„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– Missionsreisebericht Peru/Ecuador 2018

„Als sie aber wieder angekommen waren… berichteten sie ausführlich und der Reihe nach, wie viel Gott mit ihnen getan hatte, und dass Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan hatte.“ (Apg.14:27)

Bremen, den 10.02.2018

Geliebte Geschwister,

Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem HErrn Jesus Christus!

Nachdem ich durch Gottes Güte am Freitag wohlbehalten wieder in Deutschland angekommen bin, gebe ich Euch im Folgenden meinen ausführlichen Bericht über all das, was der HErr auf dieser Reise gewirkt hat an Erlebnissen und Wundern. Da ich jeden Abend mit meinem Laptop aufgeschrieben hatte, was jeweils passiert ist, sind es am Ende doch recht viele Seiten geworden. Der HErr hat mir als ebenso „Geringsten von allen Heiligen“ die Gnade geschenkt, dass ich in Peru und Ecuador an vielen Tagen und z.T. vor Hunderten von Zuhörern den „unausspürbaren Reichtum des Christus“ als Evangelium verkünden durfte (Eph.3:8).

Reisetagebuch Peru / Ecuador 10.01. – 09.02.2018

LIMA, 10.01.2018 Nachdem wir am Abend durch Gottes Güte wohlbehalten in Lima ankamen und von unserem Freund und Bruder Ricardo Pineda (63) und seiner Tochter Liseth (22) abgeholt wurden, lud er uns zunächst bei sich zum Abendessen ein zusammen mit seiner Frau Esperanza (47), seinem Sohn Richard (24) und seiner älteren Tochter Sara (26). Wir beteten gemeinsam und dankten Gott für alle Bewahrung auf dem Weg; am Abend fuhr Ricardo uns nach Haus, bzw. der elterlichen Wohnung in der Nachbarschaft, die Ruth nach dem Tod ihrer Eltern geerbt hatte. In der leeren Wohnung roch es mal wieder stark nach Schimmel, da in den letzten 12 Monaten niemand da war, um zu lüften. Es gab auch stellenweise starke Salzausblühungen, aber wenigstens diesmal keine Ratten, wie z.T. die anderen Male.

LIMA, 11.01.2018 Am nächsten Morgen wechselten wir erstmal Geld und gingen auf den Markt zum Einkaufen. Um diese Jahreszeit ist ja alles in Hülle und Fülle vorhanden, auch seltene Obstsorten wie Chirimoya, Lucuma, Maracuja, Mango, Mamey, Granadillas, Ciruelas und Tuna (Kaktusfrucht). Peru soll ja auch die besten Mango-Arten der Welt haben, und ein Kilo kostet gerade einmal nur 2 Soles (umgerechnet 0,50 €), weil es neben Maracuja die mit Abstand häufigste Frucht ist, die wie bei uns die Äpfel als Fallobst überall achtlos herumliegt. Es ist 25 °C warm und sonnig. Zum Mittag aßen wir Cebiche (ausgesprochen: „Sevitsche“), das peruanische Nationalgericht, das dort in etwa so beliebt ist, wie bei uns Döner bzw. Giros. Es besteht aus rohem Fisch, der klein geschnitten, mit Limettensaft angemacht wird unter Hinzunahme von Zwiebeln, Chili, Süßkartoffel, Maniok, Seetang und geröstetem Mais. Ich freue mich so sehr, meine Ruth zum ersten Mal nach langer Zeit wieder so glücklich zu sehen. Auch ihre Schmerzen sind – wie jedes Mal, wenn sie wieder in ihrer Heimat ist – wieder fast verschwunden, dem HErrn sei Dank!

Als wir mittags nach Hause kamen, ließ sich die Tür nicht öffnen, da das Schloss alt war und klemmte. Ich schlug die Scheibe ein, um mit der Hand durch die Vergitterung von innen zu öffnen, aber auch das funktionierte nicht. Wir beteten und riefen einen Schlosser, der uns die Tür mit einem Stemmeisen aufbrach. Später mussten wir dann eine neue Scheibe einsetzen und die zerstörte Riegelhalterung schweißen lassen.

Am späten Nachmittag ging ich mit Ricardo zu seinem Neffen Miguel Pineda (43), der noch nicht gläubig ist. Zunächst spielten wir eine Weile Tischtennis und dann sprach ich ihn auf den Glauben an. Er erzählte uns, dass er bisher immer ein guter Katholik war, aber dass er seit einiger Zeit in einer unehelichen Beziehung lebe. Ihm sei bewusst, dass dies nicht recht sei, aber könne sich auch nicht vorstellen, dass Gott so kleinlich sei und er allein deshalb schon in die Hölle käme. Zudem habe er gehört, dass das Christentum möglicherweise kopiert wurde von der Religion der alten Ägypter. Wir sprachen 2 Stunden mit ihm und beantworteten ihm viele Fragen. Wir merkten, dass er allmählich „weich“ wurde, aber zu einer Lebensübergabe hat es noch nicht gereicht. Trotzdem beteten wir zum Schluss noch zusammen und befahlen ihn dem HErrn und Seiner Retterliebe an.

LIMA, 12.01.2018 Obwohl wir gut geschlafen hatten, fühlte Ruth sich am Morgen schwach und krank. Ich schimpfte mit ihr, dass sie sich Tags zuvor von dem kontaminierten Leitungswasser Kaffee gemacht hatte. Sie hatte es zwar abgekocht, aber das reicht manchmal nicht aus. Wir überlegten schon, zum Arzt zu gehen, doch dann fiel uns ein, dass wir unseren himmlischen Arzt um Hilfe bitten sollten. Im Gebet erinnerte sich Ruth an etwas, das wir gerade am morgen gelesen hatten in Mt.5:21-26 und sie bat den HErrn um Vergebung für ihre ständigen Wutanfälle. Und tatsächlich: schon 5 Minuten nach dem Gebet ging es Ruthi wieder so gut, dass sie Wäsche aufhing und ihre Freundin Miluska besuchte, die ebenso wie sie Tierärztin war und für die Ruth dringende Medikamente aus Deutschland mitgebracht hatte.

Nach dem Mittagessen fuhren wir in die Innenstadt von Lima, um dort das Evangelium zu predigen. Bei einer Bevölkerung von etwa 33 Millionen Peruanern, leben allein 11 Millionen in der Hauptstadt Lima. Entsprechend überfüllt sind die Straßen, und das Ellenbogenrecht steht bei den meisten noch vor der Straßenverkehrsordnung. Lima ist eine sehr hässliche Stadt. Da es nie regnet, sind die Häuserwände meist alle von einer dicken Staubschicht bedeckt. Bedrückend ist auch die allgegenwärtige Armut, weil es hier keinerlei Sozialhilfe gibt; bettelnde Indiofrauen und Kinder finden sich hier zuhauf an jeder Straßenecke. Einer der beiden großen Plätze im Stadtzentrum ist der Plaza de San Martin, wo ich bei der letzten Reise mit Bruder Klaus Rost (46) gepredigt und viele zugehört hatten. Dieser Platz eignete sich besonders gut, weil es dort viele Sitzgelegenheiten und schattenspendende Bäume gab. Es war so eine Art Areopag, wo sich Intellektuelle trafen, die keine Arbeit hatten, den ganzen Tag über Politik diskutierten und über die Regierung schimpften. Doch als wir ankamen, war der Platz durch eine Vielzahl von Polizisten gesperrt, weil es in den Tagen zuvor dort regelmäßige Demonstrationen gegeben hatte gegen die korrupten Politiker mit Sachbeschädigungen. Wir suchten einen anderen Ort in der Fußgängerzone, aber es gab überall viel zu laute Musik, gegen die man kaum „gegenanpredigen“ konnte. Ruth war so ungeduldig, dass sie lieber das Vorhaben verschieben wollte, um noch andere Dinge zu erledigen. Wir stellten uns dann in eine Ecke und ich betete mit ihr, dass der HErr uns doch Weisheit geben möge, was wir tun sollten.

Dann gingen wir zurück zu jenem Plaza de San Martin, wo wir am Rande eine große Menschenansammlung sahen, die einem professionellen Musiker zusah. Plötzlich kam ein Polizeiauto und hielt an. Zwei Polizisten stiegen aus und erklärten, dass der Musikant alles abräumen müsse, da er keine Erlaubnis habe, dort öffentlich zu spielen. Daraufhin geriet die Menschenmenge in Rage und beschimpfte die Polizisten von allen Seiten. Der Musikant räumte alles ein und zog von dannen, aber die Leute waren aufgebracht, weil es doch schließlich nicht um Politik sondern um Kunst ging. Die Situation drohte zu eskalieren, weil sich die Polizisten allmählich von dem Pöbel bedroht sahen. Beinahe fluchtartig fuhren sie wieder davon, während die Menge nicht wusste, wohin mit ihrer Wut.

Alle standen also noch einen Moment herum, da merkte ich, dass der HErr unser Gebet erhört hatte. Es war, als hätte der HErr mir einen Fußball direkt vors Tor gelegt und ich brauchte den Ball nur noch reinstoßen. So holte ich schnell meine Bibel hervor und fing an, laut das Evangelium zu predigen. Sofort umringte mich die Menge und hörte mir eine Weile zu. Es waren etwa 100 oder 150 Personen. Doch dann ging es los, dass sie mir ins Wort fielen, mir widersprachen und Fangfragen stellten. Es waren überraschend viele Atheisten und Agnostiker unter ihnen, aber auch viele junge Leute, die still waren und einfach nur zuhörten, um etwas zu lernen. Zeitweise redeten alle gleichzeitig auf mich ein, so dass ich gar nicht wusste, wem ich zuerst antworten sollte. Der HErr schenkte mir aber Konzentration, dass ich die Fangfragen auch immer wieder biblisch beantworten konnte. Doch dann tat sich ein besonders aggressiver Redner hervor, der mir voller Wut eine Standpauke hielt. Zu meiner Überraschung war aber das meiste, was er sagte, im Prinzip richtig, so dass ich mich fragte, warum er eigentlich so wütend war. Es stellte sich am Ende heraus, dass er einer christlichen Sekte angehörte, namens Alpha und Omega, die zwar an die Bibel glaubt, aber zusätzlich noch an andere Dinge wie Außerirdische etc. Auf jeden Fall wurde diese Podiumsdiskussion am Ende ruhig und sachlich geführt, sodass ich Vieles aus dem Wort Gottes erklären konnte. Möge der HErr dieses Zeugnis segnen!

Als ich mich am Ende verabschiedete, kamen drei Brüder auf mich zu, die wissen wollten, zu welcher Gemeinde ich gehörte usw. Auch einer der Agnostiker wollte sich noch mit mir unterhalten über die scheinbaren Widersprüche in der Bibel. Er holte plötzlich eine völlig zerlesene Bibel aus seinem Rucksack, die an vielen Stellen unterstrichen war, was uns sehr überraschte. Ich gab ihm Zeugnis davon, dass ich selber vor 4 Jahren noch ein Agnostiker war, aber dass sich all meine Argumente in Luft auflösten, als der HErr sich mir offenbarte. Er erzählte uns, dass er aufgrund einer unheilbaren Krankheit mit starken Schmerzen sich das Leben nehmen wollte, aber ein Freund ihm sagte: „Bevor Du das tust, lass uns doch noch mal zu einem „brujo“ (Schamane) gehen, denn vielleicht wird er dich heilen können.“ Und tatsächlich ging es ihm schon kurz darauf wieder viel besser, was er jedoch nicht dem Schamanen, sondern dem Zufall zuschrieb. Wir verblieben so, dass wir miteinander im Kontakt bleiben. Er heißt Pedro Castañeda.

Einer der 3 Brüder namens Alejandro (41), der in der Asamblea de Dios (Pfingstgemeinde) aufgewachsen war, begleitete uns zum Schluss zur Wohnung von Ricardo, wo wir am Abend Bibelstunde hatten. Ricardo bat mich, eine ermahnende Botschaft zu bringen wegen seiner Frau Esperanza (47) und seinem Sohn Richard (24), die schon seit längerer Zeit nicht mehr wirklich mit dem HErrn wandeln, sondern weltgleichförmig geworden sind. Und so sprachen wir über das Gleichnis von den 10 Jungfrauen in Matth. 25:1-13 und die nahe bevorstehende Wiederkunft des HErrn, dem wir alle einmal Rechenschaft ablegen müssen. Auch für diese beiden können wir beten, dass der HErr sie ziehen möge, damit sie zur Buße kommen.

ICA, 13.01.2018 Am Morgen erhielten wir Besuch von unserer Glaubensschwester Eva Curo Ccencho (46), mit der wir seit unserer letzten Reise aufs Engste befreundet sind. Sie hatte eine schwere Kindheit, weil sie mit 11 Jahren jeden Tag von ihrem Schwager sexuell missbraucht wurde. Nachdem wir zusammen gefrühstückt hatten, machten wir uns zusammen mit ihr auf die Reise zur Wüstenstadt Ica, im Süden von Peru, wo der Bruder von Ruth namens Israel Condori (63) wohnt, zusammen mit seinen beiden Söhnen Jonathan (31) und Joel (30). Nach 5 stündiger Busfahrt kamen wir gegen 16.00 Uhr an. Ica ist in einem Tal, das umgeben ist von bis zu 200 m hohen Sandbergen (Dünen), die sich kilometerweit bis zur Atacamawüste erstrecken an der Grenze zu Chile. Aufgrund des Klimaphänomens El Niño hat es hier noch nie geregnet; dennoch bekommt der Ort genügend Wasser zur künstlichen Bewässrung aus den Gebirgsflüssen. Bruder Israel hat hier innerhalb einer Art Parzellengebiet ein Landhaus mit einem großen ummauerten Grundstück voller großer Mango-, Avocado-, Maracuja- und Limettenbäumen. Im Haus gibt es einen großen Versammlungsraum und viele Zimmer für Übernachtungsgäste. Israel arbeitet hier als Naturmediziner und bringt jeden Monat eine Schrift heraus namens „Fuego ardiente“ („Brennendes Feuer“). Brennen tut auch die Sonne hier, und zwar im Sommer bei ca. 40 °C im Schatten, und auch in der Nacht ist es im Haus mit ca. 35 °C wärmer als draußen, so dass man kaum schlafen kann. Zudem bellen auch noch die ganze Nacht Hunde aus der Nachbarschaft.

ICA, 14.01.2018 Um kurz nach 4.00 Uhr in der Nacht zu Sonntag weckte mich Ruth, denn die Erde bebte. Wir beteten zusammen um Bewahrung, und noch bevor wir Amen sagten, hatte es auch schon wieder aufgehört. Später erfuhren wir, dass es ein Erdbeben der Stärke 7,2 auf der Richterskala war, und dass es in Arequipa auch Tote und Verletzte gegeben haben soll. Möge der HErr den Hinterbliebenen Trost und Zuversicht schenken durch den Glauben an Jesus Christus!

Am Morgen fuhren wir nach dem Frühstück zum Friedhof nach Parcona, am Stadtrand von Ica, am Fuße des Gebirges. Ruths Mutter war im letzten Sommer heimgegangen, und da sie nicht dabei sein konnte, wollte Ruth das Grab besuchen, um dort zu weinen und Blumen abzulegen. Nach dem Mittag bekamen wir Besuch von den Söhnen Israels zusammen mit Joels Frau Karelia (23) und Jonathans Verlobten Ivana (20), sowie auch Roxana (45), der Pflegetochter Israels, und ihrem Mann Fredy (35). Sie wollten mit uns unsere Silberne Hochzeit feiern und luden uns nach dem Essen zu einem Ausflug ein nach Huacachina, einer Oase in der Wüste, wo man auch schwimmen konnte. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, um mal eine Wüstenwanderung zu machen; aber schon als ich eine der 200-Meter-hohen Sanddünen nur bis zur Hälfte bestiegen hatte, verließen mich die Kräfte.

Als um 18.00 Uhr dann eigentlich der Gottesdienst beginnen sollte, war noch kein Einziger da, denn die Peruaner haben es ja nicht so mit der Pünktlichkeit. Um 18.20 Uhr kam dann der erste Bruder, Justo Checclio (ca. 65), und nach und nach dann auch viele andere Geschwister. Doch auch nachdem wir dann endlich um 18.50 Uhr anfingen, kamen bis 19.15 Uhr noch viele weitere Geschwister mit all ihren Kindern, so dass der Raum am Ende ziemlich voll wurde. Ich durfte eine Predigt halten über Jakobus 4 und im Anschluss feierten wir das Abendmahl. Schwester Irene (ca. 60) stellte mir am Ende mehrere Fragen. Sie war sichtlich angetan von der Predigt und meinte, ich hätte eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem kanadischen Missionar Dr. Arthur Allan Vincent (1897-1991), der damals all diese Gemeinden mitgegründet und über Jahrzehnte durch Besuche betreut hat. Danach hatte ich dann noch ein vertrauliches Gespräch mit Joel, der mir seine Sünden bekennen wollte und von Herzen Buße tat im gemeinsamen Gebet.

ICA, 15.01.2018 Heute morgen bin ich schon um 6.00 Uhr aufgestanden und habe auf der Dachterrasse meine Stille Zeit gehalten, während gerade die Sonne aufgeht. Überall krähen die Hähne und gurren die Tauben, während ich hier gerade mein Tagebuch schreibe. Es ist hier wirklich paradiesisch schön. Vielleicht sollten Ruth und ich hier nach Ica ziehen. Denn wenn bald der Antichrist kommt und wir nicht mehr kaufen oder verkaufen können ohne das Malzeichen anzunehmen, dann können wir uns hier unabhängig vom Staat selbst versorgen, indem wir ein Stück Land kaufen und es mit Obst und Gemüse bepflanzen für den Eigenbedarf. Hier braucht man keine Heizkosten, und auch das Wasser ist hier ohne Mengenbegrenzung derzeit mit umgerechnet 3,50 Euro im Monat so gut wie umsonst. Heißt es nicht in Offb.12, dass der HErr die Seinen in die WÜSTE bringen will, um sie dort während der Drangsalszeit zu versorgen? Hier ist die Wüste sogar im wahrsten Sinne des Wortes!

Für 9.00 Uhr hat Israel heute ein Treffen organisiert mit dem lokalen Fernsehsender „Canal 9“. Er hatte mir schon vor ein paar Tagen angekündigt, dass ich dort als Deutscher die Möglichkeit bekommen würde, in einem Interview etwas über Deutschland, Peru und die Zukunft der Welt zu sagen. Deshalb bete ich zum HErrn, dass Er diese Gelegenheit gebrauchen möge, um mir die richtigen Worte in den Mund zu legen zum Zeugnis. Heute morgen stieß ich bei der Bibellese auf die Worte in Mt.9:36-38, und mir kam der Gedanke, dass auch die Peruaner derzeit im doppelten Sinne ohne „Hirten“ sind. Denn die Präsidenten der letzten 20 Jahre waren alle korrupt und haben die Staatskasse um viele Millionen Dollar ausgeplündert, während das Volk z.T. in bitterer Armut lebt. Hinzu kommt die immer weiter angestiegene Verbrechensrate in Peru. Schon bei geringsten Überfällen werden die Opfer gleich erschossen. Auch hat sich die Mafia in Lima breit gemacht und erpresst die Geschäfte. Jeder Ladenbesitzer, der sich weigert, eine Abgabe an die Mafia zu geben, dessen Laden fliegt schon kurz darauf in die Luft, samt Ladenbesitzer und Kunden. Auch Bürgermeister, Präfekten oder Stadträte arbeiten oftmals mit der Mafia zusammen. Sogar Kinder werden häufig zu Mördern, weil sie strafunmündig sind.

LIMA, 15.01.2018 Das Live-Interview war ein voller Erfolg, dem HErrn sei Dank! Wir hätten eigentlich schon etwas vor 9.00 Uhr da sein müssen, denn so blieb fast keine Zeit mehr, um mit dem Moderator zu sprechen. Es blieb nur noch Zeit, mir ein Mikrofon anzustecken, denn die Sendung ging schon los. Die erste Frage, die er mir stellte, war, wie ich als Deutscher die gegenwärtige politische Situation in Peru einschätzen würde. Zum Glück hatte ich mich zuvor etwas informiert über den Präsidenten Pedro Pablo Kuczinsky (von allen einfach nur „PPK“ genannt) und den sog. „Odebrecht-Skandal“, in den er verwickelt war. Um mich jedoch nicht zu blamieren, lenkte ich das Gespräch auf die weltweiten Krisen und erklärte, dass sich durch diese, biblische Prophezeiungen erfüllen würden. Nur einmal kam ich kurz ins Stocken, als ich über die Staatsverschuldungen sprach und nicht wusste, wie man das Wort „Insolvenzverschleppung“ übersetzt. Und dann kam die Frage, welchen Lösungsvorschlag ich denn sehen würde für all diese Krisen. Ich sagte: „Es wird sie vielleicht überraschen, wenn ich das sage, aber es gibt keine Lösung! Die Welt ist dem Untergang geweiht, weil sie sich von den Geboten Gottes abgewandt hat. Die Apokalypse ist unaufhaltsam, und sie ist schon in der Bibel vorhergesagt worden. Die einzige Möglichkeit zur Rettung besteht darin, sich Jesus Christus anzuschließen, indem man Ihn als HErrn und zukünftigen Weltherrscher anerkennt.“ Dann sprachen wir noch über den falschen Messias, der kurz vor der Wiederkunft Christi kommen würde. Und wenn der Fragesteller mich auch vielleicht für verrückt gehalten hatte, so ließ er sich dies nicht anmerken. Nach 20 Minuten war das Interview vorbei, er bedankte sich und wir gingen.

Da wir am Mittwoch nach Ecuador reisen, müssen wir heute Nachmittag nach Lima zurückfahren. Schwester Eva hat uns allen ein sehr leckeres Mittagessen bereitet. Man sieht sie überhaupt immer am Arbeiten. Sie kann nicht eine Minute untätig sein, immer sieht man sie am Fegen, Abwaschen, stricken oder Wäsche waschen (was nicht so einfach ist, da es hier keine Waschmaschinen gibt, sondern alles mit den Händen und Seife gerieben wird). Sie ist für uns wie eine Tochter geworden, weshalb wir sie auch unterstützen wollen, soweit wir können. Weil es hier auf dem Land kaum Firmen oder Fabriken gibt, sind die Gläubigen in Ica z.T. sehr arm; deshalb hatten wir für sie Spenden aus Deutschland mitgebracht und Spielsachen für die Kinder. Mit der Verteilung haben wir Roxana und Israel beauftragt, da diese die Armut und die Bedürfnisse der Geschwister besser kennen als wir.

LIMA, 16.01.2018 Nachdem wir gestern Abend wieder in Lima angekommen sind, aber noch einen Tag Zeit haben vor unserer Abreise nach Ecuador, sind wir heute Nachmittag ins Stadtzentrum nach Lima gefahren, um das Evangelium zu verkünden. Wie sich dann herausstellen sollte, war die gute Hand unseres Gottes über uns:

Der Plaza de San Martin war diesmal zugänglich, und überall sah man größere Menschenansammlungen, wo jeweils Vorträge gehalten wurden über politische oder religiöse Themen. Ich ging zu einer der 3 oder 4 Vorträge und erkannte schnell, dass der Redner mir noch von meiner letzten Reise in 2016 bekannt war. Er erklärte den Menschen den Marxismus und behauptete, dass man alle Gesellschaftssysteme in zwei Gruppen („Konzepte“) aufteilen könne, nämlich die Materialisten (die “Guten“) und die Idealisten (die „Bösen“). Zur Letzteren zählen in seinen Augen natürlich auch die Religiösen, insbesondere die Katholiken, weil sie die Menschen auf ein besseres Leben vertrösten würden, um sie dadurch um so leichter unterdrücken und ausbeuten zu können. Ich entgegnete ihm, dass der Marxismus ja selber eine idealistische Religion sei und dass der Kommunismus Millionen von Toten verursacht habe. Jesus aber habe hingegen Gewaltlosigkeit gepredigt, weshalb all jene keine Christen seien, die Gewalt verüben. Er lies mich insgesamt nur dreimal sprechen, aber dann nicht mehr zu Wort kommen. Zum Glück gab es dafür andere, die ihm auf hohem intellektuellen Niveau widersprechen konnten. Allerdings war die Mehrzahl der Zuhörer auf der Seite des Marxisten, weil er ihnen wegen seines bescheidenen indigenen Aussehens sympathischer erschien. Zum Schluss ließ der Marxist einen „Klingelbeutel“ durch die Reihen gehen mit dem Hinweis, dass er von diesen Vorträgen leben würde.

Dann ging ich zur nächsten Menschenansammlung von etwa 100 Leuten, wo zwei junge Burschen mit Mikrofon und Verstärker den kurz bevorstehenden Besuch des Papstes Franziskus in Lima anprangerten. Es stellte sich bald heraus, dass es sich bei diesen um Nationalisten handelte, welche die Prä-Inka-Kultur als ein goldenes Zeitalter glorifizierten. Als mich einer der Redner sah mit meiner Bibel in der Hand, lud er mich ein, nach vorne zu kommen, um einen Gegenstandpunkt zu vertreten. Daraufhin folgte eine faste eineinhalbstündige, z.T. hitzig geführte Debatte, in welchem wir beide jeweils immer 5 Minuten sprachen und dann dem anderen das Mikrofon überreichten. Wir sprachen über die Evolutionstheorie, über die Eroberung des Inkareiches und die Kirchengeschichte. Vor allem aber durfte ich immer wieder die Evangeliumsbotschaft erklären. Mein Gegner, namens Leonardo, wurde häufig sehr ausfallend und sagte immer wieder „Caracho!“ („Verdammt nochmal!). Und wenn ich mal lauter wurde, sagte er: „Bruder, reg dich ab, denn als Christ musst du doch sanftmütig sein wie eine Taube!“ Ich entgegnete: „Ach, und du etwa nicht?!“ und er sagte: „Nein, denn ich bin ja vom Teufel, deshalb darf ich alles!“ -was zu allgemeinem Gelächter führte. Am Ende lud mich Leonardo für den 30.01. ein, die öffentliche Debatte über scheinbare Widersprüche in der Bibel fortzusetzen.

Als ich mich dann verabschiedete, gingen einige hinter mir her und stellten mir Fragen über das Evangelium und den Heilsplan Gottes. Mir fiel auf, dass die Zuhörer auf dem Platz wesentlich einfältiger und ungebildeter waren als die Redner. Wahrscheinlich verstanden sie nur die Hälfte von dem, worüber wir redeten, sondern wollten einfach nur von ihrem Gefühl her sehen, welcher der beiden Redner irgendwie auf sie den besseren Eindruck macht. Die Redner sind daher im Grunde wie „Rattenfänger“ (oder biblisch gesprochen: „Menschenräuber“), denen die Menge bereitwillig alles abnimmt, wenn es nur irgendwie klug klingt. Um so wichtiger ist es, dass auch wir Gläubigen den gekreuzigten Christus verkünden, denn der Feind schläft nicht. Plötzlich fiel mir ein, dass ich mir von meinem Schwager ein paar Traktate geben ließ mit seinem Stempel, die ich herausholte und die mir förmlich aus der Hand gerissen wurden. Währenddessen gesellte sich ein anderer Bruder zu uns und erklärte die Heilsbotschaft, und als Ruth und Eva mich am Ärmel zogen, weil sie nach Hause wollten, nahm er das Heft in die Hand und predigte weiter. Möge der HErr diesen Dienst segnen und zu dem ein oder anderen gesprochen haben! Und möge der HErr mich vor Hochmut bewahren, indem mir allezeit bewusst sei, dass ich nur ein unnützer Knecht bin, der nur seine Schuldigkeit tut.

GUAYAQUIL, 17.01.2018 Heute Morgen machten Ruth und ich uns auf den Weg nach Guayaquil, der größten Stadt in Ecuador, zusammen mit Bruder Ricardo Pineda. Zum Glück ist auch er genauso kommunikativ wie meine Frau, denn dem Redebedarf, den Ruth hat, könnte ich nie gerecht werden. Ricardo ist von seinem Wesen her etwas neurotisch und überängstlich. Er muss immer alles unter Kontrolle behalten. Das kann zuweilen noch ziemlich anstrengend werden, da ich ja genau das Gegenteil bin. Gerade solch eine Reise kann man gar nicht so genau planen, sondern muss sich einfach auch ein wenig leiten lassen, um zu erkennen, was Gott mit einem vorhat. Aber zum Glück ist er wenigstens nicht empfindlich oder beleidigt, sondern hat eher ein „dickes Fell“. Theologisch gesehen unterscheiden wir uns in unserer Auffassung über die zahlreichen Kirchen und Benennungen. In Ricardos Augen handelt es sich bei all diesen um „falsche Religionen“, die von Freimaurern gegründet wurden und die Menschen betrügen. Als ich ihn darauf hinwies, dass sogar Laodizäa zu den Leuchtern zählt, in deren Mitte der HErr wandelt, behauptete er einfach, dass die Evangelikalen, Baptisten oder Pfingstler nicht zu Laodizäa gehören würden.

Als wir in Guayaquil ankamen, holte uns Bruder Felix Ramirez (45) vom Flughafen ab. Obwohl nur 34 °C auf dem Thermometer waren, fühlte sich die subtropische Luft eher wie 50 °C heiß an, wie in einem Backofen. Felix sagte: „Obwohl ich hier geboren bin, werde ich mich nie an diese Hitze gewöhnen.“ Er fuhr uns zu seiner Mutter Gladys Ramirez (77) nach Chongon, einer Ortschaft etwa 25 km westlich, wo wir auch übernachten sollten. Zusammen mit Felix` Familie aßen wir Abendbrot und unterhielten uns über die Vergangenheit. Felix erzählte uns, dass die Brüder Nelson Mogollon und Jorge Calvache inzwischen schon gestorben seien. Seit dem Scheitern unseres Kinderheim-Projekts 1996 war ich kaum noch in Ecuador gewesen. Deshalb musste ich ihnen bekennen, dass ich damals auch meinen Glauben an Gott verlor, worüber sie sehr erschrocken waren. Ich erzählte ihnen die Umstände und wie der HErr mich vor 4 Jahren wieder zurückholte aus der Verbannung. Am Ende sagte Gladys: „Simon, du machst mir ja richtig Angst. Mach das bloß nie wieder, dass du einfach den guten Hirten verlässt!“ Ich versprach es ihr.

GUAYAQUIL, 18.01.2018 Ecuador ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Bananenrepublik, denn das Land ist der größte Bananenexporteur der Welt. Dabei gibt es zudem etwa 10 verschiedene Sorten: Angefangen von der großen grünen Banane (die ausschließlich zum Braten verwendet wird und wie Kartoffelpuffer schmeckt) bis hin zu den kleinen „Guineos“ (die helloranges Fruchtfleisch haben und sehr süß sind). Darüber hinaus wird in Ecuador aber auch viel Kakao angebaut und exportiert, sowie Riesengarnelen. Heute morgen sind wir nach dem Frühstück in die 3-Millonen-Stadt Guayaquil gefahren. Zunächst besichtigten wir den berühmten Leguan-Park, in welchem es Hunderte von Riesen-Leguane gibt, die frei umherlaufen und fast so groß wie Krokodile sind. Die meisten dösten auf den Mangrovenbäumen in der Sonne und warteten auf die nächste Mahlzeit. Auch heute war es wieder brühend heiß und wir tranken zusammen jeder zwei Becher Guaven-Saft mit Eiswürfeln. Dann gingen wir zum Guayas-Fluss, der über 1 km breit war und eine starke Strömung hatte. Leider hatte es mich dann doch (wie immer) erwischt, dass ich Durchfall bekam, was auf Reisen nicht sehr angenehm ist, weil man nicht immer eine Toilette in der Nähe hat. Dem HErrn sei Dank – fand sich aber schon bald eine öffentliche Toilette.

Gegen Mittag gingen wir in einen Stadtpark, wo viele Leute im Schatten der Bäume ihr Mittagsschläfchen hielten. Ich war erschrocken, wie viele Bettler es in der Stadt gibt, besonders Kinder und ältere Menschen, die barfuß und völlig verdreckt waren. So viel hatte es m.E. vor 20 Jahren noch nicht hier gegeben, als ich das letzte Mal mich für mehrere Monate hier aufhielt. Wir beteten gemeinsam. Ich fing an zu predigten, und von etwa 20 Leuten im Umkreis hörten mir gerade einmal nur 5 Leute zu. Die anderen schauten desinteressiert auf ihr Handy oder unterhielten sich untereinander. Dann gingen wir etwas weiter und Ricardo predigte, aber leider viel zu leise, so dass die Leute ihn schon aus der Nähe kaum verstanden, geschweige denn Interesse zeigten. Wir gingen dann noch weiter zu einem Kleidermarkt, wo ich predigte, aber wieder genau das Gleiche: alle schauten mich nur gelangweilt an oder gingen einfach weg. Ich war zwar traurig, aber nicht entmutigt. Es wäre auch unrealistisch, wenn man jedes Mal einen solchen Erfolg erwartet wie bei den letzten Malen. Wir fuhren also wieder zurück im Bus.

Am Abend hatten wir Bibelstunde in Guayaquil mit der ganzen Versammlung, etwa 15 Geschwister und 7 Kinder. Zu meiner Überraschung wurde diese unter freiem Himmel abgehalten, nämlich im gepflasterten Vorgarten des Hauses, sodass auch die unmittelbare Nachbarschaft diese mitverfolgen konnte. Bei geschätzten 30 °C, die es abends immer noch heiß war, war diese Gewohnheit sicherlich vernünftig. Eine Besonderheit, an die ich mich aber inzwischen schon längst gewöhnt hatte, war, dass hier die Männer den Frauen zur Begrüßung immer ein Küsschen auf die rechte Wange geben. Männer hingegen umarmen sich nur und geben sich keinen Kuss (wie bei den Russlanddeutschen). Diese Tradition ist in Südamerika auch bei Ungläubigen üblich. Ricardo predigte über Römer 8 und ich über die Sendschreiben. Danach hatten wir ein gemeinsames Liebesmahl und unterhielten uns über die Vergangenheit. Bruder Dr. Galo Granados (70), der früher auch zu dieser Gemeinde gehört hatte, sich aber dann einer liberaleren Gemeinde angeschlossen hat, war wegen uns auch gekommen und lud mich für den Sonntag in 9 Tagen ein, in seiner Freikirche zu predigen, was ich dankbar annahm.

AMBATO, 19.01.2018 Am Morgen litt ich massiv an Durchfall, ausgerechnet wo wir doch heute ins Gebirge fahren wollten! Es war schlimm. Ich hätte gestern nicht am Liebesmahl teilnehmen dürfen. Aber ich demütigte mich im Gebet darunter und aß den ganzen Tag kaum etwas. Bevor wir dann losfuhren, kauften wir noch schnell ein paar Medikamente. Die 5,5-stündige Busfahrt durch das Andengebirge war ziemlich anstrengend, zumal der Bus immer wieder anhielt, um neue Passagiere mitzunehmen, meistens Indios. Auch stiegen jedes Mal Verkäufer von Kokosmilch, Früchten, gerösteten Bohnen und sogar Hühnersuppe in den Bus, um ihr Essen an die Passagiere zu verkaufen. Und dann stiegen auch regelmäßig Bettler in den Bus, die mit äußerst frommen Worten eine Spende erbaten, z.B.: „Liebe Geschwister, ich hoffe, dass ich Eure wohlverdiente Ruhe nicht zu sehr störe, aber ich bitte nur für einen kleinen Moment um Eure gewogene Aufmerksamkeit. Wir sind ja alle Kinder unseres himmlischen Vaters, der für uns sorgt. Und das Wort Gottes lehrt uns ja, dass wir mit unseren verarmten Geschwistern die Habe teilen sollten. Wie sie schon an meiner Aussprache erkennen, bin ich Venezolanerin und bis wegen der großen Armut in unserem Land nach Ecuador gereist, um etwas Geld zu verdienen für mein kleines Kind und meinen Mann, die ich zuhause zurücklassen musste. Ich habe hier Schokoriegel, die ich Euch für 1 Dollar anbieten kann. Bitte bedenkt, dass Ihr durch diesen Kauf zugleich ein gutes Werk tut und der HErr euch dadurch segnen wird!“ Wer kann bei solchen Worten noch widerstehen, um ihr nicht zu helfen? ?

Die Anden liegen etwa 3000 bis 4000 m über dem Meeresspiegel. In dieser Höhe gibt es vor allem Eukalyptusbäume und Gräser, aber teilweise auch noch Ackerbau an den Berghängen. Von dieser Plattform gehen dann die Berge bis zu 6900 m hoch. Gerne hätte ich mit Ruth und Ricardo mal eine Bergwanderung gemacht, aber das würde meine Frau kräftemäßig kaum schaffen. Dabei kann man noch bis 4800 m mit dem Auto hochfahren. Dort oben ist natürlich nur noch eine „Mondlandschaft“ aus Geröllsteinen, wo nichts mehr wächst. Und ab 5000 m beginnt dann die Schneegrenze. 1996 bin ich mal mit 3 Deutschen Geschwistern auf den Vulkan Cotopaxi gestiegen, aber wir sind nicht zum Gipfel gekommen, weil wir auch nicht die passende Ausrüstung dafür hatten. Dort oben mussten wir immer sehr tief atmen und alle 10 Meter eine Pause machen. Einmal bin ich mit einem Bruder namens Luis Gomez im Wagen auf 4500 m gefahren, als uns auf einmal das Benzin ausging. Wir konnten jedoch das geringe Gefälle des Berges nutzen, um eine Stunde lang einfach herunterzurollen, bis wir in den nächsten Ort kamen, wo es Benzin gab. Wenn man aber an einem Tag innerhalb weniger Stunden von der Küste bis auf eine Höhe von 3000 m fährt, dann spürt man nicht nur einen Druck in den Ohren, sondern auch Kopfschmerzen und hat das Gefühl, dass man nicht genügend Luft bekommt. Sogar die Haut bekommt eine leichte violette Färbung aufgrund des geringeren Sauerstoffgehalts in der Luft. Der Körper braucht meist einen Tag, bis er sich an die Höhe gewöhnt hat.

Am späten Nachmittag kamen wir in Ambato an, das auf 2570 m in einem Tal auf der Rückseite der Anden liegt, am Fuße des Vulkans Chimborazo (6310 m), der aufgrund seiner Entfernung zum Erdmittelpunkt als der höchste Berg der Erde gesehen werden kann. Woran wir jedoch nicht gedacht hatten, war, dass es oben im Gebirge natürlich viel kälter ist als unten an der Küste, etwa 8 – 10 °C. Wir hatten nur Sandalen mit und kurzärmlige Hemden. Ricardo schämte sich nicht, sich einfach seinen langärmligen Pyjama überzuziehen, was wirklich sehr lustig aussah. Wir fanden ein Hotel für 10 $ pro Nacht, wo wir warm duschen konnten. Die Indios hier sprechen mit einem starken Akzent, der fast etwas portugiesisch klingt.

PUYO, 20.01.2018 Am nächsten Morgen machten wir uns früh auf, ließen unsere Sachen im Hotel und fuhren mit dem Bus in den Urwald nach Puyo, wo es für Touristen eine ganze Menge zu sehen gab. Die dreistündige Busfahrt ging praktisch 2500 Meter die Anden herab, und wir hatten eine wunderschöne Aussicht auf die gewaltigen Berghänge, Wasserfälle und reißenden Flüsse unten in den Bergschluchten. Am Vormittag besuchten wir einen Tierpark in Baños, einem Vorort von Puyo, wo man Affen, Papageien, Pumas, Bären, Tapire und sogar Kondore besichtigen konnte. Am Nachmittag machten wir in Puyo eine Wanderung durch den Regenwald, entlang des Puyo-Flusses. Weil es gerade zuvor geregnet hatte, war die Luft schwülwarm, aber angenehm sonnig bei etwa 27 °C (normalerweise ist es hier bis zu 40 °C). Zum Glück hatten wir „Repelente“ mitgebracht, d.h. eine Schutzcreme gegen Mückenstiche, denn an Flussläufen gibt es hier sehr viele Moscitos. Es war wirklich wunderbar, all die vielen Pflanzen zu sehen, wie Gott sie geschaffen hat: riesige Bäume, ungewöhnliche Palmen und Orchideen und einen großen Ameisenbau in 2 m Höhe direkt an einem Baum angebaut. Wir waren alle sehr beeindruckt. Leider konnte ich keine Fotos machen, weil mein Handy nicht mehr zu laden war (scheinbar der Akku kaputt). Wir hätten uns auch noch die Indianersiedlungen ansehen können, von denen es zahlreiche gab, aber die Zeit hätte dafür nicht mehr gereicht. Am Ende unserer Wanderung, sahen wir an einer breiten Stelle des Flusses etwa 20 Personen stehen und bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass eine alte Frau getauft wurde – mitten im Urwald! Was für ein schöner Anblick! Dem HErrn sei Dank! Am Abend fuhren wir wieder die 2500 m hinauf nach Ambato, wo unser Hotel ist.

AMBATO, 21.01.2018 Wenn man zu dritt solch eine lange Reise macht, dann können immer wieder Spannungen entstehen, weil jeder seine eigenen Bedürfnisse und Interessen hat. Umso wichtiger ist es dann, auf einander Rücksicht zu nehmen und sich von der Liebe Gottes leiten zu lassen. Heute Morgen hatten wir eine Diskussion über die Weiterreise. Ruth und Ricardo wollten nicht länger mit dem Bus fahren, weil ihnen das zu anstrengend war. Eine Busfahrt nach Bogota (Kolumbien) dauert von Quito aus 23 Stunden, kostet aber auch nur umgerechnet rund 25 Dollar. Ein Flug hingegen würde uns mindestens das Zehnfache, wenn nicht sogar mehr kosten, und dann auch noch zurück, und das zu zweit, da sind wir vielleicht schon bei 1000 Dollar! Aber so viel Geld wollten Ruth und ich nicht ausgeben, weil unser Reisebudget begrenzt war. Wir überlegten also, auf Kolumbien zu verzichten, aber das wollte Ricardo nicht, und ich eigentlich auch nicht, weil ich Bruder Pepe Gomez dann sehr enttäuschen würde, den ich schon zweimal versetzt hatte. Ruth aber wollte auf dem schnellsten Weg wieder zurück nach Lima, weil sie starke Schmerzen hatte und es überhaupt bereute, mitgekommen zu sein. Sie bot an, dass Ricardo und ich doch alleine unsere Reise fortsetzen könnten und sie direkt nach Lima fliege. Wir entschieden uns dann aber, dass wir erst mal eine längere Gebetsgemeinschaft haben sollten, um uns dann vom HErrn leiten zu lassen, wie es weiter gehen soll.

Nach dem Gebet ging es Ruth schon deutlich besser. Allerdings litten wir alle inzwischen unter Kopfschmerzen und Atembeschwerden, weil dieser ständige Wechsel zwischen den Klimazonen auf den Kreislauf schlägt. Besonders Ricardo hatte zeitweise richtig Atemnot. Zum Glück hatten wir japanisches Minzöl dabei, das ihm sehr half. Wir frühstückten und fuhren mit dem Bus nach Quito, der Hauptstadt von Ecuador, die nur etwa 2,5 Stunden entfernt lag. Quito ist mit 2850 m überm Meeresspiegel die höchstgelegenste Hauptstadt der Welt, aber mit 31 °C deutlich wärmer als in Ambato, da Quito direkt auf der Äquatorlinie verläuft (daher kommt auch der Name von ECUADOR). Wir fanden eine Herberge im Stadtzentrum für 7 Dollar/Nacht, die sogar noch komfortabler ist, als die in Ambato, und erkundigten uns über Flugpreise. Es stellte sich dann heraus, dass ein Flug von Quito nach Bogotá hin- und zurück zwischen 400 bis 600 Dollar kostet, was uns doch zu teuer war. Deshalb entschieden wir uns nach Gebet und reiflicher Überlegung, unseren Plan zu ändern und ein weiteres Mal auf Kolumbien zu verzichten.

QUITO, 21.01.2018 Nach dem Mittagessen gingen wir in die historische Altstadt von Quito mit ihren vielen Kathedralen aus der Kolonialzeit. Quito ist eine sehr katholische Stadt, deshalb waren an diesem Sonntag auch alle Geschäfte geschlossen. Hier finden regelmäßig Prozessionen statt, bei welchen sich die Männer mit nacktem Oberkörper selbst geißeln oder sich mit Stacheldraht fesseln lassen. Die Priester tragen dazu unheimliche Büßer-Kutten, die an den KuKluxKlan erinnern, oder schwere Holzkreuze, die sie durch die Straßen schleppen. Wir gingen auf den großen Marktplatz von Quito, wo sich zu meiner Freude viele Menschen befanden, genauso wie in Lima. Ich ging zu einem der Menschenansammlungen hin und – siehe da! – zwei Christen diskutierten mit den Zuhörern und erklärten, dass die einzig gültige Taufe diejenige sei „im Namen des HErrn Jesus“, aber auf keinen Fall nur „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Ich hörte eine Weile zu und warf dann die Frage auf, warum dies eigentlich so wichtig sei und ob es überhaupt ein Thema sei, um darüber einen öffentlichen Disput zu führen, wo doch viele Zuhörer noch nicht einmal gläubig sind. Als sie dann auch noch über die Frage der Dreieinigkeit diskutieren wollten (es waren offensichtlich Unitarier), habe ich mich umgedreht und mit den neben mir Stehenden über das Evangelium gesprochen, so dass sich allmählich zwei Gruppen bildeten. Die Leute stellten erfreulicherweise sehr gute Fragen, die ich von der Bibel her beantworten durfte. Doch dann trat ein Mann herzu, der scheinbar der „Gnosis“ angehörte, denn er lehnte das Alte Testament ab. Da er mich kaum zu Wort kommen ließ, bot ich ihm an, eine eigene Diskussionsgruppe zu beginnen, wo er dann alleine sprechen könne. Er wurde dann still, notierte sich aber Argumente, die er mir entgegensetzen wollte. Da ich z.B. nur die Reina-Valera-Übersetzung hatte, die auf dem Textus receptus basiert, er aber eine Nestle-Aland-Übersetzung hatte, wollte er dadurch beweisen, dass meine Bibel verfälscht wurde, da ganze Sätze in seiner Bibel fehlten. Damit er die ahnungslosen Zuhörer nicht noch mehr verwirrte, gab ich eine etwas längere Erklärung, wie sich diese tatsächliche Diskrepanz aus meiner Sicht erklären ließe. Von da an ließ ich ihn auch nicht mehr zu Wort kommen, weil ich merkte, dass der Feind ihn geschickt hatte.

Nach etwa zwei Stunden verabschiedete ich mich von der Menge und ging mit Ruth zum Hotel. Auch Ricardo hatte viele Gespräche gehabt, wie er erzählte. Als wir ankamen, sollte ich etwas für einen Hotelgast übersetzen. Es war ein Ägypter, der kaum Spanisch konnte, dafür aber Englisch. Es war ein koptischer Christ, der mich auf eine Tasse Tee einlud. Er kannte die Bibel ziemlich gut und konnte mir Stellen nennen, die scheinbar die Abbildung von Jesus oder den Heiligen und sogar die Fürbitte durch Maria rechtfertigen. Ich entgegnete ihm, dass wir aber nicht über das hinausdenken dürfen, was geschrieben steht (1.Kor.4:6).

QUITO, 22.01.2018 Als wir gefrühstückt hatten, gingen wir sogleich los, um neue Rückflüge zu buchen und Einkäufe zu erledigen. Doch wegen einer Nichtigkeit gerieten Ruth und ich plötzlich in Streit (ich wollte ihr etwas demonstrieren und habe sie dabei versehentlich zu stark am Handgelenk gezogen, so dass sie Schmerzen hatte). Doch dann fiel mir auf, dass wir auch noch gar nicht gebetet hatten und dadurch dem Feind Raum gaben, Zwietracht unter uns zu säen. Wir gingen also noch mal in die Herberge zurück und bekannten dem HErrn unser Versagen. Nachdem wir dann einige Telefonate und Besorgungen erledigt hatten, gingen wir auf den Marktplatz, um wieder das Wort zu verkünden. Aber in diesem Moment fing es stark an zu regnen. Ruth wollte sich einen Poncho kaufen auf dem Kunsthandwerkmarkt und Ricardo begleitete sie. Ich unterhielt mich währenddessen mit einem alten Indio, der an „Akromegalie“(?) litt, d.h. einer genetisch bedingten Vergrößerung seiner Extremitäten. Ich erklärte ihm die Bedingungen, wie man ins Reich Gottes kommt, und er erzählte mir von seiner wirtschaftlichen Misere, dass er sein Stück Land verkaufen musste, um Kosten für eine OP und den Schulbesuch seiner Kinder bezahlen zu können. Er heißt Segundo Pasteña (56).

Auf dem Weg zu einem anderen Platz, sprach mich plötzlich ein Mann an: „Sagen Sie, das waren doch sie gestern auf dem Marktplatz, der da gepredigt hatte, nicht wahr?“ Er bedankte sich und bezeugte, dass er auch Christ sei, und zwar von der sog. „Asamblea de Dios“ (Pfingstler), in der er aufgewachsen sei. Wir plauderten eine Weile über unsere Herkunft und über die Frage, was eine Gemeinde (Iglesia) eigentlich nach biblischem Maßstab sei und tauschten uns am Ende Adressen und Telefonnummern aus. Als ich dann in der Herberge ankam, wollte ich mein Handy holen, um es reparieren zu lassen, aber fand es nirgends. Ich betete, dass der HErr es mich doch wiederfinden lassen möge, wenn es Sein Wille sei. Als kurz darauf Ruth und Ricardo kamen, half mir Ruth beim Suchen. In dem Moment, als ich gerade den Satz anfing : „Der HEerr hat gegeben, der HErr hat…“ – da sagte Ruth: „Hier ist es!“ Da habe ich mich sehr gefreut, nicht nur über das Handy als solches, sondern noch mehr darüber, dass der HErr meine Bitte erhört hat.

OTAVALO, 23.01.2018 An unserem vorletzten Tag im Gebirge wollten wir nochmal einen Ausflug machen nach Otavalo, einer Kleinstadt im Hochgebirge, von wo aus man schöne Bergwanderungen unternehmen kann. Die Indio-Frauen, die hier wohnen, tragen Hüte und übertrieben viele goldfarbene Ketten m ihren Hals, weil dies ihre Tradition ist. Männer und Frauen tragen beide lange Haare mit Pferdeschwanz und Mittelscheitel, so dass man sie nur durch die langen Röcke der Frauen voneinander unterscheiden kann. Als erstes sind wir durch einen Wald mit riesigen Eukalyptusbäumen zu den Wasserfällen von Peguche gewandert, die etwa 80 Meter in die Tiefe rauschten. Dann haben wir eine Höhle entdeckt, die voller Altäre mit Opfergaben für „Mutter Erde“ war. Ebenso ein Indianerzelt, wo die Schamanen Krankenheilungen ausüben. Nach dem Mittagessen sind wir zu einem etwa 9 km großen und 145 m tiefen Gletschersee mit glasklarem Wasser gefahren, der in 3068 m Höhe liegt. Diese „Laguna de Cotacachi“ ist eigentlich der Krater eines noch immer aktiven Vulkans, aus dem unentwegt Gase emporsteigen. Deshalb gibt es auch keine Fische im See, dafür aber zwei Berginseln mit üppiger Vegetation. Bei der Vielzahl an visuellen Eindrücken kann ich nachvollziehen, warum Alexander von Humboldt sich die Mühe machte, vor 200 Jahren all diese Naturphänomene genauestens zu beschreiben, denn einen Fotoapparat hatte er damals ja noch nicht gehabt.

QUITO, 24.01.2018 Nachdem wir die Nacht wieder in Quito verbracht hatten, sollte es heute wieder zurück nach Guayaquil gehen. Da unser Flug aber erst um 17.00 Uhr geht, bin ich heute Vormittag noch mal auf den großen Marktplatz gegangen. Dort waren wieder sehr viele Menschen, allerdings diesmal hauptsächlich Anhänger der politischen Opposition, weil eine Großdemonstration gegen den Ex-Präsidenten Correa stattfinden sollte. Dieser hatte das Land mit seiner sozialistischen Regierung über 10 Jahre lang wie ein Diktator regiert und danach eine „Marionette“ seiner sozialistischen Partei namens Lenin Moreno als seinen Nachfolger ernannt, während er weiterhin im Hintergrund die Strippen zog und eine Verfassungsänderung durchsetzte, um danach noch einmal zu einer 3. Amtszeit wiedergewählt zu werden (wie es auch Putin gemacht hat). Die Menschen waren voller Wut gegen das korrupte Establishment, das sich auf Kosten von enteignetem Privatbesitz reicher Bürger selbst bediente (Auch mir selbst wurde hier übrigens vor 10 Jahren mein Haus faktisch „enteignet“, das ich vor 25 Jahren in Daule nördlich von Guayaquil gekauft hatte, um es als ein Kinderheim umbauen zu lassen, wozu es damals aber nicht mehr kam).

Bei all dem Geschrei fühlte ich mich ziemlich entmutigt zu predigen und ließ mir erstmal die Haare schneiden. Dann ging ich auf eine Frau zu, die eine Fotoausstellung machte und mit Megaphon die Regierung beschimpfte. Ich fragte sie, warum sie so wütend sei und sie erzählte mir ausführlich, wie der Staat ihre wohlhabende Familie nach und nach ausgeplündert hat, sowie ihre Angehörigen umgebracht habe. Sie war auch nicht gut auf die USA und Deutschland zu sprechen und redete irgendwas von „Reptilien-Menschen“ und Humanoiden, die hinter den Kulissen die Menschheit versklaven würden. Ich erzählte ihr vom HErrn Jesus und dass Er der Einzige sei, der ihr wirklich Trost und Hoffnung in ihrer Bitterkeit schenken könne. Sie aber wies mich freundlich ab und sagte, dass dies doch alles katholische Märchen seien, um die Menschheit einzuschläfern. Währenddessen hörte ich von der anderen Seite des Platzes einen jungen Mann mit aufgeschlagener Bibel laut das Evangelium predigen. Da er sehr laut brüllen musste, um gegen die Demonstranten anzuschreien, wirkte er sehr wütend, obwohl er doch eigentlich eine frohe Botschaft verbreiten wollte. Ich ging auf ihn zu und begrüßte ihn herzlich. Dann aber kam Ruth und bat mich, zum Mittagessen zu kommen. Später flogen wir dann wie geplant nach Guayaquil.

GUAYAQIL, 25.01.2018 Nachdem wir gestern Abend wohlbehalten bei Familie Ramirez angekommen sind, hatten wir noch bis in den Abend über unsere Erlebnisse aus der Vergangenheit geplaudert. Heute morgen hat uns dann Felix auf dem Weg zur Arbeit mitgenommen zum Stadtzentrum nach Guayaquil, das etwa 30 km entfernt ist vom Haus unserer Gastfamilie. Wir gingen wieder in den Park, wo wir das letzte Mal waren, und ich begann, einfach nur laut aus der Bibel vorzulesen. Leider war auch diesmal keine Reaktion bei den Leuten zu erkennen. Einer stand sogar auf und setzte sich woanders hin, weil er seine Ruhe haben wollte. Mich kränkte das aber nicht, sondern ich las einfach immer weiter über mehrere Kapitel. Auch heute war wieder eine Bullenhitze, und da ich mir das Gesicht nicht eingecremt hatte, war ich am Abend rot wie ein Hummer.

Nach dem Mittag haben Ruth und ich dann bewusst die vielen Bettler aufgesucht, um ihnen Essen und Trinken zu kaufen. Das taten wir immer ganz pragmatisch, indem wir ihnen anboten, sich im Schnellimbiss ein Essen auszusuchen. Geld gaben wir immer nur in Ausnahmefällen, damit sie es nicht für unsinniges Zeug ausgeben. Besonders ältere Mütterchen wurden von uns bevorzugt, weil sie häufig keine Möglichkeit mehr hatten, sich anders als durch Betteln ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auf der anderen Straßenseite sahen wir dann einen Krüppel, der von einem Mann gewaschen wurde. Ich vermute, dass dieser Mann auch ein Kind Gottes war, der sich dieses Krüppels erbarmt hatte. Das hat uns alle sehr bewegt.

Am Abend war dann wieder Bibelstunde in Guayaquil, wobei wir Gelegenheit hatten, den blinden Bruder Bolivar Silva (84) wiederzusehen, der ein jahrelanger Freund meines Schwiegervaters Luis Condori war und meine Frau von Geburt an kennt. Er und Luis haben in den 60er Jahren im Gebirge von Peru das Evangelium gepredigt, Gemeinden gegründet und sogar Dämonen ausgetrieben. Dabei wäre mein Schwiegervater beinahe von den Dorfbewohnern seines Heimatortes gelyncht worden. Wir sprachen über vergangene Zeiten und verabredeten uns für den folgenden Tag, einen weiteren alten Bruder zu besuchen, der inzwischen an Alzheimer litt und kaum Besuch bekommt, nämlich Bolivar Enriquez (80).

GUAYAQIL, 26.01.2018 Heute Vormittag haben wir den alten Bruder Enriquez besucht, der in den „Suburbios“ (Slums) der Stadt wohnt, d.h. in ziemlich bescheidenen Verhältnissen. Da er nie geheiratet hat, wird er von seinen beiden Nichten gepflegt. Er kann nicht mehr sprechen, aber er erkannte Ruth wieder und freute sich (mich erkannte er leider nicht mehr wieder). In dem kargen Zimmer, wo er saß, schaute er auf eine verputzte aber ungestrichene Wand, auf der jemand mit oranger Farbe geschrieben hat: „Dios es fiel“ („Gott ist treu“). Da er nicht mehr richtig laufen kann, schafft er es häufig nicht mehr rechtzeitig auf Toilette. Deshalb will Ruth ihm den mobilen Topfstuhl ihrer Mutter schicken lassen, der ähnlich wie eine Camping-Toilette funktioniert.

Gegen Mittag sind wir nach PLAYAS gefahren, d.h. ans Meer, das etwa 1,5 Std. weit liegt von Guayaquil. Bevor wir ins Wasser gingen, aßen wir zu Mittag. Ruth bestellte einen Meeresfrüchte-Reis, u.a. mit einer vollständigen Krabbe, von der sie mich kosten ließ. Die Kinder Israel durften ja außer Fischen keine Meerestiere essen (3.Mo.11:10). Wenn man bedenkt, wie wenig Fleisch eine Krabbe besitzt, dann steht der Aufwand für das Zertrümmern der harten Schale und das Heraus-Pulen von Muskelfasern wirklich in keinem Verhältnis zu der geringen Ausbeute an Fleisch, die ein Krebs abwirft. Da sollte man lieber das arme Tier leben lassen, anstatt es lebendig in kochend heißes Wasser hineinzutun!

Da es hier das ganze Jahr über sehr heiß ist, war auch das Meerwasser so warm wie eine warme Badewanne. Ganz ungefährlich ist das Schwimmen aber nicht im Pazifik, da es neben Feuerquallen, Rochen und Haien auch einen sehr hohen Wellengang gibt. Deshalb bat ich den HErrn um Schutz und Bewahrung, denn mich hatte schon mal irgendein Tier in den Fuß gestochen, sodass ich mich nur noch mit Mühe an den Strand schleppen konnte, weil ich solche Schmerzen hatte. Aber solange man nicht allzu weit hinausschwamm, konnte einem in der Regel auch nichts passieren. Es war auf jeden Fall ein sehr schöner Nachmittag am Strand.

GUAYAQUIL, 27.01.2018 Am heutigen Samstag fuhren wir noch einmal zum Strand, haben ein wenig geschwommen und sind schon früh wieder zurückgefahren, da heute Nachmittag ein großes Gemeindefest geplant war. Nachdem schon gegen Mittag die ersten Kinder kamen, habe ich ihnen „Unterricht“ erteilt in Geographie, Kunst und biblischer Geschichte; Letzteres durch ein Bibel-Quiz über die Helden der Bibel und ihrer Erlebnisse. Besonders Josué (8), der Sohn von Felix Ramirez, erwies sich als besonders aufmerksam und gelehrig. Auf einmal sah ich an der Wand einen kleinen Gecko (oder Eidechse) entlangkrabbeln und zeigte darauf. Josue entgegnete gelangweilt: „Na und? Die laufen hier doch ständig herum, genauso wie die Kakerlaken, die sie fressen.“ Als dann nach einer Weile die anderen Geschwister kamen, machte Felix den Grill an, und es gab jede Menge leckeres Fleisch für alle. Am Abend machte der alte Bruder Bolivar Silva noch ein Kassettenrecorder-Interview mit mir, um die Kassette dann dem Bruder Samuel Franco (85) aus Argentinien zu schicken.

GUAYAQUIL, 28.01.2018 Am letzten Tag vor unserer Abreise hat uns Bruder Dr. Galo Granados (70) abgeholt und zum Gottesdienst in seine Gemeinde gefahren, die am Stadtrand von Guayaquil in einer sehr ärmlichen Siedlung liegt, damit ich dort predigen möge. Er hatte uns aber nicht verraten, dass es eine Pfingstgemeinde war, aber schon von 30 m Entfernung konnte man diese hören. Ich war noch nie in einer deutschen Pfingstgemeinde, aber dafür schon sehr oft in südamerikanischen Pfingstgemeinden, die es besonders viel unter den Armen gibt. In diese wird zwar eher selten in Zungen geredet oder geweissagt, dafür aber sind sie sehr laut. Vorne singt und spielt der sog. „Vorsänger“ und die anderen begleiten seinen Gesang bis zu 3 Stunden ununterbrochen mit Tanz und Zwischengesang. Das letzte Mal war ich eingeladen auf der Hochzeit meines deutschen Freundes und Bruders Henry Tippner, bei der es ganz ähnlich zuging. Mich stört diese völlig andere Art des Gottesdienstes nicht wirklich, es ist einfach nur befremdlich und gewöhnungsbedürftig. Als Gäste durften wir natürlich ganz vorne sitzen, genau neben dem Lautsprecher aus dem ein Klang mit über 100 Dezibel erschall. Der Sänger war noch sehr jung, aber äußerst talentiert. Selbst als Nicht-Pfingstler kann man nicht leugnen, dass er absolut „begabt“ war für diesen Dienst.

Heute sollte das zweite Mal sein, dass ich in einer Pfingstgemeinde predigen durfte. Das letzte Mal hatte mich Bruder Jorge Calvache eingeladen vor 26 Jahren, auch in Guayaquil. Damals war ich aber so töricht, dass ich die Gelegenheit dazu missbrauchte, um ausgerechnet gegen die Geistesgaben zu predigen. Meine damalige Predigt war lieblos und pharisäerisch, aber ich war damals auch erst 23 und entsprechend unreif. Heute aber predigte ich auf liebevolle Weise über die geistliche Reife durch das Ablegen der fleischlichen Lüste (1.Kor.3:1, Eph.4:14, Hebr. 5.13, Gal:4:1-3), sowie über die Urgemeinde und speziell über die Taufe. Denn in dieser Freikirche gab es die Lehre, dass erst verheiratete Erwachsene getauft werden dürfen, während den Unverheirateten prinzipiell die Taufe verweigert wurde, aufgrund der weitverbreiteten Gefahr der Hurerei. Das Problem war ja, dass man bei Neubekehrten nie mit Sicherheit wissen konnte, ob sie vielleicht heimlich noch in Hurerei leben würden (vergl. Spr.30:19). Sie aber deshalb unter Generalverdacht zu stellen und ihnen die Taufe zu verweigern, ist natürlich eine drastische Bevormundung. Dies findet auch Bruder Galo, weshalb er mich bat, dieses Thema anzusprechen.

Bruder Galo hat nach dem damaligen Scheitern unseres Kinderheimprojektes ein eigenes Projekt begonnen, und zwar hat er eine christliche Schule mitten in den Slums gegründet mit nahezu ehrenamtlichen Lehrern, die die Kinder auf Grundlage des Evangeliums erzogen und unterrichteten. Er zeigte uns am Nachmittag die Schule, die sogar einen Schulhof und 6 Toilettenräume hatte. Wir waren sehr beeindruckt. Allerdings musste die Schule vor 4 Monaten zwangsweise schließen, da die ecuadorianische Regierung aufgrund eines neuen Gesetzes den weiteren Betrieb untersagte. Das Problem war der Mindestlohn von 365 Dollar, der den Lehrern nachweisbar gezahlt werden musste, da man sonst Schwarzarbeit hätte vermuten müssen. Da die Spendengelder aber gerade einmal für die Schulkleidung und das kostenlose Mittagessen reichten, dass durch die Gemeinde hergestellt wurde, war an einer zusätzlichen Bezahlung des Personals nicht zu denken. Die Kinder wurden daraufhin in normale Schulen geschickt und das Projekt nach jahrelanger gesegneter Arbeit eingestellt. Jetzt plant Bruder Galo, das Gebäude und den ummauerten Hof als christliche Ausbildungsstätte für drogensüchtige Jugendliche zu nutzen. Denn seit der Strafbefreiung bei Besitz von geringen Mengen an Drogen durch die Regierung sei der Drogenkonsum in Ecuador sprunghaft angestiegen, besonders unter Jugendlichen. Man wollte eigentlich nur aus Kostengründen die Tätermenge reduzieren, wegen der überfüllten Gefängnisse, die dadurch entlastet werden sollten. Tatsächlich aber wurde dieses Entgegenkommen als Freibrief gewertet, indem bei vielen die Hemmschwelle zum Einstieg in den Drogenkonsum verschwand. Möge der HErr dem Bruder Galo Gelingen schenken bei seinen Bemühungen in seinem Dienst für den HErrn!

Als wir später zu Mittag aßen, sagte Bruder Galo zu mir: „Simon, Ihre Predigt war gut, sehr gut, vielleicht nur ein bisschen zu lang, aber auf jeden Fall erfrischend! Sie erinnern mich sehr an Dr. Arturo Vicente, der uns damals regelmäßig besucht hat. Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern dem HErrn dienen mit der Gabe, die Er Ihnen anvertraut hat. Hier in Ecuador gibt es einen großen Bedarf an gesunder biblischer Belehrung, und Sie eignen sich gut, sowohl als Türöffner wie auch als Zugpferd, weil Sie ein Gringo sind, und dazu auch noch groß. Schade, dass Sie morgen schon abreisen müssen. Wenn Sie das nächste mal kommen, dann sagen Sie mir bitte rechtzeitig bescheid, denn ich kann das organisieren, dass Sie dann in mehreren Gemeinden hier predigen können, da ich viele Kontakte habe.“ (Hinweis: Das „Sie“ ist hier in Südamerika unter Gläubigen allgemein üblich; jeder siezt jeden. Das „Du“ wird hier eher als Respektlosigkeit gewertet. Bruder Ricardo ist jedoch der einzige Christ, den ich kenne, der sogar Gott im Gebet sietzt).

Am Abend hatten wir dann wieder unseren normalen Gottesdienst mit Abendmahl. Gott hat dem Felix wirklich eine schöne Gabe geschenkt, die Gemeinde hier zu leiten. Er hat eine starke Persönlichkeit, besitzt aber auch viel Humor und Disziplin. Das nötige Einfühlungsvermögen hat hingegen eher seine Mutter Gladys, zu der man mit jedem Problem kommen kann und die sich viel Zeit nimmt, zuzuhören. Nach dem Abendmahl predigte ich über 4.Mo.11:4-8 und Bruder Ricardo über Joh.3:1-16. Eine sehr attraktive Schwester namens Blanca Villamar (33) bat um Gebet für ihren drogenabhängigen Bruder Ramón (21), der von Seiten seiner Gläubiger zum Drogenhandel gezwungen wurde und gerade wegen Drogenbesitzes verhaftet wurde. Da sie sehr arm ist, kann sie sich keinen Anwalt leisten. Sie verkauft Süßigkeiten um sich und ihre Tochter über Wasser zu halten. Ihr Ehemann namens Roberto, durch den sie vor 6 Jahren zum Glauben kam, hatte sie vor 4 Jahren wegen einer anderen verlassen. Er gehörte einmal zur Versammlung, aber schämt sich heute, wiederzukommen, da er seither schon viele Affären hatte. Er sagte mal zu Gladys, er sei sexsüchtig und wohl für ewig verloren. Nach all dem, was er seiner Frau und ihrer gemeinsamen Tochter angetan habe, könne der HErr ihm nicht mehr vergeben. Da er aber ohnehin verloren gehe, könne er genauso gut sein sündhaftes Leben auch weiter führen.

Lima, 29.01.2018 Da wir erst am späten Nachmittag zum Flughafen mussten, sind wir am Vormittag in das Dorf Chongón gefahren, um im Internetladen unseren Rückflug zu bestätigen. Die Regenzeit ist schon seit einem Monat im Verzug, weshalb das ansonsten üppig grüne Land völlig ausgetrocknet ist. Beim Mittagessen unterhielten wir uns über früher. Schwester Gladys sagte: „Seit Bruder Arturo nicht mehr lebt, bekommen wir kaum noch Besuch. Früher kamen ja auch Arturos Sohn Marc und seine Frau Isabelle, oder auch Matthew Glauser aus den USA mit seiner Frau Mirna. Damals war wirklich eine Erweckung, aber heute denkt jeder nur noch an seine eigene Familie, aber keiner mehr an das Werk Gottes! Dabei wäre es so schön, wenn die alten Zeiten wiederkämen.“ Nach dem Essen habe ich mit den drei Kindern von Felix „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt und im Anschluss ein paar Runden „Dame“ mit Felix, bis wir dann los mussten zum Flughafen. Früher habe ich die Strecke von Guayaquil nach Lima ja immer mit dem Bus zurücklegen müssen, weil mir das Geld für eine Flugreise fehlte. Das waren jedes Mal 22 Stunden hin- und 22 Stunden wieder zurück für umgerechnet 16 Dollar. Heute zahle ich 180 Dollar für einen Flug, aber bin auch schon nach 1,75 Stunden am Ziel.

Lima, 30.01.2018 Nach einem gesunden Frühstück, das nur aus Maracujasaft und Mongo bestand, wollten wir einkaufen. Ich wollte auch mein Handy reparieren lassen, fand es aber nicht. Offensichtlich wurde es mir wohl aus dem Koffer gestohlen. ☹ Ich nehme es aus Gottes Hand an.

Mittags sind wir dann wieder ins Stadtzentrum von Lima gefahren, denn ich hatte mich ja vor zwei Wochen mit Leonardo auf dem Plaza de San Martin verabredet, um wieder gegenseitig über die Glaubwürdigkeit der Bibel zu streiten. Als ich um ca. 15.00 Uhr ankam, war Leonardo nicht da. Da wir keine Uhrzeit vereinbart hatten, wusste ich nicht, ob er schon da WAR oder noch kommen würde. Ich ging jedenfalls an die selbe Stelle wie letztes Mal und begann, das Evangelium zu predigen. Etwa 6 Leute hörten mir zu, von denen zwei mir Fragen stellten und offensichtlich Christen waren. Allmählich kamen immer mehr Leute hinzu, so dass es am Ende etwa 80 Menschen waren, die zuhörten. Doch auf einmal waren Leonardos Leute angekommen und bauten genau hinter mir ihre Lautsprecher und Verstärker auf und breiteten auf dem Boden ein riesiges Plakat aus, auf dem sämtliche Politiker Perus mit Gefängniskleidung und hinter Gitterstäben abgebildet waren. Auf ihren Flaggen stand „AGORA“, vermutlich der Name ihrer Organisation. Sie begrüßten mich, baten mich aber, nun aufzuhören, weil sie hier eine Kundgebung abhalten würden. Ich wies sie daraufhin, dass ich doch zuerst hier war und sie doch auch woanders hingehen könnten. Außerdem hatten wir doch für heute eine öffentliche Debatte geplant, was er scheinbar vergessen habe. Er erklärte mir, dass gleich eine Großdemo im Stadtzentrum beginnen würde und er die Eröffnungsrede halten müsse. Er bot mir aber an, ich solle in 20 Minuten wiederkommen, wenn er seine Rede gehalten habe, und dass im Anschluss, wenn der Demonstrationszug losmarschiert sei, er mit mir den öffentlichen Disput führen könne.

Ich ging mit Ruth in die Fußgängerzone, aber sie wollte mit mir nach Hause. Ich erklärte ihr, dass ich die Gelegenheit mit Leonardo nutzen müsse und ich ihm trotz seiner Nachlässigkeit eine Chance geben müsse. Plötzlich sprach uns ein junger Mann an von denen, die mir zuvor zugehört hatten. Er sagte: „Entschuldigen Sie. Ich arbeite als verdeckter Ermittler für den peruanischen Verfassungsschutz und bin heute wegen dieser Demonstranten gekommen, um Informationen zu sammeln. Ich bin aber auch Christ und möchte Sie deshalb vor diesen Leuten warnen. Die wollen nur die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ausnutzen, um eine Revolte gegen die Politiker aller Parteien anzuschüren. Die geben sich als Nationalisten aus, sind aber in Wirklichkeit Linksradikale. Seit der Zerschlagung des maoistischen Sendero Luminoso [„Leuchtender Pfad“] in den 90er Jahren sind viele der damaligen Terroristen inzwischen wieder aus dem Gefängnis entlassen und versuchen im Dunstkreis der linken Szene eine neue Generation von Anhängern zu rekrutieren. Sie sollten sich keine Illusionen machen, denn die wollen Sie nur für ihre Zwecke instrumentalisieren und werden Ihnen ohnehin keine Möglichkeit geben, das Evangelium zu predigen. Warum sollten sie das auch!“ Ich war sehr überrascht über seine Worte und versicherte ihm, dass ich mit Gottes Hilfe den Glauben verteidigen würde und auch mein Wort halten müsse. Wenn er mich nicht reden lassen würde, könne ich ja immer noch gehen.

Als die 20 Minuten um waren, ging ich wieder auf den Platz. Leonardo schrie Parolen und die Menge wiederholten sie stumpfsinnig. Wie damals in Ephesus wussten die meisten auch hier nicht, warum sie eigentlich zusammengekommen waren. Der Demonstrationszug setzte sich in Gang und Leonardo blieb mit einigen seiner Leute zurück. Als er mich sah, rief er mich nach vorne und erklärte den Zuschauern, dass es nun ein öffentliches „Duell“ geben würde über die Bibel. Jeder von uns habe in den nächsten anderthalb Stunden abwechselnd jeweils immer wieder genau 5 Minuten Redezeit (ein „Schiedsrichter“ würde uns stets nach 4 Minuten ein Zeichen geben, das wir nur noch eine Minute hätten). Im Anschluss können dann die Zuschauer Fragen stellen und selber auch Stellung beziehen. Ich durfte dann den Anfang machen und erklärte den Zuschauern die Heilsbotschaft des Kreuzes Christi. Leonardo erwiderte diese mit der Behauptung, dass Jesus gekommen sei, um die Reichen und Mächtigen zu vertreiben, diese sich aber bis heute erfolgreich schützen würden, indem sie Leute wie mich schicken, um das arme Volk auf ein besseres Leben nach dem Tod zu vertrösten. Ich entgegnete ihm, dass ich von niemandem bezahlt sei, aber dass seine Worte sehr an Karl Marx erinnern, für den ja bekanntlich die Religion das „Opium des Volkes“ gewesen sei. Der Marxismus aber habe der Welt bisher nur Leid und Elend gebracht und sei schuld an Millionen von Toten auf der ganzen Erde, auch gerade hier in Peru durch den Terror des „Sendero Luminoso“ („Leuchtender Pfad“) in den 80ern. Deshalb würde das Volk inzwischen mehrheitlich zurecht den Marxismus ablehnen, weil der Mensch einfach nicht in der Lage sei, seinen Besitz freiwillig mit seinem Nächsten zu teilen. Das Grundübel sei eben die Bosheit, die in jedem Menschen von Jugend an stecke. Er warf mir vor, dass er nie behauptet habe, Marxist zu sein, dass aber doch Marx gar nicht so unrecht hatte mit seiner Forderung: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Darauf gab es viel Applaus von der Menge, die inzwischen auf etwa 200 Leute angestiegen war. Ich bezeugte ihnen, dass eine Vereinigung der Massen gegen Gott auch schon der Satan versucht habe und damit kläglich gescheitert sei, dass aber Gott selbst am Ende eine gerechte Welt schaffen würde durch Jesus Christus, der bald wiederkäme, um die Welt zu richten. Daraufhin erklärte Leonardo, dass schon im Garten Eden nachweislich die „Verdummung“ der einfachen Leute durch die Mächtigen begonnen habe. „Denn warum sonst“ so Leonardo „solle Gott angeblich nicht gewollt haben, dass die ersten Menschen vom Baum der Erkenntnis essen sollten?!“ Ich erklärte der Menge, dass es Gott hier nicht um allgemeine Erkenntnis ging, sondern nur speziell um die „Erkenntnis von Gut und Böse“, denn erst dadurch, dass der Mensch den Willen Gottes kennt, wird er auch schuldig vor Gott, und nur das wollte Gott dem Menschen ersparen.

Darauf stand ein dicker Mann auf von den Leuten Leonardos und hielt wütend eine Rede über die angebliche Verantwortungslosigkeit und „Dummheit Gottes“, dass er doch hätte ahnen müssen, dass er seine ersten Geschöpfe ins offene Messer laufen ließe, indem er keine Rücksicht nahm auf ihre Arglosigkeit, sondern ihnen ein Verbot auferlegte, dass ihre Neugier doch erst recht hervorlockte. Zudem konnten sie doch auch die Konsequenzen noch gar nicht abschätzen, da sie gar nicht wussten, was der Tod eigentlich bedeute. Die Menge applaudierte ihm und war gespannt darauf, was ich entgegnen würde. Ich gab zunächst mal ein kurzes Zeugnis von meinem eigenen Werdegang und dass es auch bei mir einmal diese Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes gegeben habe, bis mir Gott selbst vor 4 Jahren begegnet sei und mir gezeigt habe, wie sich diese scheinbaren Widersprüche auflösen. Dass nämlich Gott den Menschen durch all diese Maßnahmen belehren und erziehen wollte, weil Er keine Marionetten wolle, sondern Wesen, die Ihn freiwillig und aus ganzem Herzen lieben sollten. Deshalb nahm Gott diesen Weg durch die Sünde in Kauf, habe aber selber auch sofort die Abhilfe angekündigte, indem Er die Erlösung des Menschen von der Schlange durch den Samen des Weibes verhieß (1.Mo.3:15). Leonardo sagte: „Immer wenn die Christen keine Argumente mehr haben, kommen sie mit einem ZEUGNIS, dass ihnen Gott angeblich selber erschienen sei!“ Dabei sei die Bibel ein durch und durch unmoralisches Buch, in welchem Väter ihre eigenen Kinder schwängern oder Gott den Befehl gäbe, ganze Völker auszurotten von den Kindern bis zu den Alten. Als dann ein alter Bruder aufstand, um seinen Worten entgegenzuhalten, sah ich die Gelegenheit gekommen, mich zu verabschieden, da auch Ruth schon ungeduldig auf mich wartete. Ich verabredete mit Leonardo, dass wir uns am 08.02. wiedersehen könnten.

Als Ruth und ich dann nach Haus fahren wollten, stellten wir fest, dass aufgrund der Großdemonstration die Abancay-Straße (die größte und längste Hauptstr. von Lima) vollständig gesperrt war, so dass kein Bus oder Taxi mehr fuhr. Auf dem Weg zu einer anderen Hauptstraße, lag mitten auf dem Fußweg ein völlig verdreckter, etwa 35jähriger, ausgehungerter Mann wie ein Toter auf der Straße, während alle Passanten achtlos an ihm vorbei gingen. Solche sog. „locitos“ („Verrückte“) sieht man eigentlich überall auf den Straßen von Lima. Manche laufen sogar splitternackt herum, ohne dass irgendjemand Mitleid mit ihnen hat und sich um sie kümmert. Früher fühlten auch wir uns nicht für diese zuständig, aber heute weiß ich, dass ein echter Gottesdienst u.a. darin besteht, allezeit „hilfsbereit Ausschau zu halten nach Witwen und Waisen in ihrer Bedrängnis“ (Jak.1:27). Ich blieb also stehen und sprach den Mann an, aber er rührte sich nicht, sondern war wie tot. Ich fragte ihn immer wieder, ob wir ihn vielleicht helfen könnten, aber er zeigte keine Reaktion. Ruth wurde ungeduldig und bat mich, weiterzugehen, aber dann erinnerte sie sich wohl an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und sprach den Mann ebenso an. Plötzlich erwachte er und stand benommen auf, sagte aber kein Wort. Ich fragte ihn noch mal, ob er mit uns mitkommen wolle, aber er antwortete nicht. Stattdessen ging er auf einmal schnurstracks weg, als wolle er vor uns flüchten. Vielleicht dachte er, dass wir ihm eine Falle stellen wollten, keine Ahnung. Da wir erst spät um 20.00 Uhr nach Hause kamen, hatten wir die Bibelstunde bei Ricardo verpasst, aber wir erklärten es seiner Tochter Lizeth.

Lima, 31.01.2018 Morgens kam uns Walter Condori (68) besuchen, der Stiefbruder von Ruth. Er erzählte uns, dass sein Enkelsohn Aldahir Condori (19) wegen bewaffneten Raubüberfalls mit Todesfolge und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gestern zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, und zwar in Lurigancho, einem der schlimmsten Gefängnisse von Südamerika mit überfüllten Zellen und härtesten Haftbedingungen. Eigentlich war er diesmal sogar unschuldig, weil die Kugel im Körper des Opfers nicht mit seiner Pistole übereinstimmte. Da er aber schon mehrfach vorbestraft wurde und man den anderen Bandengliedern nichts nachweisen konnte, schob man ihm allein die Schuld zu, auch wenn man keine Beweise hatte. Ich fragte Walter, ob wir ihn nicht besuchen könnten, um ihm vom HErrn Jesus zu erzählen. Aber als Walter erzählte, dass er sich als Besucher sogar nackt ausziehen musste und sie sogar seinen Po untersuchten, ob er dort Drogen versteckt habe, da wollte Ruth auf keinen Fall mehr, dass wir dort hinführen. In gewisser Weise war es sogar gut, dass er jetzt im Gefängnis ist, damit er nichts mehr anstellen kann und versorgt ist. Vielleicht kommt er ja in all den Jahren auch zur Besinnung und bekehrt sich. Wir sollten dafür beten.

Ruth und ich überlegten, ob wir nicht die letzten Tage in Peru nutzen sollten, um die Wohnung endlich einmal von Grund auf zu renovieren (es wurde ja seit dem Erstbezug vor 50 Jahren so gut wie nichts mehr investiert). Die Möbel waren alle noch aus den 60er-Jahren und zum größten Teil von Motten zerfressen. Ich stellte also sämtliche Regale und Matratzen vor die Tür in den Innenhof, und Walter besorgte einen Schrottsammler, der schon mal einen Teil davon mitnahm. Walter half uns auch, einen Klempner zu finden, der sich die undichten Abflussrohre ansah, welche die massiven Salzausblühungen verursacht hatten. Auch der Fußboden mit den ganzen kaputten Bitumenplatten müsste endlich mal raus und durch Fliesen ersetzt werden. Und bei dieser Gelegenheit sollten wir auch mal ein größeres Bett für uns kaufen, denn wenn wir weiterhin zu zweit in einem 1-Personen-Bett schlafen, das zudem nur 1,70 lang ist, ist das auf Dauer nicht gerade angenehm, besonders wenn man 1,94 m lang ist. Deshalb fuhren Ruth und ich dann am Nachmittag nach San Isidro, um neue Möbel anzusehen. Am Abend waren wir dann von Ricardos Familie zum Essen eingeladen. Wir sprachen über die Idee, nach Peru auszuwandern, aber auch über die Frage, ob ein Gläubiger noch weltliche Musik hören sollte.

Lima, 01.02.2018 Nachdem ich die Türen und Rahmen herausgerissen hatte, wollte ich auf den Markt gehen, um Mörtel zu kaufen, da die Wände beim Herausstemmen der eingeputzten Rahmen teilweise stark beschädigt wurden. Damit die Türen nicht erneut von Motten- und Wurmfraß beschädigt werden konnten, wollten wir sie durch Glastüren mit Aluminiumeinfassung ersetzen. Während ich an der Hauptstraße der Avenida Mexico auf Ruth wartete, sah ich einem etwa 18 Jahre alten Jungen dabei zu, wie er Plastikflaschen und Aludosen aus Müllsäcken fischte, die am Straßenrand auf einen Haufen lagen. Da es in Peru keine Mülltrennung, geschweige denn ein Pfandsystem gibt, fand ich das gut, was er machte und fragte ihn aus Neugier, was er daran verdient. „40 centavos por kilo, Señor“ (umgerechnet 0,10 €/kg). „Und wie viel schaffst Du an einem Tag?“ „Etwa 15 Soles, Señor“ (etwa 3,25 €/ Tag). Na ja, dachte ich: Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Da er kein T-Shirt anhatte, sah ich auf seinem Oberkörper viele Narben und Verbrennungen, als ob jemand ihn gefoltert habe. Doch bevor ich noch was sagen konnte, fragte er mich, ob ich ihm vielleicht ein T-Shirt schenken könne, da man seines gestohlen habe. Also lief ich noch einmal schnell zur Wohnung zurück und gab ihm 3 T-Shirts (anstatt eines „Mantels“ gem. Mt.5:40 ?). Als ich Ruth davon erzählte, sammelte sie noch sämtliches Obst im Hause zusammen und brachte es ihm. Er hat sich sehr darüber gefreut.

Ricardo erzählte mir vor kurzem die Geschichte der Verarmung in Peru: Bis Ende der 60er Jahre war das Land im Besitz von Großgrundbesitzern und amerikanischen Konzernbesitzern. Damals war Lima mit 5 Millionen Einwohnern gerade einmal nur halb so groß wie heute. Die Peruaner waren zwar arm, aber sie hatten alle Arbeit und konnten ihre Familien gut ernähren, weil die ausländischen Firmen faire Löhne bezahlten. Das aber änderte sich 1968 durch einen Militärputsch von General Velasco Alverado, der sofort viele ausländische Firmen konfiszierte und sie durch die Gründung von Genossenschaften in die Hände der einfachen Arbeiter gab. Dies erwies sich jedoch als großer Fehler, denn die Arbeiter hatten ja keine Ahnung, wie man eine Firma führt und machten einen Fehler nach dem anderen. Auch die Großgrundbesitzer wurden enteignet und das Land den Bauern geschenkt. Diese aber zahlten ihren Landsleuten noch viel weniger als die ausländischen Großgrundbesitzer, sodass die einfachen Landarbeiter massiv verarmten. Es setze eine Flucht vom Land in die Stadt ein. Die sozialdemokratische Regierung unter Ballaúnde ließ daraufhin Wohnhaussiedlungen bauen zu erschwinglichen Preisen für die untere Mittelschicht wie die U.V. de Matute, die sich neben dem berühmten Fußballstadion der Allianza Lima befindet. Die Misswirtschaft in den 70er Jahren führte jedoch zu Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit, was viele Familien in den Drogenhandel trieb, um ihre Wohnungen bezahlen zu können. So entwickelte sich Matute zur kriminellsten Siedlung von ganz Lima. Jeder, der Drogen kaufen wollte, fuhr nach Matute. Es bildeten sich Drogenkartelle, die sich unter einander in Banden bekriegten mit vielen Toten. Als ich 1999 mit meinem Vater spazieren ging, wurden wir Zeugen einer Schießerei zwischen Jugendbanden. Mein Vater wollte nur noch nach Hause. Seit etwa 10 Jahren ist die Siedlung endlich frei von Kriminellen, und es gibt überall hohe Zäune und Wachleute. Dafür haben sich aber in Villa El Salvador und Luriganscho riesige Slums gebildet durch die zweite Fluchtwelle in den 80er Jahren wegen des Krieges der Terrororganisation Leuchtender Pfad. Lima ist inzwischen so eng besiedelt, dass die Indios bis zu 2 Stunden ins Stadtzentrum fahren müssen, um durch Betteln oder den Verkauf von Süßigkeiten auf der Straße zu überleben.

Es gibt aber auch eine Oberschicht in Peru, die ihr Vermögen über Generationen an die Kinder vererbt hat. Zu ihr gehört die Tierärztin Miluska Muñiz (53), eine Freundin von Ruth, zu der wir gegen Mittag gefahren sind, um anlässlich ihres Geburtstages gemeinsam Essen zu gehen. Sie hatte mit Ruth zusammen Tiermedizin studiert und seither über Jahre die Freundschaft mit ihr aufrecht erhalten. Kein Wunder also, dass sie sich die ganze Zeit beim Essen nur über Tierkrankheiten und Medikamente unterhalten haben. Als ich dann aber versehentlich eine besonders scharfe Chili-Schote namens Rocote gekaut habe, musste ich 15 Minuten lang meine brennende Zunge nur noch mit kaltem Wasser spülen, um sie zu kühlen. Dann erklärte ich der Miluska, dass ich auf diese Weise ungefähr eine Ahnung habe, wie sich der reiche Mann im Hades wohl gefühlt haben muss, als er um Kühlung seiner Lippen bat (Luk.16:24). Möge der HErr sich der Miluska erbarmen, denn sie ist noch nicht gläubig! Danach sind wir in den Baumarkt gefahren, um Fliesen auszusuchen und haben mit 2 Fliesenlegern verhandelt, wer am Ende den Auftrag bekommen sollte, um die Fußböden der Wohnung zu erneuern. Am Abend kam dann Eva Curo überraschend zu Besuch, um für ein paar Tage bei uns Urlaub zu machen. Der Zeitpunkt war eigentlich denkbar ungünstig, da unsere 45 qm-kleine Wohnung ja inzwischen eine Baustelle geworden war ohne Türen und Möbel. Aber Eva ist ja in einer Lehmhütte im Gebirge aufgewachsen und daher äußerst anspruchslos.

LIMA, 02.02.2018 Heute früh kam der Fliesenleger mit seinem Angestellten vorbei und teilte uns mit, dass er beim Addieren der Einzelpositionen sich um eine Zahl verrechnet hatte: Die Arbeiten würde alles zusammen nicht 2.075 Soles, sondern 3.075 Soles (umgerechnet ca. 750,- €) kosten. Diese Nachricht veranlasste uns, noch mal einen Kassensturz zu machen (Luk.14:28-30): wir hatten noch insgesamt 1035,-€ (von ursprünglich 2300,-€), d.h. etwa 4.000 Soles. Theoretisch würde das also noch reichen. Aber auch die Fliesen, der Mörtel und die Sanitäranlagen würden noch einmal zusätzlich etwa 1.500 Soles (ca. 400,-€) kosten. Wir hatten also nicht genug Geld, zumal wir ja auch noch Lebensmittel kaufen müssen für die nächsten Tage. Sollten wir also den Fliesenleger wieder absagen und dadurch wortbrüchig werden (Mt.5:37)? Außerdem hatte ich ja auch schon einen Großteil der Wohnung leergeräumt, deshalb gab es eigentlich jetzt keinen Weg zurück mehr. Die einzige Möglichkeit bestand darin, dass wir dem Fliesenleger erst mal nur einen Abschlag von 1600 Soles bezahlen und den Rest dann, wenn ich in einer Woche wieder in Deutschland bin und Ruth weiteres Geld überwiesen habe. Er wird ja ohnehin 2 Wochen brauchen. Aber werde ich überhaupt noch Geld auf dem Konto haben, nachdem ich einen Monat lang nicht gearbeitet habe? Der HErr wird mir helfen. Wir sollen uns ja auch nicht um den morgigen Tag Sorgen machen (Luk.12:22), aber dürfen auch niemandem etwas schuldig sein (Röm.13:8).

So fuhren wir nach dem Mittag zum Baumarkt, um die Fliesen und den Zementkleber zu kaufen. Für die Wände nahm ich noch Spachtelmasse und Farbe mit. Ich hatte jedoch keine Ahnung, wieviel 45,00 qm Bodenfliesen an Gewicht ausmachen: 35 Pakete á 30 Kilo = 1050 Kilo! Und hinzu kamen noch 450 Kilo Fliesenkleber, der ebenso von der Straße rund 100 Meter zum Haus geschleppt werden musste. Gott sei Dank, dass sich zwei Männer fanden, die für ein Trinkgeld mit mir die Materialien hinschleppten. Jetzt haben wir für die nächsten Tage erst mal gut zu tun, und brauche nichts weiter besorgen. Einen weiteren Vorteil hat die Renovierung in der Wohnung noch für mich: Peru hat mit Abstand die höchste UV-Strahlung der Welt, und dieser Wert ist in diesen Tagen von normal 14 auf 22 angestiegen, so dass im Radio gewarnt wird, am besten im Haus zu bleiben oder sich stark einzucremen. Da ich ohnehin sehr hautkrebsgefährdet bin durch meine helle Haut, gehe ich diese Tage lieber nicht aus dem Haus.

LIMA, 03.02.2018 Heute ging es nun endlich los mit der Renovierung. Während die Fliesenleger im Wohnzimmer anfingen, habe ich in der Küche die Leimfarbe von Decke und Wände gekratzt und gespachtelt. Ruth und Eva kauften ein und kochten das Essen für alle. Bei ca. 35 °C war ich schon nach 2 Stunden völlig nassgeschwitzt und konnte nur noch mit Ventilator weiterarbeiten. Die Fliesenleger kamen ganz ohne Rührgerät, Zahnkelle und Handschuhe aus. Eva wollte den Malerberuf erlernen und bot an, mir im Gegenzug Quechua beizubringen (die Sprache der Incas). Wir haben alle eine richtig fröhliche Gemeinschaft beim Arbeiten, dem HErrn sei Dank! Ich freue mich, dass sich Ruth und Eva so gut verstehen. Zum Mittag gab es Bohneneintopf und als Getränk eisgekühlten Limettensaft. Als die Fliesenleger nach dem Essen für ein Mittagsschläfchen nach Hause fuhren, gaben sie uns noch mal eine Einkaufsliste mit, was sie noch alles für das Badezimmer an Kleinkram brauchten.

Auf dem Weg in die Stadt sprach mich der Taxifahrer auf meine Herkunft an. Er erzählte, dass er eine große Bewunderung für Ausländer habe, besonders für Venezolaner, da diese sehr kultiviert und höflich sind, ganz im Gegensatz zu den „dummen und hässlichen Peruanern“ Seit der Staatskrise in Venezuela vor 3 Jahren sind bereits Hunderttausende an Venezolanern nach Peru geflüchtet und arbeiten für Niedriglöhne den ganzen Tag fleißig, um ihren Familien daheim Geld zu schicken, das dort wegen der hohen Inflation eine große Kaufkraft hat. Peru hingegen sei das Land mit der höchsten Rate an häuslicher Gewalt mit Todesfolge. In kaum einem anderen Land der Welt werden Frauen so viel geschlagen und ermordet wie in Peru, und das sei eine Schande. Er forderte die Todesstrafe für solche Verbrecher. Ruth griff dieses Stichwort auf und sprach mit dem Taxifahrer über die Sündhaftigkeit aller Menschen und den erlösenden Glauben an Christus. Das ist in Südamerika gar nicht so einfach, da ja hier alle bekennen, gläubig zu sein. Ein Anknüpfungspunkt ist daher meistens das Thema Wiedergeburt und die Glaubwürdigkeit der Bibel. Denn die Katholiken haben ja in der Regel keine Heilsgewissheit, sondern vertrauen darauf, dass am Ende schon nicht alles so schlimm kommen wird, wie immer behauptet.

Als Ruth und ich alles besorgt hatten, trafen wir auf dem Rückweg nach Matute einen alten Bekannten von Ruth, den sie noch als Kind kannte, der jedoch mit seinen 30 Jahren schon ziemlich alt und verwahrlost aussah, was nicht verwundert, da er in einem riesigen Clan von drogensüchtigen Kleinkriminellen aufgewachsen ist. Ruth: „Hallo, Gino, erkennst Du mich noch?“ G: „Claro, Du bist Ruth von den Condoris, nicht wahr?“ R: „Ja, genau. Wir haben uns ja schon lange nicht gesehen. Wie geht’s Deinem Vater?“ G: „Den haben sie doch abgestochen vor ein paar Jahren, wusstest Du das nicht?“ R: „Ach, das tut mir ja leid! Wie geht es Dir denn? Was machst Du beruflich?“ G (grinsend): „Na was schon! Ich stehle. Von irgendwas muss ich doch leben!“ R: „Aber Du kannst doch auch arbeiten!“ G: „Wer wird denn einen Säufer und Junkie wie mich schon nehmen wollen!“ R: „Wenn Du aufhören würdest mit dem Alkohol und Drogen, dann würdest Du auch Arbeit finden. Nimm Dir ein Beispiel an Deinem Onkel Julio: Er hat sich vor 5 Jahren zum HErrn Jesus bekehrt und hat sofort aufgehört mit den Drogengeschäften. Heute ist er selbständiger Handwerker und hat mit seinen 52 Jahren sogar schon 6 Enkelkinder.“ G: „Ja, das weiß ich, aber ich habe bisher nie Glück gehabt im Leben. Das wird sich wohl auch nie ändern.“ R: „Bist Du schon verheiratet?“ G: „Ja, aber meine Frau ist vor zwei Jahren abgehauen.“ R: „Warum?“ G: „Weil ich ihr immer wieder eine reingehauen habe, wenn sie mir auf den Wecker gegangen ist!“ R: „Aber warum schlägst Du auch Deine Frau!? Stell Dir mal vor, jemand würde ständig Deine Schwester verprügeln. Wie würdest Du das finden?“ G: „Wenn einer das mit meiner Schwester machen würde, dem würde ich sofort eine Kugel in den Kopf jagen, solch einem Dreckskerl!“ ?

Als wir nach Haus kamen, war das Bad „entkernt“, d.h. die Fliesen abgeschlagen und die alten Armaturen und Rohrleitungen entfernt. Ein Sperrmüllsammler kam und nahm noch mal die ganzen alten Möbel, Türen und Matratzen mit. Ich grundierte noch mal die Küche und wir tranken zum Abendessen Chicha de Jora (Maisbier). Da wir jetzt nur noch ein Bett haben, sind Ruth und Eva gerade zur Wohnung von Walter rübergegangen, um dort zu übernachten. Während ich gerade schreibe (23.00 Uhr) ist hier in der Nachbarschaft noch ohrenbetörend laute Salsa-Musik zu hören. Walter sagte, dass man anlässlich einer Babytaufe die gesamte Matute-Siedlung zu einem Tanz- und Saufgelage eingeladen habe in einem großen Bierzelt. Warum so ein Krach mitten in der Nacht überhaupt geduldet wird, ist mir schleierhaft. Sie machen die Nacht zum Tag! Auch die Satanisten halten ihren Gottesdienst ja immer in der Nacht ab, und zwar um 3.00 Uhr nachts, als Gegensatz zum HErrn Jesus, der ja um 15.00 Uhr gestorben ist.

LIMA, 04.02.2018 Es ist inzwischen 4.00 Uhr morgens und die laute Musik ist immer noch an. Dem HErrn sei Dank konnte ich aber trotzdem gut schlafen (Psalm 4:8). In Deutschland ist es an diesem Sonntagmorgen schon 10.00 Uhr wegen der Zeitverschiebung. Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei der Name des HErrn gepriesen! Heute fahren wir mit Bruder Ricardo in die evangelikale Gemeinde ihrer beiden Töchter, die sich Calvary Chapel nennt und von Amerikanern gegründet wurde. Letztes Jahr habe ich mit einigen Brüdern von ihnen gemeinsam evangelisiert, war aber noch nie in einem ihrer Gottesdienste. Dem Ricardo sind solche Denominationen ja ein Graus, aber mir zuliebe will er heute mal wieder mitgehen.

Gerade habe ich mich von Ricardo verabschiedet (14.30 Uhr), nachdem wir gemeinsam zu Mittag gegessen hatten und er mir von seinen Eheproblemen erzählt hat. Der Gottesdienst heute Vormittag war ganz gut und erinnerte mich sehr an jene Freie evangelische Gemeinde in Bremen, der ich zwei Jahre angehörte. Die Anbetungslieder wurden allerdings durch die schlechte Raumakustik von einem Schlagzeug-, Keyboard- und E-Gitarrenklang begleitet, deren Geräuschpegel deutlich über 100 Dezibel lag. Ansonsten immer die bekannten Hillsong-Lieder in spanischer Übersetzung und Endloswiederholungen: „Du bist alles für mich… Du bist mein Leben…“ Schön wäre es, wenn es wirklich immer so wäre! Aber es ist hier wohl so wie in allen Laodizäa-Gemeinden weltweit: Ihre Frömmigkeit ist wie der Tau, der am Morgen wieder verschwunden ist. Dafür aber war die Predigt um so besser: Es ging um die Passionsgeschichte in Mark.15:21-32. Eine gut vorbereitete Predigt mit vielen interessanten Zusatzinformationen und einem guten, didaktischen Vortrag mit Powerpoint-Begleitung. Nur schade, dass die jungen Frauen sich alle mit schamlosen, engen Hosen dem Zeitgeist unterworfen haben, anstelle den Geboten des HErrn und Seiner Apostel.

LIMA, 05.02.2018 Heute ist mal ein Tag gewesen, an dem nicht allzu viel passiert ist, das sich lohnen würde darüber zu berichten. Ich habe von früh bis spät gearbeitet, indem ich das Wohnzimmer und die Küche vorgestrichen, gespachtelt und endgestrichen habe. Ruth und Eva haben indessen weitere Einkäufe für die Handwerker erledigt und Essen für uns alle gemacht.

LIMA, 06.02.2018 Heute morgen hatte ich ein interessantes Erlebnis mit dem HErrn gehabt. Ich lag morgens früh um 5.30 Uhr im Bett und dachte darüber nach, dass wir in unserer Versammlung einmal im Monat einen „Tag des Zeugnisses“ machen sollten, an welchem jeder vor allen einfach nur darüber berichtet, was er mit dem HErrn erlebt hat. Als ich dann jedoch aufstand, um auf Toilette zu gehen, drehte sich mir alles im Kopf, und ich dachte, ich bekomme vielleicht gleich einen Schlaganfall. Mir war auch ganz übel. Dann fiel mir ein, dass der HErr vielleicht durch dieses zu mir reden wolle. Hatte es wohl etwas mit diesem „Tag des Zeugnisses“ zu tun? Ja, sicher! Denn so, wie sich alles in mir dreht, so dreht es sich auch an solch einem Tag nur um mich und nicht wirklich um den HErrn. Einen solchen Tag würde ich vielleicht nur dazu missbrauchen, dem HErrn die Ehre zu stehlen, indem ich mich durch frommen Vorwand selbst in den Mittelpunkt stelle. Ich betete also und bat den HErrn um Vergebung und Heilung. Dann legte ich mich hin und sang das Lied „Keiner wird zu schanden, welcher Gottes harrt“. Und wie erwartet, war mein Schwindelgefühl auf einmal wieder weg, und der HErr sprach zu mir: „Jetzt hast Du etwas, wovon Du Zeugnis geben kannst. Berichte immer so, dass Du dadurch selber klein wirst, und Ich umso mehr groß werde!“

Heute habe ich die Küche nachgespachtelt und ein zweites Mal gestrichen, sowie das Schlafzimmer leergeräumt und die Leimfarbe abgekratzt bzw. abgewaschen. Ruth ging es gesundheitlich sehr schlecht am Nachmittag, deshalb konnte sie am Abend auch nicht mit zur Bibelstunde. Diese fand diesmal nicht bei Ricardo statt, sondern bei Tomás (69) im Stadtteil San Luis. Neben ihm und seiner Frau waren dort noch die Brüder Gilberto (71) und Hugo (62), die sich mit Ricardo und mir zum HErrn versammelten. Ricardo hatte mir schon zuvor gesagt, dass außer Tomás auch die anderen Brüder Eheprobleme hätten, weshalb ihre Frauen auch nie mitkämen zur Versammlung. Ich fragte ihn, warum dies so sei, und er erzähle mir eine interessante Geschichte: Ein Bruder predigte mal über 1.Mo.3:16 und Esther 1, dass jeder Mann Herr sein solle in seinem eigenen Haus und fragte die Gemeinde, warum dies heute in vielen christlichen Ehen nicht mehr der Fall sei. Viele Brüder würden sich schämen, dies zuzugeben, aber sehr häufig habe doch insgeheim die Frau das Sagen. Deshalb bat er alle Brüder doch mal die Hand zu heben, die freimütig bekennen könnten, dass sie immer noch Herr im eigenen Haus seien. Darauf erhob sich nur eine einzige Hand. Der Bruder war darüber bestürzt, dass offenbar nur einer aus der Gemeinde noch das Gebot in 1.Mo.3:16 befolge und bat denjenigen nach vorne zu kommen, damit er doch Zeugnis gebe und allen anderen berichten möge, was das Geheimnis seines Erfolges sei. Darauf kam jener Bruder ganz schüchtern nach vorne und bekannte: „Nun liebe Geschwister, ich kann eigentlich gar nicht so viel zum Thema sagen, denn ich hatte eigentlich nur deshalb die Hand gehoben, weil meine Frau mich dazu aufforderte.“

LIMA, 07. Und 08.02.2018 An den beiden letzten Tagen in Peru habe ich weiter Malerarbeiten in unserer Wohnung ausgeführt und konnte bis 5 Minuten vor meiner Abreise von etwa 100 Aufgaben, die ich mir noch vorgenommen hatte, etwa 99 davon noch rechtzeitig erledigen, – dem HErrn sei Dank! Auf dem Weg zum Flughafen (eine Stunde Fahrzeit) hatten wir noch ein gutes Gespräch mit Luis (ca. 50), einem Glaubensbruder und Freund von Ricardo, der als Taxifahrer arbeitet und uns deshalb hinbrachte. Es ging um die Frage, ob das Gesetz Mose noch Bedeutung für uns habe, sowie um die Frage, ob durch die Frauenhose die „alte Grenze der Väter“ verrückt wurde (Spr.22:28), da es diese ja bis zum Aufkommen der Frauenemanzipation im 20 Jh. noch gar nicht gab.

ATLANTIK, 09.02.2018 Inzwischen sitze ich schon im Flugzeug über dem Atlantik. Nach peruanischer Zeitrechnung ist es jetzt gerade 3.30 Uhr in der Nacht, während in Deutschland schon 9.30 Uhr vormittags ist. Ich bin dem HErrn so dankbar für all den Segen und die Bewahrung, die Er uns auf der Reise geschenkt hat!

Als ich dann nach 12 Stunden durch Gottes Gnade wohlbehalten am Abend in Bremen ankam und zu meinem Wagen ging, sprang er nicht an. Ich hatte ihn an einer verlassenen Stelle im Flughafengebiet abgestellt, und nach über 4 Wochen war die Batterie restlos leer. Da ich weder Handy noch Kleingeld bei mir hatte, betete ich zum HErrn und machte mich zu Fuß auf den Heimweg. Ich war gerade einmal nur 200 m gegangen, da sah ich mitten im menschenleeren Gewerbegebiet – mitten in der Nacht – einen Wagen vom ADAC stehen! Ich dankte Gott mit den Worten: „Ich wusste, dass Du mich allezeit erhörst!“ Wenn ich eines gelernt habe auf dieser Reise, dann war es dieses, dass ich völlig abhängig bin vom HErrn und ohne Ihn nichts tun kann (Joh.15:5).

 

Nachwort

Wenn man darüber berichtet, was man mit Gott erlebt hat, dann lässt es sich kaum vermeiden, in der „Ich“-Form zu schreiben. Dadurch aber kann schnell der Eindruck entstehen, dass es einem gar nicht um den HErrn geht, sondern man sich nur selbst groß darstellen möchte. Manche versuchen dies zu vermeiden, indem sie umständlich vom „Autoren dieser Zeilen“ schreiben. Da dies nur die Form aber nicht den Inhalt ändert, habe ich darauf verzichtet. Tatsächlich besteht ja wirklich die Gefahr, dass man sich selbst profilieren und in den Mittelpunkt stellen möchte. Ich musste während der ganzen Reise immer wieder auch mein eigenes Herz und meine Motive vor Gott prüfen. Gerade wenn ich über Predigteinsätze geschrieben habe, musste ich mir jedes Mal neu die Worte von Johannes vor Augen führen: „Der Mensch kann sich nichts nehmen, es sei ihm denn aus dem Himmel gegeben“ (Joh.3:27). Und Paulus schreibt: „Denn was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1.Kor.4:7). Nur dem HErrn gebührt alle Ehre, und wir dürfen uns nichts von Seiner Ehre für uns abzweigen, denn der HErr, unser Gott, ist ein eifersüchtiger Gott.

Eine weitere Schwierigkeit sah ich darin, die Balance zwischen chronologisch-sachlicher Berichterstattung und Relevanz zu halten. Es ist durchaus möglich, dass ich nach Ansicht Vieler viel zu ausführlich berichtet habe. Ich wollte jedoch auch nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich jeden Tag immer nur „geistliche Aufgaben“ verfolgt. Das wäre ja auch fern der Realität. Kritik wird es immer geben, und wenn sich Geschwister die Mühe machen wollen, mir ihre Kritik an meinem Tagebuch zu äußern, dann werde ich diese gerne prüfen und für zukünftige Reiseberichte berücksichtigen.

Ich wünsche Euch allen von Herzen Gottes reichen Segen, liebe Geschwister im HErrn Jesus!

Euer Bruder

Simon

 

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