der Wunsch, mehr wissen zu wollen, als für ein heiliges Leben erforderlich ist, kann dazu (ver)führen, dass man genau das Gegenteil von dem erreicht, was man sich davon versprochen hat. Bei uns im Hauskreis war mal ein junger Bruder namens Dominique, der sich tatsächlich vier Quasten an sein Gewand genäht hatte. Auch er wollte trotz seiner wenigen Glaubenserfahrung schon gleich der große Lehrer bei uns sein. Sein Sonderwissen kam jedoch nicht so sehr aus der Heiligen Schrift, sondern aus den Lehren des Judaisierers Markus (alias „EndzeitreporterMCM„), dessen zahlreiche Videos er sich fast alle angeschaut hatte.

Warum kann viel Wissen schaden? Weil es aufbläht. Blähen tut Speise, die nicht verdaut ist. Erst durch Bewährung wird Wissen zur Weisheit. Sie hatten nicht erkannt, dass das Endziel des Gebotes die „Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (V. 5) ist. Stattdessen aber missbrauchten sie die Gebote Gottes als Machtmittel, um andere unter ihre Verfügungsgewalt zu bringen. Noch schlimmer sogar: sie verleiteten andere zur Heuchelei und raubten ihnen ihre Unschuld! Durch einen Wissensdünkel der mit einem erhobenen Zeigefinger daher kommt, ohne dass aber ein Leben in Heiligung damit verbunden ist, macht man sich schnell zur Zielscheibe von dämonischen Angriffen und Verwicklungen, denn der Teufel ist ja der „Verkläger der Brüder“ (Offb.12:10). Der Feind hat es besonders auf unser Gewissen abgesehen, denn sobald dieses nicht mehr rein ist (V.19), bekommt er ein Einfallstor, durch das er uns schädigen kann. Vielleicht ist deshalb auch all das Wissen über die Finsternismächte ( – Rebekka Brown) auf Dauer schädlich, denn wir könnten uns dadurch anmaßen, etwas von den „Tiefen Satans“ erfahren zu haben (Offb.2:24), obwohl wir gar nicht so ein heiliges Leben führen, um auf solche Erkenntnisse einen Anspruch zu haben („Jesus kenne ich, und von Paulus weiß ich; aber wer seid ihr!?“ Apg.19:15). Wir beteten gemeinsam und erbaten den Schutz vom HErrn für alle Heiligen.

Heute stand die Reinigung des Hofes und der Mauern mit dem Hochdruckreiniger, sowie das Abfräsen der alten Farbschichten von den Fassadenwänden auf dem Programm. Ich war morgens noch etwas unsicher, ob das alles auch funktionieren würde mit den Hochdruckreiniger und dem Nasssauger, aber dem HErrn sei Dank, es ging doch besser als ich dachte. Allerdings muss ich die Nachbarn im Wohnblock wohl ziemlich erschrocken mit all dem Farbschlamm und der abgeblätterten Farbpartikel, die auf dem Duchgangsweg überall verstreut lagen. Sie werden sich gefragt haben: „Macht dieser Deutsche diesen ganzen Dreck am Ende auch wieder weg?“ Vielleicht dachten sie aber auch: „Warum macht sich dieser Gringo bloß solch einen Aufwand, dass er erst die ganze Farbe abmacht, anstatt einfach oben drauf zu streichen?“ So aber sehen die Wände auch aus! 50 Jahre wurde hier einfach nur immer oben drauf gestrichen und dabei meist auch eine billige Farbe genommen, wenn nicht sogar Innenbinderfarbe. Das würde auch erklären, warum die Farbe in den unteren Schichten so sehr kreidet. Als ich jedoch die Farbe an der Fassade der linken Hofseite abfräste, gab es dort keinen Wasserablauf, so dass sich auf den 4 m² das Wasser bis zu 10 cm ansammelte, etwa 60 Liter, die ich mühselig aufsaugen musste. Da in den Nass-Sauger nur maximal 5 Liter reingingen, musste ich entsprechend 12 mal den Behälter auf der Wiese draußen ausleeren, so dass ich am Abend wieder starke Rückenschmerzen hatte. In der Wasserkloake schwammen auf einmal etwa 15 Kakerlaken-Leichen an der Oberfläche, weil dort wohl hinter einem Loch im Putz ein Kakerlakennest gewesen war, das ich unterspült haben muss.

Ruth ist am Nachmittag zu ihrem Arbeitskollegen Francisco gefahren und hat dort eine sehr erfreuliche Überraschung erlebt: Franciscos Frau Chio, für die wir regelmäßig beten, scheint jetzt endlich zum Glaubensgehorsam durch gedrungen zu sein und nimmt endlich ihre Rolle als Gehilfin des Mannes ein! Ruth konnte sich heute zum ersten Mal richtig gut mit Chio unterhalten, wie zu einer Glaubensschwester. Ruth übergab bei dieser Gelegenheit auch ein paar Geschenke für seine Töchter. Francisco erzählte Ruth, dass er mit den Brüdern, mit denen er sich immer frühmorgens zum Gebet trifft, demnächst eine Hausgemeinde nach dem Vorbild der ersten Christen gründen wolle. Zu diesem Zweck wollen sich mehrere Ehepaare demnächst an einem Wochenende in einem Ferienort namens Canta treffen, um sich persönlicher kennenzulernen und über das gemeinsame Anliegen zu sprechen. Er fragte Ruth, ob wir uns vorstellen könnten, dabei zu sein; Ruth freute sich darüber und sagte zu.

Lima, 27.12.2019 In 1.Tim.2 lesen wir zunächst von der Notwendigkeit der Fürbitte. Man könnte denken: wozu sollen wir Gott um etwas bitten, dass doch ohnehin Seinem eigenen Willen und Anliegen entspricht? ER will doch auch, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Und ebenso kann doch auch Er nur wollen, dass wir ein friedliches Leben führen können von Seiten der Obrigkeit, um dem HErrn uneingeschränkt dienen zu können. Die Frage ist aber gar nicht, ob Gott es will, sondern in wie weit wir es wirklich so sehr wollen und wert schätzen, dass wir bereit sind, Gott unablässig darum zu bitten. Wir kennen das ja alle, wenn die Mutter von Kind das entscheidende Wort „Bitte“ erwartet. Und so erzieht Gott auch uns dahin, dass wir nichts für selbstverständlich nehmen, sondern mit Seinen Gedanken denken lernen. Gott möchte, dass wir Seine Anliegen und Sorgen zu unseren Sorgen machen und damit unsere eigenen Sorgen um unser eigenes Leben in den Hintergrund treten. Etwas für andere und nicht für sich selbst zu erbitten, ist ein Ausdruck der Liebe, aber auch etwas, was die Liebe in uns fördert und wachsen lässt. Zudem erhält die wiederholte Bitte für immer die gleichen Personen ein immer größeres Gewicht bei Gott, so dass der HErr dieses dann auch um so bereitwilliger und dringlicher ausführt – so wie wir gestern bei der Chio gesehen haben – um auch uns letztlich für unsere Treue zu belohnen und zum Fortsetzen zu ermutigen. Aber beten wir auch täglich um die Errettung aller Menschen? Oder unterlassen wir es mit der Ausrede, dass es doch ohnehin nicht geschehen würde, weil Gott doch nun mal eine ewige Strafe im Feuersee für die Ungläubigen beschlossen habe. Gott hatte aber auch zweimal beschlossen, das Volk Israel endgültig zu vernichten, aber tat es nur deshalb nicht, weil Sein Freund Mose Ihn davon abriet. Auch die Stadt Ninive sollte nach Gottes Willen vernichtet werden… usw.

Täglich sollten wir neu prüfen, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Röm.12:1). Da die bisherigen Arbeiten am Vorhof in den letzten zwei Tagen schon recht aufwendig und anstrengend waren, frage ich mich schon immer wieder, ob der Aufwand noch in einem gesunden Verhältnis zu dem Nutzen steht. Der Nutzen wäre, dass ich diesen bisher ungenutzten Vorhof gerne in der Zukunft nutzen möchte, eine größere Schar von Geschwistern hier unter freiem Himmel versammeln kann – nach dem Vorbild der Gemeinde in Guayaquil – , denn unser kleines Wohnzimmer ist jetzt schon an seine Grenzen gekommen, wenn alle Geschwister zur Bibelstunde anwesend sind. Ob aber noch weit mehr Gläubige oder Interessierte künftig noch kommen werden, ist eine Frage des Glaubens. Bisher sind die Neubekehrten ja – mit einer Ausnahme – nicht zu den Bibelstunden gekommen, und auch die Flyer-Aktion hat in dieser Hinsicht noch keinen Erfolg gehabt. Aber wir wollen weiter auf Hoffnung pflügen (1.Kor.9:10). Auch wenn wir heute keine Frucht sehen, so soll unsere Freude darin bestehen, dass der HErr am Ende Frucht sehen und sich sättigen wird (Jes.53:11), nachdem der Feigenbaum Ihn damals so sehr enttäuscht hatte. Ein weiterer Grund, die Arbeiten hier fortzusetzen, besteht darin, dass ich hier von 100 Nachbarn aus den Blöcken täglich beobachtet und begrüßt werde, wenn sie an mir vorbei gehen. Wenn sie am Ende sehen, dass ich meine Arbeit sehr gründlich mache und auch noch ein großer Bibelvers über dem Hof hängt, dann werden sie daraus schließen, dass wir evangelikale Christen sehr sorgfältig sind und keine halben Sachen machen.

Ich machte den großen 20 Liter Eimer auf und schöpfte mir nach uns nach etwas in eine Schale. Da die Fugen der 14 m langen Mauer sehr vertieft waren, konnte ich sie nur mit einem breiten Pinsel streichen. Da ich sie auch noch von beiden Seiten zu Pinseln hatte, also 28 m x 1,60 m hoch = ca. 45 m², war ich bis in den Nachmittag hinein damit beschäftigt. Ich hörte dabei die ganze Zeit die Bibelbücher als Hörbuch, erst Apostelgeschichte, dann Esra, Nehemia und Ester, dann Hesekiel, Daniel und Hosea. Mir fiel dabei auf, dass die alleinige „Berieselung“ mit der Bibel nur einen geringen geistlichen Nutzen hat, da man sich nicht die Zeit nehmen kann, um über einzelne Aspekte oder „Stolpersteine“ mal näher nachzudenken. Zum Schluss lackierte ich noch das Metalltor von außen, musste dann aber aufhören, weil es dunkel wurde. Ruth hatte am Abend noch eine Verabredung zum Essen mit ihren beiden Tierarztkolleginnen Miluska und Sarina. Ich sagte zu ihr: „Ich erlaube Dir nur unter der Bedingung dort hinzugehen, wenn Du ihnen ernsthaft den HErrn Jesus bezeugst. Denn Du weißt, dass wir normalerweise nicht mehr mit ihnen mitgehen sollen zu solchen Treffen.“ Ruth versprach es mir. Als sie jedoch gegen Mitternacht wiederkam, musste sie einräumen, dass sie nur wenig Möglichkeit hatte, vom HErrn Jesus zu erzählen.

Lima, 28.12.19 Als ich heute früh um 4:00 Uhr wach wurde, musste ich über den Zorn Gottes nachdenken. Normalerweise ist Wut und Zorn ja ein Zeichen von Schwäche und mangelnder Selbstbeherrschung. Als Kinder Gottes sollen wir ja Milde, Langmut und Sanftmut üben gegen jeden Menschen (Phil.4:5). Wie viel mehr aber kann dann Gott selbst nur diese guten Eigenschaften haben! Wie aber passt dies aber dann mit Seinem Zorn zusammen? Es muss eine andere Art von Zorn sein als die menschliche, nämlich eine Art Bestimmtheit, Festigkeit, Entschiedenheit und Entschlussfähigkeit. Als der HErr den Feigenbaum verfluchte, hat Er dies möglicherweise in völliger Sanftmut getan… wer weiß. In 1.Tim.3 lasen wir heute von den Aufsehern und Diakonen, dass sie beide jeweils „nicht vielem Wein ergeben“ sein sollen – grundsätzlich ist Wein also erlaubt! Beide sollen auch „eines Weibes Mann“ sein. Hier geht es Paulus wohl nicht in erster Linie nur um ein Verbot der Vielehe, als vielmehr um die vorbildliche Darstellung einer „Musterehe„, an der sich die anderen orientieren können. Welch ein Segen kann eine Ehe sein, wenn beide Partner gegenseitig immer auf einander achthaben! Während ich Ruth häufig immer an das Bibellesen erinnern muss, ermahnt mich Ruth immer: „Hast Du schon gebetet?“ Auch im gemeinsamen Gebet ergänzen wir uns gut: ich bete immer für unsere Geschwister in Deutschland und Ruth bittet immer für die Bedürfnisse der Gläubigen, die wir in Peru und Ecuador kennen. Beim Frühstück unterhielten Ruth und ich uns über ihre Cousine Eva, die wegen ihrer Einfalt und ihrer schrecklichen Vergangenheit uns wie eine Tochter ans Herz gewachsen ist. Ruth erzählte, dass sie von ihrer Mutter Lucila auch ein 7 ha großes Grundstück in Huaycahuacho geerbt habe, einem Dorf im Gebirge, im Bundesstaat Ayacucho, wo ihre Eltern geboren sind. Als Lucila vor zwei Jahren heimging, war Ruths Trauer so groß, dass sie ganz vergessen hatte, dass sie dieses Grundstück am Dorfrand von Huaycahuacho geerbt hatte. Ihr Bruder Israel verwalte im Moment das Grundstück und habe auch alle Papiere. Deshalb wolle Ruth nun mit Israel sprechen, denn sie möchte der Eva das Grundstück überschreiben. Ich fand das eine sehr gute Idee. Eva will heute Abend zu Besuch kommen, dann würden wir ihr das berichten.

Nachdem Ruth zur Arbeit gegangen war (sie hatte heute zwei OPs bei Francisco), machte auch ich mich an die Arbeit und lackierte das Metalltor zweimal von der Innenseite. Auf einmal standen zwei Zeuginnen Jehovas vor der Tür und fragten mich, ob ich einen Moment für sie Zeit hätte. Ich sagte „Ja„, aber dass ich bereits gläubiger Christ sei. „Dann sollte Sie mal besonders aufmerksam sein,“ sagte eine der Damen, „wenn wir Ihnen jetzt mal einen Text aus der Bibel vorlesen, und zwar aus dem 1. Timotheusbrief, Kapitel 2…“ Ich dachte: Was für ein Zufall, wo wir den ja gerade lesen. „‚Denn da ist EIN Gott und ein Mittler zwischen Gott und Menschen, ein Mensch, Christus Jesus‘ – sehen Sie! und dieser eine Gott hat auch nur einen Namen, und zwar Jehova!“ – „Vielleicht sollten Sie auch noch mal Vers 12 dazu lesen…“ bat ich. Sie las: „Ich erlaube einer Frau nicht, zu lehren oder Gewalt über einen Mann auszuüben“. Sie schaute mich an und erklärte: „Das gilt aber nur innerhalb des Gottesdienstes!“ – „Das steht dort aber nicht. Vielmehr verbietet die Schrift hier ganz allgemein, dass Frauen die Männer belehren, so wie Sie es gerade tun“ – „Aber ich belehre Sie doch gar nicht, sondern wir verkündigen hier das Evangelium!“ – „Mag ja sein, aber ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass ich bereits Christ bin und an das Evangelium glaube. Ich bin übrigens auch ein Zeuge Jehovas.“ – „Ach, tatsächlich?!?“ Die drei Damen schauten mich irritiert an. „Ja, ich bin ein Zeuge Jehovas, indem ich alles bezeuge, was Er uns offenbart hat in Seinem Wort; aber ich bin nicht Mitglied einer Organisation, die sich ‚Zeuge Jehovas‘ nennt. Diese ganzen Namen hören sich zwar schön an, aber sie sind nichts weiter als Etiketten, wodurch Christen sich von anderen unterscheiden wollen und dadurch von einander abspalten. Die Idee der Namengeberei kommt ursprünglich aus Babel.“ Die Frauen wussten nun nicht mehr, was sie mir noch sagen konnten, da ich ihnen ja indirekt verboten hatte, mich zu belehren. Deshalb sagte eine von Ihnen diplomatisch: „Nun, da Sie ja am Arbeiten sind, wollen wir Ihnen nicht länger die Zeit stehlen, sondern wir wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen!“. Ich wünschte Ihnen das Gleiche und sie gingen wieder.

Sie waren gerade weg, da rief mich der Nachbar Jorge (62) von oben und wollte mit mir quatschen. Mich störte das nicht, solange er mich weiter arbeiten ließ. Ich hatte gerade angefangen, die Holzplatten hellgrün zu streichen und war für ein bisschen Zerstreuung dankbar. Er fragte mich nach meiner Herkunft, meinem Alter und meinem Beruf und ich erzählte ihm von meinem Glauben an den HErrn Jesus. Jorge bekannte sich als Atheisten, der aber jeden Glauben respektiere. Er war Ingenieur, arbeite aber seit Jahren nur noch als Nachhilfelehrer für Mathematik. Seit sich seine Frau 1990 von ihm scheiden ließ, lebe er allein mit seinem Hund. Er habe noch nie Interesse an der Bibel gehabt, da er ein rationaler Mensch sei, dem die Bibel eher wie ein Märchenbuch erschiene. Ich erzählte ihm die Geschichte vom reichen Mann und Lazarus und mahnte ihn, dass es auch für ihn ein böses Erwachen geben würde, wenn er seine Vorurteile gegen Gottes Wort nicht aufgebe. Er meinte dann, dass er im Vergleich zu den meisten ein guter Mensch sei und sich deshalb keine Sorgen machen müsse. Ich gab es schließlich auf, und wir wechselten das Thema. Er wollte, dass ich unbedingt seinen Jugendfreund „Franz“ kennenlernen solle, weil dieser neben vielen anderen Sprachen auch Deutsch gelernt habe. Er bat mich, heute Abend mit ihm zu Besuch zu kommen, was mir recht war.

Als Ruthi dann kam, hatte sie Hähnchen und Pommes mitgebracht. Wir aßen Mittag und sie erzählte mir, dass sie eine große Überraschung heute Morgen erlebte, als sie bei ihrem Kollegen Francisco ankam, denn er war gerade mit zwei anderen Brüdern im Gebet. Sie beten jeden Morgen zusammen eine Stunde, bevor sie zur Arbeit gehen, und da Ruth etwas früh kam, konnte sie dies mal miterleben. Sie hatten insbesondere für Ruth und ihre Krankheit gebetet und ihr anschließend noch im Namen des HErrn die Hände aufgelegt und sie mit Öl gesalbt. Dann hatten sie sich noch eine ganze Weile mit Ruth ausgetauscht, weshalb sie ganz angetan war von der Ernsthaftigkeit und Heiligkeit dieser Brüder. Ich solle sie doch unbedingt mal kennenlernen. Während Ruth sich dann ausruhte, machte ich die restlichen Malerarbeiten. Auf einmal kam Ruth aufgeregt zu mir und las mir vor, was sie gerade zuvor im Buch von Rebekka Brown gelesen hatte, dass diese Schwester selbst auch jahrelang unter starken Schmerzen gelitten hatte bis sie auf einmal herausfand, was die Ursache war: sie hatte sich gefragt, wann genau die Schmerzen begannen, und erinnerte sich, dass sie vor Jahren, als ihr Mann Daniel Yoder noch nicht gläubig war, mit ihm nach Ägypten gereist war und habe sich dort u.a. die Artefakte aus dem Grab von Tutanchamun angeschaut hatte. Jahre später erfuhr sie, dass dieses Grab mit einem Fluch belegt war und dass alle Expeditionsteilnehmer damals unter James Carter 1922 schwer erkrankten und innerhalb von zwei Jahren starben. Jetzt fuhr es mir wie ein Blitz in den Sinn, dass auch Ruth und ich 2010 in Ägypten waren und die Grabstätte von Tutanchamun im Tal der Könige sahen, und genau seit diesem Zeitpunkt fingen die Schmerzen bei Ruth an. Sollte wohl auch auf ihr noch der Fluch des Pharao liegen, zumal sie doch als Gläubige besonders gefährdet war?

Als ich gegen 16:30 Uhr fertig war, zog ich mich um, und wir fuhren dann noch mal zum Baumarkt, weil ich noch einige Sachen brauchte (Fußbodenfarbe, Zementmörtel, zwei weitere Farbtöne, Lack etc.). Doch leider, leider waren die Schmerzen durch das Gebet nicht verschwunden, sondern kamen plötzlich mit aller Macht über Ruth, so dass sie völlig verzweifelt war. Ich beeilte mich, alle Sachen schnell zusammen zu stellen, damit wir schnell wieder nach Haus kämen. Zuhause fing Ruth dann stark an zu weinen, weil ihr ganzer Rücken und ihre Beine brannten vor Schmerz. Ich massierte sie mit Rheumasalbe und redete ihr gut zu. Plötzlich klopfte es an die Tür. Es war der Nachbar Jorge mit seinem deutschsprechenden Freund Francisco (Franz). Wir setzten uns ins Wohnzimmer, und sofort begann Franz, mit mir auf Deutsch reden zu wollen; naja, zumindest versuchte er es, denn manche Sätze konnte ich kaum verstehen (aber ich ließ mir nichts anmerken, um ihn nicht bloßzustellen). Die beiden ließen keinen Zweifel daran, dass sie höchst begeistert sind von der deutschen Mentalität, weshalb sie nur so von den Deutschen schwärmten. Für sie war Hitler kein Verbrecher, sondern ein kluger Stratege, dessen entscheidender Fehler nur darin bestanden habe, dieselbe Torheit wie Napoleon begangen zu haben, dass er gegen Moskau zu Felde zog. Ich versuchte indes, das Gespräch auf den Glauben zu lenken und gab ihnen Zeugnis, wie Gott mein Leben vor fünf Jahren völlig verändert hatte aufgrund meiner Buße und der Wirkung des Geistes Gottes. Franz kannte sich als Katholik etwas aus in der Bibel, war jedoch der Meinung, dass Gott sich auch durch heidnische Kulte den Menschen offenbare. Er selbst habe sehr positive Erfahrungen mit Schamanen gemacht und machte sich über meinen fundamentalistischen Ausschließlichkeitsanspruch regelrecht lustig. Da merkte ich, dass ich mit diesen beiden Schwätzern schon seit über zwei Stunden meine Zeit verliere, anstatt bei Ruth zu sein, die im Bett geblieben war. Ich wies auf die fortgeschrittene Uhrzeit hin und verabschiedete meine Gäste so freundlich wie möglich.

Lima, 29.12.2019 Heute in aller Früh an diesem Sonntagmorgen klopfte es an der Tür. Es war Eva (49), Ruths Cousine. Sie hatte ihr Kommen eigentlich schon für gestern angekündigt. Ich war froh, dass sie nun einige Tage bei uns sein würde, denn Ruth und Eva verstehen sich wie ein Herz und eine Seele, und Ruth würde nun eine gute Gesprächspartnerin haben. Nach dem Frühstück lasen wir gemeinsam 1.Tim.4 über das Thema Ernährung und körperliche Fitness. Da Eva als Adventistin ja auch selber einer solchen Lehre von Dämonen anhängt, ließ es sich nicht vermeiden, bei dieser Gelegenheit mal an all die Stellen im NT zu erinnern, die klar bezeugen, dass es im Neuen Bund keine unreinen Speisen mehr gibt. Zu meiner Überraschung erklärte Eva, dass die STA-Gründerin Ellen White auch alles gegessen habe bis zu ihrem 70. Lebensjahr, aber erst dann gemerkt habe, dass ihr bestimmte Speisen aus gesundheitlichen Gründen nicht gut täten und sie nur deshalb darauf verzichtet habe. Als Eva auf einmal vom Tisch aufstand, weil sie auf Toilette musste, sagte sie: „Ihr könnt ruhig schon weiterlesen, ich komme gleich wieder.“ Da antwortete ich: „Nein, wir warten lieber auf Dich, denn es steht geschrieben, dass die ganze Gemeinde auf Miriam wartete und nicht weiter zog bis auch sie wieder bereit war“ (4.Mo.12:15). Da musste Eva sehr lachen. Dann klingelte das Handy. Es war Jorge, der sich noch einmal für den schönen Abend bedanken wollte und mich zugleich einlud für ein Treffen im Haus von Franz. Ich lehnte jedoch ab, weil ich keinen Sinn darin sehen könne, in Gesprächen von einem belanglosen Thema zum nächsten abzuschweifen, ohne dabei irgend ein konkretes Ziel zu verfolgen. Wenn sie mit mir über Gottes Wort reden wollten seien sie jederzeit herzlich eingeladen zu kommen, am besten zu den Bibelstunden. Jorge fasste zusammen: „Ich habe schon verstanden: Wenn wir Dir keinen Nutzen bringen, hast Du kein Interesse an unserer Freundschaft.

Heute Vormittag waren wir eingeladen von einem gläubigen Optiker, den Ruth erst kürzlich kennengelernt hatte, in dessen Baptistengemeinde zu kommen. Wir waren eine Stunde zu früh da, aber konnten die Zeit bis zum Beginn des Gottesdienstes gut nutzen, da dieser im sog. „Haus der Bibel“ stattfand, wo auch die Sociedad Biblica de Peru ihren Sitz hatte. Als wir hineingingen, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr hinaus: Im Foyer standen lebensgroße Wachsfiguren wie in einem Museum. Die erste war die von Johannes Gutenberg (1400-1468) neben der ersten Druckerpresse aus dem 15. Jh. und einer Nachbildung der ersten Bibel, die in einer Vitrine ausgestellt war. Dann sah man andere Personen aus biblischer Zeit, sowie Abbildungen der Stiftshütte und des Tempels Salomons. Daneben sah mein einen riesigen Buchladen mit theologischen, bibeltreuen Büchern für Jung und Alt mit Bibelkommentaren und bibelbezogenen Geschenkartikeln. Eine Treppe nach unten führte in einen gro0en Ausstellungsraum mit vielen Vitrinen wie in einem Museum. Hinter diesen sah man originale Schophar-Hörner, Öllampen, Schriftrollen, Abbildungen der zwei Gesetzestafeln und sogar zwei Papyri aus der Zeit von 200 n.Chr., unter anderem der sog. Papyrus Bodmer mit Luk.3:18 bis Joh.1:15. Diese waren jedoch nicht echt, sondern eine originalgetreue Abbildung. In einem anderen Raum sah man Bibeln ausgestellt aus aller Herren Länder. Besonders beeindruckt war ich von drei Vitrinen, in welchen etwa 20 Bibeln in den jeweiligen Naturvölkersprachen Perus ausgestellt wurden. u.a. gab es Neue Testamente in der Sprache der Caquinte-indianer (Tsavetacoquerica Jesoquirishito), der Kashibo-Kakataibo-Indianer (Nuen ‚Ibu Diosa ain unikama ‚inan ain bana), der Huambisa-Indianer (Yamaram Chicham Etsermau), der Aguaruna-Indianer (Yamajam Chicham Apajuinu), der Yaminanua-Indianer (Niospa Meka fena Jesucristoonoa), der Matses-Indianer (Esuquidistu Chiquin Taniamete), der Candoshi-Indianer (Tamayariazi nov kamongchi), der Shipibo-Konibo-Indianer (Diossen Joi Jatxonbi Onanti), der Amakaeri-Indianer (Apagba‘ Jesucristo oy oa’pak), der Yine-Indianer (Gerotu tokanchi Gipiratkaluru) und nicht zuletzt der größten Indiogruppe überhaupt, deren Sprache zu 80 % im Gebirge gesprochen wird, nämlich der Quechua-Indianer (Chuya Qellqa), von denen es jeweils mehrere eigene Dialekte gibt mit jeweils eigenen Testamentausgaben, die ich hier jetzt nicht alle nenne. Was für eine beachtliche Arbeit der Bibelübersetzer! und zugleich eine Erfüllung der Verheißung in Mt.24:14.

Als der Gottesdienst um 10:00 Uhr losging, waren erst weniger als die Hälfte der 150 Plätze besetzt, die sich aber innerhalb der nächsten halben Stunde fast bis auf den letzten Platz füllten (die typisch peruanische Unpünktlichkeit). Zunächst gab es auch hier erst mal nur charismatischen Lobpreisgesang, der von E-Gitarre und Schlagzeug begleitet wurde und deutlich über 100 Dezibel ging. Alle standen so bis zu 45 Minuten, teilweise mit erhobenen Armen und wiederholten gefühlt bis zu 10 mal den gleichen Refrain, in welchem die Größe des Namens Jesu gerühmt wurde. Ich fragte mich die ganze Zeit: „Was würde Petrus oder Paulus wohl sagen, wenn sie auf einmal in einen solchen Gottesdienst gekommen wären? Hätten sie sich gefreut und mitgesungen? oder hätten sie vor Schreck das Weite gesucht?“ Nach 30 Minuten konnten Ruth und Eva nicht mehr stehen und setzten sich hin. Ich hielt noch weitere 10 Minuten durch, wurde aber dann auch aufgrund von Müdigkeit zum Hinsetzen genötigt. Dann ging die Predigt los, die wie zu Erwarten das Thema „Gute Vorsätze zum Neuen Jahr“ lautete und im Großen und Ganzen ganz gut war. Es ging um das Überwinden der Sünde, aber auch um den Verzicht auf „unnütze Angewohnheiten„, die einen zur Sünde verleiten können wie z.B. zu vieles Schlafen. Als nach der Predigt wieder eine lange Lobpreis-Einlage drohte, wollten Ruth und Eva vorzeitig gehen. Wir gingen in den Buchladen und stöberten unter den Hunderten von Artikeln. Erst wollte ich mir ein bedrucktes T-Shirt kaufen, entschied mich dann aber für ein Paket aus 5 Verschenkbibeln und mehreren Traktaten zum Sonderpreis von 37,50 Soles (10,- €).

Gegen Mittag erzählte uns Eva: „Es gibt eine gute Nachricht, liebe Ruth. Und zwar hat man in Huaycahuacho eine Goldader gefunden. Diese ist so groß, dass die Minengesellschaft jetzt das ganze Dorf und die umliegende Umgebung aufkaufen will. Ich selber habe ja von meinem Vater auch ein kleines Grundstück von 3 ha geerbt, aber das liegt etwas weiter vom Dorf entfernt und ist deshalb wohl auch nicht so wertvoll. Aber das Grundstück Deiner Mutter ist ja fast direkt im Dorf und deshalb besonders wertvoll. Du solltest nicht gleich den erstbesten Preis akzeptieren, sondern möglichst hoch pokern, denn die sind bereit, jeden Preis zu zahlen.“ Darauf platzte es aus mir heraus: „Eva, – weißt Du, Ruth und ich haben beschlossen, Dir dieses Grundstück zu schenken, damit Du in der Zukunft versorgt bist, wenn Dein Mann sich von Dir hat scheiden lassen. Wenn das Grundstück jetzt also deutlich an Wert gestiegen ist, dann kannst Du Dich darüber freuen, und wir freuen uns mit Dir„. Ruth ergänzte meine Worte: „Für mich war dieses Erbe ja bisher im Grunde wertlos, denn ich hätte es nicht verkaufen können. Aber für Dich dürfte es jetzt keine Schwierigkeiten bereiten.“ Eva war sehr gerührt von diesem Geschenk und nahm es dankbar aus Gottes Hand. Sie erzählte uns, dass sie nächstes Jahr auch ihr Psychologiefernstudium beendet haben werde. Diese privaten Institute dürfen aufgrund eines neuen Gesetzes seit kurzem keine neue Studenten mehr immatrikulieren, da man bei Überprüfungen festgestellt hatte, dass das Studien-Niveau unterirdisch niedrig sei. Und in der Tat musste Eva zugeben, dass sie bisher noch kaum etwas gelernt habe. Als sie kürzlich mal ein Praktikum im Krankenhaus machen musste, sollte sie den Psychiater bei Patientengesprächen vertreten, da dieser verhindert war. Eva geriet in Panik und sagte, sie könne das nicht. Da sagte der Psychiater zu ihr: „Sagen Sie einfach immer nur ‚Ja‘ zu den Patienten, dann passt das schon…“

Am Abend kam Bruder Julio (55) zur Bibelstunde und kurz darauf auch Ricardo (65) mit einem neuen Bruder namens Luis (71), den er erst gestern kennengelernt hatte. Nachdem wir gebetet hatten, sprach ich von dem vierfachen Ackerfeld in Mt.13, dass sich dieses nicht nur auf verschiedene Leute beziehe, sondern auch auf verschiedene Zeiten und Momente, in denen wir einzelne Worte Gottes entweder bereitwillig oder oberflächlich aufnehmen und sie entsprechen viel oder wenig Frucht bringen. Ebenso können Gläubige in jungen Jahren ein offenes und zubereitetes Herz gehabt haben, aber im Laufe der Jahre festgetretene Wege der Gewohnheit haben, auf denen korrigierende Worte nicht mehr eindringen, sondern sofort durch Vorurteile weggepickt werden. Ohne dass sie es merken, können allmählich sich auch neue Steine oder Disteln auf unseren Herzensacker breit machen, die das Ausreifen von Frucht verhindern. Als Beispiel von schleichender Lauheit nannte ich die allmähliche Abstumpfung und Gewöhnung am Anblick des Elends vieler Peruaner, die sich vom Müll ernähren müssen. Der barmherzige Samariter sah sich sofort in der Pflicht, dem Verletzten zu helfen und auch Geld für ihn zu investieren. Daraufhin gab Julio ein Zeugnis: „Ich kann Euch bezeugen, Geschwister, dass ich in meinem Leben noch nie 1000 Soles in der Hand hatte. Ich war mein Leben lang arm bis auf den heutigen Tag und konnte meine Familie immer nur gerade so über Wasser halten durch die verschiedenen Handwerklichen Arbeiten. Aber eines Tages im Jahr 2014 lernte ich eine ältere Dame kennen, freundete mich mit ihr an und lud sie zu mir nach Haus ein. Sie kam und wir unterhielten uns zusammen mit meiner Familie. Auf einmal holte sie aus ihrer Tasche ein Bündel Geldscheine, übergab es mir und sagte, dass sie sich entschieden habe, dieses Geld uns zu geben. Einfach so. Ich brach in Tränen aus [während Julio dies sagte, rang er selber wieder mit den Tränen] und begann, das Geld zu zählen. Es waren 100-Soles-Scheine, ich zählte 1000, dann 2000, 3000, 4000… 7000, 8000, 9000, und am Ende waren es 10.000 Soles! So viel Geld hatte ich noch nie gesehen. Das war einer der glücklichsten Tage in meinem Leben. Dem HErrn sei Dank!“

Dann erzählte Bruder Luis, wie er vor ein paar Jahres aufgrund einer eitrigen Sepsis beinahe seinen linken Unterarm verloren hatte und dann durch viel Gebet wie durch ein Wunder geheilt wurde. Als nächstes erzählte Ruth wie sie in den letzten drei Jahren dreimal knapp mit dem Leben davon gekommen war: 2016 bei dem schweren Unfall auf der Autobahn, bei dem sie Rückwärts auf der Überholspur zum Stehen kam, dann 2017 als ihr Blinddarm geplatzt war, aber sie erst vier Tage später ins Krankenhaus ging und gerade noch rechtzeitig notoperiert wurde; und schließlich im Februar 2019, als sie wegen akuten Darmverschluss im Krankenhaus in Lima war, sich selbst entließ, weil wir das Geld für eine OP nicht hatten und dann allein durch das Gebet von Francisco mit Handauflegen geheilt wurde von Gott. Doch trotz all dieser Wunder leide Ruth seit nunmehr 9 Jahren an immer stärker werdenden Schmerzen im Rücken, sowie in den Armen und Beinen aufgrund einer unheilbaren Krankheit namens Fibromyalgie. Wir haben schon 10.000 mal um Heilung gebetet, Dutzende Male wurden ihr die Hände aufgelegt und sie mit Öl gesalbt, zuletzt vor ein paar Wochen durch Pastor Latzel, aber dennoch habe Gott ihr Gebet bisher nicht erhört. Nun frage sie sich, ob es vielleicht mit diesem ägyptischen Fluch zusammenhänge oder mit irgendeinem verbotenem Gegenstand, von denen sie im Buch von Rebekka Brown gelesen habe. Nun meldeten sich auf einmal alle Geschwister zu Wort und gaben verschiedenste Ratschläge, die mich sehr an die der Freunde Hiobs erinnerten (z.B: „Du musst Dich völlig demütigen vor Gott“ usw.). Am Ende sagte ich: „Wenn hier tatsächlich irgend eine dämonische Bindung vorliegt, von der wir nichts wissen, dann kann Gott diese dennoch lösen; aber wir wissen ja, dass manche Kräfte so stark sind, dass der HErr Jesus sagte: ‚Diese Art kehrt nicht aus, es sei denn durch Gebet und Fasten‘ (Mt.17:21). Vielleicht sollten wir einfach mal zusammen fasten für Ruth.“ Das fanden alle eine gute Idee und wir beteten gemeinsam eindringlich für Ruth. Als wir uns dann verabschieden wollten, sagte Eva: „Geschwister, bitte nehmt das ernst mit dem Fasten. Wir sollten alle zusammen am gleichen Tag für Ruth fasten. Was schlagt ihr vor, welcher Tag dies sein kann?“ Ricardo sagte dann scherzhaft: „Ich schlage vor, von Montagabend bis Dienstagfrüh zu fasten.“ Doch dann einigten wir uns, dass wir alle zusammen am Donnerstag von früh bis spät fasten und für Ruth beten wollen.

Spät am Abend hatte uns Eva dann noch erzählt, dass sie wegen ihrer Eheprobleme und ihres Vergewaltigungstraumas in ihrer Kindheit vor ein paar Monaten eine alte Freundin besuchte, die inzwischen eine angesehene Pastorin einer großen Pfingstgemeinde ist. Ester Castillo empfahl ihr zur Befreiung von diesem „Generationsbedingten Exorzismus“ und bot ihr an, diesen beim nächsten Gottesdienst zu praktizieren. Eva war dazu bereit, da sie sich nichts sehnlicher wünschte, als von allen finsteren Einflüssen aus ihrer Vergangenheit befreit zu werden, um dem HErrn nun uneingeschränkt zu dienen. Als dann der Tag kam, dass die Pastorin der Eva die Hände auflegte und sie im Namen Jesu beschwor, dass die Dämonen aus ihr herausfahren mögen, da spürte Eva einen Strom in sie kommen, und auf einmal öffnete sie ihren Mund und es kamen jede Menge Schimpfwörter und Flüche heraus, die nach Aussage der Anwesenden so furchtbar gewesen sein müssen, dass die Pastorin Eva nicht mehr für eine Gläubige hielt. Anschließend fragte Eva, ob sie denn nun befreit wurde, aber die Pastorin Castillo sagte: „Es sind schon einige Dämonen gewichen, aber noch nicht vollständig alle, weshalb man die Behandlung wiederholen müsse. Da kamen der Eva Zweifel, denn bei einem biblischen Exorzismus wichen ja immer gleich alle Dämonen, denn was nützt einem sonst so ein halber Kram? Als Eva dann in dem Buch von Rebekka Brown las, erfuhr sie, dass man allein durch das Handauflegen selber Dämonen bekommen kann und dass dies möglicherweise bei ihr geschehen sei, weil sie sich blind einer Pastorin anvertraut hatte, anstatt auf den HErrn zu vertrauen. Eva hatte dann in der Folgezeit viele Tage lang gefastet und gebetet, damit der HErr sie von allen dämonischen Einflüssen befreie.

Lima, 30.12.2019 Heute lasen wir beim Frühstück in 1.Tim.5 u.a. von dem gottesfürchtigen Verhalten der Generationen untereinander, insbesondere von der Altersversorgung gläubiger Witwen in einer gesunden Gemeinde. Schon im AT lesen wir ja immer wieder von der Verantwortung, die die Israeliten füreinander trugen („Du kannst dich nicht entziehen5.Mo.22:1, 3, 4). Gemeinschaft verpflichtet. Im Neuen Bund tragen wir aber neben der leiblichen Fürsorge auch noch zusätzlich eine Verantwortung für das geistliche Wohlergehen unserer Geschwister. Diese geht so weit, dass wir durch das regelmäßige Ausleben des Wortes, sowie des Ermahnens und Lehrens nicht nur uns „selbst erretten, sondern auch die, die uns hören“ (1.Tim.4:16). Als Glieder am selben Leibe sitzen wir zugleich alle im selben Boot, so dass der HErr uns in bestimmten Fällen sogar in Sippenhaft nehmen kann, so wie Er es vereinzelt auch bei Israel immer wieder tat (z.B. Josua 7). „Wenn diese nicht im Schiffe bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden“ (Apg. 27:31). Ich sagte zu Eva: „Stell dir mal vor, der HErr würde zu Dir sagen: ‚Eva, Du kannst nur errettet werden, wenn Du sicherstellst, dass auch Ruth errettet wird!‘ Was würdest Du dann tun? Würdest Du nicht immer wieder auf Ruth einwirken, dass sie eifriger sein sollte im Gebet und in guten Werken? Und würdest Du nicht genau darauf achten, dass sie keine Sünde begeht? So aber sollen auch wir für einander besorgt sein, nur eben freiwillig, denn wir können uns das Reich Gottes ja nicht verdienen. Paulus aber machte sich solche Sorgen um die Frömmigkeit von Timotheus!

Nach dem Frühstück hatten wir eine lange Gebetszeit, als auf einmal Ricardo vorbei kam. Er wollte mit mir über Sylvester sprechen, dass die Bibelstunde morgen bei ihm stattfinden könne. Er bat mich jedoch inständig, keine kontroversen Themen mehr anzusprechen, sondern lieber nur noch etwas Erbauliches. Ich versprach es ihm, bat ihn aber zugleich auch, mir etwas zu versprechen, nämlich dass er bei einem Vortrag irgendwann auch mal einen Punkt machen möge und nicht endlos lang immer das Gleiche zu wiederholen, sondern auch mal einen anderen Bruder zu Wort kommen zu lassen, besonders wenn dieser sich schon mehrfach zu Wort meldet. Diese Kritik konterte Ricardo mit einer Gegenkritik, dass ich nämlich die schlechte Angewohnheit hätte, anderen immer ins Wort zu fallen. Dies bestritt ich, sondern erinnerte ihn daran, dass er sich ja praktisch nie unterbrechen ließe, sondern einfach jeden Einwand sofort abwimmle mit dem Satz: „Déjame terminar!“ („Lass mich ausreden!„). „Wenn ich aber gerade durch den Heiligen Geist etwas sage und Du willst mich unterbrechen, Simon, dann dämpfst Du dadurch den Heiligen Geist!“ – „Der Geist Gottes macht aber keine endlosen Wiederholungen, sondern kann sich auf das Wesentliche beschränken. Wenn Du jemanden nicht rechtzeitig eine Zwischenbemerkung machen lässt, dann vergisst Dein Gesprächspartner, was er noch sagen wollte.“ – „Wir sollen uns aber in der Selbstbeherrschung üben. Wenn etwas wirklich wichtig ist, dann weiß man es auch nach zehn Minuten noch. Andernfalls war es auch nicht so wichtig gewesen.“ – „Aber Du musst bedenken, Ricardo, dass von dem Moment an, wo ein anderer dazu etwas sagen will, er Dir schon gar nicht mehr zuhören kann, weil er nur auf das konzentriert ist, was er sagen will.“ – „Man kann sich ja zur Not auch eine Notiz machen, dann hat man den Kopf wieder frei. Du willst doch auch nicht unterbrochen werden, wenn Du gerade etwas erklärst.“ -„Dann lass uns das doch in Zukunft so machen, Ricardo, dass jeder immer nur maximal zwei Minuten reden darf und dann dem anderen das Wort gönnen muss. Das ist doch nur fair!“ – „Aber Du redest häufig viel länger als zwei Minuten!“ – „Dann lass uns jetzt immer genau auf die Redezeit achten! So habe ich das auch mit den Kommunisten gemacht, wenn wir eine Debatte geführt haben.“ – Am Ende einigten wir uns aber auf diese Vereinbarung.

Eigentlich wollte ich heute die Putzschäden am Sockel verputzen und filzen, aber es war heute sehr heiß, etwa 32 ˚C, so dass ich im Nu durchgeschwitzt war. Ich rührte Putz an und verfüllte die Zinne der Lochsteinmauer von beiden Seiten mit einer Abschrägung, so dass sich keiner mehr auf die Mauer stellen konnte. Allerdings ging mir nach drei Stunden der 40 kg-Sack zu Ende, so dass ich aufhören musste, obwohl mir nicht mehr viel fehlte. Als Ruth und Eva um 15:30 Uhr nach Haus kamen, aßen wir Mittag und lachten viel über vergangene Erlebnisse. Dann fuhren die beiden in die Stadt, um Geld zu wechseln und Besorgungen zu erledigen. Ich machte mich indes daran, die Risse zu verfugen und die Putzstreifen in der Mauer mit hellgrau abzusetzen. Ich bin Gott so dankbar, dass Eva jetzt hier ist, denn mir fällt auf, dass es Ruth durch ihr deutlich besser geht. Die beiden verstehen sich so gut, als wären sie leibliche Schwestern. Sie reden und reden und reden und reden von morgens bis abends, so dass ich mir das reden sparen kann. Dabei habe ich – während ich hier gerade schreibe – immer eine angenehme Geräuschkulisse und brauche kein schlechtes Gewissen haben, dass ich zu wenig rede, weil die beiden ihren Unterhaltungsbedarf schon untereinander stillen. Ich könnte das niemals leisten. Vielleicht ist Ruth auch deshalb manchmal niedergeschlagen, weil ich oft sehr still bin. Heute ist unser 27. Hochzeitstag. Dem HErrn sei Dank für all den Segen, den Er mir durch Ruth geschenkt hat! Ich kann mir gar nicht mehr ein Leben ohne Ruth vorstellen. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wie es ohne sie war, da ich ja schon mit 24 J. geheiratet habe, und daher bereits viel länger mit Ruth auf der Welt bin als ohne Ruth.

Lima, 31.12.2019 Am letzten Tag des Jahres standen wir schon früh auf, hatten eine lange Gebetsgemeinschaft und lasen dann 1.Tim.6, wo es u.a. um die Liebe zum Geld geht. Kein Christ würde wohl von sich behaupten, dass er das Geld liebe, aber ob dies wirklich nicht der Fall ist, erweist sich erst dann, wenn wir in eine Situation kommen, wo jemand uns um Geld bittet. Hinter der Geldliebe stecken im Grunde übertriebene Verlustängste. Je mehr wir unsere völlige Abhängigkeit vom HErrn erkennen und einsehen, desto mehr können wir uns auch genügen lassen und brauchen nicht mehr so viel bevorraten; denn derselbe HErr, der uns bis hierhin geholfen hat, wird uns auch weiterhin helfen und tragen. „Ich war jung und bin auch alt geworden, und nie sah ich den Gerechten verlassen, noch seinen Samen nach Brot gehen; den ganzen Tag ist er gnädig und leiht, und sein Same wird gesegnet sein“ (Psalm 37:25-26). Auch ich habe schon sehr viel Geld verliehen in den letzten zwei Jahren, aber bisher von niemandem etwas zurückbekommen. Ich will mich aber hüten, zu einem dieser Brüder zu sagen: „Bezahle, wenn du etwas schuldig bist“ (Mt.18:28), denn der HErr hat so viel für mich bezahlt! Gerade heute Morgen bedankte sich ein Bruder, dem ich vor zwei Jahren 5000,- € geliehen hatte für meine Geduld: „Ich und meine Familie haben ein sehr schweres Jahr hinter uns. Mein Wunsch war, dieses Jahr dir das Geld zurückzugeben, was du uns in unserer Not gegeben hast. Leider hatte ich die Möglichkeit noch nicht. Wenn der Herr mir Gnade schenkt, dann mache ich es noch. ich muss in zwei Wochen ins Krankenhaus für drei Wochen zu einer stationären Reha. Ich hoffe, dass ich Teilrente bekomme und dass ich nicht mehr so viel arbeiten muss…“ Andere Brüder verhielten sich durchaus nicht so vorbildlich wie dieser Russlanddeutsche, sondern meldeten sich gar nicht mehr bei mir. Ich hatte ihnen aus größter Not geholfen, aber ihr Dank war, dass sie mich aus Scham einfach ignorieren. Einem ehemaligen Missionar, dem ich knapp 3000 € geliehen hatte, hat mir bisher 5,-€ zurückgezahlt und sich seither nicht mehr gemeldet. Aber ich nehme es als Prüfung vom HErrn an, dass ich diese Treulosigkeit ertragen soll.

Heute Morgen fuhren wir zunächst zum Obst- und Gemüse- Großmarkt, wo die Händler ihre Waren einkaufen und es entsprechend günstig ist. Für eine 15 kg schwere Kiste Mangos zahlten wir 18 Soles (5,-€), und für eine 10 Kilo Kiste Chirimoya nur 27 Soles (7,50 €). In Deutschland würde man für eine einzige Chirimoya schon 2,-€ bezahlen, wenn man sie überhaupt irgendwo mal bei Real findet. Als wir wieder zurück waren, kam Bruder Julio, mit dem sich Ruth verabredet hatte, damit er bei uns sämtliche Steckdosen und die Sicherung in der Wohnung erneuert, da diese ja schon 50 Jahre alt ist. Währenddessen malte ich die Fassade weiter in Weiß und den Sockel in grau. Da ich noch viel weiße Farbe übrig hatte, entschied ich mich, damit auch noch die Fassade außerhalb unserer Wohnung zu streichen, die eigentlich Gemeinschaftseigentum des Wohnblocks war. Aber da dort immer der Müll gelagert wurde und sich niemand für diese Ecke verantwortlich fühlte, sah dieser Bereich entsprechend dreckig aus und war schon jahrzehntelang nicht mehr gestrichen. Die Nachbarn, die an mir vorbeigingen, lobten mich für diesen ehrenamtlichen Einsatz. „Suchet der Stadt Bestes“ (Jer.29:7). Sie sollen ja auch erkennen, dass wir Christen sind, an unseren Werken.

Am Abend gingen wir rüber zu Ricardo zur Bibelstunde. Außer seines Sohnes Richard war aber niemand sonst da, denn seine Tochter Sara war verreist und seine Frau Esperanza war bei ihrer Tochter Lizet, um mit ihnen Silvester zu feiern. Wir lasen 1.Mose 41 und ich sprach über die Parallelen zwischen dem Leben Josephs und dem Leben Jesu, um von dort überzuleiten auf die heutigen „fetten Jahre“ des Gemeindezeitalters, in welchem wir noch reichlich und ungestört säen und ernten können, das aber demnächst zuende gehen wird, wenn die 7 Jahre der Trübsalszeit beginnen und die Gläubigen Verfolgung leiden werden. „Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“ (Joh.9:5). Wir haben 12 Stunden am Tag Zeit zu „wirken“ und das Wort Gottes zu verbreiten (Joh.11:9), aber es wird eine Zeit kommen, wo man das Wort des HErrn suchen, aber nicht finden wird (Am.8:12). Ricardo hatte die Augen geschlossen und war eingenickt. Erst als ich demonstrativ eine Minute lang schwieg, wachte er auf, und wir machten weiter. Als ich dann auf die Bekehrung der Juden und den Bau des dritten Tempels zu sprechen kam, waren alle sehr wach geworden, und es begann eine rege Diskussion. Eva erzählte, dass nach adventistischer Auffassung die Drangsalszeit erst im Jahr 2031 beginnen würde, konnte aber nicht sagen, wie man auf dieses Datum kam. Ruth wies darauf hin, dass mit „diese Generation“ in Mt.24:34 nur jene gemeint sein könne, die die Gründung des Staates Israels miterlebt habe und es daher nicht mehr lange dauern könne.

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