„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– Pergamon – Vermischung und Absonderung

 

Die 7 Sendschreiben:   3. Pergamos

Vermischung und Absonderung


»Ich weiß, wo du wohnst, dort wo der Thron Satans ist; doch du hältst Meinen Namen fest und hast Meinen Glauben in den Tagen nicht verleugnet, in denen Antipas Mein treuer Zeuge war, der unter euch getötet wurde, dort, wo Satan wohnt. Doch Ich habe einiges wenige gegen dich; denn du hast dort welche, die sich an die Lehre Bileams halten, der Balak lehrte, vor den Augen der Söhne Israels einen Fallstrick zu werfen, nämlich Götzenopfer zu essen und zu huren. So hast auch du solche bei dir, die sich geleicherweise an die Lehre der Nikolaiten halten. Sinne nun um! Sonst komme Ich schnell zu dir und werde mit ihnen mit Meines Mundes Klinge streiten.«
(Offb.2:13-16)

Die Gemeinde in Pergamos

Pergamos [gr. Πέργαμος PÄ’RGAMOS o. PÄ’RGAMON] wird ähnlich wie PY´RGOS in der Regel mit »Zitadelle« bzw. »Hochburg« übersetzt. Als griechisch aufgefasster Name kann PÄ´R-GAMOS geistlich gedeutet werden als PÄRI´ (=»um-«) + GAMOS (=»Heirat«), also die »Umheiratete«, als Andeutung auf die zur Heirat mit dem Staat umworbene Gemeinde, die ja ab 380 n.Chr. als Staatsreligion tatsächlich »umfassend« mit der Obrigkeit »verheiratet« wurde.

Pergamos (o. Pergamon) war in der Tat eine »Hochburg« des sich entwickelnden Kaiserkults, aber auch vieler anderer Gottheiten wie z.B. Zeus, Asklepios, Athene und Dionysus. Der HErr erkennt die besonderen Umstände an, in welchen sich diese Gläubigen an und nennt die Stadt deshalb den »Thron Satans«, wohl als Anspielung auf die Verehrung der »Alten Schlange« (Offb.12:9), die in Pergamon in Form des Aspklepios (lat. Äskulap) verehrt wurde, also dem Gott der Heilkunst. Die Schlange, die sich um einen Stab windet, hat ihren Ursprung sehr wahrscheinlich in 4.Mo.21:4-9, worauf vielleicht auch 2.Kön.18:4 schließen lässt, denn obwohl sich die wahre Bedeutung der von Mose erhöhten Schlange erst in Christus erfüllen sollte (Joh.3:8), haben die Menschen daraus einfach ein Götzenbild (»Nehuschtan«) gemacht, von welchem sich die Heiden eine heilende Wirkung versprachen (vergl. die ägyptische Uräus- oder die germanische Midgardschlange).

Zu diesem Thron Satans gehörte aber auch jener 300 m über der Stadt Pergamon von weitem sichtbare Zeus-Altar – eines der sog. »sieben Weltwunder« des Altertums – von König Eumenes II. dem Zeus (= Satan) als Dankmonument für den Sieg über die Galater, d.h. den 279 v.Chr. aus Europa eingewanderten Kelten, errichtet. Da diese aus den 10 Stämmen Israels hervorgingen, kann man diesen Altar als »Siegeszeichen Satans über Israel« ansehen. Ende des 19. Jh. wurde dieser dann in Einzelteilen nach Berlin geholt und in einem eigens dafür gebauten Museum während der 20er Jahre wieder aufgebaut. Die darauf folgende Ausrottung eines Drittels aller Juden durch das Hitler-Reich gibt diesem »Thron Satans« die Bedeutung eines Zaubereisymbols.

Die im Landkreis Mysien gelegene Stadt Pergamon, das heutige Bergama im Nordwesten der Türkei, war damals das religiöse, politische und intellektuelle Zentrum des Hellenismus und besaß neben Alexandria die zweitgrößte Bibliothek der Welt (von ihr kommt auch das nach ihr benannte »Pergament«). Satan benutzt ja seit jeher die Religionen, die Universitäten und die Politik, um seine Macht über die Welt in allen Bereichen des Lebens durchzusetzen. Was für ein Affront muss es deshalb für ihn gewesen sein, dass sich das Christentum sogar in »seiner« Stadt niederließ und bald darauf auch den Siegeszug über die ganze Welt antrat! Die Tage der Hochburg Satans waren gezählt. Gleichsam wie beim Fall der Mauern von Jericho, der »Mondstadt«, sollen auch wir heute »Festungen zerstören« (Jos.6, 2.Kor.10:5); aber »nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch Meinen Geist, spricht der HErr der Heerscharen« (Sach.4:7).

Die Gemeinde in Pergamos wurde übrigens nicht durch Paulus gegründet, genauso wenig wie alle anderen Gemeinden in Asia, denn Paulus wurde ja durch den Geist Gottes daran gehindert (Apg.16:6-7), weil er in Mazedonien dringender gebraucht wurde. Diese Aufgabe erledigten dafür andere. Erst auf seiner dritten Missionsreise besuchte Paulus wohl auch Pergamos (Apg.20:1-2). Er sollte hier nicht säen, sondern ernten (Joh.4:37-38, 1.Kor.3:6). In dieser Gemeinde sollte es auch den ersten Märtyrer geben namens Antipas, übersetzt: »(einer, der) gegen alle« (vergl. 2.Sam.23:9-12). Er bekam als »treuer Zeuge« denselben Namenstitel, den auch der HErr besaß (1:5). Aber auch der Engel (wörtl.: Verkünd(ungsbeauftragt)e) wird gelobt dafür, dass er trotz schlimmster Verfolgung am Namen des HErrn festgehalten und Seinen Glauben nicht verleugnet hat (Vers.13). Der Name (gr. O´NOMA, w.: »(das) Genannte«) des HErrn meint hier alles, was die Schrift von und über den HErrn sagt. Und auch das »Festhalten« (gr. κρατέω KRATÄ´Oo = Kraft / Gewalt ausüben, Herr sein, machtvoll umfassen) finden wir immer wieder in den Sendschreiben, ob nun im Positiven (2:1, 2:13, 2:25, 3:11) oder auch im Negativen (2:14, 2:15). Der Teufel wollte ihnen das Wesen (den Namen) Christi durch irreführende Lehrmeinungen über Ihn wegreißen (Arianismus, Gnostizismus etc.), aber sie hielten standhaft fest an der apostolischen Lehre.

Da die Gemeinde in den großen Dingen Treue bewies, versuchte es der Widersacher nun im Kleinen, d.h. im »Wenigen«, dem nicht so viel Beachtung geschenkt wird. Es sind aber gerade diese »kleinen Füchse, die die Weinberge verderben« (Hoh.2:15). Gerade hatte die Gemeinde die Verfolgungszeit gut überstanden und glaubte, sich eine Verschnaufpause gönnen zu dürfen, da stand schon wieder alles auf dem Spiel. Genauso kam auch das Volk Israel nach einer Kette von Siegen (4.Mo.21:21-35) zu Fall, als der Prophet Bileam dem Volk eine teuflische Falle stellte:

Die Lehre Bileams

Nachdem es dem Wahrsager Bileam nach dreimaligem Versuch nicht gelungen war, den Wunsch seines Auftraggebers zu erfüllen, das Volk Israel zu verfluchen (vergleichbar mit einem satanischen Schadenzauber), gab Bileam dem König von Moab den Tipp, er möge doch die Töchter Moabs ins Lager der Israeliten senden, um das Volk zur Hurerei und zum Götzendienst zu verleiten. Denn dann würde Gott selbst ja gegen sein Volk streiten und es vernichten, so dass ein Krieg gar nicht mehr nötig sei (4.Mo.31:15-16). Diese damals erfolgreiche Verführung zur Verstrickung des Volkes Gottes wurde vom Feind auch diesmal wieder angewandt, indem es in der Gemeinde von Pergamos Prediger gab, die die Sünde verharmlosten, wie es auch heute immer wieder geschieht in unseren Kreisen.

Die Anfänge dieser Verführung reichen zurück auf das 2. Jh. n.Chr und geschahen auf ganz subtile Weise, so dass es von den Ältesten gar nicht bemerkt wurde. Als die Gemeindeväter begannen, sich mit der griechischen Philosophie auseinanderzusetzen, ging es darum, im Streit mit Vertretern der Gnosis gegenhalten zu können. So gab es ja bei den griechischen Philosophen gewisse Anknüpfungspunkte, die auch Paulus zum Evangelisieren nutzte (z.B. Apg. 17:28). Die Griechen wussten auch, was der »Logos« ist. Es ging also zunächst nur darum, die christliche Theologie in die Ausdrucksformen der griechischen Geisteswelt zu gießen, um die Gebildeten unter den Griechen zu gewinnen (1.Kor.9:19-23). Ganz unbemerkt drang aber dann allmählich auch anders herum gnostisches Gedankengut oder heidnisches Brauchtum in die christliche Lehre ein und verdarb sie (Mt.13:33). So glaubten z.B. die christlichen Gnostiker, dass sie aufgrund ihrer geistigen Natur zu ihrer Rettung keine guten Werke benötigen, sondern in jedem Fall selig werden würden: »Wie nämlich das Materielle unmöglich selig werden kann, weil es der Seligkeit nicht fähig ist, so kann das Geistige – was sie selber sind – nicht verdammt werden, wie auch immer seine Taten waren. Wie nämlich das Gold im Kote seine Schönheit nicht verliert und seine Natur bewahrt, unbeeinträchtigt von dem Kote, so werden auch sie nicht beschädigt, noch verlieren sie ihre geistige Wesenheit, da ihnen die materiellen Handlungen nichts anhaben können… Andere dienen maßlos den Lüsten des Fleisches und sagen, man müsse das Fleisch dem Fleische, den Geist dem Geiste darbringen. Einige schänden heimlich die Weiber, die sie in ihrer Lehre unterrichten…« (Irenäus, Gegen die Häresien).

Die Gnosis setzte sich dann als Manichäismus fort, aber allmählich gelang es den Kirchenvätern wie Augustinus, diese Einflüsse vollkommen auszumerzen, so dass die Gemeinde der Pergamos-Epoche schließlich als Siegerin über die Gnosis hervorging. Jedoch wurden immer noch einige Vertreter in ihren Reihen geduldet, so dass die »Lehre Bileams« immer wieder zeitweise die Gemeinde zu Götzendienst und Hurerei verleiten konnte durch Einmischung der Welt in die Gläubigen. So findet sich die Lehre Bileams heute z.B. in der Lehre von der Unverlierbarkeit des Heils wieder, indem unterschieden wird von unserem theoretischen Stand vor Gott in Christus und unserem praktischen Wandel, der uns ja angeblich ohnehin nicht retten könne. Man ist sich zwar der allgemeinen Verweltlichung bewusst geworden, nimmt sie jedoch fahrlässig in Kauf, indem man sich »ganz ausschließlich auf die Gnade Gottes verlassen« möchte (1.Petr.1:13). Manche verdienten z.B. ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von biblischen Götzenbildern und rechtfertigten dies mit dem Hinweis, dass sie ja diese schließlich nicht selber anbeten würden. Andere duldeten in ihrem Haus sogar die Anwesenheit dieser Götzen, indem sie diese ja nur zur Dekoration hatten oder aus Rücksicht auf die ungläubige Frau. Heute verhält es sich doch ganz ähnlich mit dem Fernseher, indem Gläubige sich einreden, diesen ja nur für harmlose Sendungen zu verwenden. Tatsächlich aber dringt die Welt durch das Internet und den Fernseher wie ein Trojanisches Pferd in die Häuser der Gläubigen, um besonders die Schwächsten im Haus zu schädigen (Mt.18:6+10)!

Wie schnell man sich durch Gedankenlosigkeit von der List der Schlange verführen lassen kann, habe ich selber gerade erst erfahren vor 3 Wochen während unserer Südamerikareise: Bei einer Bergwanderung in der Nähe von Otavalo stießen wir durch Zufall auf eine Höhle. Wir wurden neugierig und gingen hinein. Im Schein unserer Taschenlampen sahen wir schon nach wenigen Metern solche »Altäre«, auf denen Opfergaben lagen. Offensichtlich war diese Höhle wohl ein indianisches Heiligtum zu Ehren irgendwelcher Gottheiten, bzw. der »Mutter Erde«. Auf einmal entdeckte ich auf einem Altar eine sehr schöne fossile Riesenschnecke. Ich fragte mich, ob ich die wohl mitnehmen könne. Sie war zwar ein Geschenk für einen Götzen, aber da Götzen ja »nichtig« sind, gehörte sie ja eigentlich niemandem mehr (1.Kor.10:19). Ich nahm sie und steckte sie heimlich in meine Tasche. Am nächsten Tag geschah es, dass mir auf einmal mein Handy gestohlen wurde. Ich ärgerte mich ein wenig, aber da es ohnehin schon alt war, nahm ich es mir nicht zu Herzen. Als mir aber bald darauf auch noch der gesamte Inhalt meiner Brieftasche abhanden kam, war ich schon ziemlich irritiert. Gott hatte mich doch auf dieser ganzen Reise sehr gesegnet, – warum hatte Er dies dann zugelassen? Ich fragte Ihn, aber erhielt zunächst keine Antwort. Doch dann las ich in meiner Bibel eine Stelle in Römer 2: »Der du anderen predigst, man solle nicht stehlen, und du stiehlst! … der du Götzenopfer für Gräuel hältst, und du begehst TEMPELRAUB (V.21-22). Ich war schockiert. Warum hatte ich die Schnecke überhaupt mitgenommen? War es nicht wie bei Achan, dass mir »danach gelüstete« (Jos.7:21)? Aber auch diese Götzenopfergabe war doch im Grunde etwas »Verbanntes« und meine Tat ein Frevel! Hatte ich mir vielleicht dadurch sogar einen Dämon ins Haus geholt (1.Kor.10:20-21)? Mich gruselte bei der Vorstellung und ich nahm das Ding und warf es schnellstens draußen in die Mülltonne. Dann betete ich und bat den HErrn um Vergebung für solch eine unvorstellbare Torheit.

Schon die Hellenen strebten damals eine multikulturelle Verschmelzung aller Bräuche und Religionen an, so wie es heute die UNESCO vorhat. Aber was machen wir, wenn wir nicht mehr genügend »Salz« haben, um uns von den anderen zu unterscheiden? Tun wir stattdessen einfach etwas Zucker hinzu, wenn es doch fast gleich aussieht? Was tun wir, wenn wir z.B. auf Partys oder festlichen Empfängen eingeladen werden und der Tischnachbar mit uns plaudern will, indem er sagt: »Leibliche Gesundheit ist doch das A und O, nicht wahr?« Wenn wir eine solch landläufige Verunglimpfung und Missbrauch des Namens Christi unwidersprochen »schlucken«, dann haben wir im Grunde ein Götzenopfer gegessen (Offb.1:8). Stattdessen bietet uns eine solche Gelegenheit einen Anknüpfungspunkt, um auf Jenen hinzuweisen, der wirklich A und O ist.

Der HErr kritisiert noch nicht einmal nur die Beteiligung an dem Götzendienst, sondern schon, dass die Treuen nicht ihren Mund aufgemacht hatten. Wenn in einer Gemeinde z.B. eine unverheiratete Schwester schwanger geworden ist und alle ihr gratulieren, dann darf ich nicht feige sein, sondern muss das junge Paar warnen, dass dies Sünde ist, solange sie nicht heiraten. Wenn wir niemandem zu nahe treten wollen, um nicht anzuecken, dann wird der HErr eines Tages ihr Blut von uns fordern (Hes.3:18). Oder wenn der Prediger die Gemeinde zum gemeinsamen Ansehen eines WM-Spiels einlädt, dann dürfen wir nicht schweigen, sondern müssen die Gemeinde fragen, wie lange sie eigentlich noch auf beiden Seiten hinken will: »Wenn der HErr Gott ist, so wandelt Ihm nach, wenn aber der Fuß-Baal, so wandelt ihm nach!« (vergl. 1.Kön.18:21).

Obgleich Pergamon ein Thron Satans war, wurde dieser doch von Christus erschaffen (Kol.1:16), und Er ist zugleich der »Fürst [w. Oberanführer /(Rang)anfängliche] der Könige der Erde« (Offb.1:5). Regierungen u. Herrschaften dürfen wir weder ablehnen (Judas 8) noch verachten (2.Petr.2:10). Noch viel weniger dürfen wir Throne »niederreißen« im Rahmen einer sog. »Geistigen Kriegsführung«, wie es die Charismatiker häufig beabsichtigen, indem sie gegen die Regierenden beten. So schrieb einer von ihnen: »Wir haben zum Beispiel bei einer Gebetstagung in Frankfurt 1989 sowohl Honecker mit seiner Regierung abgesetzt und die Mauer eingerissen als auch Ceaucescu, den Tyrannen Rumäniens im Gebet abgesetzt. Wir waren uns eins, daß das exakt im Willen und der Salbung Gottes war, und alles geschah innerhalb von drei Monaten« (Berthold Becker).

In dem Moment, wo wir um die Gunst der Welt buhlen, indem wir uns ihren Wünschen und Interessen fügen und weltliche Bräuche in die Gemeinde des HErrn hineintragen, haben wir »geistigen Ehebruch« begangen, und dies bedeutet »Feindschaft gegen Gott« (Jak.4:4). Als Haupt Seiner Gemeinde konnte der HErr nicht zulassen, dass solch eine Hurerei auf Dauer geduldet wurde, deshalb drohte Er den Verantwortlichen, dass Er gegen sie »Krieg führen werde mit dem Schwert Meines Mundes« (V.16), was dann auch tatsächlich geschah durch Verheerungen in der Völkerwanderung und Ernteausfälle. Das Wort Gottes urteilt aber nicht nur über unsere Taten und Unterlassungen, sondern auch die »Denk⟨e⟩in⟨stell⟩ungen und Gefühls⟨e⟩in⟨stell⟩ungen des Herzens« (Hebr.4:12). Unsere Motive werden eines Tages sogar vom HErrn vor uns und den anderen Gläubigen offenbart (1.Kor.4:5, Mt.25:24 +26). Das scharfe Schwert des HErrn hat zwei Seiten: die eine richtet sich gegen die anderen, aber die andere Seite richtet sich gegen mich selbst! Nach der Erkenntnis, die ich in meiner Kritik an anderen bewiesen habe, wird der HErr mich eines Tages selber richten!

Der Name »Bileam«, hebr. בִּלְעָ֣ם hat die Wortwurzel בַלַּ֖ע BaLa´˜, verschlingen, verwirren, plus ˜am, Volk = Verschlinger/Verwirrer (des) Volkes. Verwandt damit ist die Wortwurzel BaLa´L, vermengen, verwirren, vergl. 1.Mo.11:9 = »…Babel; denn dort verwirrte der HErr die Sprache der ganzen Erde«. Bileam ist also ein »Verschlinger« (1.Petr.5:8), indem er das Volk verwirrt und verschlingt. Die Bibel spricht aber auch von dem »Irrtum Bileams« (Jud.11), der wohl darin bestand, dass er insgeheim darauf spekuliert hatte, dass Gott Seine Prinzipien ändern könnte. Wenn Gott uns aber eine klare Antwort auf eine Frage gegeben hat, dann sollten wir nicht versuchen, Ihn durch weiteres Fragen zu versuchen. Wenn Gott uns dann plötzlich eine gewünschte Antwort gibt, kann es sich auch um ein Gericht Gottes handeln, weil wir Seinen Worten nicht sofort geglaubt haben, sondern solange fragen, bis wir eine »neue Offenbarung« haben.

Die Lehre der Nikolaiten

In dem Theaterstück »Biedermann und die Brandstifter« von Max Frisch schaut ein Hausbesitzer tatenlos dabei zu, wie zwei Brandstifter, die er zuvor in sein Haus aufgenommen hatte, Vorbereitungen treffen, um das Haus anzuzünden, weil er bis zum Schluss nicht damit rechnete, dass sie es tatsächlich tun würden. Genauso hat es aber auch in der Gemeinde des HErrn immer wieder subversive Unterwanderungen gegeben, bei denen die Verantwortlichen zwar schockiert waren, aber auch wie gelähmt, so dass sie nichts dagegen unternahmen (4.Mos.25:6, Mt. 24:43). Dann gab es wiederum auch solche, die wie Pinehas von dem Schwert des HErrn rigoros Gebrauch machten (4.Mo.25:8), weil sie nicht länger tatenlos mit ansehen wollten, wie sich allmählich immer mehr Christen den zahlreichen Häresien (Irrlehren) anschlossen und deren Gedankengut in die Gemeinden hereinbrachten. Ihr Erfolg führte dazu, dass der Ruf laut wurde nach mehr Autorität für die Führung und einem schnelleren Durchgreifen gegen die Ketzer. So kam in der Smyrna-Zeit den Kirchenämtern allmählich immer mehr Bedeutung zu. Schließlich war die Gemeinde der heilige Tempel Gottes und dieser durfte von niemandem verdorben werden (1.Kor.3:17).

Es gab aber noch ein weiteres Problem, dass mit Häresien gar nichts zu tun hatte: Die in der Verfolgungszeit Abgefallenen wünschten in großer Anzahl die Wiederaufnahme in die Gemeinde. Nun gab es Gemeindeaufseher, die die Buße und Wiederaufnahme von Abgefallenen strikt ablehnten, während andere sich ein bischöflich beaufsichtigtes Bußverfahren wünschten, um dem Sünder noch mal eine Chance zu geben. Wieder andere entschieden aufgrund ihres hohen Ansehens in der Gemeinde eigenmächtig und oft willkürlich, die Sünde des Abfalls zu vergeben. So konnte es passieren, dass Abgefallene in der einen Gemeinde abgewiesen, aber in einer anderen Gemeinde aufgenommen wurden. Die Einheit der Gemeinde als Ganzes war also auf Dauer gefährdet. Um die Einheit der Glaubenslehre und die Allgemeinverbindlichkeit von Beschlüssen zu gewährleisten, wurden immer häufiger überregionale Synoden und Konzile einberufen, damit immer wiederkehrende Fragen ein für allemal geklärt werden konnten. Damals sprach man zum ersten Mal von der »katholischen Kirche«, was ursprünglich nichts weiter bedeutete als die »allgemeine Ekklesia aller Gläubigen«, abgeleitet vom Griechischen καθολικός KATh-OLIKO´S‚ das Ganze betreffend, allgemein. »Katholisch« war also nicht die Zuordnung zu einer bestimmten Kirche, sondern bezog sich auf die Gemeinde als den Leib Christi als Ganzes.

Die frühen Christengemeinden wurden nicht von Einzelnen, sondern – wie in der Heiligen Schrift geboten (Tit.1:5, Apg.14:23) – von einer Gruppe Ältester geleitet (gr. PRÄS-BY´TÄROS = Rangälterer). Entscheidungen wurden jedoch von der gesamten Ortsgemeinde in mündiger Abstimmung getroffen. So richteten sich die Apostelbriefe meistens ebenso nicht nur an die Gemeindeleitung, sondern an alle Gläubigen. Auch wandten sie sich darin an das Urteilsvermögen aller Christen (1.Kor.10:15, 11:13, 14:29). Aus dem Verhalten der Apostel spricht beständig die Achtung vor der Mündigkeit ihrer Mitchristen. Diese durften sich sogar maßgeblich an der Wahl derjenigen beteiligen, die ein Amt ausüben sollten (Apg.6:1-6). Nicht nur die Ältesten durften predigen, sondern alle bewährten Christen hatten das Recht, im Gottesdienst das Wort zu ergreifen (1.Kor. 14:26+31). Wer ein prophetisches Wort hatte, durfte es jederzeit sofort vortragen, während die anderen Gläubigen es prüften (1.Kor.14:29). »Den Geist unterdrücket (o. dämpfet) nicht; Weissagungen verachtet nicht; prüfet aber alles, das Gute haltet fest« (1.Thess.5:19-21).

Doch durch das Aufkommen immer neuer Lehren, wurde es zunehmend notwendig, in jeder Ortsgemeinde »Aufseher« zu wählen (gr. ÄPI´SKOPOS = »Darauf-Achthaber«), die auf die Reinerhaltung der Lehre achten sollten. Diese »Bischöfe« predigten und leiteten die Abendmahlsfeier. Ignatius von Antiochien war einer der ersten der das Aufseheramt mit umfangreichen Befugnissen versah: »Alle sollt ihr dem Bischof gehorchen wie Jesus Christus dem Vater, … Keiner tue ohne den Bischof etwas, das die Kirche angeht. Nur jene Eucharistie gelte als die gesetzmäßige, die unter dem Bischof vollzogen wird oder durch den von ihm Beauftragten. Wo immer der Bischof sich zeigt, da sei auch das Volk, so wie da, wo Jesus Christus ist, auch die katholische Kirche ist. Ohne den Bischof darf man nicht taufen noch das Liebesmahl feiern; aber was immer er für gut findet, das ist auch Gott wohlgefällig, auf dass alles, was geschieht, sicher sei und gesetzmäßig… Wer den Bischof ehrt, der wird von Gott geehrt; wer ohne des Bischofs Wissen etwas tut, der dient dem Teufel.« (Ignatius, Brief an die Smyrnäer, um 110 v.Chr.)

Die straffe Organisationsstruktur bot natürlich viele Vorteile. Beschlüsse der Synoden und Konzilien (Bischofsversammlungen) konnten dadurch schneller für allgemeinverbindlich erklärt werden. So wurde z.B. gerade in der Pergamos-Epoche der Kanon des NT von Athanasius durch Befragung der einzelnen Gemeinden/Bischöfe ermittelt und dann durch Konzilen festgelegt. Solange die Bischöfe der verschiedenen Gemeinden gleichberechtigt und nur ihrer Gemeinde gegenüber verantwortlich waren, konnte noch kein nennenswerter Machtmissbrauch stattfinden. Rom selbst hatte bis 200 n.Chr. keinen Bischof, sondern wurde von einem Kollegium geleitet: »Als Irenäus von Lyon dann gegen Ende des 2.Jh.s für verschiedene Bischofssitze die Bischofslisten bis auf die Apostel zurückführen will, muss er für Rom eben die wichtigsten Vertreter des Leitungsgremiums der Gemeinde herausgreifen; damit erweckt er den Eindruck, Rom habe schon immer einen monarchischen Bischof gehabt, was jedoch nicht der Fall ist (G. Stemberger, 2000 Jahre Christentum, S.712).

Während ursprünglich der Bischof von der ganzen Gemeinde gewählt wurde, ist diese Wahl ab dem 3. Jh. immer mehr den Presbytern der Ortsgemeinde und den Nachbarbischöfen vorbehalten; das »Volk« (gr. LAOS) darf bei der Wahl lediglich dabei sein und Beifall klatschen. Das »auserwählte Geschlecht« bzw. »königliche Priesterschaft« (1.Petr.2:9, Offb.1:6) wurde immer mehr unterschieden in Volk und Priestertum, d.h. Laien und Klerus. Genau dies aber war die »Lehre der Nikolaiten« (übersetzt »Besieger des Volkes«), denn sie hatten die gleichberechtigte Macht des Volkes Gottes ausgeschaltet und ihrem Amt die alleinige Befugnis erteilt, um über den Glauben der anderen zu herrschen (2.Kor.1:24). Der HErr aber hatte doch ausdrücklich den Jüngern geboten, dass sie keine Herrschaft über ihre Glaubensgenossen üben sollten, sondern, wer groß sein wolle, möge dem anderen dienen (Mt.20:20-28). Sie sollten einander als Brüder unter einem gemeinsamen Meister achten (Mt.23:8-11). Auf einmal unterschied man zwischen den »Laien« und den »Geistlichen (Profis)« (lat. »Klerus«). Während in Ephesus sich durch beginnende Hierarchien nur die »Werke der Volksbezwinger« offenbarten, wurde in Pergamos der Klerikalismus bereits als Bestandteil der apostolischen Lehre festgeschrieben! Und wie nicht anders zu erwarten, entwickelte sich schon bald darauf auch das Papsttum.

»In Leo I. dem Großen (440-461) begegnet uns der erste eigentliche »Papst«. Der Titel Papst (lat. papa, gr. PA´PPAS = Kinderwort für Vater), war ursprünglich für höhere Kleriker, bes. Bischöfe, allgemein üblich; seit dem Ende des 5. Jh.s nahmen ihn die römischen Bischöfe ausschließlich für sich in Anspruch. [Anm.: schon der Titel »Papst« verstößt gegen Matth.23:9]. Leo vertiefte die theoretische Begründung des Primats unter Verwendung von Mt.16:18, Joh.21:15-17, Luk.22:32: Petrus, von Christus mit der Machtfülle Christi ausgestattet und über die übrigen Apostel erhoben, wirkt in seinen Nachfolgern fort, folglich ist der Bischof von Rom der »vicarius Christi«. Die Sorge für die Gesamtkirche sei ihm übertragen, der gesamte Episkopat von ihm abhängig«. (K.Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, S.47) Mit dem »macht⟨voll Durchsetz⟩en die Lehre der Nikolaiten« meint der HErr also nicht das Bischofssystem, sondern das den Bischöfen übergeordnete Papsttum.

Durch den Machtmissbrauch der »Nikolaiten« wurde jede Kritik an ihren Lehren von vornherein im Keim erstickt. Prophetische Mahner wurden mundtot gemacht und später sogar als Märtyrer verfolgt und hingerichtet. Auf einmal galt nur noch die Lehre der Katholischen Kirche als verbindlich und unfehlbar. Schon Cyprian von Karthago (200-258) verglich die Eintracht der Kirche mit dem Leib­rock Christi, der nicht geteilt werden durfte (Joh.19:23) und kam zu der Schlussfolgerung: »Gott kann nur zum Vater haben, wer die Kirche zur Mutter hat… Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil«. Doch erst durch die Einrichtung des Papsttums war es Satan gelungen, dass er sämtliche heidnische Lehren in die Katholische Kirche einschleusen konnte, ohne dass schriftkundige Brüder diese widerlegen durften, weil ihnen kein Gehör mehr geschenkt wurde. Ob es nun die Verwandlungslehre bzw. das Messopfer war, die Marienverehrung, die Babytaufe, der Reliquien- und Heiligenkult, der Rosenkranz, kirchliche Besitztümer und Kreuzzüge, Priestertum oder das zur Unzucht verleitende Zölibat war: der Sünde und dem Abfall war nun mit bischöflicher Erlaubnis Tür und Tor geöffnet.

Unbiblische Verketzerungen

Das Bedeutende an den Sendschreiben ist aber nicht nur das, was der HErr Jesus sagt, sondern auch das, was Er nicht sagt. Auffällig ist, dass Er sich z.B. nicht zu allen anderen Irrlehren äußert, die in der Entwicklungsstufe von Pergamon (313 -756) Einzug hielten in die Kirche. Weder kommentiert Er den langjährigen Streit um die Dreieinigkeit, noch geht der HErr auf die Fragen bezüglich Seiner zwei Naturen ein, über die man sich doch mal ein aufklärendes Machtwort gewünscht hätte. Stattdessen beschränkt sich der HErr offensichtlich nur auf jene Lehren, die eine verderbliche Wirkung auf Seine Gemeinde genommen haben. Dabei haben doch auch wir uns längst daran gewöhnt, jede noch so geringfügige Differenz in Lehrfragen sofort als heilsentscheidend zu werten, so dass wir leichtfertig alle Sonderlinge unter den Gläubigen vom Leibe Christi auszuschließen meinen, wenn sie »nicht mit uns gehen« wollten (vergl. Luk.9:49-50).

Damals ging es den Vätern verständlicherweise um Rechtgläubigkeit (Orthodoxie). Es war die Zeit der Glaubensbekenntnisse (Credos), an denen immer wieder so lange gefeilt wurde, bis jedes Missverständnis ausgeschlossen war. Bis ins kleinste Detail wurde um die christologischen Fragen gestritten bis man Übereinstimmung fand. Der Kirchenvater Athanasius von Alexandrien (295-373) tat sich hier in seinem Kampf gegen den Arianismus besonders als Apologet der Dreieinigkeitslehre hervor. Dies wird vom HErrn offensichtlich gelobt mit den Worten: »und du hältst⟨ fest⟩/ ⟨gebrauch⟩st-macht⟨voll⟩ Meinen Namen (Offb.2:13 GtÜ).

Andererseits machte der HErr Jesus dem »faulen Knecht« keinerlei Vorwurf, dass dieser zeitlebens eine völlig falsche Vorstellung von Seinem Wesen hatte, sondern verurteilte ihn einzig und allein wegen seines Nicht-Arbeitens mit dem Silber der Erlösung (Mt.25:26-27). Unsere richtigen oder falschen Meinungen über das Wesen Gottes oder Seinen Heilsplan mit uns werden nämlich eines Tages überhaupt keine Berücksichtigung finden am Richterpodium des Christus, sondern wir werden allein nach unseren TATEN und Worten beurteilt. Deshalb ist es unsinnig, wenn wir heute bei unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten einander bekriegen und uns gegenseitig das Christsein absprechen, nur weil wir uns nicht einig werden können. Stattdessen können wir lernen von unseren Vätern, wie sie in ihrer Blütezeit (Smyrna und Philadelphia) mit unwesentlichen Meinungsverschiedenheiten umgegangen sind. So gab es z.B. schon von Anbeginn der Christenheit eine Kontroverse über die Frage, ob für die Errettung allein der freie Wille maßgeblich sei (Justin der Märtyrer) oder allein die souveräne Auswahl Gottes (Augustin). Auch haben in der Urgemeinde nicht wenige Bibellehrer an die Allversöhnung geglaubt wurde, (Theophilos, Klemens, Origines, Gregorius von Nazianz, Diodor, Gregorius von Nyssa, Theodoret, Fakundus), während sie von anderen zumindest wohlwollend toleriert wurde (Ignatius, Irenäus, Ambrosius, Didymus, Chrysostomus, Hieronymus): Selbst Augustinus, der schärfste Gegner der Allversöhnungslehre, schrieb ungewöhnlich freundlich über deren Vertreter: »Und nun muss ich, wie ich sehe, eine friedliche Auseinandersetzung mit einigen zarten Herzen von den Unsern halten, welche nicht glauben wollen, dass ewig dauernde Strafen, sei es allen denen, welche der gerechte Richter zu der Strafe der Hölle verdammen wird, oder wenigstens einigen von ihnen auferlegt werden, die vielmehr glauben, dass nach bestimmten Zeiträumen, welche je nach der Größe ihrer Sünden größer oder kürzer sind, sie aus ihrem Zustande befreit werden(De Civ. Dei, lib.XXI, 17).

Solch eine »friedliche Auseinandersetzung« fehlt uns heute, da man für diese »zarten Herzen der Unsrigen« (»cum misericordibus nostris«) keine Nachsicht üben will, geschweige denn einen Umgang pflegt, der »friedsam/ fried⟨fert⟩ig, vorbildlich, wohl⟨wollend⟩ überzeug⟨bar und folg⟩sam, an⟨ge⟩füllt ⟨mit⟩ Erbarmen/ Mitleid und guten Früchten, nicht zweifelnd ⟨be⟩urteilend, un⟨ge⟩heuchelt« (Jak. 3:17 GtÜ). Wo von vornherein die Bereitschaft fehlt, sich an Hand der Heiligen Schrift überzeugen zu lassen, da man sich der Richtigkeit des eigenen Bibelverständnisses absolut gewiss ist, da sollte man sich auch nicht über den Anspruch der Päpste auf Unfehlbarkeit empören, da man diese doch schließlich auch selber für sich beansprucht!

Das Staatskirchentum

Während der HErr zwar den Klerikalismus Seiner Kirche in Offb.2:6 +15 scharf verurteilt, verliert Er überraschenderweise kein einziges Wort über die staatliche Anerkennung des Christentums durch das Römische Reich. Die sog. »Konstantinische Wende« und das damit einhergehende Staatskirchentum, das heutzutage von vielen von uns Evangelikalen als Ursündenfall der Christenheit gesehen wird, erwähnt Er noch nicht einmal ansatzweise. Dabei führten die schlagartigen Änderungen der Jahre 311-324 zu einer Wende im Verhältnis zwischen dem römischen Staat und der Gemeinde, welche die Christen sich damals selbst in ihren kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt hatten. Hatten sie vorher gerade einmal nur auf eine Erleichterung ihrer Verfolgung durch Duldung gehofft, so wurden sie innerhalb weniger Jahre selber zu Verfolgern ihrer einstigen Feinde (Esther 9:1). Aber wie konnte es dazu kommen?

Konstantin I., der seit 305 n.Chr. Kaiser über das weströmische Reich war, teilte sich das Gesamtreich mit 3 anderen Kaisern, die sich z.T. als Rivalen bekämpften. Er glaubte – wie seine Vorfahren – an den Sonnengott Sol invictus (Mithras). Als er vor einer Schlacht in Gallien 310 am Nachmittag im Gebet war, hatte er eine Vision: »Er rief also in seinen Gebeten diesen Gott an und flehte inständig zu ihm, er möge sich ihm offenbaren, wer er sei, und ihm zu dem bevorstehenden Unternehmen hilfreich seine Rechte reichen«. Dann blickte er zum Himmel und sah »über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet, und habe dabei die Worte gesehen: ‚Durch dieses siege!‘« (Eusebius Vita, Constantini). Vielleicht war diese Erscheinung ein sog. »Halo, bei dem unter bestimmten atmosphärischen Bedingungen Sonnenlicht gebrochen wird und dadurch Kreis- und Kreuzstrukturen sichtbar werden« (Wikipedia). Auf jeden Fall ließ ihm dieser Vorfall keine Ruhe und er wurde nachdenklich, was dies bedeuten solle.

Zu jener Zeit trachtete Konstantin danach, das Reich wieder unter seiner Herrschaft zu einigen. Aus der Religionspolitik seiner Vorgänger hatte er gelernt, wie man es nicht machen sollte. Als er im Jahr 312 einen Feldzug nach Italien unternahm gegen den römischen Tyrannen Maxentius, erschien ihm nach eigenem Zeugnis »in der Nacht vor der Schlacht Jesus Christus mit dem gesehenen Zeichen und wies ihm seine Verwendung als Schutz- und Siegeszeichen an« (Wikipedia). Nachdem er das Christusmonogramm (☧) das aus einem griech. Χ (Chi) und einem griech. Ρ (Rho) zusammengesetzt war, auf die Heeresfahnen angebracht war, erlangte Konstantin am nächsten Tag den Sieg, indem sein Rivale mit seiner Armee an der Milvischen Brücke kampflos in den Tiber stürzte und ertrank. Von da an überschlugen sich die Ereignisse: Schon ein Jahr später (313 n.Chr.) wurde das Mailänder Toleranzedikt erlassen, das den christlichen Glauben fortan nicht nur duldete, sondern sogar förderte durch Sondervergünstigungen. Aus diesem Zeugnis lässt sich wohl schließen, dass der HErr die in der Folge eingetretene Bevorzugung der Kirche durch das Römische Reich als Staatskirche nicht nur duldete, sondern sogar selbst in die Wege leitete. In ähnlicher Weise hatte Er dies schon viele Male im AT getan (z.B. Esra 1, Nehemia 1, Esther 9, Dan.3:28-30, Dan.6:26-28). Vielleicht ist dies sogar schon eine Vorerfüllung der Verheißung Gottes an Seinen Sohn in Psalm 2:8 »Fordere von Mir, und Ich will dir zum Erbteil geben die Nationen, und zum Besitztum die Enden der Erde…« (vergl. auch Ps.22:27-31, Jes.49:6 usw.).

Freilich verfolgte Konstantin mit dieser Verflechtung von Kirche und Staat auch politische Interessen. Es ging ihm um eine Universalherrschaft, und die vereinigte Kirche diente ihm als Mittel zum Zweck, um fortan »Kaiser von Gottes Gnaden« zu sein. Was die Kaiser vorher durch Kampf und Unterdrückung nicht erreicht hatten, bekam der Staat seit der Anerkennung der Kirche, nämlich Einfluss und Macht durch persönliche Glaubensüberzeugung der Untertanen. Ab 341 wurden Götzenopfer als Aberglaube bei Todesstrafe verboten. 346 wurde die Schließung der heidnischen Tempel befohlen. Wer gestern noch Heide war, stürmte heute seinen einstigen Tempel als Beweis der Rechtgläubigkeit. In der Folge des Religionsediktes von 380 verschwand das Heidentum rasch von der Bildfläche. Die katholische Kirche wurde zur Staatskirche erklärt. Gleichzeitig wurde genau angegeben, welche dogmatische Richtung des Christentums man meinte: die des Bischofs von Rom, Damasus (366-384). Man musste also nicht nur Christ sein, sondern auch rechtgläubiger Christ. Abweichungen oder gar eine andere Religion wurden als Staatsverbrechen geahndet.

Gehörte vorher Mut dazu, Christ zu sein, so kamen jetzt viele zur Kirche, die einfach im Strom mitschwammen. Ein Verlust an geistiger Substanz und moralischer Glaubwürdigkeit war die Folge. Dennoch geschah eine Verweltlichung der Kirche damals nur scheinbar. Wer sich die Mühe macht und einfach mal passagenweise Augustins´ »Vom Gottesstaat« liest, der merkt schnell, dass er keineswegs einer Vermischung oder gar Angleichung (Assimilation) der Kirche mit dem Staat das Wort redet, sondern im Gegenteil plädiert und wirbt er geradezu in evangelistischer Weise für die Notwendigkeit einer klaren Trennung zwischen Staat und Kirche: »Dieser himmlische Staat beruft während seiner irdischen Pilgerschaft aus allen Völkern seine Bürger und sammelt seine Pilgergesellschaft aus allen Sprachen..(De civ. Die, 19.Buch, 17.Kap.)

Ende des 4. Jh. begann die ungewöhnliche Situation, dass sämtliche Kaiser und Statthalter des Römischen Reiches den Glauben an Christus angenommen hatten und damit von den Bischöfen wie Glaubensbrüder behandelt und sogar mit Bibelworten ermahnt wurden, wenn sie sich nicht biblisch verhielten. Es war eine Beziehung wie zwischen den Königen und Propheten im Alten Testament. Als das Weströmische Reich jedoch im 5. Jh. immer mehr schwächelte und von den Hunnen und Vandalen bedroht wurde, waren es die Christen, die durch Gebet und Friedensvermittlung die heidnischen Barbaren zum Einlenken brachten, so dass sie Rom verschonten. Hierin sehen wir Gottes Weisheit und auch den Grund, warum Er die Christen gebrauchte und ihnen damals zu politischem Einfluss verhalf; denn andernfalls wären sie wohl zusammen mit dem Römischen und Byzantinischen Reich sang- und klanglos vertilgt worden. Auch im Zuge der Völkerwanderung hat sich dann der christliche Glaube im gesamten Römischen Reich ausbreiten können und wurde später auch von den Germanen und Franken angenommen, so dass später das sog. »Heilige Römische Reich« entstehen konnte (962 – 1806). Und durch die sog. »Christlichen Seefahrer« wurden während des Mittelalters und in der Neuzeit auf der ganzen Welt christliche Kolonien gegründet, durch welche die Einheimischen zum ersten Mal mit Gottes Wort vertraut wurden. Hatte der HErr Jesus Seinen Jüngern nicht befohlen, »ALLE NATIONEN zu Schülern zu machen« (Mt.28:19)? Gott macht keine Fehler.

Heute im Zeitalter von Laodizäa wird dies freilich völlig anders gesehen. So schreibt F.W. Grant (1834-1902): »Das waren die Zeiten Konstantins des Großen – die Zeit, die bezeichnenderweise als die „Befestigung der Kirche“ benannt wird; aber leider nicht ihre Befestigung auf ihrem Felsengrund, wo sie die Pforten der Hölle nicht überwältigen konnten, sondern ihre Befestigung in der Gunst der Welt und unter ihrem Schutz. Es war der Erfolg des Satan [sic!] , der Triumph seines Planes, durch den die Kirche zur Synagoge wurde in Opposition zu Gott… Wie froh wäre man, das für eine Sache der Vergangenheit halten zu können! Aber es ist nur ein Schritt in einer beständigen Entfernung von Gott seitens der bekennenden Kirche insgesamt, der nie zurückgenommen oder abgebüßt wurde. … wie sehr auch Einzelne befreit sein mögen, hat sich doch der ganze Leib als solcher nie von diesem Niedergang erholt [sic!](»The Prophetic History of the Church«)

Diese pessimistische Sichtweise habe ich jahrelang auch so geteilt, bis vor etwa einem Jahr. Doch dann hat der HErr mir durch verschiedene Brüder gezeigt, dass sowohl die Orthodoxen Kirchen als auch die Römisch-Katholische Kirche nicht von Anfang an so abergläubisch und verdorben waren, wie sie später allmählich wurden. Pergamos hatte eine sehr große geistliche Kraft (wie schon Smyrna bis zum Martyrium), die sich auch in Wucherungen ergoss, wie z.B. die Überbetonung der Jungfräulichkeit und das Verbot von Wiederheirat nach dem Tod der Ehefrau, vor allem aber die Überbetonung der Maria zur »Muttergottes« und »Gottesgebärerin«. Daraus entwickelte sich später in der Thyatira-Epoche der abgöttische Marienkult. Auch Säulenheilige gehören zu solchen (eher harmlosen) Wucherungen.

Um Seine Gemeinde vor weiterem Abfall zu bewahren, musste der HErr Jesus dann tatsächlich gegen einige von ihnen Krieg führen (Offb.2:16), indem er sie züchtigte. Dies geschah zunächst durch Mißernten (Wetteranomalie 535-536), eine Pandemie (Justinianische Pest 541-544) und einen drastischen Kälteeinbruch (Eiszeit von 536-660). Durch all diese Prüfungen stürmte der Feind gegen das Haus Gottes, aber es fiel bis heute nicht ein, weil es auf dem Felsen gegründet war (Mt.7:25).

Das frühe Mönchtum

Bis in die heutige Zeit gab es während der gesamten Kirchengeschichte immer wieder den Wunsch, zum Urchristentum zurückzukehren. »Back to the roots! = Zurück zu den Wurzeln!« Die Lebensgemeinschaft in der Urgemeinde von Jerusalem, von der es hieß: »Die Menge derer aber, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre, sondern es war ihnen alles gemein« (Apg.4:32). Diejenigen Gläubigen, die heute verächtlich über die Mönchsorden und Nonnenkloster des Mittelalters denken, wünschen sich selbst, einem »Bruderhof« anzugehören, dabei war dies damals eigentlich nichts anderes. Und auch der heutige Wunsch vieler Brüder, sich »von allen Organisationen und Benennungen abzusondern, um dann außerhalb der Ökumene nur noch mit den ganz Bibeltreuen Gemeinschaft zu haben«, diesen Wunsch gab es schon damals bei den Benediktinern. Man muss also nicht glauben, dass man das Rad neu erfunden habe.

Der Wunsch nach Absonderung ist so alt wie die Menschheit. »Wer sich absondert, trachtet nach einem Gelüst…« (Spr.18:1). Es ist der Wunsch, frei zu werden von den Reizen der Umwelt, um innere Einkehr und Ruhe zu finden, sowie sich in Disziplin und Enthaltsamkeit zu üben. Solch ein Ansinnen ist also gar nichts Verwerfliches, sondern kann den Menschen wirklich näher zu Gott bringen. Dem Propheten Elia hatte die Auszeit gut getan, um neue Kraft zu gewinnen (1.Kön.19:4-9), und auch der HErr Jesus begann Seinen Dienst erst, nachdem Er sich für 40 Tage in die Wüste zurückgezogen hatte (Luk.4:1). Oftmals führen gerade Verfolgungen dazu, dass wir – wie Elia – in die Einsamkeit der Wüste fliehen müssen. So sind auch während der Christenverfolgung unter Decius und Valerian einige Christen aus Nord-Ägypten in die Wüste geflohen und haben sich in Höhlen versteckt, in der Hoffnung, dass der HErr doch bald kommen möge und dann ohnehin alles vorbei sei. Zu diesen zählt u.a. Paulus von Theben (228-341) und Antonius der Einsiedler (251-356), die aus der Not eine Tugend machten und sich in Askese übten. Antonius soll einmal gesagt haben: »Der Sieg über jede Plage, die über dich kommt, ist das Schweigen… Wer in der Wüste in seiner Zelle sitzt, ist von drei Anfechtungen befreit: der des Hörens, der des Redens und der des Sehens; nur ein Kampf bleibt ihm, der gegen die eigene Sinnlichkeit« (Apophtegmata Patrum, 611).

Das Eremitentum machte allmählich Schule, so dass auch noch lange nach Anerkennung des Christentums bis weit ins Mittelalter Gläubige das Leben in Abgeschiedenheit und Armut bevorzugten. Aus dieser Zeit stammt vielleicht die bis heute noch immer aktuelle Fabel vom Hund, der einen abgemagerten Wolf trifft und ihn einlädt, mit ihm bei seinem Herrn zu essen. Als aber der Wolf plötzlich das abgeschabte Fell am Hals des Hundes erblickt, das durch seine Halskette verursacht wurde, erschrickt er und läuft schnell wieder davon mit den Worten: »Vielen Dank, doch meine Freiheit ist mir wichtiger als ein satter Bauch«.

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