13. Verborgen
„Ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol.3:3)
Was für seltsame Worte! Was spricht Paulus hier bloß? „Ihr seid gestorben“ stellt er fest, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Die Metapher des Sterbens finden wir ja überall im Neuen Testament (Joh.11:25, 12:24). Der natürliche Mensch lebt zuerst und stirbt dann, aber der geistliche Mensch stirbt zuerst (symbolisch in der Taufe) und lebt danach in Christus. Warum aber lebt der alte Mensch trotz des geistlichen Todes manchmal immer noch? Weil es ein Sterbeprozess ist am Kreuz! Der Tod setzt erst langsam ein. Ein Bruder sagte mal: „Die Hand ist angenagelt und kann sich nicht mehr bewegen, aber die Finger regen sich noch immer von Zeit zu Zeit.“
Aber was heißt das: „Euer Leben ist verborgen“? Sollen wir denn unser Leben nicht sichtbar vor den Leuten führen, dass sie unsere guten Werke sehen (Mt.5:16)? Ja, aber es geht hier um das Verstandenwerden. Die Welt versteht uns nicht mehr und kann daher nichts mehr mit uns anfangen. Und so wie man eine begrabene Leiche nicht mehr sieht, so sollte auch unser alter Mensch für die Welt nicht mehr sichtbar sein. Man sieht zwar noch die äußere Hülle von früher (wie bei den Dachsfellen, die über der Stiftshütte lagen), aber innen wohnt der HErr im Heiligtum. Und durch den Glauben haben wir Zutritt zum „Verborgenen Seines Zeltes“ (Ps.27:5).
Durch die Verborgenheit wird das Heilige geschützt. „Siehe, Du hast Lust an der Wahrheit im Innern, und im Verborgenen wirst Du mich Weisheit kennen lehren“ (Ps.51:6). Diese Weisheit Gottes ist der Welt verborgen (1.Kor.2:7), denn sie gehört zu den Schätzen, die allein in Christus verborgen sind (Kol.2:3). Schon Hiob wusste: „Sie ist verborgen vor den Augen der Lebendigen“ (Hiob 28:21). Die Weisheit Gottes ist das „verborgene Manna“ (Offb.2:17), das nur jene bekommen, die überwinden.
Gott handelt nicht nur im Verborgenen (Ps.139:15), sondern das Verborgensein ist sogar Teil Seines Wesens: „Wahrlich, Du bist ein Gott, der sich verborgen hält, Du Gott Israels, Du Heiland!“ (Jes.45:15). In Seinem unsichtbaren Wesen besteht Seine „ewige Kraft und Göttlichkeit“, und wir nehmen Gott daher auch erst durch Sein Handeln wahr (Röm.1:20). Wäre Er für uns gänzlich sichtbar, dann würde Ihn das auf das Materielle begrenzen und Seine Göttlichkeit infrage stellen. Der HErr ist zwar „ein Gott, der sich schauen lässt“ (1.Mo.16:13), aber nur dem, der Ihm glaubt.
Da Gott „im Dunkel wohnen will“ (1.Kön. 8:12), können auch wir Ihn nur im Dunkeln und Verborgenen finden. Deshalb sagt der HErr Jesus: „Wenn du betest, so geh in deine Kammer und, nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten“ (Mt.6:6). Das Wort „vergelten“ weckt den Eindruck, als ob das Gebet eine Leistung sei. Tatsächlich ist es aber für den Glaubenden ein lebenswichtiges Bedürfnis, da sonst der Glaube stirbt und nur noch ein totes Bekenntnis übrigbleibt. In diesem Sinn verstehe ich auch die Worte des HErrn an die törichten Jungfrauen: „Ich kenne euch nicht“, d.h. „Ihr seid mir nicht vertraut, denn ich habe euch kaum im Verborgenen beten sehen.“
Das eigentliche, geistliche Leben spielt sich also im Verborgenen ab. Daher muss z.B. die Berühmtheit eines Predigers ja gar nicht unbedingt ein Zeichen für seinen besonderen geistlichen Stand sein. Im Gegenteil: Der Applaus kann ihn sogar dazu verführen, selbstzufrieden mit seinem Glauben zu sein und daher sein geistliches Leben im Verborgenen zu vernachlässigen. Ja, noch schlimmer: „Wer bei Menschen hoch (im Ansehen) ist, ist ein Gräuel vor Gott“ (Luk.16:15). Die Pharisäer hatten damals im Volk das höchste Ansehen, und dennoch sagt der HErr zu ihnen: „Wie solltet ihr dem Feuer der Hölle entfliehen!“ Und was war der Grund? Sie übten ihre Frömmigkeit eben gerade nicht im Verborgenen, sondern taten alles nur, um von den Menschen gesehen zu werden. Dadurch aber hatten sie ihren Lohn schon erhalten und konnten von Gott keine Ehre mehr erwarten. Ein Kind Gottes hingegen, das mit der Stille bei Gott im Gebet vertraut ist, wird auch selbst immer stiller vor den Menschen, weil es niemandem mehr etwas beweisen muss. Vor allem muss es auch nicht mehr recht haben wollen und über jedes Stöcklein springen, sondern kann dies getrost dem Wirken des Heiligen Geistes überlassen. „Ein kluger Mensch hält die Erkenntnis verborgen, aber das Herz des Toren ruft Narrheit aus“ (Spr.12:23).
Gerade durch die auffällige Stille, die ein früher als redselig Bekannter übt, redet er sogar noch viel mehr zu seinem Umfeld. Die wenigen Worte, die er dann noch spricht, wiegen für andere umso mehr. Auch das ständige Nörgeln an anderen verstummt, weil er/sie alles bereits an den HErrn abgegeben hat im Gebet. Jeremia war ständig dem Widerspruch ausgesetzt, aber er hatte diesen geheimen Ort bei Gott, wo er alles ablegen konnte: „Wenn ihr aber nicht höret, so wird meine Seele im Verborgenen weinen wegen eures Hochmuts“ (Jer. 13:17). Mögen auch wir angereizt sein, die Stille bei Gott im Verborgenen zu suchen, auch wenn wir dadurch immer weniger von Menschen wahrgenommen und geehrt werden! Wichtig ist allein die Ehre bei Gott!
14. Lauterkeit
„Richte mich, HErr! Denn in meiner Lauterkeit habe ich gewandelt… Prüfe mich, HErr, und erprobe mich…“ (Ps. 26:1-2)
Jedes Mal, wenn ich diese Worte lese, empfinde ich Furcht und Scham, denn ich selbst würde mich nicht trauen, diese Worte zu beten. Wie überzeugt muss man von seiner eigenen Lauterkeit sein, dass man Gott sogar darum bittet, sich selbst von Gott einer Prüfung zu unterziehen. Auch Hiob traute sich zu dieser Herausforderung: „Denn Er kennt den Weg, der bei mir ist; prüfte Er mich, wie Gold würde ich hervorgehen“ (Hi.23:10).
Lauterkeit bedeutet innerliche Reinheit, Wahrhaftigkeit und Klarheit. Jemanden zu läutern ist entsprechend, ihn innerlich zu reinigen, d.h. ihn dahin zu bringen, dass er sich und anderen gegenüber ehrlich und aufrichtig wird. Wer ein lauteres Herz hat, braucht sich nicht schämen, wenn das, was er denkt, sagt und tut, von anderen „verlautbart“ und dann „laut“ anderen weitererzählt wird. Ein Laut ist etwas Vernehmbares, egal ob er tatsächlich laut oder leise ist. Wer seine eigenen Gedanken jedoch nicht offenbaren will, der schweigt lieber.
Dann spricht David weiter in Psalm 26, dass er den Umgang mit „falschen Leuten und Hinterlistigen“ bewusst gemieden hat und die „Versammlung der Übeltäter“ sogar regelrecht „gehasst“ hat (V.4-5). Das Üble an ihnen war, dass „in ihren Händen böses Vornehmen und deren Rechte voll Bestechung“ war (V. 10). Wenn ich mit Leuten zu tun habe, die mich als Komplizen gewinnen wollen, um gemeinsam einen anderen (z.B. das Finanzamt) zu betrügen, dann werden sie über kurz oder lang auch mich betrügen. Und wenn sie zu mir heimlich schlecht über Dritte reden, dann reden sie hinter meinem Rücken auch garantiert schlecht über mich. Schon allein deshalb kann man unwahrhaftigen Menschen nicht trauen, sondern sollte sich vor ihnen hüten.
Lauter bedeutet also auch unbestechlich, unverdorben und ohne Argwohn. Martin Luther – sein Nachname ist wohl ebenso von „Lauter“ abgeleitet – ließ sich auf dem Reichstag zu Worms trotz aller Einschüchterungs-, Überredungs- und Bestechungsversuche nicht von seiner Überzeugung abbringen („Hier steh ich, und ich kann nicht anders. Gott helfe mir!“) und war so arglos, dass er die Gefahr, heimtückisch ermordet zu werden, gar nicht wahrnahm.
Ein Kind ist ohne falsch. Es sagt frei heraus, was ihm gerade einfällt, ohne Hinter- oder Nebengedanken. Kindermund tut Wahrheit kund. Wie etwa jenes Kind, das mit seiner Mutter bei der Nachbarin eingeladen ist und dann vor dieser zur Mutter sagt: „Mama, du hast recht: die Nachbarin ist wirklich zu faul, um mal ihren Staub zu wischen.“ Kinder sind aber auch nicht in der Lage, einem Erwachsenen unlautere Absichten zu unterstellen, weil sie diese selbst noch nicht kennen. Als ich mit 11 Jahren z.B. mal an Heiligabend morgens beim Bäcker war, um für die Familie Brötchen zu kaufen, schenkte mir die Verkäuferin anschließend eine Tüte Baiser (Zuckergebäck). Voller Dankbarkeit fuhr ich nach Haus und berichtete dies freudestrahlend meinen Eltern am Frühstückstisch, indem ich hinzufügte: „Ich finde, wir sollten der Verkäuferin auch ein Weihnachtsgeschenk machen, damit sie sich auch so freut.“ Mein Vater schaute mich ernst an und sagte: „Du bist halt noch ein naives Kind.“
„Gott hat den Menschen aufrichtig geschaffen. Sie aber haben viele Ränke gesucht“ (Pred.7:29). Das hebräische Wort für „Ränke“, חִשְּׁבֹנ֥וֹת HiScheBoNoT, bedeutet wörtlich „Erfindungen“ und wird in 2.Chr.26:15 im Sinne einer neuartigen Kampfmaschine benutzt, einem technischen Meisterwerk, mit dem man von oben aus mit Pfeilen und großen Steinen auf die Gegner schießen kann. Geistlich gesehen ist damit die Schlagfertigkeit gemeint, durch welche ich einen Bruder, der weniger wortgewandt ist, in einer Debatte schlagen und demütigen kann, selbst wenn ich schlechte Argumente habe. Hieran sieht man, dass rhetorische Redegewandtheit noch lange nicht ein Zeichen von geistlicher Weisheit ist. Denn ein geistlicher Mensch will den anderen nicht besiegen, sondern ihn für die Wahrheit gewinnen (1.Kor.11:16). Dies aber gelingt nicht, wenn ich ihn demütige, sondern indem ich ihm eine Brücke baue.
In 1.Kor.5:8 wird die Lauterkeit als eine Abwesenheit von „Sauerteig“ bezeichnet, für den als Beispiel das Rühmen genannt wird, d.h. die Angeberei. Der Sauerteig der Pharisäer (der „Abgesonderten“) war die Heuchelei (Luk.12:1), vor der die Jünger sich hüten sollten. In einer Gemeinde kann es schnell zu einem gruppendynamischen Konformismus kommen, bei welchem oft jene ausgegrenzt werden, die bei der Gleichmacherei nicht mitmachen oder ihr sich sogar entgegenstellen (Gal.2:12-14). Heuchelei äußert sich auch in vorgetäuschter Freundlichkeit, die bei schauspielerisch begabten, aber fleischlichen Christen dazu genutzt werden kann, um die eigene Machtposition zu festigen. Sobald man sich des Rückhalts einer Mehrheit gewiss sein kann, lässt der „Wolf“ dann zuweilen sein Schafspelz fallen und wird zum unerbittlichen „Diotrephes“ = „von Zeus (Luzifer) genährt“ (3.Joh.9-11, 2.Tim.2:25-26).
Die „Einfalt und Lauterkeit Gottes“ hindert uns auch daran, das Wort Gottes zu verfälschen, um es unseren Wünschen anzupassen (2.Kor.1:12, 2:17). Sämtliche Irrlehren sind ja durch Betrug entstanden bzw. „durch Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum“ (Eph.4:14). Wörtlich heißt es hier „methodischer“ Irrtum von gr. META = inmitten, und hODÓS = Weg, d.h. ein planmäßiges Verfolgen /Vorgehen, um eine Auslegung zu (er)finden, die den vorgegebenen Wünschen entspricht. Wenn einem eine biblische Aussage unverständlich und dadurch unannehmbar geworden ist, besteht die Gefahr, nach scheinbar widersprechenden Stellen zu suchen, wobei man alle weiteren Bestätigungen im Wort einfach ausblendet, wenn sie nicht dem angestrebten Ergebnis entsprechen. Dabei redet er sich ein, ja einer höheren Wahrheit verpflichtet zu sein, die noch über dem geschriebenen Wort steht. Die Vorstellung, von anderen überführt zu werden, ist ihm solch ein Graus, dass er alles daransetzt, sich seine falsche Behauptung immer wieder zurechtzubiegen. Ein Christ mit lauterem Herzen hingegen prüft eine Lehre immer ergebnisoffen: „Die Weisheit … lässt sich etwas sagen“ (Jak.3:17).
Ein lauterer Mensch ist auch nicht argwöhnisch. Denn weil das Arge nicht in ihm wohnt, ist er es auch nicht gewöhnt, das Arge im anderen zu vermuten. Nein, er kann sich noch nicht einmal vorstellen, dass der andere Böses im Schilde führt, weil er selbst ja auch nichts im Schilde führt. „Die Liebe glaubt alles und hofft alles“ (1.Kor.13:6). Ein lautere Herz kann sagen: „Mein Gedanke geht nicht weiter als mein Mund“ (Psalm 17:3). „Ist dein Herz redlich wie mein Herz gegen dein Herz? … So gib mir deine Hand“ (2.Kön.10:15).
15. Üben
„Darum übe ich mich auch, allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen“ (Apg.24:16)
Wie schnell überlesen wir diese kurze Wendung „üben“, obgleich es die häufigste Grundtätigkeit ist, auf die all unser Tun am Tag beruht. Durch die immer gleichen Handlungsabläufe tun wir die meisten Dinge nicht nur unbewusst aus Gewohnheit und Routine, sondern wir vervollkommnen zugleich unsere Arbeit durch die Vermeidung von Hindernissen oder können notwendige aber schwerfallende Korrekturen vornehmen, um schlechte Angewohnheiten zu verlieren.
Das ganze Glaubensleben ist ja im Grunde ein Erlernen von notwendigen Veränderungen, um in das Wesen des HErrn umgestaltet zu werden. Das in 1.Kor. 5:20 verwendete Wort für „versöhnen“ heißt eigentlich „(sich von oben) herab verändern (lassen)“. Aber die Änderungen passieren nicht von einem Moment zum anderen, sondern bedürfen ständiger Übung. Durch die Bereitschaft zur Veränderung geschieht aber zugleich Versöhnung mit Gott. Satan glaubte nicht daran, dass Gott aus Menschen mit tierischem Wesen irgendwann einmal Engelsgestalten machen könne und stellte deshalb Hiobs Frömmigkeit immer wieder infrage. Doch durch die Kraft der Wiedergeburt und Erneuerung durch den Heiligen Geist hat der HErr uns zu einem Leben in der Gottseligkeit befähigt.
Um Kurskorrekturen vorzunehmen, müssen wir uns immer mal wieder aus dem Alltag ausklinken und in die Abgeschiedenheit zurückziehen, um unser Handeln Revue passieren zu lassen und zum Umdenken zu gelangen. In meinem Leben geschieht das meistens nachts, wenn ich nicht mehr schlafen kann, dass der Heilige Geist mich auf Fehler hinweist und mir hilft, neue Vorsätze zu treffen im Kampf gegen die Sünde. Derzeit plagt mich z.B. wieder die schlechte Angewohnheit, unbequeme Verpflichtungen immer weiter aufzuschieben (man nennt dies auch Prokrastination). Oder auch die gelegentlich unkontrollierte Sucht nach Schokolade und Eis. Die Waage erinnert mich dann immer wieder daran, dass ich wieder gesünder essen und mich mehr bewegen muss. Aber um das Neue zu ergreifen, müssen wir das Alte erst loslassen. Ohne Verzicht geht es nicht. Ein um den Sieg Ringender ist ENTHALTSAM in allem (1.Kor.9:25). Paulus gebraucht in seinem Zeugnis in Apg.24:16 das griech. Wort ASKÄ’Oo, d.h. Askese üben. Damit ist nicht unbedingt nur der freiwillige Verzicht auf Annehmlichkeiten gemeint, sondern auch ein sach- und zielorientiertes Handeln, das auf einen bestimmten Erfolg ausgerichtet ist. Dabei dürfen wir uns von Rückschlägen nicht entmutigen lassen, sondern durch harte Selbstdisziplin nach jedem Fallen gleich wieder aufstehen (Spr.24:16).
Paulus konnte in seiner Verteidigungsrede vor dem Landpfleger Felix bezeugen, dass er stets zielgerichtet und asketisch darauf achtet, ein „unanstößiges Gewissen“ zu behalten. Wir können in der Nachfolge nie ganz verhindern, dass Kritiker Anstoß an unserem Verhalten haben, und auch unser HErr Jesus war für viele ein „Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernissen“ (1.Petr.2:8). Die Frage ist aber, ob wir Anstoß erregen um der Wahrheit willen oder wegen unseres ungehörigen Verhaltens. Vorgestern z.B. habe ich von der Polizei beim Evangelisieren am Hauptbahnhof eine Anzeige bekommen, weil eines meiner Plakate eine aus ihrer Sicht anstößige Botschaft enthielt (ich hatte darin u.a. Kritik an der Medienmanipulation durch den Ukrainekrieg geäußert). Das aus Sicht der Polizei anstößige Schild wurde dann beschlagnahmt. Nun muss ich mich natürlich schon auch selbstkritisch fragen, ob das wirklich schon ein Leiden um des HErrn willen war oder nicht eher, weil ich mich in eine „fremde Sache“ eingemischt habe (1.Petr.4:15). Die Kritik von Pastor Olaf Latzel an der Homosexualität hatte jedenfalls einen deutlicheren Bezug zur Bibel.
16. Trost
„Aber der die Niedrigen tröstet, hat uns getröstet, nämlich Gott…“ (2.Kor.7:6)
Trösten (PARA-KALÄ´Oo = „beiseiterufen“, d.h. ermutigen, ermahnen, bitten, an jmd. appellieren) bedeutet im Grunde: zum Herzen eines Menschen reden (1.Mo.50:21, Ruth 2:13, Jes.40:1-2, Hos.2:14). Gott will, dass die Traurigen getröstet werden, egal, ob sie nun gläubig oder ungläubig sind (Mt.5:4). Deshalb dient jeder Tröstende somit bewusst oder unbewusst Gott. Trost hat seinen Ursprung in der Liebe (Phil.2:1). Die Liebe Gottes ist ein Strom aus dem Thron Gottes, und überall wo dieser hingelangt, bringt er Heilung (Hes.47:1-10, Offb.22:1). Zugleich aber füllen sich unsere Herzen so sehr mit der Liebe Gottes, dass sie überströmen zueinander (Phil.1:9), so dass dieser lebendige Wasserstrom immer weiter fließen kann, um auch allen Menschen Trost und Zuversicht vom HErrn zu spenden (Joh.7:38). Diesen Zuspruch Gottes können aber nur die „Niedergebeugten“ vernehmen, da nur ihre Herzenswand dünn genug ist, um die Botschaft Gottes aufzunehmen. Wenn unsere Herzen jedoch dick geworden sind, erreicht uns der HErr nicht mehr, und unser Herz mag dann zwar fest, unverwundbar und stolz sein, aber ist in Wahrheit auch ohne Liebe und Trost, d.h. Trost-los (Ps.119:70, Mat.13:15). Es kommt also ganz entscheidend auf unser Herz an, ob wir das leise Flüstern des Heiligen Geistes noch wahrnehmen – oder bereits taub und damit hartherzig geworden sind (1.Kön.19:12).
So wie es zu den Aufgaben des „Zurufers“ Gottes (PARA’KLETOS) zählt, uns Beistand und Trost zu spenden, so sollen auch wir die Kleinmütigen trösten (1.Thes.5:14). Gerade jetzt in der Corona-Krise leiden viele Menschen, aber die meisten haben keinen Tröster (Pred.4:1). Das spanische Wort „misericordia“ (Barmherzigkeit) setzt sich zusammen aus den Worten „miseria“ = Elend und „cordial“ = herzlich, also herzlich sein zum Elenden und Armen, so wie Gott es ist. Auch im deutschen Wort „Barmherzigkeit“ stecken die Worte „Herz“ und „arm“ drin, also ein Herz für die Armen haben. Das ist weit mehr als nur Mitleid oder Mitgefühl, denn das wären ja nur Gefühlsregungen, die vorübergehen. Der BarmHERZige Samariter ging aber nicht vorüber – wie die anderen – und war auch nicht nur „innerlich bewegt“, sondern wie selbstverständlich opferte Er sofort Zeit und Geld für diesen Elenden, der plötzlich sein Allernächster wurde, der Ihm so nah war, dass Er sich mit ihm und seinem Leid völlig eins machte.
Nun fällt es nicht allzu schwer, einem unschuldig Verarmten oder einem uns sympathisch wirkenden Bedürftigen aus seinem Elend herauszuhelfen. Aber würden wir auch Mitgefühl haben und Barmherzigkeit üben mit Personen, die uns hassen oder uns betrogen haben, z.B. einem „dahergelaufenen Ausländer“ oder primitiven „Zigeuner“, der auch noch undankbar ist? „Denn wenn ihr liebet, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe?“ (Mt.5:46). Meine Mutter betreute mal eine demente alte Dame, Frau Redder, die eigentlich immer unerträglich gehässig und undankbar war. Den Gruß meiner Mutter erwiderte sie mit einem Fluch, und wenn meine Mutter sie fragte, ob sie ihr ein Eis spendieren dürfe, fauchte sie wütend: „Dass Ihnen das jetzt erst einfällt!!! Das wird ja wohl auch endlich mal höchste Zeit!“ Aber waren wir nicht auch alle einmal unerträglich und undankbar Gott gegenüber? Wem viel vergeben wurde, der sollte doch umso mehr lieben und herzliches Erbarmen haben mit allen Elenden der Erde, selbst sogar, wenn diese es nicht anders verdient hätten, weil sie uns viel Leid und Schaden zugefügt haben.
Doch nicht nur Elende und Benachteiligte verdienen unseren Trost und unsere Hilfe, sondern auch all jene Menschen, deren Ansichten wir absolut nicht teilen und die wir deshalb als nervig und unsympathisch empfinden. Seit es eine Corona-Impfung gibt, sind nicht nur die Weltmenschen, sondern leider auch die Gläubigen untereinander tief gespalten und z.T. auch gegeneinander verbittert. Auf der einen Seite gibt es jene, die absolut kein Verständnis haben für die Impfverweigerer und sie deshalb als herzlose Egoisten bzw. leichtgläubige Verschwörungstheoretiker verunglimpfen. Und auf der anderen Seite sind jene, die wütend und z.T. neidisch sind auf Reiche wie Bill Gates und die Pharmaindustrie, weil sie angeblich aus reiner Profitsucht erst einen Virus und dann einen unzureichend wirkenden, „genverändernden“ Impfstoff entwickelt haben, durch welchen die Menschheit beraubt und versklavt werde, um schließlich damit ausgelöscht zu werden. Jeder hat sich irgendwo positioniert und vertritt einen dieser beiden Standpunkte mit mehr oder weniger großer Überzeugung. Aber versuchen wir doch mal, uns gedanklich ins Lager der Gegner zu begeben, um sie zu verstehen, zu trösten und ihnen die Füße zu waschen durch Anteilnahme und Hilfestellung (2.Chr.28:10+15). Ich selbst z.B. zähle zu den Geimpften, aber ich möchte für die Rechte der Ungeimpften eintreten und Zweien von ihnen nächstes Jahr eine Anstellung geben, nachdem sie wegen ihrer Impfverweigerung ihren Job verloren haben. Vor allem aber möchte ich sie trösten und ihnen Mut zusprechen, denn der Impfzwang ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Jahren erwarten wird, wenn erstmal die antichristliche Drangsalzeit demnächst beginnen wird.