„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– „Such, wer da will, ein ander Ziel“ Teil 14

 

August 2019

Ist Arbeiten reine Zeitverschwendung?

Als wir Mitte August in meiner Firma Betriebsurlaub machten, hatte ich wieder Gelegenheit, zusammen mit meinem Auszubildenden und Glaubensbruder Simeon (22) für eine Woche eine Deutschland-Rundreise zu unternehmen, um verschiedene Brüder zu besuchen, die ich größtenteils noch nicht persönlich kannte, sondern nur über Facebook kennengelernt hatte. Nachdem wir morgens von Bremen aus losfuhren, war unsere erste Station in Witten bei Dortmund bei einem polnischen Bruder namens Marcel (34). Dieser war lange Zeit dem dänischen Charismatiker Torben Sondergaard gefolgt, hatte aber allmählich den Eindruck gewonnen, dass dieser ein Betrüger sei. Da seine Frau sich nun von ihm trennen wollte, geriet Marcel in große Not und bat mich um seelsorgerlichen Rat. Deshalb bot ihm an, dass wir uns auf der Durchreise auch mal kurz persönlich treffen könnten.

Als wir gegen Mittag in Witten ankamen, lud uns Marcel zum Essen nach McDonalds ein. Während des Essens fragte mich Marcel, warum ich auch Bekehrungen im Totenreich für möglich halte, wo doch die Toten eigentlich im Zustand der Bewusstlosigkeit sind. Ich erklärte ihm, dass es mindestens seit dem Jahr 585 v.Chr. geistige Aktivität im Scheol gäbe, als Hesekiel in Kap. 32:21+25 schrieb: „Es reden mit ihm die gewaltigen Helden mitten aus dem Scheol… die vom Schwert Durchbohrten… sie tragen ihre Schmach“. In Jes.14 hingegen sind 2.500 Jahre später jene Könige nicht mehr „in Schmach“, sondern „in Ehren, ein jeder in seinem Haus“, wenn der Satan zu ihnen hinabgestoßen wird. Diese Könige steigen bei der Ankunft Satans sogar von ihren Thronen auf, obgleich sie immer noch „kraftlos sind“ (Jes.14:9-11). Meine Vermutung war, dass diese Könige inzwischen durch die Verkündigung des Evangeliums im Totenreich Buße getan hatten, so dass sie zwar immer noch „gerichtet werden menschengemäß nach dem Fleische“, aber aufgrund ihrer Bekehrung zum HErrn Jesus gerettet sind (Joh.5:25, 1.Petr.4:6). Wer sich jedoch schon hier auf Erden bekehrt, „kommt nicht ins Gericht“ (Joh.5:24). „Aber sind mit den Toten aus Joh.5 nicht die geistig Toten gemeint?“ fragte Marcel. „Nein. Von geistig Toten spricht Paulus zwar auch mal an einer Stelle in Epheser 2, aber normalerweise sind immer die buchstäblich Gestorbenen gemeint.“ – „Aber sagt der HErr nicht, dass sie erst am Jüngsten Tag auferweckt werden? Wie können sie sich dann im Totenreich unterhalten, geschweige denn sich bekehren?“ – „Am Jüngsten Tag werden die Toten auferstehen, aber sie sind vorher schon lange bei Bewusstsein, wie man in der Geschichte vom reichen Mann und Lazarus sehen kann. Und letztlich haben ja auch die allermeisten Toten aus dem Alten Testament den HErrn Jesus angenommen, als Er ihnen nach Seiner Kreuzigung das Evangelium im Totenreich predigte“ (1.Petr.3:19). Marcel war über diese Auslegung sehr überrascht und bat mich, diese ihm noch einmal schriftlich und wenn möglich auf Englisch zuzusenden. Zum Abschied gab ich ihm noch drei meiner sieben Bücher, die ich gerade druckfrisch aus Rumänien erhalten hatte.

Wir fuhren dann weiter nach Dienstweiler (Rheinland-Pfalz) zu einem Bruder namens Hans-Joachim (64), den ich ebenfalls über Facebook kennengelernt hatte. Dieser hatte sich nach seinem Studium der Physik und der Philosophie entschieden, von seinen Ersparnissen zu leben. So verbrachte er viele Jahrzehnte als Lebenskünstler und Bohémien, indem er in seinem vererbten Haus sich tagtäglich seiner Leidenschaft des Schreibens philosophischer und gesellschaftskritischer Abhandlungen hingab. Durch seine kritische Auseinandersetzung mit dem Materialismus stieß Hans-Joachim vor vier Jahren auf den christlichen Glauben und bekehrte sich. Dann lernte er seine Frau Andrea kennen, die als Lyrikerin ihre Zeit damit verbrachte, Gedichte zu schreiben. Ich war etwas irritiert: „Das heißt, Du hast nach dem Ende Deines Studiums noch nie gearbeitet?“ – „Ich brauchte es zum Glück nicht, denn durch meinen sparsamen Lebenswandel konnte ich bis jetzt von meinem Erbe leben.“ – „Aber arbeiten tut man doch nicht nur, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch um Kontakt zu anderen zu haben und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“ – „Nein, das sehe ich nicht so. Das Arbeiten ist an sich reine Zeitvergeudung. Das Leben ist viel zu wertvoll, um es durch Arbeit zu verschwenden, – es sei denn, man ist auf das Geld angewiesen. Ich bin froh, dass mir solch ein Sklavendasein bisher erspart blieb, so dass ich mich ganz dem Lesen und Schreiben widmen konnte.“ – „Aber Gott will doch, dass wir sechs Tage arbeiten sollen, zumal Müßigkeit aller Laster Anfang ist. Und Paulus schreibt: ‚Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen‘. Du könntest ja das nicht benötigte Einkommen auch an Bedürftige spenden…“ Er überlegte: „Es ist ja nicht so, dass ich gar nicht arbeite. Zum Beispiel betreibe ich in meinem Garten als Hobby eine Bienenzucht.“ Daraufhin stand er auf und zeigte uns seine Bienenstöcke. Dabei erklärte er uns vieles, was man als Imker alles wissen muss. Nach dem Abendessen unterhielten wir uns noch lange über Fragen der Physik, der Evolutionstheorie und dem Kreationismus, bis wir dann gegen 23:30 Uhr zu Bett gingen.

Aussätzigen gibt man nicht die Hand

Am nächsten Morgen unterhielten wir uns nach dem Frühstück noch eine Weile und machten uns dann auf den Weg zu unserer Schwester Elisabeth (86) aus Sachsenheim (Baden-Württemberg), die uns zum Mittagessen eingeladen hatte. Als Rumäniendeutsche hat sie eine ganz außerordentliche Herzlichkeit und wir haben das gemeinsame Mittagessen sehr genossen. Nach einer gemeinsamen Gebetszeit sind wir dann weiter nach Stuttgart gefahren, wo am Nachmittag eine Großevangelisation der „Werde-Licht-Mission“ geplant war. Dort sollte ich auch meinen Freund und Glaubensbruder Eduard (28) wiedersehen, der dort mit seiner Gemeinde aus Soltau angereist kam. Da Eduard auch mal gerne jene Brüder kennenlernen wollte, mit denen ich in Kontakt stehe, aber zugleich auch an jener Evangelisation seiner Soltauer Gemeinde teilnehmen wollte, hatten wir geplant, dass er dann am Tag nach der Evangelisation mit uns mitfahren könne. Allerdings gab es erhebliche Spannungen, da die Soltauer mich ablehnten und mit mir nichts zu tun haben wollten, da ich nicht nur an 1.Tim.2:4 glaube, sondern auch an Jes.46:10. In ihren Augen war ich ein Irrlehrer, da ich mich nicht ihrer Lehre unterwerfen wollte, sondern mich in meinem Gewissen allein dem HErrn und Seinem Wort verpflichtet sah. Da sie mitbekommen hatten, dass Eduard mit mir befreundet war und mich regelmäßig besuchte, setzten sie ihn in letzter Zeit immer häufiger unter Druck, den Kontakt zu mir abzubrechen, was Eduard aber nicht wollte (vergl. 3.Joh.9-10).

Als wir ankamen, begrüßte ich zunächst einige mir bekannte Brüder, die ich auf der Veranstaltung sah, wie z.B. Alan Haufe, Joachim Krauß, Lothar Gassmann, Musa Bilgic und Josef Dražil. Dann ging ich mit Simeon die Fußgängerzone entlang und wir verteilten Traktate; wir hatten mehrere gute Gespräche, u.a. mit einem Italiener namens Enrico, der sich erst vor kurzem bekehrt hatte, aber voller Eifer war für den HErrn, nachdem er mehrere Wunder erleben durfte. Die meisten Passanten zeigten jedoch kein Interesse an der Botschaft Gottes, so wie ich es auch von Bremen kenne. Nach zwei Stunden gingen wir wieder zurück zum Schlossplatz, wo die Werde-Licht-Mission ihre Stände hatte und unterhielten uns noch eine Weile mit Brüdern. Zu meinem Bedauern stellte ich fest, dass auch vor der Bühne kaum ein Ungläubiger dabei war, sondern die Brüder unter sich blieben. Zum Schluss ging ich noch mal zu Eduard, um mich von ihm zu verabschieden. Er unterhielt sich gerade mit einem Bruder namens Eyub aus Soltau. Ich gab auch ihm die Hand, aber er sagte: „Simon, ich gebe Dir nicht die Hand, denn Du weißt, dass wir Dich als Irrlehrer betrachten und mit Dir keine Gemeinschaft haben wollen!“ Ich wünschte ihm trotzdem Gottes Segen, war jedoch tief betrübt in meiner Seele, weniger wegen mir als vielmehr wegen Eduard, weil ich mir schon vorstellen konnte, wie sie ihn heute noch bedrängen würden, nicht mit mir zu reisen.

Simeon und ich gingen zum Parkhaus und fuhren nach Leimen (bei Heidelberg), wo wir bei unserem Bruder Lukas (52) übernachten durften. Lukas ist wie ich Malermeister und hat sieben Kinder, die alle sehr mittelalterliche Namen haben, wie z.B. Huldreich, Leberecht, Heimtraut usw. Dem Lukas war vor zehn Jahren seine Frau weggelaufen und hatte ihn mit den sieben Kindern allein gelassen. Seither bemühte er sich, die Familie finanziell über Wasser zu halten. Da er in den Wintermonaten meist zu wenig Aufträge hatte, konnte er oftmals die Miete nicht pünktlich bezahlen. Nun aber hatte der Vermieter ihn gekündigt unter dem Vorwand des Eigenbedarfs. Da es für eine so große Familie aber schwierig ist, ein vergleichbar geeignetes Haus zu finden, gab man ihm vor Gericht eine Frist bis zum August 2020, um dann notfalls zwangsgeräumt zu werden. Wir versprachen ihm, seine prekäre Lage fortan gemeinsam im Gebet vor Gott zu bringen. Am Abend unterhielten wir uns über die Frage, ob der HErr Jesus nur der Sohn Gottes sei oder aber auch Gott selbst. Wegen Lukas´ Überzeugung, dass der Titel Gott nur für den Vater gelten dürfe, war auch er schon von vielen Brüdern und Gemeinden abgelehnt worden, obwohl auch er sich nur auf Bibelstellen stützte, wie z.B. Joh.17:3 und 1.Tim.2:5. Vor 25 Jahren lehnte mich Lukas noch ab, nur weil ich Kontakt mit Allversöhnern hatte; nun aber war er tolerant geworden, weil auch er inzwischen zu spüren bekam, wie das ist, wenn man wegen Erkenntnisunterschieden von anderen wie ein Aussätziger behandelt wird.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich auf meinem Handy eine Sprachnachricht, die Eduard mir um 0:48 Uhr geschickt hatte. Mit stockender Stimme teilte mir Eduard mit, dass man ihm die Pistole auf die Brust gelegt hatte: „Entweder Simon oder Deine Gemeinde“. Es ging ihnen diesmal aber nicht nur darum, dass Eduard nicht mit mir reisen sollte, sondern dass er den Kontakt zu mir endgültig abbrechen müsse, um weiter in die Gemeinde gehen zu dürfen. Schweren Herzens teilte mir Eduard nun mit, dass er von diesem Hin und Her müde sei und sich endgültig für seine Gemeinde entschieden hätte. Daraufhin schrieb ich ihm: „Natürlich kann ich Deine Entscheidung verstehen, und auch wenn ich glaube, dass sie falsch war, nehme ich sie aus der Hand des HErrn (Röm.8:28). Ich selbst bin Kummer gewohnt, und mir ist es nur um Dich leid, weil Du nicht aus freier Entscheidung Deinem Gewissen vor Gott folgen konntest, sondern von Leuten wie Diotrephes (3.Joh.1:9) dazu gezwungen wurdest. Dadurch aber hat diese Clique von Eyub die Gemeinde in Soltau zu einer Sekte gemacht, in der die Schafe einem Wolf folgen, der eigenmächtig darüber entscheiden darf, mit wem die Schafe Gemeinschaft pflegen dürfen und mit wem nicht. Die Frage, ob in Röm.11:32, Kor.15:22 oder Kol.1:20 mit dem Wort ‚alle‘ [mit Artikel, d.h. wörtl. ‚(absolut) alle‘] nur 1 % aller Geschöpfe gemeint sind oder wirklich ALLE, hat schon von Anbeginn der Gemeinde zu Diskussionen unter den Brüdern geführt, und in Zeiten, als die Gemeinde noch in einem gesunden Zustand war, wurde diese Frage noch in Brüderlichkeit und in gegenseitiger Wertschätzung für einander besprochen. Aber wegen der zunehmenden Gesetzlosigkeit unter Gottes Volk sind leider auch die Herzen der ansonsten Bibeltreuen derart erkaltet, dass man kein Interesse mehr hat, gemeinsam um die Wahrheit zu ringen (Matth.24:12).

Aber Laodizea hat vom HErrn keine Verheißung bekommen, noch zu bestehen, wenn der HErr wiederkommt; nur einzelne, die dem HErrn ihre Herzenstür aufgetan haben, indem sie Buße taten, werden zu jenen Überwindern gezählt, die einmal mit dem HErrn auf Seinem Thron mitsitzen dürfen. Dazu muss man aber bereit sein, die Schmach Christi außerhalb des Lagers zu tragen (Hebr.13:12). David versammelte sich mit 400 anderen Verstoßenen draußen in einer Höhle. Sein Bruder Jonathan aber wollte nicht auf die gemütliche Atmosphäre im Hause Sauls verzichten und kam dafür am Ende mit Saul zusammen um. Ich habe dich von Anfang an wie einen Sohn geliebt, aber mir ist klar, dass Du auch eine richtige Gemeinde haben musst. Deshalb will ich es Dir nicht unnötig schwer machen und Deine Entscheidung respektieren. Ich verzeihe Dir auch Deinen Wortbruch und werde Dir in meiner Liebe und im Gebet auch weiterhin treu bleiben. Der HErr richte zwischen mir und Eyub! Möge der HErr Dich beschützen und bewahren vor allem Bösen! Sei der treuen Fürsorge des HErrn anbefohlen! „Gehe hin in Frieden! Der HErr sei zwischen mir und dir …!“ (1.Sam.20:42). Simon

Am jenem Sonntag sind wir nach dem Frühstück zur russlanddeutschen Brüdergemeinde in Heidelberg gefahren, wo auch die Kinder von Lukas regelmäßig hingehen. Der Gottesdienst wurde diesmal ausschließlich von den Jugendlichen der Gemeinde gestaltet und stand ganz unter dem Motto „Wunder im Weltall“. Neben vielen interessanten Informationen zur Schöpfung Gottes wurde u.a. über das Leben des gläubigen Astronauten James Irwin (1930-1991) berichtet. Nach seiner Mondlandung 1971 wurde er Prediger und unternahm auch eine Expedition zum Berg Ararat, wo Noah mit der Arche landete. Rätselhaft bleibt, warum er trotz seines Glaubens auch Mitglied bei den Freimaurern war (33°!). Vielleicht aber war er das nur, um sie für Christus zu gewinnen (1.Kor.9:19-22). Insgesamt hat mir der Gottesdienst sehr gut gefallen und ich freute mich über die vielen Jugendlichen, dass sie schon in ihrer Kindheit das Wort Gottes eingepflanzt bekamen. Möge der HErr sie reichlich segnen und bewahren vor dem Bösen!

Ein kleiner Liebesdienst in Gersthofen

Nach dem Gottesdienst fuhren wir wieder zu Lukas, aßen dort zum Mittag und sprachen noch eine Weile über unsere Erlebnisse als Malermeister, insbesondere über meinen Zwillingsbruder Marcus, der mit Lukas schon seit Jahren aufs Engste befreundet ist. Dann beteten wir und machten uns auf den Weg nach Hechingen, wo wir schon erwartet wurden von meinem Freund und Bruder Hans-Udo (81) und seiner Frau Elsbeth. Wir aßen gemeinsam zu Abendbrot und gingen dann spazieren in der malerischen Landschaft am Fuße des Hohenzollern-Schlosses. Dabei unterhielten wir uns u.a. nochmal über die Trinitätslehre und die Ein-Gott-Lehre (mich selbst hat bisher weder die eine noch die andere Lehre sonderlich interessiert, da sie beide rein gar nichts mit unserer Verantwortung vor Gott zu tun haben). Nach einer weiteren Gebetsgemeinschaft ließ ich Hans-Udo noch ein paar meiner Bücher da zum Verschenken und machte mich mit Simeon spätabends auf den Weg nach Augsburg. Während wir uns auf dem Weg über Fragen der Heiligung unterhielten, blitzte es am Nachthimmel fortwährend, ohne dass es regnete. Erst als wir gegen 23.30 Uhr beim Bruder Harald (60) in Langweid am Lech ankamen, brach ein heftiges Gewitter mit Starkregen los, das die ganze Nacht andauerte.

Während des Frühstücks am nächsten Morgen erklärte mir Harald, dass eine arme Glaubensschwester namens Sabine (50) aus Gersthofen schon seit Wochen in ihrem Wohnzimmer schlafen muss, da die Wände in ihrem Schlafzimmer wegen Schimmelbefall dringend neu tapeziert werden müssten. Da wir beide Maler waren und Zeit mitbrachten, bat er uns, ihr kostenlos das Zimmer neu zu tapezieren und zu streichen, was wir auch gerne tun wollten. So fuhren wir zunächst zum Baumarkt und kauften die nötigen Materialien ein. Dann fuhren wir zu Schwester Sabine, die sich sehr freute über diese Hilfe, mit der sie gar nicht gerechnet hatte. Leider fehlte es uns an geeigneten Werkzeugen, so dass wir ständig improvisieren mussten. Zudem war es mit etwa 35 C unerträglich heiß im Dachbodenzimmer, so dass uns der Schweiß aus allen Poren drang. Da wir auch keine Malerkleidung dabeihatten, arbeiteten wir in Unterhose. Zum Mittag hatten wir dann aber den ganzen Raum fertig tapeziert mit Raufasertapete, und Sabine servierte uns ein leckeres Mittagessen (100 % vegetarisch). Dann ruhten wir uns kurz aus und strichen schließlich alles noch einmal mit weißer Wandfarbe, so dass das Zimmer am späten Nachmittag fertig wurde. Dann duschten wir uns, nahmen unser Gepäck und fuhren am Abend weiter nach München, wo uns Bruder Jonathan (28) und seine Frau Carolyn (31) erwarteten.

Seit dem letzten Besuch bei ihnen vor etwa einem Jahr hatte Schwester Carolyn über 50 kg abgenommen, so dass ich sie kaum wiedererkannte. Wir aßen gemeinsam Abendbrot und sprachen bis weit in die Nacht hinein über die heutige Gemeindesituation. Dabei kam der Wunsch auf, doch noch einmal all jene Geschwister, die sich nirgendwo mehr versammeln – da sie aufgrund von Lehrstreitigkeiten überall ausgeschlossen oder aber sich absondern mussten – einzuladen zu einer überkonfessionellen Bibel-Konferenz, wo jeder die Möglichkeit bekommt, seine Lehransichten in einem Vortrag darzulegen und biblisch zu begründen, damit dann anschließend ein offener Dialog stattfinden könne im Sinne von Mal.3:16. Ziel sollte es sein, dass man den andersdenkenden Bruder – wenn auch nicht überzeugt – wenigstens zu mehr Verständnis und Toleranz bewegen könnte, damit die Spaltungen unter Gottes Volk überwunden werden können. Jonathan und ich waren uns einig, dass sich auch sogar unter den Katholiken und Orthodoxen durchaus einige echte Geschwister befinden, die den Wunsch haben, biblische Fragen gemeinsam beantworten zu können. Es fehle eigentlich nur noch an einer Initiative wie in 2.Chr.30:1, dass man sämtliche Gläubigen in Deutschland so wie damals einlädt, um gemeinsam „Passah zu feiern“ im Sinne von 1.Kor.5, indem wir den Sauerteig aus unserem Leben verbannen und endlich das Haus Gottes wieder aufbauen, anstatt immer nur an unseren eigenen Häusern bzw. Gemeinden weiterzubauen (vergl. Haggai 1). Kein Wunder, dass sich in Deutschland kaum einer bekehrt, solange wir Gläubigen selbst auch noch nicht Buße getan haben wie in Esra 9, Nehemia 9, und Daniel 9!

Digitale Kastration

Eigentlich wollten wir mit Jonathan am nächsten Tag in München evangelisieren, aber da es mitten in der Woche war, musste er zur Arbeit. Da heute aber auch noch zwei Besuche in Nürnberg und Fürth anstanden, entschied ich mich, erstmal dort hinzufahren, um zu sehen, wieviel Zeit uns noch bliebe zum Missionieren. So fuhren wir als erste zu Bruder Norbert (73) nach Fürth. Da wir unseren Besuch jedoch nicht vorher angekündigt hatten, war leider niemand zu Haus, so dass wir weiter zu Bruder Johannes (51) fuhren, der jedoch ebenso nicht da war. Ich hinterließ den Brüdern jeweils eine Nachricht und meine drei Bücher als Geschenk und fuhr dann mit Simeon in die Nürnberger Innenstadt zum Predigen. Als wir das Parkhaus verlassen hatten, waren wir so sehr in ein Gespräch vertieft, dass wir auf der Suche nach der Fußgängerzone überhaupt nicht mehr auf den Weg achteten. Als wir dann endlich ankamen, verteilten wir zunächst Traktate auf der Karolinenstraße. Als ich dann bei der Lorenzkirche predigen wollte, war Simeon nicht da und ging auch nicht ans Handy. Plötzlich fiel mir auf, dass wir überhaupt nicht auf den Weg geachtet hatten und ich stellte zugleich fest, dass mein Smartphone nur noch 6 % Akkuladung hatte. In welchem Parkhaus hatte ich unser Auto geparkt? Ich Dussel hatte vor lauter Zerstreutheit auch noch den Parkschein im Auto liegen lassen! Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf: Was ist, wenn mein Mobilphone gleich ausgeht? Was ist, wenn Simeon mich nicht findet, zumal er telefonisch auch nicht erreichbar war? Wie konnten wir unter all den vielen Parkhäusern der Innenstadt erkennen, welches das unsrige ist? Wir könnten den ganzen Nachmittag mit Suchen verbringen! Doch dann erinnerte ich mich an die Verheißung in Ps.55:23 „Wirf dein Anliegen auf den HErrn, und Er wird für dich sorgen“. Ich betete also und bat den HErrn um Hilfe und Weisheit, was ich jetzt machen solle.

Getrost und voller Zuversicht schaute ich noch mal auf den Stadtplan in meinem Smartphone. Die Akku-Leistung war inzwischen auf 3 % gesunken. Ich versuchte, den Weg zu rekonstruieren und entdeckte ein Parkhaus in der Schustergasse, das in Frage kam. Ich versuchte mir den Weg zu merken, was nicht so leicht war, da wir weit entfernt waren. Der Akku ging auf 2 % runter. Da das Internet viel Akkuleistung schluckt, machte ich Fotos vom Stadtplan, um das Mobilphone offline nutzen zu können. Dann ging ich die Fußgängerzone hinunter im stillen Gebet, als ich auf einmal Simeon erblickte, der Traktate verteilte. Er sagte, dass er mich auch schon suchte und sein Handy im Auto liegen gelassen hatte. Ich ließ mir meine Anspannung nicht anmerken und bat ihn nur, ab jetzt zusammen zu bleiben. Auf dem Hefnersplatz begann ich zu predigen, weil dort viele Leute draußen an Tischen saßen und dadurch Zeit zum Zuhören hatten. Dann gingen wir ein Stück weiter und ich las laut die Bergpredigt in Mt.5-7 vor, wobei mir einige interessiert zuhörten. Dann begann es zu nieseln, so dass wir uns auf den Rückweg machten. Doch dann sprach Simeon einen jungen Passanten an und gab ihm ein Traktat. Die beiden unterhielten sich eine ganze Weile, während ich in einiger Entfernung mit meinem Schild am Fußgängerzonenrand stand und für Simeon betete. Nach etwa 15 Minuten stellte ich mich dazu und sprach mit dem jungen Mann, der sich als „Agnostiker“ vorstellte. Max (21) hatte nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Gleisbauer begonnen, aber dann abgebrochen. Seither hatte er sich schon überall beworben, aber nur Absagen erhalten. Ich erklärte ihm das Evangelium, aber er blieb zunächst skeptisch. Immer wieder bat er um Bedenkzeit, da er zunächst alles in Ruhe prüfen müsse. Er wolle sich zuerst mal eine Elberfelder Bibel kaufen (von der er gehört hatte, dass sie sehr gut sei), und wolle sich erst dann entscheiden, ob er Christ werden wolle. Diesen Ansatz fand ich gut, und es erinnerte mich an Apg.17:11.

Dann erhielt ich einen Anruf von meinem Freund und Glaubensbruder Daniel (34), der sich schon seit Wochen nicht mehr gemeldet hatte und auch nicht ans Telefon ging. Er berichtete mir, dass er mal wieder in schwere Unzuchtsünde gefallen sei und deshalb aus Scham keinen Kontakt mit Brüdern haben wollte. Inzwischen habe er sich aber wieder etwas aufgerappelt und wolle ein weiteres Mal den Kampf gegen die Augenlust aufnehmen. Ich bot ihm an, dass mein jüngerer Bruder Patrick ihm helfen könne, da er ein Internetexperte sei und ihm auf Wunsch den Zugang zu pornographischen Seiten ein für alle Mal blockieren könnte, so dass er nicht mehr in Versuchung fallen könne. Er müsse diese „digitale Kastration“ nur wirklich wollen. Daniel willigte ein, und wir vereinbarten, dass er sich nächste Woche mit meinem Bruder treffen solle, um diese Zwangsmaßnahme durchzusetzen. Ich sagte: „Dem HErrn sei Dank, lieber Daniel! Heute ist Deinem Hause Heil wiederfahren und alle Engel Gottes freuen sich über Dich, wenn Du diesen Schritt konsequent gehst!“

Die wunderbare Errettung einer Zigeunerfamilie

Die vorletzte Etappe unserer Reise sollte nach Bad Windsheim gehen (Westfranken, Bayern), wo uns ein Bruder namens Mike (24) eingeladen hatte. Er hatte schon vor zwei Jahren meine Rundbriefe abonniert, aber dann vor einem Jahr einen Traum gehabt, dass ich ihn besuchen würde, aber ich nahm diesen Hinweis damals nicht so ernst und reagierte nicht. Jetzt aber hatte er mich erneut angeschrieben und mich an diesen Traum erinnert. Da er in der Nähe von Nürnberg wohnte, bot ich ihm an, ihn auf der Rückreise besuchen zu kommen, was er freudig annahm. So fuhren wir zu jener Adresse und waren zunächst überrascht von der Größe dieses Hauses, das mit geschätzten 600 qm eher einem großen Gemeindehaus ähnelte. Die rumänisch-serbische Großfamilie feierte gerade, den 24. Geburtstag von Mike. Zu diesem Anlass war auch sein Vater Zoran (50) eingeladen, sowie Mikes Brüder Nenad (22) (mit dessen Frau Vesna) und Nicola (18), sowie seine Schwester Anna (29) und deren Kinder Angelina, Julietta und Jeshua. Mikes Mutter Miriana (50), lebte von ihrem ungläubigen Ehemann Zoran getrennt. Sie alle gehören der Volksgruppe der Wlachen an, deren Siedlungsgebiet in Ostserbien liegt.

Zunächst bemühte ich mich, dem Zoran zu verdeutlichen, dass er sich bekehren müsse, was nicht leicht war, da er sich bereits für bekehrt hielt, jedoch noch völlig an den Traditionen der serbisch-orthodoxen Kirche festhielt und die Grausamkeit des biblischen Gottes kritisierte. Nachdem sich die Gäste verabschiedet hatten, setzten wir uns ins Wohnzimmer, und die Geschwister Anna, Nico, Miriana und Mike berichteten uns nacheinander, was der HErr bisher schon in ihrem Leben bewirkt hatte: Die Familie wuchs in Nürnberg auf und wurde viele Jahre lang vom alkohol- und spielsüchtigen Vater tyrannisiert, der sich nicht darum scherte, ob die Kinder genug zu essen hatten, was schließlich zur Trennung der Eltern führte. Vor sechs Jahren war es schließlich die geistig zurückgebliebene Schwester von Miriana, die aufgrund einer sehr schmerzhaften Magenkrebs-Erkrankung in die Wohnung der Familie einzog, um gepflegt zu werden. Obwohl sie den Verstand eines Kleinkindes hatte, erzählte sie jedem immer vom HErrn Jesus, und dass Er bald wiederkommen würde.

Doch eines Tages geriet sie infolge eines Beschimpfens über ihren Körpergeruch in geistige Verwirrung und stürzte sich vom Balkon. Aufgrund einer Hirnblutung starb sie noch in derselben Nacht, was die Familie in einen Schock versetzte. Doch kurz darauf erschien sie der ältesten Tochter Anna in einem Traum, in welchem sie die Familie noch einmal zur Umkehr aufrief und der Anna die Anweisung gab, in Gottes Wort zu lesen. So las Anna zunächst nur das Buch der Offenbarung und war außer sich über all die Gerichtsankündigungen. Obwohl sie selbst noch nicht bekehrt war, versuchte sie mit ihrem Vollblut-Temperament schon gleich die ganze Familie vor dem Gericht Gottes zu warnen. Ihre beiden Brüder Mike und Nikola waren indes seit Jahren abgetaucht in die virtuelle Welt eines Nintendo-Computerspiels namens „Tekken“, durch welches sie bereits ein so hohes Level erreicht hatten, dass sie zu den führenden Spielern von Deutschland zählten. Dort bekamen sie wohl die Anerkennung und Wertschätzung, die ihnen vom Vater versagt blieb. Doch dann bekam auch Nikola (damals 14) Träume, in welchen ihm der HErr oder ein Engel erschienen, so dass auch er begann, in der Bibel zu lesen. Er bekehrte sich und ließ sich vom HErrn zu einem neuen Menschen umgestalten. Der einst übergewichtige und gehänselte Junge fastete regelmäßig und wurde schließlich zu einem schlanken und feurigen Eiferer für den HErrn. Durch Offenbarungsträume kamen schließlich auch die Mutter, sowie Mike und ganz zuletzt auch Nenad zum Glauben.

Doch schon bald erfüllte sich auch bei ihnen das Wort in Mt.10:34-38, dass um des Evangeliums willen eine Spaltung quer durch die Familie ging mit erheblichen Anfeindungen, durch welche der Feind versuchte, den Glauben der Jungbekehrten wieder zu zerstören bzw. auf eine harte Probe zu stellen. Der Ehemann von Anna z.B. schnitt ihr unter Drogeneinfluss mitten in der Nacht mit einem Haarschneidegerät einen Großteil des Haupthaares ab und verleumdete die Familie bei dem Vermieter, so dass dieser ihnen kündigte. Eines Tages stand der Vater von Vesna vor der Tür, zusammen mit ihrem Großvater, einem „Mafiapaten“, und forderten unter Androhung von Gewalt, dass Vesna wieder zurückkehre ins Elternhaus, obwohl sie legal mit Nenad verheiratet war. Während die beiden Besucher im Wohnzimmer laut ihre Forderungen brüllten, schlossen sich die anderen in ihre Zimmer ein zum Gebet, so dass sie eine wirksame Gebetskette bildeten. Auf einmal kam der Heilige Geist über Nicola, so dass er furchtlos ins Wohnzimmer ging und unvermittelt mit lauter Vollmachts-Stimme etwas auf Hebräisch sagte, dass alle Anwesenden zurückschrecken ließ. Der Schwiegervater und Großvater von Vesna verließen daraufhin fluchtartig das Haus, weil ihnen das zu unheimlich vorkam. Wie durch ein Wunder bekehrte sich in der Folgezeit dann auch noch der Vater von Vesna und ging später in eine messianische Gemeinde. Sie erzählten uns bis spät in die Nacht die unvorstellbarsten Erlebnisse, die sie haben durften, so dass wir am Ende nur auf die Knie gehen konnten, um gemeinsam Gott anzubeten, der all diese Taten gewirkt hatte.

„…Und hast es Unmündigen geoffenbart“ (Mt.11:25)

Als ich um 3:00 Uhr in der Nacht wach wurde, hörte ich auf einmal, wie Simeon neben mir im Schlaf redete. Überraschenderweise sprach er nicht auf Deutsch, sondern auf Arabisch, dass er eigentlich nicht gelernt hatte! Schon am Abend zuvor hatte er am Ende der Gebetsgemeinschaft in Zungen geredet, und es hörte sich wie Arabisch an. Als ich ihn am Morgen darauf ansprach, konnte er sich an nichts erinnern. Eigentlich wollten wir nur eine Nacht bei dieser Familie übernachten, doch die Geschwister drängten uns, doch wenn möglich noch einen weiteren Tag zu bleiben. Denn so wie sie mit uns das praktische Glaubensleben geteilt hatten durch ihre Zeugnisse, sollte nun auch ich ihnen mehr von der biblischen Theorie erklären (Röm.1:12, 1.Kor.12:7-11). Wir vereinbarten, dass wir nach dem Mittag gemeinsam in die Innenstadt von Nürnberg fahren sollten, um dann am Abend eine Bibelstunde in der Wohnung von Nenad und Vesna zu halten. So bewaffneten wir uns reichlich mit Traktaten, Bibelspruch-Westen und T-Shirts und fuhren nach Nürnberg, wo wir etwa drei Stunden predigten und Traktate verteilten. Als erstes kam während einer Verkündigung eine alte Dame auf mich zu mit starkem Akzent. Sie war eine irische Katholikin und wollte mir die „Kostbarkeit der Ohrenbeichte“ durch einen ordinierten Priester empfehlen. Ich erklärte Ann (ca. 85) dann auf Englisch die Notwendigkeit einer persönlichen und intimen Beziehung zum HErrn Jesus, die mit der Wiedergeburt und Erneuerung durch den Heiligen Geist beginne. Sie bejahte alles, was ich sagte, so dass ich sie am Ende fragte, ob ich gemeinsam mit ihr beten dürfe. „Selbstverständlich“ sagte sie, und dann betete ich auf Englisch, dass der HErr sie doch erretten möge und wir uns einmal in der Herrlichkeit wiedersehen mögen. Am Ende sprach auch sie ein lautes „Amen!“, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob sie alles verstanden hatte.

Auf einmal kam ein Hippie an mir vorbei, der leicht vom Haschisch berauscht schien. Ich gab ihm ein Johannesevangelium mit den Worten: „Du siehst so aus, als solltest Du das lesen!“ Daraufhin hielt er an und fragte mich, was das mit seinem Aussehen zu tun hätte. Ich sagte: „Du siehst irgendwie aus wie Jesus, deshalb hatte ich das gedacht.“ Er blätterte in dem Büchlein und sagte: „Wenn ich das durchgelesen habe, werde ich es an jemanden anderes weiterverschenken, ok?“ Ich sagte ihm: „Ja, sehr gerne!“ Dann predigte ich vor sitzenden Passanten, als mich plötzlich ein älterer Herr ansprach. Er berichtigte mich in einer kleinen Aussage, so dass ich ihn zunächst für einen Bruder hielt. Herr Weber (ca. 75) war aber katholischer Theologieprofessor im Ruhestand und kannte sich hervorragend in der Bibel aus. Wir unterhielten uns eine ganze Weile, wobei er in allen Dingen mit mir übereinstimmte (sogar in der Frage, dass man nicht zu Maria beten dürfe). Auf einmal mischte sich ein 10-jähriger Junge ins Gespräch, der zusammen mit seinem 9-jährigen Bruder neben uns auf der Bank saß und mit großem Eifer die Lehren des HErrn Jesus bezeugte, die er – wie er sagte – „schon im Kindergarten gelernt hatte“ (vergl. Ps.8:2). Der arabisch aussehende Junge erklärte uns auf Nachfrage, dass er und seine Familie aus Syrien kämen und zur Melchitischen  Gemeinde gehörten, die sich wohl auf Melchisedek berief. Von dieser hatte auch der Theologieprofessor noch nie etwas gehört, so dass wir annahmen, dass es sich um eine kleine Minderheit handeln muss. Dann kam auch der Vater der beiden hinzu und erklärte uns im gebrochenen Deutsch, dass sie Flüchtlinge wären, was ich mir schon dachte.

Dann kam auf einmal Mike zu mir mit einem Mann aus dem Irak und sagte: „Hier, Simon, dies ist ein Glaubensbruder, mit dem ich mich gerade unterhielt. Aber er hat viele Probleme, und da kannst Du ihm vielleicht besser helfen.“ Der Iraker hieß Atheer Lalo (37), aber ich sollte ihn Arti nennen. Er hatte im Irakkrieg als Soldat gegen den IS gekämpft und leidet seither unter einem posttraumatischem Belastungssyndrom. Er kam in Deutschland zum Glauben an den HErrn Jesus, hatte sich aber dann in eine Johanna verliebt und mit ihr ein Kind gezeugt (ohne verheiratet zu sein). Er habe darüber Buße getan und wolle das Heiraten jetzt nachholen. Seine Freundin, die im 8. Monat schwanger sei, wolle ihn aber nicht heiraten, weil er zu Wutausbrüchen neige. Sie wolle aber, dass er die Vaterschaft anerkenne, damit sie staatliche Unterstützung beantragen könne. Arti fragte mich nun, ob er die Vaterschaft leugnen sollte, um sie zur Heirat zu nötigen, was ich natürlich nicht empfahl. Ich erklärte ihm, dass er schon allein um des HErrn willen ihr diese Bitte erfüllen müsse, ganz zu schweigen davon, dass er nur auf diesem Wege wieder ihr Herz gewinnen könne. Dann bekannte mir Arti, dass er auch noch ständig Pornos schaue, da er die Einsamkeit nicht ertragen könne. Ich erklärte ihm, dass es die Möglichkeit gäbe, seinen Zugang zu den Pornos sperren zu lassen. Arti sagte daraufhin: „Ja, ich kenne schon, wie des geht, mit OpenDNS kann man blockieren, das habe ich schon gehört.“ Daraufhin sagte ich: „Ach! Du weißt schon wie das geht? Und warum machst Du es dann nicht? Du könntest Dir natürlich auch die Augen herausreißen, aber Dir den Zugang zu versperren ist weitaus schmerzloser!“ Daraufhin ging Arti wie der reiche Jüngling von dannen.

Auch Simeon und Nicola hatten einige Gespräche mit Ungläubigen, und durch Mike hat sich sogar jemand zum HErrn bekehrt, ein gewisser Klaus. Am Abend fuhren wir dann zur Wohnung von Nenad und Vesna, die uns ein schönes Abendessen bereitet hatten. Im Anschluss saßen wir noch beisammen und teilten Zeugnisse miteinander, was wir mit dem HErrn erlebt hatten. Ich berichtete ihnen, wie der HErr vor einem halben Jahr einen dreifachen Mörder in Lima zum Glauben führte, Mario Gallego (29). Später sprachen wir im Auto noch über das Thema Selbstbefriedigung und Pornografie, und was die Bibel dazu sagt.

Am nächsten Tag beim Frühstück erzählten mir Mike und Nicola, dass sie im Moment einen Konflikt hätten mit ihrem Vermieter, der sie aus dem Haus klagen wolle. Am 27.08. sei die letzte Gerichtsverhandlung, in welcher sich dies entscheiden würde und wir sollten dafür beten. Ich machte ihnen Mut, dass der HErr auf jeden Fall nur das Beste für sie erwählen würde, auch wenn es zunächst nicht immer danach den Anschein hätte (Röm.8:28). Später stellte sich dann heraus, dass sie tatsächlich den Prozess verloren hatten und innerhalb von vier Wochen eine neue Wohnung finden mussten. Nachdem wir noch eine Gebetsgemeinschaft hatten, sind Simeon und ich dann weitergefahren nach Ludwigsstadt in Nordbayern, an der thüringischen Grenze, wo wir schon von Bernd und Brigitte Fischer (80 u. 82) zum Mittagessen erwartet wurden bei Bernds jüngerer Schwester Adelheit in Lichtentanne. Nach dem Mittagsschlaf machten wir dann einen Spaziergang in der schönen Berglandschaft und sprachen über die Endzeit und die Notwendigkeit der Buße für die heutigen Laodizea-Gemeinden, da sie andernfalls in der bevorstehenden Drangsal durch den Antichristen nicht bestehen würden. Damit Simeon sich nicht bei diesen hochtheologischen Gesprächen langweilt, habe ich ihm zwischendurch immer alles „übersetzt“, da ihm die Hintergründe unbekannt waren. Bernd riet mir dringend, nicht nach Peru auszuwandern, da ich in der Zukunft hier gebraucht werde. Ich nahm diesen Rat als Wille Gottes an und verwarf daraufhin unsere Auswanderungspläne. Obwohl Bernd auch an eine Vorentrückung glaubt, betonte er, dass es auf Erden auch noch solche geben müsse, die die Vielen zur Gerechtigkeit weisen (Dan.11:32) und dass es nicht angehen könne, dass in der größten Not ausgerechnet die „Matrosen“ das sinkende Schiff als erste verlassen und sich um die übrigen Passagiere nicht mehr kümmern (Apg.27:30-31). Das leuchtete mir ein, und ich beugte mich unter diesen gutgemeinten Rat.

Abends hatten wir dann eine Bibelstunde bei Bernds älterer Schwester Sigrid. Das Thema war Apg.15:16-17 in Zusammenhang mit Amos 9:11-12, wo es u.a. um „die übrigen der Menschen“ geht, aber auch um „alle Heiden, über welchen mein Name angerufen ist“. Das Anrufen des Namens des HErrn bedeute die Fürbitte für einen Ungläubigen. Bernd erzählte, dass er sich angewöhnt habe, für jeden Passanten auf der Straße immer eine stille Fürbitte zu tun, damit er errettet werde. Denn all diese Fürbitten seien nicht umsonst, wie wir aus dieser Stelle erfahren, sondern werden gleichsam gesammelt und haben ein Gewicht bei Gott (Offb.8:3-4). Wenn man unter den „übrigen der Menschen“, die den HErrn eifrig (und bis zum Erfolg) suchen sollen bedenkt, dass das Wort „suchen“ im Präsens stehe, dann ist dieses Suchen auch nicht auf irgendeine Frist begrenzt, sondern gelte solange, bis sie Ihn auch gefunden haben, und sei es dass sie zuvor vom HErrn ins Totenreich hinabgeführt werden müssen, um von dort wieder heraufzukommen (s. 1.Sam.2:6, Ps.107:10-14). Das Wort „Edom“ in Amos 9:12 sei abgeleitet von Adam und könne man auch als „Erdlinge“ übersetzen, weshalb die Wiedergabe von Jakobus in Apg.15:17 im Prinzip richtig sei. Mir kam die Idee, dass man einmal alle Zitate aus dem AT im NT miteinander vergleichen sollte, denn gerade dort, wo sie scheinbar voneinander abweichen, hat der Heilige Geist für uns eine besondere Belehrung, da beide Lesarten jeweils einen wichtigen Aspekt zeigen.

Am letzten Tag unserer Reise wollte ich Bernd eigentlich noch zeigen, wie er seine ganzen PDF-Aufsätze auf seiner Seite www.gtü-bibel.de direkt auf seine Internetseite integrieren kann, damit sie leichter auffindbar sind. Denn ich fand es schade, dass man selbst durch Suchmaschinen wie Google kaum die Inhalte seiner wertvollen Lehraufsätze finden kann, weil sie alle durch das PDF-Format verschlüsselt sind. Da die Rückreise aber noch über sechs Stunden währen würde, entschieden wir uns, lieber noch einen letzten Spaziergang zu machen, bei welchem Simeon nochmal Fragen stellen konnte, was ihm in seinem Glauben derzeit bewege. Simeon interessierte sich speziell für die Geistesgaben und was die Bibel darüber sage. Er selbst hatte ja nach eigenem Bekunden vor etwa einem Jahr die „Geistestaufe“ erhalten und könne seither in Sprachen reden. Obwohl Bernd und ich grundsätzlich glauben, dass die Sprachenrede seit der Zeit der Apostel allmählich aufgehört hat (1.Kor.13:8), wollen wir nicht grundsätzlich ausschließen, dass der HErr einem Seiner „geringsten Brüder“ nicht auch heute noch diese Gabe schenken kann.

Als wir uns dann am späten Vormittag auf die lange Rückreise machten, erzählte mir Simeon, dass er sehr darunter leide, dass sich seine Eltern nie um seine Bildung gekümmert hätten. Er ging zwar auch mal vier Jahre in die Grundschule, aber dann hat man ihn sofort auf die Sonderschule getan, da man bei ihm eine Lernbehinderung festgestellt hatte. Statt gefördert zu werden, wurde er dort aber nur verwahrt, indem er nur noch malen und spielen sollte. Heute schämt er sich nun mit 22 J., wenn er sich mal mit einem Erwachsenen unterhalten muss, weil dieser sofort merken würde, dass Simeon keinen Grips habe. Das sei ihm jedes Mal peinlich, so dass er jedem Gespräch aus dem Wege gehe. Besonders hasse er seinen Vater, einen Alkoholiker, weil dieser ihn und seine Brüder nur in die Welt gesetzt habe, ohne sich je um sie gekümmert zu haben. Auch seine Mutter habe sich nur um das leibliche Wohl der acht Kinder gekümmert, war aber mit der Erziehung völlig überfordert, so dass die Kinder sich selbst überlassen blieben. Ich konnte den Schmerz von Simeon gut nachempfinden, da es auch bei meinen Eltern nicht viel anders lief. Aber ich ermahnte Simeon, dass er nun als Christ lernen müsse, seinem Vater zu vergeben, auch wenn ihm dies noch so schwerfallen möge. Er könne Liebe lernen durch die Fürbitte für seine Eltern, denn wenn man dem HErrn regelmäßig die Angehörigen und Bekannten im Gebet bringe, dann wachse allmählich auch wieder die Liebe zu diesen. Zudem solle er nicht traurig sein, denn er sei noch jung und könne seinen Bildungsrückstand noch aufholen. Ich bot ihm an, von nun an bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihm ein wenig Allgemeinbildung beizubringen, wofür er sehr dankbar war.

Wir fingen sogleich an mit der Weltgeschichte. Ich begann mit der „Steinzeit“ und erklärte ihm immer weiter in Jahrhundertschritten, was alles besonders in den letzten 2000 Jahren in der Welt passiert war. Immer wenn ich einen Begriff nannte, den er schon mal gehört hatte (aber nicht zuordnen konnte), machte er ein überraschtes „Ach soooo, jetzt versteh ich!“ – was mich auch selbst angespornt hatte. Irgendwann zeigte uns die Tankanzeige an, dass nicht mehr viel Benzin im Tank sei. Trotzdem fuhren wir einfach immer weiter in der Hoffnung, demnächst einen Rastplatz zu finden. Aber im Raum Halle war über viele Kilometer keine einzige Tankstelle, so dass mein Tank immer leerer wurde. Als ich nur noch einen Liter hatte, gerieten wir plötzlich in einen 10 km langen Stau mit Stop-and-go-Verkehr. Wir beteten und flehten um Gottes Beistand. Dann kam der Friede Gottes in unsere Herzen, und alle Sorge war verflogen. Um Sprit zu sparen, schaltete ich die Klimaanlage aus, was bei der brütenden Hitze natürlich nicht angenehm war. Schließlich erreichten wir eine Ausfahrt, wo wir tanken konnten und dankten dem HErrn. Mein 50 Liter-Tank wurde dann mit 49,81 Litern wieder voll, so dass wir um 17.30 Uhr wohlbehalten in Bremen ankamen. Gelobt sei der HErr, dass auf dieser langen Reise niemand zu Schaden kam, außer vielleicht ein Dutzend Mücken an meiner Windschutzscheibe!

Als Simeon dann am 01.09.2019 ins dritte Lehrjahr kam, ließ ich ihn auf seinen Wunsch hin in meiner Werkstatt wohnen, wo es ein Zimmer mit Bett, Schrank und Tisch gab, sowie ein kleines WC mit Waschbecken und Küchenecke. Simeon war überglücklich für dieses Angebot, da es das allererste Zimmer war, wo er völlig unabhängig war und es sich nach eigenen Wünschen einrichten konnte. Da er gut zeichnen konnte, malte er sich Bilder und sogar Gebete an die Wände, was meine Mitarbeiter sehr in Staunen versetzte. Zur gleichen Zeit fing auch Bruder Tunay (28) ein Praktikum bei mir an. Leider stellte er sich trotz seiner muskulösen Statur immer wieder so ungeschickt an, dass Simeon mit ihm schimpfte. Tunay reagierte darüber sehr empfindlich und wollte schon nach drei Tagen sein Praktikum wieder abbrechen. Ich hatte auch den Eindruck, dass Tunay eifersüchtig war auf Simeon. So absurd das klingen mag, aber in seiner kindlichen Denkweise, wollte Tunay mich ganz für sich allein haben.

 

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