„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– Kurzer Reisebericht und Beschreibung der Situation in Peru

„Lass den Elenden und Armen Deinen Namen loben!“ (Ps. 74:21)

Kurzer Reisebericht und Beschreibung der Situation in Peru

Unsere 10-wöchige Reise nach Peru (09.12.22-16.02.23) fiel diesmal zusammen mit massiven Aufständen, die seit der Verhaftung des peruanischen Präsidenten Pedro Castillo entstanden sind und die in der Folge über 60 Tote, unzählige Verletzte und einen wirtschaftlichen Schaden in dreifacher Millionenhöhe angerichtet haben. Dennoch hat der HErr Gnade geschenkt, dass wir trotz aller Widrigkeiten das Evangelium verkündigen konnten. Auf den Plaza de San Martin, wo ich sonst immer predigte, ging es diesmal nicht, weil dieser – wie viele Plätze – von der Polizei gesperrt war wegen der manifestantes („Demonstranten“). Stattdessen ging ich jedes Mal auf den Plazuela de San Augustín, direkt neben einem Kloster im historischen Zentrum von Lima, und predigte dort vor etwa 50 Passanten, die sich auf den Bänken im Schatten der Bäume ausruhten.

Gleich am ersten Tag übergab ein gewisser Juan José (45) sein Leben in die Hände Jesu, der in den letzten 12 Jahren aufgrund der Trennung von seiner Frau auch seinen Glauben verloren hatte. Und dann gab es da noch eine Goldschmiedin namens Leoniza (50), die erst kürzlich gläubig wurde und in ihrer Pfingstgemeinde geistlich am verhungern war. Seither ging sie nicht nur jedes Mal mit zu unserem Hauskreis, sondern öffnete sogar ihre eigene Wohnung für den HErrn, so dass wir uns auch bei ihr versammelten. Sie bittet um Gebet für ihren Sohn Ivan (22), dass er doch auch gläubig werde.

Auch in den folgenden Wochen schenkte der HErr immer wieder Bekehrungen, und zwar ein gewisser Alexander (ca. 30), Omar (62), Salomon (47), José-Ruben (ca.40), Luis (ca. 20) und Jorge (70). Jorge z.B. ist ein ehemaliger Drogenhändler von höherer Bildung, der später durch den Konsum einer Droge namens Ayahuasca (Quetcha: „Todes-Strick“) unter dauernden Wahnvorstellungen und Paranoia litt und schließlich obdachlos wurde. Ich erinnerte mich an das Gleichnis in Lukas 10 und gab ihm Geld, damit er für die nächsten zwei Tage versorgt ist. Dann trafen wir uns erneut und ich übergab ihm ein paar Strümpfe und Unterwäsche, die Ruth für ihn gekauft hatte. Auch dem Luis gab ich Schuhe, eine Hose und Unterwäsche, da er ebenfalls obdachlos ist. Dem Jorge schenkte ich auch eine Bibel und lud ihn zur Versammlung ein, aber er kam leider nicht.

Die Geschwister, die wir in Lima kennen, versammeln sich in zwei Hauskreisen, und zwar freitagabends bei uns im Stadtteil La Victoria und samstagmorgens bei Bruder Fancisco im Stadtteil Lince. Es gibt unter ihnen vier Brüder, die behindert bzw. gesundheitlich angeschlagen sind:

1.) Augusto (76) erlitt vor 20 Jahren einen Schlaganfall und ist seither ein Pflegefall. Er sitzt den ganzen Tag in seinem 12 qm großen Zimmer im 4.Stock eines Wohnblocks und bekommt so gut wie keinen Besuch, da er keine Verwandten hat. Deshalb besuchten Ruth und ich ihn regelmäßig und lasen ihm immer aus der Bibel vor. Durch die Besuche ist inzwischen auch sein Pfleger, Felix (56), ein Schwarzer, gläubig geworden.

2.) Pedro (ca.55), ein ehemaliger Theologe und Prediger, ist aufgrund seines Diabetes seit 12 Jahren beinamputiert an den Rollstuhl gefesselt und zugleich erblindet. Im Oktober 2021 konnte er eines Morgens wie durch ein Wunder wieder auf einem Auge sehen. Da er sehr arm ist, haben wir ihm eine größere Spende von den deutschen Geschwistern übergeben. Er bedankte sich, indem er mir seine alte Ledermütze schenkte.

3.) Luis (63), ein ehemaliger Krankenpfleger und Schweißer, leidet seit Jahren unter Cluster-Kopfschmerzen, Diabetes und Sehschwäche. Seine Schmerzen sind oftmals so stark, dass seine Schmerztabletten kaum noch Wirkung zeigen und er sich wünscht, dass Gott ihn heimrufen möge, zumal er sich auch völlig unnütz fühlt. Auch er bekam eine Spende, sowie Schmerzmittel von Ruth.

4.) Zeferino (ca. 60), ein ehemaliger Aushilfslehrer, ist seit Jahren arbeitslos und leidet unter Lungenfibrose. Seine Frau ließ sich vor zwei Jahren von ihm scheiden, bekam dann aber Krebs, weshalb er sie pflegen musste. Seit längerem arbeitet er bei Bruder Heraclio als Aushilfe in seinem Orthopädieladen. Er bettelte uns häufig um Geld an, kam aber oft nicht zum Hauskreis.

Anfang Januar bewarb ich mich bei zwei Instituten als Deutschlehrer, um während meiner zukünftigen Aufenthalte in Peru in Teilzeit arbeiten zu können. Da mir aber noch gewisse Qualifikationen fehlten, gab ich es vorerst auf und bot stattdessen dem Bruder Francisco an, seine Tierarztpraxis kostenlos zu streichen von innen und außen, was ich dann auch den ganzen Januar hindurch tat, hautsächlich vormittags. Nachmittags bin ich dann regelmäßig mit Ruth in die Stadt gefahren zum Evangelisieren. Wir mussten aber schon um 18:00 Uhr wieder aufbrechen, weil dann die Protestmärsche begannen, die regelmäßig in gewalttätige Ausschreitungen eskalierten mit Steinwürfen, Plünderungen und Brandanschlägen. Viele Läden schlossen deshalb schon z. T. um 15:00 Uhr, zumal auch viele Kriminelle die Gunst der Stunde nutzten, da die meisten verfügbaren Polizisten durch die Proteste gebunden waren. Im Folgenden gebe ich mal einen persönlichen Einblick über die Ereignisse in Peru und deren geschichtliche Ursachen:

Kurzer Überblick über die Lage in Peru

Vorab sei bemerkt, dass sich die folgenden Darlegungen nicht auf professionellen, journalistischen Recherchen stützen, sondern vor allem auf meinen eigenen, oberflächlichen Kenntnissen und Beobachtungen hier in Lima, die jedoch immerhin aufschlussreicher sein dürften als das, was die meisten von uns gemeinhin aus den öffentlichen Medien erfahren:

Tatsächlich reichen die Ursachen der gegenwärtigen Ausschreitungen und Massenproteste der Armen gegen die Reichen weit zurück in die Kolonialzeit vor 100 Jahren, als sich Europäer und Amerikaner wie selbstverständlich an den Grundstücken und Rohstoffen Perus bedienten und bereicherten. Wir können heute davon ausgehen, dass es damals nicht wirklich gerecht zuging, jedenfalls nicht im moralischen Sinne. Andererseits muss man feststellen, dass die extreme Armut in Peru in den letzten 100 Jahren von ursprünglich 90 % auf heute 5 % verringert werden konnte, so dass man folgern kann, dass die „bösen Reichen“ dem Lande zu einigermaßen Wohlstand verholfen haben (als „extrem arm“ gilt, wenn jemand WENIGER als 1,90 Dollar am Tag zum Leben hat, also jeden Tag ums Überleben kämpfen muss). Dennoch ist die Kluft zwischen arm und reich in Peru immer noch gewaltig: etwa 30 % der Peruaner leben noch immer unter der Armutsgrenze (d.h. wenn das Einkommen nicht mehr für lebensnotwendige Bedürfnisse reicht), weitere 40 % als relativ Arme (ca. 200 €/Monat), 25 % haben ein mittleres Einkommen (450 € im Monat) und etwa 5 % haben ein Einkommen von mehr als 1.500 € und gelten damit als reich (Instituto Nacional de Estadística e Informática de Perú).

Nach der Unterwerfung der kommunistischen Terrororganisationen durch Präsident Fujimori in den 90er Jahren, erlebte das Land trotz aller Korruption einen enormen Aufschwung, so dass es heute zu den wirtschaftlich stärksten Ländern Südamerikas zählt. Davon profitierten jedoch vor allem jene, die schon zuvor wohlhabend waren, während die arme Mehrheit im Land sich immer weiter abgehängt fühlt. Die ständigen, aufgeflogenen Korruptionsskandale hinterließen bei den Menschen den Eindruck, als würden sich die Politiker ständig nur die Taschen vollstopfen, anstatt die Lebensumstände der Armen durch Reformen zu verbessern. Besonders der sog. Odebrecht-Skandal, bei dem ein brasilianischer Baukonzern sämtliche Politiker Lateinamerikas geschmiert hat, hat eine riesige Rücktritts- und Verhaftungswelle unter den Politikern Perus ausgelöst. Es gibt wohl kaum ein Land der Welt, in welchem so viele Präsidenten nach ihrer Amtszeit im Gefängnis landeten wie in Peru, wobei einer bei seiner Verhaftung Selbstmord beging und ein anderer noch gerade rechtzeitig in die USA flüchten konnte. Auf jeden Fall sind die Peruaner von ihren Regierungen schwerst enttäuscht worden.

Im Jahr 2021 wurden dann wieder Wahlen abgehalten, und es gewann mit 12 % der Stimmen ein völlig unbekannter Außenseiter einer sozialistischen Partei, nämlich der Grundschullehrer Pedro Castillo (53). Bei der Stichwahl trat er gegen Keiko Fujimori (47) an, der Tochter des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, der zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt war. Sie gehörte wiederum einer rechtsextremen Partei an, so dass das Volk die Wahl hatte zwischen Pest und Cholera. Als Pedro Castillo dann gewählt wurde, befürchteten die Unternehmer und Konzerne, dass er jetzt eine Verstaatlichung der Industrie plane wie in Venezuela, aber Castillo winkte ab und versuchte, die Gemüter zu beruhigen. Tatsächlich aber umgaben dem neuen Präsidenten von Anfang an ehemalige Terroristen und kommunistische Hardliner als Berater und Strippenzieher, so dass jederzeit mit einem politischen Umsturz von oben zu rechnen war. Dies geschah dann auch am 07.12.22, als Pedro Castillo die Auflösung des Parlaments verkündigte und von nun an per Dekret weiterregieren wollte, also im Grunde ein Putsch und Verrat an der Demokratie. Die Abgeordneten drehten nun den Spieß um und erklärten den Präsidenten für unzurechnungsfähig. Sie ignorierten den Aufruf und ließen Castillo wegen seines Putschversuchs verhaften. An seine Stelle trat die Vize-Präsidentin Dina Boluarte.

Schon kurz darauf brachen die Proteste los. Überall im Land gingen die Menschen auf die Straße – zunächst friedlich, aber dann warfen sie Steine auf die Polizisten, zündeten Wagen und Autoreifen an und blockierten die Fernstraßen. Zunächst hofften die Politiker noch, dass sich der Aufstand zum Jahresende wieder beruhigen und die Proteste abflauen würden. Doch dann eskalierte die Situation immer mehr: Flughäfen wurden besetzt und Gebäude angezündet. Die Demonstranten wurden immer gewalttätiger und nahmen nun auch Tote billigend in Kauf. Es mischten sich nachweislich auch immer mehr ehemalige Kämpfer des Sendero Luminoso („Leuchtender Pfad“) mit Waffen unter die Demonstranten und verübten sog. False-Flag-Anschläge, um sie der Regierung anzulasten und den Hass noch weiter zu schüren.

Eines Nachts am 10.01.23 patrouillierten drei Polizisten in Juliaca, als eine Meute von ca. 80 Manifestantes sie umzingelte und zum Aussteigen aus ihrem Wagen zwang. Die Polizisten machten bewusst keinen Gebrauch von ihren Waffen, um den Unmut zu beruhigen. Als sie jedoch dann mit Stöcken und Steinen gezwungen wurden, ihre Waffen abzulegen, gelang es noch zweien von ihnen rechtzeitig zu fliehen, während der Dritte unter viel Geschrei immer wieder geschlagen und schließlich mit seiner eigenen Waffe angeschossen wurde. Doch noch immer rang der Unteroffizier José Luis Soncco (29) um sein Leben. Nun warf man kübelweise Müll auf ihn, zündete das Polizeiauto an, übergoss ihn mit Benzin und verbrannte ihn schließlich bei lebendigem Leibe.

Seit diesem Vorfall schießt die Polizei schon des Öfteren mal scharf, wenn es brenzlig wird, so dass seit Beginn der Ausschreitungen schon mehr als 60 Menschen ihr Leben verloren, sowie etwa 1.500 Verletzte, unter ihnen allein 700 Polizisten. Jeden Tag ist hier in Lima ein Krieg auf der Straße, in der Innenstadt riecht es abends nach Tränengas und überall liegen schwere Steine auf dem Boden, die man zuvor gegen die Polizisten geworfen hat. Diese halten ihre Schutzschilde wie das Römische Heer dicht an dicht, damit möglichst kein Stein trifft. Insgesamt stehen in Lima den ca. 15.000 – 20.000 Demonstranten jeden Tag etwa 6.800 Polizisten gegenüber und versuchen der Lage Herr zu werden. Einmal sah ich, wie etwa 100 Polizisten zusammenstanden und gemeinsam ein Lied sangen, um sich zu motivieren. Ruth und ich kauften ihnen Getränke und segneten sie im HErrn.

In anderen Städten Perus ist es z.T. noch schlimmer, besonders im Süden. Vielerorts wurde zum Generalstreik aufgerufen, und wenn ein Ladenbesitzer sich nicht daran hält, wird sein Laden kurzerhand geplündert und danach angezündet. In Puno haben sie sogar ein Polizeikommissariat in Brand gesteckt, nachdem sie die Polizisten zuvor gewarnt hatten, das Gebäude zu verlassen. Da der Kongress noch immer eine Wiedereinsetzung Castillos ablehnt und auch keine vorgezogenen Neuwahlen möchte (zumal sie dann ja auch ihr Mandat und damit ihr Abgeordnetengehalt verlieren würden), wollen die Demonstranten bis zum bitteren Ende kämpfen, zumal sie aus ihrer Sicht nichts mehr zu verlieren haben, und z.T. den Tod der Armut vorziehen. Ihre Geduld mit dieser korrupten Politikerkaste ist endgültig vorbei. Alles ist ihnen lieber als der Status Quo, der sie zu einem Dasein in Armut zwingt nach dem Motto: zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Die rot-weiß-rote Nationalflagge Perus wurde von den Demonstranten jetzt getauscht in eine schwarz-weiß-schwarze Flagge, die sie überall auf den Straßen schwenken. Mitte Januar riefen sie dann im ganzen Land zur „Einnahme von Lima“ auf, so wie Mussolini 100 Jahre zuvor zum „Marsch auf Rom“ aufrief. Als dann ein historisches Gebäude in der Innenstadt von Lima in Flammen aufging, rief die Regierung den Notstand aus und setzte das Militär ein. In vielen Städten gilt jetzt wieder eine nächtliche Ausgangssperre. Doch schon ab 16:00 Uhr schließen die meisten Läden aus Angst vor Plünderungen. Die Leute fliehen regelrecht, um noch schnell einen der letzten Busse zu kriegen, denn wenn die Märsche beginnen, werden viele Straßenzüge abgeriegelt oder sind unpassierbar.

Da viele Landstraßen überall im Süden Perus blockiert sind, haben sich die Waren deutlich verteuert. Ein Kilo Kartoffeln kostete letztes Jahr nur ca. 2 Soles (0,50 Cent)/Kilo, inzwischen aber schon 15 Soles d.h. 3,75 €! Tonnenweise werden Fische und Gemüseladungen in den LKWs nun weggeworfen, weil sie in der Hitze verfault sind. Verdorbene Milch wird von den Molkerei-LKWs hektoliterweise auf die Straße ausgegossen. Touristen sitzen in ihren Urlaubsorten fest, zumal es auch vielerorts kein Benzin mehr gibt. Etwa 300 Touristen mussten von Machu Picchu aus 6 Stunden mit ihrem Gepäck durch den Regenwald, weil der Zug ausgefallen war. Städte wie Puno oder Puerto Maldonado sind komplett von der Außenwelt abgeschnitten und werden durch Armeehubschrauber mit Nahrungsmitteln versorgt. An vielen Geldautomaten gibt es kein Bargeld mehr, da sie nicht mehr aufgefüllt werden konnten. Wegen fehlender Einnahmen durch Touristen können viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter kaum noch bezahlen. Krankenhäuser klagen über fehlende Belieferungen mit Sauerstoff und Blutkonserven. Diese apokalyptischen Zustände erinnern mich an Habakuk 3:15-17 „Ich zitterte am ganzen Leib, als ich es hörte, ich vernahm den Lärm und schrie. Der Schreck fuhr mir in die Glieder, und meine Knie wurden weich … Zwar blüht der Feigenbaum nicht, der Weinstock bringt keinen Ertrag, der Ölbaum hat keine Oliven, die Kornfelder keine Frucht … Ich aber will dennoch jubeln über den HErrn, will mich freuen über den Gott meines Heils.“

Bitte lasst uns gemeinsam beten für dieses Land, dass es den wahren Frieden finde (1.Tim.2:1-4)!

Seid dem HErrn befohlen! Euer Bruder Simon

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