„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

„Ich habe schon zwei Menschen umgebracht,…“ Ein mörderisches Zeugnis (29.12.18)

Hörer des Gebets, zu Dir wird kommen alles Fleisch… O Gott unserer Rettung, Du bist die Hoffnung aller Enden der Erde… Die Bewohner der Enden der Erde fürchten sich wegen Deiner Wunderwerke.“ (Ps.65:2+5+8)

Ihr sollt Meine Zeugen sein… bis ans Ende der Welt“ (Apg.1:8)

Bremen, den 15.01.2019

Reisetagebuch Costa Rica und Peru vom 01.12.2018 – 14.01.2019

Im Folgenden gebe ich einen weiteren Bericht über die Ereignisse, die ich in den letzten sechs Wochen in Lateinamerika mit Gott erleben durfte. Nach den segensreichen Erfahrungen vor knapp einem Jahr, durfte ich auch diesmal wieder erleben, dass der HErr mir eine geöffnete Tür schenkte, um Sein Wort zu verbreiten und Menschen zum HErrn Jesus zu führen, und zwar diesmal nicht nur in Peru, sondern auch in Costa Rica, wo wir die erste Woche verbrachten.

Unsere Tochter Rebekka (23) sollte nämlich im Rahmen ihres Lehramtstudiums ein Auslandssemester in Costa Rica absolvieren; da sie aber auch mal mit uns nach Peru mitfliegen wollte, bot es sich an, dass wir nach Abschluss ihres Semesters sie zunächst noch für eine Woche in Costa Rica besuchen wollten, um dann zusammen weiter nach Peru zu reisen. Meine Frau Ruth wiederum reiste bereits Anfang November nach Peru und flog einen Tag vor mir nach Costa Rica, um mich zusammen mit Rebekka dann vom Flughafen abzuholen; und zwar nicht nur mich, sondern auch meinen Bruder Patrick (46), der uns diesmal begleiten wollte, aber nur in der ersten Woche.

SAN JOSE, Costa Rica, 01.12.2018 Nach etwa 16 Stunden Flugzeit war es inzwischen schon 2.00 Uhr nachts MEZ (Ortszeit jedoch erst 19.00 Uhr), als wir in Costa Rica ankamen, d.h. zunächst nur in den Luftraum, denn die Maschine musste wegen eines Ausfalls der Präzisionssteuerung „auf Sicht“ landen, was aber bei der starken Bewölkung an jenem Abend zunächst nicht möglich war. Nachdem das Flugzeug einige Warteschleifen gedreht hatte und die Situation sich nicht verbessert hatte, ging der Maschine allmählich der Treibstoff aus, so dass sich der Pilot entschied, im 45 Minuten entfernten Panama-City zu landen, um erst einmal aufzutanken. Ich machte mir Sorgen, dass meine Ruth sich Sorgen machen könnte, aber dann wälzte ich diese Sorge auf den HErrn und hatte keinerlei Zweifel, dass auch diese Verzögerung zu etwas Gutem mitwirken würde. Als ich dann nach 4 Monaten meine Tochter Rebekka wiedersehen konnte, war die Freude groß. Auch Ruth war in einer sehr ausgelassenen Stimmung, was für mich ein gutes Zeichen war, da der HErr ihr scheinbar Linderung von ihrer Schmerzkrankheit geschenkt hatte. Rebekka bestellte für uns ein Uber-Taxi und war stolz darauf, dass sie uns in den nächsten Tagen „ihr“ Land zeigen durfte.

SAN JOSE, C. R. 02.12.2018  Rebekka hatte für uns ein Programm geplant, um in der Woche eine Rundreise durch C.R. zu machen, damit wir all jene wunderschönen Orte kennenlernen sollen, wo sie auch schon war oder von denen sie gehört hatte, dass sie sehr schön sein sollen. Dazu brauchten wir aber einen Mietwagen. Nach etwa einer Stunde hatten wir einen SUV (Geländewagen für 500 $ für die Woche und machten uns an das erste Reiseziel La Fortuna, am Fuße des Vulkans El Arenal. Während es im höher gelegenen San Jose milde 25 C war, war es im subtropisch niederen Urlaubsort den ganzen Tag 33 C heiß und schwül. Die Hitze war so drückend, dass man sich nur langsam bewegen konnte und man aus allen Poren schwitzte. Die Natur war indes phantastisch. Noch nie habe ich so viele unterschiedliche Pflanzen und Blumen gesehen. Sobald man aus dem Ort herausging, war man im dichten Urwald. Am Nachmittag fuhren wir zu einem reißenden Fluss, der quer durch den Urwald verlief, und badeten dort im kühlen Wasser. Da C.R. auf der nördlichen Hemisphäre liegt, wird es auch hier schon gegen 17.00 Uhr dunkel, und um überhaupt noch etwas sehen zu können, machten wir uns bei der Dämmerung auf dem Weg zurück zu unserer Herberge.

LA FORTUNA, C. R. 03.12.2018 Nach dem Frühstück wollten Patrick und Rebekka an einer Rafting-Tour teilnehmen, d.h. mit einem Schlauchboot die Stromschnellen herab paddeln. Da dies für Ruth zu viel Stress war, machte ich mit ihr eine Wanderung durch den Urwald, wobei wir den Vulkan Arenal bis auf etwa 600 m hinaufkletterten. Auf dem Weg sahen wir jede Menge schöne Schmetterlinge, aber auch bunte Eidechsen. Wir sahen Riesenbäume mit Lianen und manche Pflanzen, deren Blätter fast 1 qm groß waren. Nach etwa 1 Std und 45 Min war der Urwald plötzlich zuende und wir stießen auf ein zerklüftete Geröllfläche aus schwarzen Steinen, die bei einem Vulkanausbruch 1968 aus der Lava entstanden waren. Der letzte Vulkanausbruch war übrigens in 2010, also noch gar nicht so lange her. Als wir wieder hinabstiegen, sahen wir oben in den Wipfeln der Bäume einen Tulcan, d.h. einen Vogel mit einem riesigen Schnabel, und kurz darauf zwei farbenfrohe Paradiesvögel, die nur etwa 1 m über uns auf einem Zweig saßen. Ruth hob spontan die Arme und lobte Gott für seine wunderbare Schöpfung.

Wir aßen zu Mittag und ruhten uns in den Hängematten des Herberge aus bis Patrick und Rebekka wiederkamen. Auch sie waren voller Begeisterung und hatten viel zu erzählen. Das nächste Ziel unserer Reise sollte nun der 4 Stunden entfernte Ort Playa de Coco sein an der Pazifikküste. Um dort hinzugelangen, ging es zwei Stunden lang durch die Gebirgs-Serpentinen rauf und runter, so dass ich die ganze Zeit in höchster Anspannung war und mich obendrein Zahnschmerzen plagten. Zudem fingen Ruth und Rebekka sich wegen Nichtigkeiten an zu streiten, die selbst dann noch immer wieder aufflammten, als wir abends endlich den Ort erreichten. Mir fiel auf, dass wir zwar immer wieder vor jeder Fahrt um Bewahrung baten, aber bis jetzt noch nicht gemeinsam eine Bibelandacht gemacht hatten. Missionarische Einsätze beginnen aber ja immer zuerst in der eigenen Familie, deshalb tat ich als Hauptverantwortlicher darüber Buße und nahm mir vor, dass sich das ab jetzt ändern sollte.

PLAYA DE COCO, C. R. 04.12.2018 Am Morgen frühstückten wir und ich machte eine Andacht über Psalm 16. Wenn der HErr unser ganzes Glück auf Erden ist, dann sollen wir die Namen der Götzendiener nicht einmal mehr in unseren Mund nehmen. Mich erinnerte das an all jene Gläubigen, die ihre Zeit damit vertrödeln, die okkulten Hintergründe der Musikindustrie aufzudecken. Ein Bruder sagte einmal: „Um festzustellen, ob in einem Fass Jauche drinnen ist, muss man es nicht erst austrinken, denn es genügt schon der Geruch“. Wir gelobten, dass wir miteinander nicht mehr in Rivalität unsere eigenen Interessen durchsetzen wollen, sondern von nun an auf die Bedürfnisse des anderen Rücksicht nehmen. Darauf räumten wir alle gemeinsam das Geschirr zusammen, wuschen ab und luden unser Gepäck ins Auto.

Schon um 09.00 Uhr war es so heiß, dass mein T-Shirt wieder nassgeschwitzt war. Deshalb wollten wir gleich zum Strand, um uns im lauwarmen Meer abzukühlen. Die Wellen hier im Golfo de Papagayo waren mit gerade einmal nur einen Meter Höhe noch vergleichsweise niedrig und der Strand relativ leer an diesem Morgen. Als wir uns dann weiter auf den Weg Richtung Süden machten, lasen wir auf einem kleinen Schild etwas von einer „Affenfarm“, das uns neugierig machte. Wir hielten an und betraten das Areal. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Selbstversorger-Hof handelte, der vor allem Ziegen, aber auch viele andere Tiere wie Affen, Pferden, Schildkröten usw. beherbergte und von amerikanischen Idealisten und Weltverbesserern ins Leben gerufen wurde. Während Ruth sich mit einer Heather aus Nebraska auf Deutsch unterhielt, sprach Patrick mit zwei österreichischen Jugendlichen, die dort ehrenamtlich für ein paar Monate arbeiteten. Ich selbst sprach mit einem älteren Mann, der ebenso aus Nebraska war auf Englisch über den Glauben an Christus und das nahende Weltende. Er war Methodist, schien aber meinen Erklärungen über das antichristliche Weltreich keinen Glauben zu schenken. Wir erfuhren, dass Ziegen als Allesfresser sehr pflegeleicht zu halten sind und zwei Jahre lang Milch geben. Allerdings sei das Leben als Selbstversorger sehr hart, und die jungen Leute räumten ein, dass sie nicht damit gerechnet hatten, dass es „so viel Arbeit“ macht. Da Ruth und ich für die Zukunft Ähnliches planten, gewannen wir dadurch mal einen Einblick, wie sowas gehen könnte.

Mittags hielten wir an einer anderen Stelle am Strand, weil Patrick Pferde sah und unbedingt reiten wollte. Der Besitzer wollte jedoch 30,-$ pro Person/Std. haben, deshalb verzichteten Ruth und ich darauf und schwammen dafür noch eine Weile im Meer, bis sie wiederkamen. Dann fuhren wir weiter nach Tamarindo, einem touristischen Surferparadies an der Westküste, wo die Brandung sehr stark war und die Wellen schon deutlich über 2 m hoch waren. Man nennt den Strand von Tamarindo unter Surfern auch die „Mutter aller Strände“. Während im Moment hier gerade die Sonne untergeht und ich diese Zeilen schreibe, sind Patrick und Rebekka gerade dabei, noch Fotos zu machen von der Brandung im Sonnenuntergang. Dabei ist es im Moment gerade erst 17.20 Uhr. Gleich werden wir uns wieder eine günstige Unterkunft suchen, von der es hier jede Menge gibt. Bisher haben wir für eine Übernachtung nur immer 5,- bis 20,-€/pro Person ausgeben brauchen, auch wenn die Zimmer alle etwas nach Schimmel rochen wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Erstaunlich ist auch, dass die Zimmer alle mit einer Klimaanlage ausgestattet sind, bei der man selber entscheiden kann, welche Zimmertemperatur man bevorzugt zwischen 16 C und 30 C!

TAMARINDO, C. R. 05.12.2018 Heute Morgen hörten wir wieder lautes Gezeter im Nachbarzimmer; Rebekka und Ruth stritten mal wieder. Der Anlass war auch diesmal nichtig: Ruth hatte Rebekka eingerieben und hatte dabei ihr Tagebuch beiseitegelegt, wobei sie mit ihren öligen Händen den weißen Karton-Einband mit Fettflecken hinterließ. Die Sache schaukelte sich dann allmählich so sehr hoch, dass sich Rebekka weinend ins Bad einschloss. Patrick versuchte sich dann als Mittler, indem er sagte: „Rebekka, der Fettfleck hat Dein Tagebuch doch erst richtig wertvoll gemacht! Was würde ich darum geben, wenn ich noch einen echten Fingerabdruck von meiner Mutter hätte!“ Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die beiden wieder versöhnt hätten. Nun wollten wir frühstücken, hatten aber nichts mehr dabei als nur noch Spaghetti mit Soße. Patrick bereitete diese zu, doch Ruth und Rebekka verzichteten lieber, so dass wir beide den Spaghetti-Berg alleine essen mussten.

Während wir aßen, sprach ich einen Argentinier namens Sergio (34) an, der gerade Mate-Tee trank. Er erzählte uns, dass er schon seit 15 Jahren durch Südamerika tingelte und sich mit dem Verkauf von Kunsthandwerk an die Touristen über Wasser hielt. Ich berichtete ihm, wie ich vor 4 Jahren zum Glauben an den HErrn Jesus zurückfand und erklärte ihm das Evangelium. Er hörte aufmerksam zu; dann verabschiedeten wir uns, beluden den Wagen und fuhren zum Strand um zu Schwimmen. Auch heute war wieder eine phantastische Brandung. Die Wellen türmten sich hoch auf und glänzten im Sonnenlicht wie eine hohe Wand, bevor sie mit Wucht auf den felsigen Strand krachten, und der Wind eine helle Gicht versprühte. Aber dann passierte etwas, das alle so schnell nicht mehr vergessen würden…

Ich und Patrick waren hinausgegangen ins Meer. Doch schon nach kurzer Zeit war Patrick stehen geblieben, während ich immer weiter hinausschwamm zu den großen Wellen, die weiter hinten waren. Da bemerkte ich dass der Boden sehr felsig war und ich achtgeben musste, von den Wellen nicht auf die scharfen Kanten geschlagen zu werden. Also schwamm ich noch weiter hinaus, wo keine Felsen mehr waren. Indes schaute Ruth nach mir aus und sah mich nicht mehr. Sie rief Patrick, der nach mir rufen sollte, aber durch laute Brandung hörte man sich selbst kaum. Sie machte ihm Vorwürfe, dass er nicht auf mich achtgegeben hätte und befahl ihm und Rebekka immer wieder, für mich zu beten. Als ich aber nach 15 Minuten immer noch nicht aufgetaucht war, geriet Ruth in völlige Panik. Rebekka fing an zu weinen und betete: „HErr, bitte mach, dass mein Papi wieder gesund zu uns zurückkehrt und vergib mir, dass ich in den letzten Wochen kaum zur Gemeinde gegangen bin. Wenn mein Vater nichts zugestoßen ist, verspreche ich Dir, dass ich von nun an auch immer regelmäßig zur Gemeinde gehen werde!“ Ruth schickte sie los, um nach mir zu suchen. Als aber nach weiteren 10 Minuten auch Rebekka nicht zurückkam, ließ sie all unsere Sachen liegen und lief mit einem Kokusmilchverkäufer zur Strandwacht, um nach mir suchen zu lassen. Diese reagierten entsetzt und erklärten, dass dies gar kein Badestrand sei, sondern nur ein Surferstrand. Aber sogar Surfer seien hier schon umgekommen, wenn sie vom Surfbrett geschleudert wurden und mit dem Kopf an die Felsen stießen. Sofort machten sich drei Seenotretter mit Taucheranzügen auf die Suche nach mir.

Ruth war sich nun fast sicher, dass mir etwas zugestoßen sei, denn weit und breit war ich nicht zu sehen. Sie war völlig verzweifelt und betete unentwegt, dass Gott doch noch ein Wunder schenken möge. Vor ihren Augen liefen plötzlich all die Bilder ab, was sie immer in den Nachrichten sah über tragische Unfälle, und jetzt betraf es sie selbst. Sie sah mich schon auf dem Obduktionstisch und bereute, dass sie mit ihrem „Bärchen“ immer so oft geschimpft hatte. Da aber inzwischen auch Rebekka nicht mehr auftauchte, befürchtete sie, dass auch sie auf der Suche nach mir ums Leben gekommen sei. Patrick starrte nur wie versteinert aufs Meer und stand unter Schock. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf: Wer würde nun das Auto fahren, da er doch seinen Führerschein nicht mitgenommen hatte? Würde sich jetzt durch die Überführung des Sarges sein Rückflug verzögern? Was würde seine Frau Daniela sagen? usw. Innerhalb von einer halben Stunde dachten alle nur noch daran, dass sie mich nie wieder lebend wiedersehen würden.

Von all dem wusste ich nichts, als ich mich entschloss, allmählich wieder zurückzuschwimmen. Auf einmal sah ich einen Mann in schwarzem Taucheranzug, der mir von Weitem zurief und mit dem Surfbrett bäuchlings auf mich zu paddelte. Dann ließ er sich runter fallen und bat mich auf sein Surfbrett zu klettern. Ich dachte: Wieder so einer, der mir für Geld irgendeinen Service anbieten wollte, deshalb sagte ich dankend Nein und schwamm weiter in Richtung Strand. Er reagierte erbost und erklärte mir, dass meine Frau sich große Sorgen um mich machen würde. Ich dachte: Ach, immer das gleiche mit Ruth! und ich beeilte mich, an Land zu schwimmen. Dann sah mich Rebekka und redete wild auf mich ein, nun schnell aus dem Wasser zu kommen, was wegen der vielen Steine und den Wogen der Sogwirkung der sich zurückziehenden Wellen gar nicht so einfach war. Sie erzählte mir, dass man überall nach mir suchen würde, weil alle mich für tot gehalten hatten. Als ich dann am Strand entlang auf Ruth und Patrick zuging, standen da viele Leute um sie herum, die durch das laute Schreien von Ruth auf den Vorfall aufmerksam gemacht waren. Ruth und ich umarmten uns und alle redeten gleichzeitig auf mich ein. Ich entschuldigte mich für meine Torheit und Leichtsinnigkeit. Wir dankten Gott und bedankten uns auch bei den Helfern für ihren Einsatz, der schließlich ein glückliches Ende nahm. Ruth sagte, dass ich für die nächsten vier Wochen nicht mehr ins Meer dürfe, und Patrick legte noch eins drauf, indem er scherzhaft bemerkte: „Du darfst in den nächsten 4 Wochen noch nicht einmal mehr duschen!“ Doch schon eine Stunde später wollte Rebekka sich ein Surfbrett ausleihen und bat mich, ihr beim Surfen behilflich zu sein, indem ich sie immer im richtigen Moment anschubsen sollte, um sich dann beim Auslaufen der Wellen aufzurichten. Als Zeichen der Versöhnung willigte ich ein und assistierte ihr eine Stunde lang beim Halten und Schubsen, was ich am Ende nicht nur mit 10,-$ Mietgebühr, sondern auch mit einem heftigen Sonnenbrand am Abend bezahlen durfte.

Am Nachmittag fuhren wir dann zu unserem nächsten Ziel, einem Ort namens Monteverde, der drei Sunden östlich mitten im dichten Regenwald lag und beliebt war wegen seiner hohen Artenvielfalt. Der Weg über die mit Schlaglöchern übersäten, staubigen Urwaldpisten war jedoch sehr anstrengend, und da der Ort im Gebirge war, ging es auch immer wieder in Schlangenkurven rauf und runter, wobei wir zweimal sogar überschwemmte Straßen überqueren mussten in der Hoffnung, nicht mit den Reifen im Schlamm stecken zu bleiben. In tiefster Dunkelheit erreichten wir dann schließlich eine Pension in Monteverde, wobei uns beim Aussteigen alle Muskeln weh taten und unsere Haut brannte. Hier oben im Gebirge war es natürlich eher kühl als warm und zudem sehr windig. In der Nacht stürmte es dann dermaßen laut, dass wir dachten, ein Hurrikan würde gerade über Costa Rica wüten, und dass am Morgen alles verwüstet sein würde. Aber als es am nächsten Tag hell wurde, war alles noch heil draußen, wenn auch den ganzen Vormittag noch Orkanböen wehten.

MONTEVERDE, C. R. 06.12.2018 Leider begann auch dieser Tag mit einem Streit, diesmal aber war ich selbst involviert. Ich hatte mich morgens in der stillen Zeit gefragt, was ich hier überhaupt mache, und mir kam das Bibelwort in den Sinn, dass in den letzten Tagen die Menschen eigenliebig sind und das Vergnügen mehr lieben als Gott (2.Tim.3:2+4). Bei der gemeinsamen Andacht über Psalm 18 ließ ich dann durchblicken, dass wir nur dann wirklich mit Gottes Beistand und Hilfe rechnen können, wenn wir Ihm auch in Treue dienen und unsere Zeit nicht dem Vergnügen und der Zerstreuung vergeuden. Nach dem Frühstück hatte ich dann angekündigt, dass ich die letzten zwei Tage in Costa Rica gerne mit Patrick zusammen evangelisieren möchte, wie wir es ja auch ursprünglich geplant hatten. Rebekka erwiderte dann frech, dass ich das doch auch jederzeit machen könne in Deutschland, aber doch nicht ausgerechnet, wenn wir zusammen Urlaub machen würden. Dann aber sagte ich etwas, das Rebekka aufs tiefste verletzte und die Situation eskalieren ließ: „Rebekka, mir ist schon klar, das für Dich das Evangelisieren völlig sinnlos und bescheuert ist, aber…“ Weiter konnte ich gar nicht reden, denn sofort schrie sie mich an, was ich mir eigentlich anmaße, über sie zu urteilen, und dass das doch gar nicht stimmen würde, und, und, und. Sie verlangte dann auch noch eine Entschuldigung von mir, die ich ihr aber verweigerte. Auch Ruth und Patrick redeten auf mich ein, dass ich doch so nicht mit Rebekka reden dürfe, aber ich erinnerte sie daran, dass sie so oft schon bei ähnlichen Situationen signalisiert hatte, dass sie im Grunde kein wirkliches Interesse habe, das Wort Gottes auch in die Tat umzusetzen und sie mir doch erst einmal das Gegenteil beweisen möge. Sich nur einmal bekehrt zu haben, reicht eben nicht aus, sondern wir müssen auch den Geboten des HErrn gehorchen, wie geschrieben steht: „Was nennet ihr mich Lehrer und HErr, und tut nicht, was ich sage?!“ Das Problem war, dass sie auf mich angewiesen waren, da ich der einzige war, der den Leihwagen fahren durfte. Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich am Freitagnachmittag und Samstagvormittag evangelisieren dürfe, davor aber auch auf die Familie Rücksicht nehmen möge.

Der Ort Monteverde bot den Touristen zahlreiche Vergnügungsangebote, z.B. gab es dort die mit 1580 m längste Ein-Personen-Seilbahn der Welt, die quer durch den Regenwald verlief. Zudem gab es dort auch das längste „Tarzan-Bungee-Seil“ von Südamerika. Mir war sofort klar, dass ich das alles nicht haben musste, aber die anderen wollten das unbedingt. Deshalb machten wir vormittags einfach erst mal eine längere Wanderung durch den Nationalpark, dessen gut ausgebauter Weg über sieben Hängebrücken verlief, die durchschnittlich 100 m lang und über einen bis zu 30 m tiefen Abgrund gingen. Interessant war für mich, dass an den mit Moos bewachsenen Baumstämmen zahlreiche andere Pflanzen sich angenistet hatten, deren Wurzeln sich allmählich mit dem Stamm des Wirtbaumes verbunden hatten und von diesem ihre Nährstoffe empfingen. Sie nur deshalb als parasitär zu bezeichnen, wäre ungerecht, denn der Same hätte auf dem dunklen Waldboden eine deutlich geringere Chance gehabt, sich zu entwickeln. Ist es nicht auch in einer Gemeinde so, dass jüngere Christen sich von den Erkenntnissen der älteren Geschwister ernähren sollten, um am Leben zu bleiben? Im Grunde ist also der Urwald ein sehr schöner Anschauungsunterricht, wie es in einer biblischen Gemeinde zugehen sollte. Mittags aßen wir dann unsere Butterbrote in einem kleinen Kolibri-Park, wo an die 100 Kolibris den süßen Saft aus eigens für diese aufgestellte Behälter mit kleinen Löchern herausschlürften und man ihnen aus wenigen Zentimetern Entfernung dabei zuschauen konnte. Kolibris sind gerade einmal nur so groß wie ein Daumen, haben ein sehr feines, buntes Gefieder und einen Flügelschlag, der eher den von Insekten glich. Am Nachmittag machten Patrick, Ruth und Rebekka dann ihre Seilbahn-Tour während ich im Auto blieb und an meinen Texten weiterschrieb. Als sie zurückkehrten, waren alle hell auf begeistert und meinten, ich hätte echt was verpasst. Fröhlich und ausgelassen stiegen alle zu mir ins Auto und fuhren dann über holprige Pisten hinab in den Küstenort Jacó, wo wir übernachteten.

JACÓ, C. R. 07.12.2018 Vor dem Frühstück unterhielt ich mich mit einem Deutschen Rentner, der schon seit 10 Jahren in Costa Rica lebt. Er erzählte mir, dass die Deutschen auch in Costa Rica ein sehr hohes Ansehen genießen und er deshalb keiner geregelten Beschäftigung nachgehen brauchte, sondern überall durch kleine handwerkliche Aushilfsarbeiten überall ein gern gesehener Gast war, der mit allem versorgt wurde, was er zum Leben brauche. An den Deutschen würde man vor allem ihre Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit schätzen, während die Gringos (abgeleitet von Greenhorn = Nordamerikaner) eher den Ruf von arroganten Prahlern hatten, die niemand wirklich mochte. Nach der Morgenandacht gingen wir zum Strand, um uns im Wasser etwas abzukühlen. Die Bucht von Mantras hatte ein sehr ruhiges und sauberes Meerwasser, weshalb mir Ruth erlaubt hatte, zu schwimmen. Doch schon nach etwa 10 Minuten hatte mich etwas gestochen im Wasser, so dass auf einmal mein Arm und mein Bauch brannten. Ich schwamm also zurück zum Strand und erzählte es Ruth. Mein Arm hatte an mehreren Stellen einen roten Ausschlag bekommen. Doch ein älterer Mann, der in der Nähe stand, erklärte, dass dies nur eine harmlose Medusa-Qualle gewesen sei und das Brennen eine allergische Reaktion der Haut, das aber bald wieder weggeht. Er hatte recht.

Als wir dann am späten Vormittag uns auf dem Weg in die Hauptstadt San Jose machten, hielten wir unterwegs an einer Brücke, unter der sich etwa 10-15 Krokodile in der Sonne wärmten. Sie lebten hier am Fluss in ihrem natürlichen Habitat. Aber ich fragte mich, von was sie sich wohl ernährten, denn solche Herden von Antilopen oder Gnus wie in Afrika gab es hier ja nicht. Nach zwei Stunden kamen wir müde in San Jose an, ruhten uns ein wenig aus und fuhren dann in die Innenstadt, wo wir uns trennten: Patrick wollte mich beim Predigen begleiten und Ruth und Rebekka wollten einkaufen. In der Innenstadt gab es einen großen Platz, der sich hervorragend zum Predigen eignete, weil viele Menschen dort auf den Tribünen saßen. Ich fing an zu predigen, aber nur die Leute, die gerade zufällig dort saßen, hörten mir zu. Das Interesse war allerdings gering. Plötzlich schickte der Teufel auch noch zwei Clowns in Halloween-Kostümen, die Kunststücke vorführten und viel Publikum fesselten. Ich predigte weiter, aber es war wie gegen eine Wand. Dann kam auch noch ein Parkwärter und bat mich, weiter unten in der Fußgängerzone zu predigen, da der Platz eher zum Ausruhen gedacht sei. Ich ging also runter und predigte dort, aber wieder hörte mir kaum einer zu, so dass ich fast den Mut verlor. Doch dann schenkte der HErr ein Wunder:

Ich hatte begonnen, einfach nur noch Passagen aus der Bergpredigt vorzulesen, da bemerkte ich im Augenwinkel einen jungen Mann, der mir aufmerksam zuhörte. Nach einer Weile ging ich auf ihn zu und fragte ihn, ob auch er schon dem HErrn Jesus gehöre. „Nein“, sagte er, und ich fragte weiter: „Möchtest Du denn dem HErrn Jesus gehören?“ -„Ja.“ antwortete er. Dann erklärte ich ihm noch einmal ausführlich das Evangelium und fragte ihn, ob er mit mir zusammen beten wolle, um sich vor Gott als Sünder zu bekennen. Er wollte, und wir gingen zusammen an den Rand der Fußgängerzone, um den Passanten nicht im Wege zu stehen. Dann sagte ich ihm, dass ich als erste für ihn beten werde und dass danach dann er beten könne. Als er jedoch an der Reihe war, sah ich, dass er nicht wusste, wie er beten solle und bot ihm an, vorzubeten, damit er mir die Worte nachspreche, wenn er sie denn auch wirklich bejahe. So geschah es, dass er mir alles hinterhersprach, was ich für ihn betete und wir gemeinsam Amen sagten. Dann erklärte ich ihm, dass es wie bei einem Geburtsvorgang noch viele schmerzvolle Erfahrungen geben könne, bis er wirklich das neue Leben erfahren könne, er aber jetzt erst mal fleißig in der Bibel lesen solle, damit der Heilige Geist ihn unterweisen könne. Leider hatte er keine Bibel und ich hatte nur meine eigene, die ich noch brauchte. Ich erklärte ihm, dass er sich jetzt einer „Iglesia evangelica“ anschließen müsse, die ihm auch sicher eine Bibel schenken würde, und dass er sich auch noch taufen lassen müsse. Er heißt Nedilio Obregon (39) und ist aus Nicaragua. Obwohl er nicht um Geld bat, gab meine Frau ihm noch eine finanzielle Unterstützung auf den Weg. Da Ruth und Rebekka inzwischen gekommen waren, fuhren wir zur Herberge, wo Rebekka ein leckeres Essen für uns alle kochte. Wir dankten Gott für die Freude, die er uns mit allen Engeln im Himmel geschenkt hat über diesen Sünder, der Buße tat.

SAN JOSE, C. R. 08.12.2018 Während des Frühstücks sprachen wir über Psalm 19 und die Notwendigkeit, die Gebote Gottes zu befolgen. Patrick ergänzte dieses Thema noch, um am Beispiel des vorehelichen Verkehrs die Gefahr zu verdeutlichen, sich einer Versuchung auszusetzen, obwohl einem klar sein sollte, dass man dieser am Ende nicht zu widerstehen vermag und dann darin zu Fall komme; dass man also schon den Weg zur Sünde meiden sollte, selbst wenn dieser für sich genommen noch keine Sünde darstelle. Rebekka dachte wohl, dass dies eine Anspielung auf ihren Verlobten Dennis sei, der ihr vor der Zeit die Jungfräulichkeit nehmen könnte, denn sie fragte, warum er das Thema überhaupt erwähne und einen solchen Nachdruck darauf lege. Ich bekräftigte, dass diese Mahnung absolut seine Berechtigung hätte und man sie deshalb gar nicht oft genug wiederholen könne.

Heute Nachmittag sollten wir Ruth und Patrick zum Flughafen bringen, da Ruth wieder nach Peru fliegen würde (einen Tag vor mir) und Patrick wieder zurück nach Deutschland. Zuvor wollten Ruth und Rebekka aber noch mal auf eine „Feria“ gehen, einem Wochenmarkt für Öko-Produkte, um sich Kunsthandwerk und Souvenirs anzusehen. Ich dachte, dass dies vielleicht eine gute Gelegenheit wäre, noch einmal zu predigen. Als wir jedoch ankamen, stellte sich heraus, dass gut die Hälfte aller Stände mit indianischem Schamanen-Schnickschnack voll war, wobei man wissen muss, dass die Azteken im Grunde Dämonen-Verehrer waren. Die vielen okkulten Symbole, die ich sah, ließen mich vermuten, dass dieser Ort voller böser Geister war und ich wohl deshalb so eingeschüchtert und entmutigt war. Ich setzte mich im Schatten auf eine Bank und las Psalm 20 und 21, die beide voller Segensverheißungen sind. Dann betete ich, dass der HErr mir doch Gnade schenke, dass sich auch heute wieder jemand bekehren möge. Ich bat den HErrn, dass es doch der nächste sein möge, der sich neben mir auf die Bank setzt. Doch auch nach 10 Minuten hatte sich niemand zu mir auf die Bank gesetzt, so dass ich den HErrn fragte, was ich tun solle. Da sagte der HErr zu mir, dass ich noch längst nicht so weit sei, dass Er mir täglich jemanden schenken könne, da ich noch viel zu eitel und geltungsbedürftig sei. Stattdessen solle ich doch mal Psalm 22 lesen, weil Er mir darin etwas zeigen wolle.

Da Psalm 22 einer meiner liebsten Psalme war, wunderte ich mich, was der HErr mir darin noch Neues zeigen könne, da ich ihn doch bereits auswendig konnte. Doch dann las ich in meiner spanischen Bibel: „Auf Dich warteten unsere Väter, sie warteten, und Du befreitest sie; sie riefen zu Dir und sie wurden befreit; sie vertrauten auf Dich und wurden nicht beschämt.“ Ja, Glaube bedeutet oftmals Warten und geduldig sein, bis der HErr Seine Verheißung wahr macht. Ich war immer viel zu ungeduldig und kann es nicht abwarten, bis sich Frucht zeigt. Aber Gott will mir zeigen, dass Er oftmals einen ganz anderen Zeitplan verfolgt, in welchem mein Aktionismus eher hinderlich ist. Ich las weiter: „Du bist derjenige, der mich aus dem Bauch herausholte; derjenige, der mich vertrauen fassen ließ, seit ich an den Brüsten meiner Mutter war.“ Konnte ein Baby eigentlich bewusst eine Entscheidung treffen? Nein, sondern Gott hat es mit einem Nuckelinstinkt ausgestattet. Und genauso ist es auch bei der Wiedergeburt: Der neue Mensch kann sich nur hilflos und blind an die Brust Gottes anschmiegen (El Schaddai heißt ja wörtlich „Der Vielbrüstige“). Da brach ich total in Tränen aus, denn ich erkannte noch mehr, wie Gott mir meine ganze Unfähigkeit vor Augen zeigen wollte. Für Ihn war ich so „nützlich“ wie ein vertrockneter Dornenbusch in der Wüste, der niemandem Schatten spenden kann und auch keine Frucht mehr hervorbringt, der aber trotz des Feuers Gottes nicht verbrennt, sondern erhalten bleibt.

Nach dem Mittag machten wir uns bald auf zum Flughafen, denn man muss eigentlich immer schon 2 Stunden vor Abflug da sein. Da wir aber im Stau standen, kamen wir erst 45 Minuten vor Abflug an, so daß Ruth wohl die letzte war, die das Flugzeug noch kurz vor dem Schließen der Tür betrat. Patrick hingegen hatte noch 4 Stunden Zeit, bis sein Flug startete, aber wir ließen ihn dann gleich dort, weil sich ein weiteres Hin- und Herfahren nicht lohnte.

SAN JOSE, C. R. 09.12.2018 Am heutigen Sonntag ging ich mit Rebekka nach dem Frühstück in eine Gemeinde in der Nähe, die Rebekka übers Internet ausfindig gemacht hatte. Eigentlich hätte mir schon durch den Name „Iglesia El Olivo“ auffallen müssen, dass es sich nur um eine Pfingstgemeinde handeln kann. In der mit etwa 100 Menschen vollen Gemeinde waren etwa 90 % unter 35 J. alt. Und wie es bei den Charismatikern üblich ist, wurde erst einmal eine Stunde lang nur Lobpreis mit Klatschen, Armeschwenken, Hüpfen, Tanzen und lauter Musik gemacht. Es hatte eigentlich eher Ähnlichkeit mit einer Diskothek oder einem Popkonzert als mit einem herkömmlichen Gottesdienst, auf jeden Fall war ich wohl schon zu alt dafür. Nach etwa 20 Minuten bin ich erst mal wieder raus gegangen, da ich auf dem rechten Ohr ohnehin schon schwerhörig bin. Draußen sah ich einen jungen Mann, der in einer Ecke saß und bitterlich weinte. Ich setzte mich zu ihm und fragte, was er habe, aber er konnte nicht antworten. Nach einer Weile fragte ich ihn, ob er vielleicht etwas bekennen möchte. Da antwortete er, dass vor zwei Jahren seine Mutter heimgegangen sei und er durch ein Lied, das vorhin gespielt wurde, wieder an sie erinnert wurde. Seine Mutter war die beste Freundin von Gilberto (24), und er wusste nicht, wie er ohne sie auf der Welt leben könne. Ich versuchte ihn zu trösten und betete mit ihm. Dann las ich ihm Psalm 27 vor und erzählte ihm, wie meine Mutter uns verboten hatte, über ihren Tod zu trauern, weil dieser ja eigentlich ein Grund der Freude sei, weil man es beim HErrn viel besser habe.

Dann kam meine Tochter und teilte mit, dass ich wieder rein kommen könne, da die Predigt begonnen hätte. Das Thema war Gal.4:7-9, wobei der Prediger immer wieder wiederholte, dass wir „keine Sklaven der Furcht“ mehr seien. Nach dem Gottesdienst, kam die Mutter des Predigers auf mich zu und wollte mich ihrem Sohn vorstellen. Ich unterhielt mich eine Weile mit ihm über das Thema „Kulturelle Unterschiede“, sowie über „Laodizea“ und „Nehemia 9„, und dann mussten wir auch schon gehen, da ich mittags beim Flughafen sein musste, um nach Peru zu fliegen. Wir aßen noch schnell zu Mittag und dann verabschiedete mich von Rebekka, die erst eine Woche später nach Peru kommen würde, da sie mit ihren Studien-Kolleginnen noch einen Ausflug nach Panama geplant hatte. Ich fuhr also mit einem Uber-Taxi zum Flughafen und von dort mit der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca nach Lima, wo ich 3,5 Std. später von Sara (27), der Tochter meines Freundes Ricardo Pineda, und ihrem Freund Alexis abgeholt wurde.

LIMA, Peru 10.12.2018 Heute morgen haben meine Frau und ich gemeinsam eine lange Gebetszeit gehabt und dann Psalm 29 gelesen, wo es heißt, dass wir dem HErrn „die Herrlichkeit geben sollen, die wir Seinem Namen schulden“, d.h. wenn wir Seinen Namen tragen, müssen wir auch so wandeln, wie es Seinem Namen gebührt, damit er nicht verlästert wird unter den Nationen. Und dann ist dort immer wieder von der „Stimme des HErrn“ die Rede, was sie überall auf der Welt bewirkt. Geht man von einer allegorischen Bedeutung aus, dann sind die Zedern des Libanon wohl die Reichen der Welt, und die Wüste Kades sind vielleicht Menschen, die vor ihrer Begegnung mit Gott ein ziemlich eintöniges Leben führten. Wenn aber die Stimme des HErrn zu uns redet, dann verändert sie uns derart, dass auch wir sie zu anderen erschallen lassen, in erster Linie durch unser Leben.

Ich hatte mich schon am Abend zuvor gefreut, unsere Wohnung in Matute (Lima) wiederzusehen, die wir vor 11 Monaten grundsaniert hatten. Sie riecht jetzt überhaupt nicht mehr nach Schimmel und sieht es schon deutlich wohnlicher aus. Ruth hatte im November auch schon die ersten Möbel gekauft. Als nächste sind nun die Lackierarbeiten dran und wir brauchen auch noch neue Türen und Fenster (d.h. eigentlich nur neue Fensterscheiben, da diese in den letzten 50 Jahren beim Lackieren der Metallsprossenfenster z.T. mit angestrichen wurden). Um hier in der Zukunft Gäste einzuladen und Bibelstunden zu halten, muss sie Wohnung aber erst mal entsprechend hergerichtet werden. Wir brauchen noch Betten und Schränke, aber ein Hauptkostenpunkt werden wohl die Türen und Rahmen sein. Nach dem Frühstück sind wir also erst einmal zum Baumarkt gefahren und haben vieles einkaufen müssen, damit ich in den nächsten Wochen arbeiten kann. Den Nachmittag und Abend habe ich dann mit Bohren, Schrauben und Schrank-zusammenbauen verbracht.

LIMA, Peru 11.12.2018 Heute Morgen wollte Ruth mit mir einen Lúcuma-Saft trinken und danach zusammen einkaufen im Bezirk Gamarra. Man muss wissen, dass ganz Lima im Grunde ein riesiges Kaufhaus ist, wo jeder Stadtteil eine eigene Produkt-Rubrik bietet. Der Stadtbezirk Matute z.B., wo unsere Wohnung ist, hat sich auf Glasscheiben und Aluminium-Türen und Fenster spezialisiert, d.h. es gibt in den Straßen jenes Distrikts Dutzende an Firmen, die alle mehr oder weniger das Gleiche anbieten; und wenn jemand aus Lima für sich oder seine Firma z.B. Aluminiumfenster benötigt, dann geht er in irgendeinen dieser Läden hier und bestellt sie. Und wenn man in den Stadtbezirk Gamarra fährt, findet man alles zum Thema Textilien oder Naturkost. Die Straßen sind dort so voll mit Menschen, dass auf 100 qm bestimmt 200 oder 300 Menschen kommen, die wie Ameisen durch die engen Wege zwischen den Verkaufsständen schwärmen. Entsprechend vorsichtig muss man dort sein vor Taschendieben, die es hier zuhauf gibt. Im Naturprodukte-Bereich kann man so ziemlich alles bekommen, was in Peru wächst, angefangen von Körnerarten wie Qinoa, Maca oder Amarant, über Heilpflanzen wie „Katzenkralle“ bis hin zu Kaktusfeigen und Wachtel-Eiern. Es gibt sogar einige Schlangen dort, sowohl lebende als auch tote, die zum Verkauf angeboten werden und deren Fleisch offensichtlich auch gegessen wird. Manche Heilsäfte und Kräuter konnten nicht nur von körperlichen Krankheiten heilen, sondern vermochten sogar charakterliche Schwächen wie Hochmut oder Eifersucht zu „heilen“ (jedenfalls stand es so auf den jeweiligen Werbetafeln). Vor allem gab es aber auch jede Menge okkulte Hilfsmittel wie Tarotkarten oder Zauber-Tinkturen, die angeblich zu Reichtum verhelfen sollen oder zu einer erhöhten sexuellen Attraktivität. Man konnte wirklich meinen, dass der Stadtteil Gamarra eine gewisse Ähnlichkeit mit dem namens-verwandten Ort Gomorrha hat.

Aber nicht nur die vielen visuellen Eindrücke, sondern vor allem die vielen Menschen und der Krach versetzen mich in enorme Anspannung und Stress. Zunächst ließ ich mir zwei T-Shirts mit evangelistischen Versen bedrucken und kaufte mir einen Sombrero (Strohhut). Ruth wollte gerne Körner kaufen, um ein Müsli herzustellen, doch ehe wir uns versahen, hatten wir uns aus den Augen verloren. Sie zu suchen hatte bei all den vielen Menschen, die alle gleich aussehen, wenig Sinn, obwohl ich durch meine Körpergröße alle überragte und somit einen besseren Überblick hatte. Ich hoffte deshalb, dass SIE mich sieht und ging also dort zurück, wo wir uns das letzte Mal sahen. Hätte Ruth die Leute gefragt, ob sie jemanden wie mich gesehen hätten, dann hätte sie nur das Wort in Hohl.5:10 zitieren brauchen: „Mein Geliebter ist weißhäutig und rothaarig, den man unter 10.000 (Peruanern) sofort erkennen kann“. Doch Ruth kam einfach nicht und so betete ich, dass Ruth doch bald kommen möge. Und siehe da, mitten im Getümmel sah ich sie auf einmal von Weitem. „Da fand ich, die meine Seele liebt, und ich ließ sie nicht wieder los“.

Nachdem Ruth alle Einkäufe erledigt hatte, sahen wir eine Evangelisation von Charismatiern vor deren Kirche, die mitten in der Fußgängerzone war. Als mich einer der Veranstalter sah, lud er mich ein, ins Foyer der Gemeinde zu kommen, um mit dem Pastor zu sprechen, der auch ein Gringo sei aus Spanien. So gingen Ruth und ich hinein und sahen eine aufgestellte Kamera und eine Frau, die auf dem Fußboden lag und mit einer Decke zugedeckt war. Da kam der weißhäutige Pastor aus Spanien auf mich zu und begrüßte mich herzlich. Er erklärte mir, dass sie gerade eine Livestream-Übertragung machen, da ein „Apostel“ und „Prophet“ hier sei, namens Don Vicente Díaz Arce (80), der die Kranken heilen könne. Ich schaute und sah einen kleinen, alten Mann mit Sonnenbrille, der gerade einer Frau die Hände auflegte. Dann fiel sie in Ohnmacht und wurde von zwei anderen Frauen auf den Boden gelegt. In diesem Moment stellte mich der Pastor dem „Apostel“ vor und sie boten mir einen Stuhl neben ihm an, um miteinander zu plaudern, während die Kamera auf uns gerichtet war. Der alte Mann stellte mir zunächst ein paar harmlose Fragen zu meiner Person, bis er mich fragte, ob ich von ihm eine besondere „Salbung“ empfangen wolle. Ich bezeugte ihm, dass ich bereits mit „jedem geistlichen Segen in den himmlischen Örtern in Christo gesegnet“ sei (Eph.1:3) und auch die „Salbung des Heiligen empfangen habe und alles wisse“ (1.Joh.2:20). Darauf bedrängte er mich nicht weiter, sondern erzählte mir von seinem Dienst, die Kranken zu heilen. Er erzählte mir, dass er 1956 diese Galería Gamarra gegründet habe und etwa 30 Firmen besaß, die in den 60er bis 80er Jahren Textilien und Kühlschränke verkauften. Durch die Gewinne kaufte er hier ein Grundstück nach dem anderen auf. Als er dann zum Glauben an Christus fand, gründete er ein christliches Heilungs-Zentrum, durch das schon „100.000 Menschen geheilt wurden“.

Doch 1994 geriet er in den Fokus eines gewissen Baruch Ivcher, dem Besitzer des Fernsehsenders Frequencia Latina Canal 2, der eine „Schmutzkampagne“ gegen ihn führte, dass er angeblich Steuern hinterzogen habe. Am Ende wurde der millionreiche „Apostel“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, zu Unrecht – wie er beteuert – und verlor einen Großteil seines Reichtums. Gott habe ihm aber dafür entschädigt, indem Er ihm die Gabe der Krankenheilung geschenkt habe. Ich erzählte ihm, dass auch meine Frau seit Jahren schwer krank sei, aber dass sie Angst habe, dass diese Krankenheilung nicht von Gott, sondern vom Teufel sei. Er aber beteuerte, dass der HErr uns befohlen habe, die Kranken zu heilen und Krankheit ein Zeichen mangelnden Segens sei. Ich erinnerte ihn an Trophimus, den Paulus „krank in Milet zurückgelassen“ habe (2.Tim.4:20), und dass nicht alle gläubigen Kranken geheilt wurden. Er sagte: „Sie spielen auf Paulus an, der ein Augenleiden hatte, von dem der HErr ihn nicht heilen wollte. Das war aber eine absolute Ausnahme; denn grundsätzlich will Gott all unsere Krankheiten heilen (Ps.103:4).“ – „Wir sollen aber auch unser Kreuz tragen, und manchmal besteht dieses im Erdulden einer chronischen Erkrankung.“ – „Nein! das ist damit nicht gemeint! Krankheit ist immer vom Teufel, wenn auch manchmal Gott diese erlaubt zur Züchtigung.“ – „Aber ganz offensichtlich hat der HErr meine Frau noch nicht heilen wollen, obwohl wir schon jahrelang regelmäßig dafür beten.“ – „Lassen Sie Ihre Frau zu mir kommen und ich mache sie gesund. Sie muss einfach nur glauben!“

Meine Frau war indessen in ein Gespräch vertieft mit einem alten Bruder. Ruth erzählte mir, dass er arm und blind sei, und dass sie ihm deshalb morgen mal ein Geatrisches Milchpulver und einen neuen Krückstock vorbeibringen werde, denn seiner war schon völlig instabil. Er käme jeden Tag zur Gemeinde, um etwas zu essen und etwas Gesellschaft zu bekommen. Ich fragte mich, warum der Apostel ihn nicht einfach von seiner Blindheit befreien würde, wenn er es doch könne. Wie schön wäre es, wenn Ruth durch diesen Bruder auf einmal geheilt wäre von ihren Schmerzen; aber wenn Gott das gewollt hätte, hätte Gott es doch auch schon so längst getan. Wozu muss es dafür ein bestimmter Bruder sein? Und warum ist er wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis gekommen und nicht um Christi willen? Darf er überhaupt jetzt noch Aufseher sein, wenn er kein gutes Zeugnis mehr hat von denen, die draußen sind (1.Tim.3:3)? Wir verabschiedeten uns und aßen zu Mittag, bevor wir nach Haus fuhren. Leider war es schon 14.30 Uhr, und ich hatte noch nichts geschafft. In Matute angekommen, schlug ich die Fensterscheiben des einen Zimmers heraus, kehrte die Scherben auf und begann, es zu schleifen und vorzulackieren.

LIMA, Peru 12.12.2018 Heute Morgen aßen wir unser selbstgemachtes Müsli (was sehr gut schmeckte) und lasen Psalm 31. Dann wechselten wir Geld, um die Fensterscheiben zu kaufen. Für die 12 Scheiben auf der Rückseite musste ich 500 Soles bezahlen, d.h. ca. 150,- Euro. Ruth fuhr dann weiter nach Gamarra, um den alten Bruder zu treffen und ich ging mit den Glasscheiben auf der Sackkarre zurück zum Haus. Dort angekommen, klebte ich die ersten 6 Glasscheiben mit Silikon ein, verkittete sie mit Acryldichtmasse und lackierte die Fenster ein zweites Mal. Für dieses eine Element ging der ganze Tag drauf. Das zweite Element anzufangen, lohnte sich nicht mehr. Als Ruth am Abend im Bad war, krachte auf einmal der Spiegelschrank herunter, den ich erst zwei Tage zuvor aufgebaut hatte. Dabei ging der Spiegel kaputt, und der Schrank hatte sich an einer Stelle aus der Verschraubung gelöst. Was wollte der HErr mir damit sagen? Dass ich in Zukunft nicht so oberflächlich arbeiten sollte, sondern beim Anbringen längere Schrauben verwenden muss? Oder war Seine Botschaft noch tiefer?

LIMA, Peru 13.12.2018 Gestern Abend hatte ich, weil ich während der Arbeit Hunger hatte, mir eine Schale gelbe Beeren aus dem Kühlschrank geholt (ich glaube, man nennt sie Sternfrucht, sie sehen aus wie kleine Tomaten, schmecken aber süß-sauer). Während ich weiter gearbeitet hatte, habe ich mir immer mal eine davon genommen. Dabei habe ich jedoch zwei Fehler gemacht: 1. habe ich sie aus Gedankenlosigkeit vorher nicht gewaschen, und 2. habe ich wahrscheinlich vorher nicht gebetet. Auf jeden Fall bin ich heute Morgen mit Schüttelfrost und Appetitlosigkeit aufgestanden, und hatte zudem auch mal wieder starke Schmerzen im rechten Knie, was mich einmal mehr daran erinnern sollte, dass ich mehr beten solle. Gebetet habe ich schon um Heilung, aber vielleicht will der HErr heute, dass ich im Bett bleiben soll. Von Ruth musste ich mir vorhin erst einmal eine lange Moralpredigt anhören. Um meine 800 mg Ibuprofen zu nehmen, musste ich gerade eben zwangsweise etwas essen, damit es mir nicht auf dem Magen schlägt. Ich fühle mich im Moment ziemlich schlapp und antriebslos, dabei wollte ich ja heute eigentlich mit dem anderen Zimmer beginnen. Aber in Psalm 31 hatten wir ja tags zuvor gelesen: „Meine Zeit ist in Deinen Händen“.

Inzwischen ist es 18.00 Uhr, und leider hat sich mein Unwohlsein deutlich verschlimmert: Zunächst blieb ich noch eine ganze Weile heute Vormittag im Bett, bis ich mich stark genug sah, mit Ruth zum Arzt zu gehen. Als ich gerade in den Bus gestiegen war, machte der Fahrer eine für peruanische Verhältnisse typische Vollbremsung, dass ich rücklings auf den Boden fiel; aber er entschuldigte sich dafür. In der Calle [ausgespr. „Kajje] Risso Ecke Arenales gibt es eine Poliklinik, in der auf 4 Stockwerken verteilt Ärzte aller möglichen Fachgebiete die Patienten beraten und Medikamente verschreiben, sie jedoch nicht stationär aufnehmen. Dort fuhr ich mit Ruth hin und setzte mich in den Wartebereich der Allgemeinmedizin. Als ich an der Reihe war, beschrieb ich der jungen Ärztin die Symptomatik, und ihr war sofort klar, dass es sich um eine typische Magen-Darminfektion handelte, zumal ich auch leichtes Fieber hatte. Sie verschrieb mir ein Antibiotikum und ein Durchfallmedikament, sowie eine intramuskuläre Spritze, die ich im EG bekommen sollte. Nachdem ich auch diese erhalten hatte und wir gerade gehen wollten, hatte ich auf einmal einen Kreislaufzusammenbruch und wäre beinahe ohnmächtig geworden, wenn ich nicht sofort erste Hilfe von einer herbeigeeilten Ärztin erhalten hätte. Man legte mich auf eines der Betten in der Notfallaufnahme und ließ mich an ein mit Alkohol getränktes Taschentuch riechen. Mein Kreislauf war von normalen 120 zu 80 auf extreme 92 zu 57 herabgesunken und die Sauerstoffsättigung lag nur noch bei 93 % (normal ist 100). Ich bekam einen Anis-Tee, und nach 15 Minuten hatte sich mein Kreislauf auch schon wieder stabilisiert, so dass wir gehen konnten.

Nachdem wir noch in der christlichen Buchhandlung waren, um einen Bibelvers für unser Haus zu kaufen (Jesaja 64:8) und Ruth für zwei Bettlerinnen ein Mittagessen gekauft hatte, fuhren wir wieder nach Matute, wo ich bald den ganzen Nachmittag schlief. Gott hatte mir sozusagen unfreiwillig einen Ruhetag verordnet und diesen durchgesetzt, zumal ich auch am letzten Sonntag durch meine Reise nach Peru nicht zur Ruhe gekommen bin. Und in dem heutigen Psalmwort las ich ja dann auch: „Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst; Mein Auge auf dich richtend, will Ich dir raten. Seid nicht wie ein Ross oder wie ein Maultier, das keinen Verstand hat. Mit Zaum und Zügel, ihrem Schmucke, musst du sie bändigen, sonst nahen sie dir nicht“ (Ps.32: 8-9). Wenn ein Gläubiger also nicht aufmerksam auf die Führung Gottes achtet, dann muss der HErr ihn durch bestimmte Zuchtmittel dazu bringen, sich Ihm im Gebet zu nahen und Seine Stimme zu hören. Das sollte mir also eine Lektion sein.

LIMA, Peru 14.12.2018 Heute Morgen ging es mir wieder hervorragend, dem HErrn sei Dank! Nach der gestrigen Auszeit konnte ich also heute wieder an die Arbeit gehen. Aber Ruth wollte nicht, dass ich mit dem zweiten Fensterelement weitermache, da dies nicht so eilig sei, sondern ich sollte erst mal das Etagenbett weiß lackieren und das Bad streichen, bevor Rebekka am Sonntag kommt. Ruth machte sich indes wieder auf den Weg in die Tierarzt-Praxis ihres gläubigen Kollegen Francisco Lopez und wollte im Anschluss noch Fahrkarten für unsere Reise nächste Woche nach Huaraz kaufen. Ich schliff also den leicht angerosteten Metallrahmen vom Etagenbett und lackierte ihn einmal vor. Dann spachtelte ich die Wände vom Bad. Anschließend lackierte ich das Etagenbett ein zweites Mal in Weiß und strich danach das Badezimmer. Am späten Nachmittag hatte ich noch viel weiße Farbe übrig, so dass ich auch noch die Decke im Gästezimmer damit strich. Als ich fertig war, hatte ich auf einmal sehr starke Rückenschmerzen, so dass ich mich alle 10 Minuten mal kurz wieder für 5 Minuten hinlegen musste, da ich nicht mehr stehen konnte.

Am Abend kam unsere Freundin Eva Curo (47) zu Besuch und berichtete uns, dass ihr Mann Eloy, der ein Adventistenpastor ist, sich von ihr scheiden lassen will, weil er sich in eine andere Adventistin verliebt hatte. Da er die ganze Ehe hindurch immer wieder Affären mit anderen Frauen hatte, war dies eigentlich keine Überraschung mehr, außer dass er diesmal sogar den Hinauswurf als Pastor in Kauf nahm. Die bittere Ironie war, dass es nicht nur zu Eloys Aufgaben zählte, andere Pastorenanwärter auszubilden, sondern dass er gerade selber eine Zusatzausbildung machte zum zukünftigen Eheberater bei den Adventisten. Eva hatte in den letzten Monaten versucht, ihre Ehe noch irgendwie zu retten, denn wenn Eloy seine Arbeit als Prediger verlieren würde, dann könnte sie ihrem Sohn das Studium in der Adventisten-Universität nicht mehr bezahlen. Sie hatte sich deshalb vertrauensvoll an den ehemaligen Rektor der Universität gewandt und ihm von dem fortlaufenden Ehebruch ihres Mannes berichtet mit der Bitte, dies völlig vertraulich zu behandeln. Er hatte ihr geraten, Beweise für den Ehebruch zu sammeln und ihren Mann bei der Advent-Leitung anzuklagen. Dafür hatte er Eva versprochen, ihr nach Abschluss eines Psychologielehrgangs, den sie gerade absolvierte, eine kleine Anstellung in der Uni zu verschaffen, damit sie und ihr Sohn versorgt seien. Da die 800 Soles monatlich (250,-€), die sie dann verdienen würde, nicht mehr ausreichen würden, um die Kosten für das Internat ihres Sohnes von mtl. 1000 Soles zu bezahlen, versuchte Eva stattdessen, durch die Familie ihres Mannes Druck auf ihn auszuüben. Dies hatte zunächst großen Erfolg, denn auch Evas Schwiegermutter war finanziell abhängig von der Unterstützung ihres Sohnes und bat Eva flehentlich, sich nicht von ihrem Sohn scheiden zu lassen. Auch der Bruder von Eloy, Joel, setzte ihn dann massiv unter Druck, seine Ehe aufrechtzuhalten und sich von seiner „Hure“ zu trennen, was Eloy auch versprach. Nun aber hatte Eloy zu Eva gesagt: „Ich halte das nicht mehr aus! Alle setzen mich unter Druck und verlangen von mir, ein Leben zu führen, dass mich nicht glücklich macht. Lieber lasse ich mich von dir scheiden – selbst wenn ich meine Arbeit als Pastor verliere – und fange mit dieser Frau ein neues Leben an!“ – Eva konnte ihm dann aufgrund ihres Psychologiestudiums ankündigen, dass statistisch gesehen nur 2 % solcher Ehen dauerhaft Bestand haben, wenn Männer ihre heimliche Geliebte heiraten. Denn wer in der ersten Ehe nicht gelernt hat, treu zu sein, wie kann er von einer zweiten Ehe erwarten, dass diese gelingen werde?

Am späten Abend kam auch noch Bruder Julio Muñoz (54) zu Besuch, der auch in Matute wohnt und früher hier Drogen verkauft hatte, bevor er sich zum HErrn bekehrte. Nun sei er als Allround-Handwerker selbständig, habe aber auch manches Mal erlebt, dass Kunden ihm nicht den vollen Lohn bezahlt hatten. Da er immer nur mündliche Angebote mache, könne er seine Ansprüche auch nicht vor Gericht einklagen. Früher hätte er sich deshalb dann einfach an solchen Kunden mit Gewalt gerächt, aber als Christ dürfe er das jetzt nicht mehr, da wir es ja Gott überlassen sollen. Da er aber eine Familie zu ernähren habe, sei ein Einkommensausfall immer sehr hart. Vor einem halben Jahr hatte er zudem einen Arbeitsunfall, bei dem er fast seine rechte Hand verloren hatte. Aber nach mehreren OPs und Reha-Behandlungen hatte er wieder ein Gespür in seiner Hand und konnte wieder Dinge greifen. Allerdings hatten er und seine Familie drei Monate kein Einkommen, was eine schwierige Zeit bedeutete, denn in Peru gibt es keine soziale Unterstützung in solchen Fällen. Inzwischen habe er aber wieder jede Menge Aufträge und ist Gott dankbar dafür. Ich fragte Julio, ob ich in der Zukunft nicht sein Partner werden könne, wenn wir nach Peru auswandern in ca. 3 Jahre. „Dadurch könntest Du mir helfen und ich könnte Dir helfen.“ Er war sofort damit einverstanden. Aber weiter konnte ich auch nicht mit ihm sprechen, da ich mich wieder hinlegen musste, wegen der Rückenschmerzen.

LIMA, Peru 15.12.2018 Als ich heute Morgen um 5.00 Uhr aufstehen wollte, merkte ich, dass ich mich kaum bewegen konnte, denn mein ganzer Rücken war entzündet und steif wie ein Brett. Aber sogar im Bett konnte ich mich nur mit Mühe von einer Seite auf die andere legen, da mir sofort der Rücken weh tat. Ich wollte ja eigentlich heute endlich das zweite Fensterelement erneuern, aber das war jetzt unmöglich. Was wollte der HErr mir jetzt damit sagen? Weil heute Sabbat ist? oder weil ich immer noch nicht hinausgegangen war mit dem Evangelium, obwohl dies doch meine eigentliche Absicht gewesen war, als ich nach Peru kam? Heißt es nicht in Hagg.1:9 „Mein Haus liegt brach, aber ihr interessiert euch nur für eure eigenen Häuser!“ Wer nicht hören will, muss fühlen. Doch nicht nur ich, sondern auch Ruth hatte heute immer wieder starke Schmerzattacken wegen ihrer Fibromyalgie. An sich hat sie die jeden Abend und Morgen, deshalb erwähne ich sie schon gar nicht mehr; aber heute waren die Angriffe besonders heftig, so dass wir immer wieder gebetet haben. In Psalm 34 lasen wir heute: „Die Gerechten rufen, und der HErr erhört sie und befreit sie aus aller Verzweiflung“ (V.17). Aber wir waren keine Gerechten, jedenfalls nicht durch unser eigenes Bemühen, deshalb sind unsere Bitten zum HErrn schwach und können kaum Gehör finden. Aber dann heißt es weiter: „Nahe ist der HErr allen, die zerbrochenen Herzens sind, und die zerschlagenen Geistes sind, rettet Er“ (V.18) Gott will uns beide auf dem Krankenlager zum Umdenken bringen, dass wir in Zukunft immer zuerst nach Seinem Reich und Seiner Gerechtigkeit trachten sollen. „Viele sind der Widerwärtigkeiten des Gerechten, aber aus all denselben errettet ihn der HErr“ (V.19). Ja, Amen. Wir müssen nur geduldig sein.

Für den Abend hatten wir Julio Munoz (54) eingeladen, damit er uns den Wasserboiler im Bad wieder anschließt, denn wir duschen uns schon seit Tagen nur mit kaltem Wasser. Wir wollten aber zusammen mit Bruder Ricardo Pineda (63) im Anschluss auch ein kleines Bibelstudium machen. Zunächst unterhielten sich Julio und Ricardo miteinander über die alten Zeiten in Matute, einen der kriminellsten Stadtbezirke von Lima, wo sie beide aufgewachsen waren; denn sie kannten sich schon als Jugendliche, hatten sich aber jetzt 25 Jahre nicht mehr gesehen. Erst erzählte Ricardo uns, wie er zum Glauben kam, und dann gab auch Julio ein Zeugnis. Julio ist in einer richtigen Gangsterfamilie aufgewachsen und trieb sich schon in seiner Kindheit mit Zuhältern, Drogendealern und Mördern herum. Als seine eigene Schwester dann aus Rache einer verfeindeten Straßenbande vergewaltigt, ermordet und aufgehängt wurde, dachte Julio das erste Mal darüber nach, auszusteigen. Als er an einem Morgen dann infolge einer hohen Drogendosis kaum mehr Luft bekam und ein schwarzes Loch sah, dass immer näher auf ihn zukam, rief er aus aller Not zu Gott und ließ sich dann mit 28 Jahren bekehren und taufen. Ricardo hingegen gehörte eher zur oberen Mittelschicht und wollte damals als Student Ende der 70er Jahre nichts mit diesen brandgefährlichen Jugendbanden zu tun haben. Als er 31 Jahre war, lud ihn ein Bekannter in die Bibelstunde einer Freikirche ein. „Was soll ich da? Du weißt doch, dass ich katholisch bin!“ – „Komm mal ruhig mit, denn dort gibt es viele hübsche Mädchen!“ – Das machte ihn neugierig und er kam mit. Der Jugendpastor gab ihm eine Bibel und Ricardo lauschte aufmerksam der Evangeliumsbotschaft, so dass er am Ende sein Leben dem HErrn gab.

Als wir dann gemeinsam das Wort betrachteten (Mt.7:21-23), sprach Ricardo immer wieder verächtlich von den „Religiösen“, die nur einer Religion folgen würden, aber nicht Christus. Ich wies ihn darauf hin, dass die einzige Stelle in der Bibel, wo das Wort „Religion“ vorkomme, nämlich in Jak.1:27, dort positiv gebraucht wurde und dass auch viele andere Wörter, die ursprünglich etwas Positives darstellten, heute als etwas Schlechtes gebraucht werden (z.B. fromm, blöd, usw.), während andersherum Begriffe, die in der Bibel etwas Negatives beschreiben, heutzutage eine positive Konnotation haben (z.B. toll). Ricardo war jedoch auf Christen anderer Bekenntnisse ohnehin nicht gut zu sprechen und meinte sogar, dass alle Freikirchen von Freimaurern gegründet wurden, was sachlich absolut falsch ist. Julio erinnerte ihn daran, dass wir alle vom selben Leib Christi sind und uns nicht über andere Christen überheben dürften. Ich versuchte dann noch kurz auf die sieben Sendschreiben und die Kirchengeschichte einzugehen, aber die Zeit war schon fortgeschritten und Julio musste gehen. Ich erklärte den Brüdern, dass wir – wenn der HErr uns Gnade schenkt und eine geöffnete Tür – in der Zukunft eine Hausgemeinde gründen könnten, um uns regelmäßig zum Bibelstudium zu treffen, ob nun bei uns oder im Haus von Ricardo. Dieser berichtete uns dann, dass sich an seiner katastrophalen Ehesituation noch nicht viel geändert habe. „Esperanza macht, was sie will und hat für mich nur noch Verachtung übrig. Sie hat sich nur deshalb noch nicht von mir getrennt, weil sie wirtschaftlich von mir abhängt. Aber wir essen noch nicht einmal mehr zusammen, geschweige denn, dass wir gemeinsam beten oder in der Bibel lesen. Sie will einfach nur, dass ich sie in Ruhe lassen soll.“ Ich fragte mich, ob es da nicht einen Zusammenhang gäbe zwischen der Verachtung seiner Frau ihm gegenüber und der Verachtung Ricardos gegenüber anderen Christen. Häufig bestraft der HErr unsere Kritiksucht und unseren Richtgeist nämlich mit einer zerbrochenen Ehe.

LIMA, Peru 16.12.2018 Die ganze Nacht konnte Ruth kaum schlafen, weil sie unter starken Schmerzen litt. Immer wieder musste ich aufstehen und sie massieren, bis sie dann um 4.00 Uhr, als ich aufstand, endlich einschlief. Ich selber war auch noch etwas unbeweglich wegen meiner Rückenschmerzen, aber mir ging es schon deutlich besser als am Vortage. Da heute unsere Tochter Rebekka aus Costa Rica kommen sollte und die Wohnung nicht aufgeräumt war, bat mich Ruth nach dem Frühstück, ihr beim Umräumen und Aufräumen zu helfen. Wir machten aber zunächst eine kleine Andacht über Joh.20, wobei es u.a. um die Frage ging, wann die Jünger eigentlich den Heiligen Geist empfingen und ob man auch ohne diesen gläubig sein kann. Nachdem dann alles hergerichtet war, ging ich rüber zu Ricardo und wir unterhielten uns eine Weile bis wir uns auf den Weg machten, um Rebekka vom Flughafen abzuholen. Ricardo erzählte mir u.a. von seinen 3 Kindern, Sara (27), Richard (25) und Liset (22), die er sehr diszipliniert erzogen hat, die aber von seiner emanzipierten Frau Esperanza eher in die entgegengesetzte sprich liberalere Richtung gezogen wurden. Vor zwei Monaten passierte dann aber genau das, was Ricardo all die Jahre vermeiden wollte: seine jüngste Tochter bekannte ihren Eltern, dass sie schwanger sei, und zwar von jenem ungläubigen Studienkollegen, den Ricardo erst wenige Wochen zuvor aus dem Haus geworfen hatte. Er hatte damals von seiner Tochter verlangt, ihm in seiner Gegenwart zu sagen, dass sie mit ihm Schluss mache, da sie erst ihr Jura-Studium beenden solle. Darauf hatten sie sich dann heimlich getroffen und miteinander geschlafen. Jetzt aber waren sie gezwungen, bald zu heiraten, was sie dann auch holterdiepolter taten am 04.12.2018.

Während ich auf dem Flughafen auf Rebekka wartete, unterhielt ich mich mit einem gläubigen US-Amerikaner namens Jeremy (33), der ebenso wie ich auf ein Familienmitglied wartete. Er war vor zwei Jahren mit seiner Familie nach Peru ausgewandert und arbeitet seither in Huancayo als Missionar. Wir tauschten vorsichtshalber mal unsere Adressen aus und dann mussten wir uns auch schon trennen, weil seine Schwiegermutter kam und kurz darauf auch Rebekka. Sie erzählte uns, wie es in Panama war, und war ziemlich überrascht, als sie von mir erfuhr, dass ihre Freundin Liset jetzt schwanger sei. Am Abend gingen wir dann gemeinsam etwas essen und machten anschließend einen Spaziergang mit Nico, dem Golden Retriever unserer Nachbarin.

LIMA, Peru 17.12.2018 Bei der morgendlichen Bibellese lasen wir in Psalm 37 „Vertraue auf den HErrn, und Er wird handeln“ (Vers 5). Das nahm ich mir heute vor, als wir dann am Vormittag in die Innenstadt von Lima fuhren. Rebekka und Ruth wollten wärmere Kleidung kaufen für unsere Reise nach Huaraz, die wir heute Abend antreten wollen, und ich wollte wieder in der Fußgängerzone predigen. Als wir ankamen, trennten wir uns und ich ging auf den Plaza de la Republica, um einen schattigen Platz zu suchen mit genügend Personen, die mir zuhören könnten, um einen Anfang zu machen. Es war allerdings noch sehr früh am Tag und relativ wenige Menschen auf dem Platz. Die Sonne brannte aber schon unerträglich heiß, und es gab nur 6 oder 7 große Palmen, die Schatten spendeten. Ich ging eine Weile umher und suchte dann Schatten in der großen Kathedrale. Auf der rechten Seite war ein kleiner Raum mit religiösen Wandmalereien und in einer großen Vitrine lag ein Skelett. Ich schaute auf eine Tafel, und dort stand, dass dies die originalen sterblichen Überreste von Francisco Pizarro sind, dem Eroberer des Inkareiches. Anthropologen haben seine Gebeine gründlich untersucht und eine ganze Reihe an Krankheiten und Verletzungen festgestellt. Noch nie hatte ich bis dahin ein echtes Skelett gesehen. Ich ging wieder raus und betete: „HErr, Du hast verheißen, dass Du mich durch Deine Augen leiten willst. Wo soll ich mich jetzt hinstellen oder was soll ich tun? Bitte zeige mir, was ich tun soll.“ Drei Sekunden später kam ein alter Mann im Rollstuhl auf mich zu, der nur einen Arm hatte und deshalb große Mühe hatte, seinen Rollstuhl zu rollen. Ich sprach ihn an und fragte, ob ich ihn wo hinschieben darf, was er dankbar annahm. Dann schob ich ihn die Fußgängerzone runter an eine Stelle, die er mir zeigte, wo er seine Bonbons verkaufen wollte.

Als ich wieder zurück auf den Platz kam, sah ich im Schatten einer der Palmen eine Sitzbank auf der 3 junge Männer saßen. Ich ging dort hin und sprach sie an: „Entschuldigen Sie, darf ich mich zu Ihnen setzen und mit Ihnen ein wenig über Gottes Wort sprechen? Ich möchte Sie nicht stören, aber vielleicht haben Sie Interesse.“ – Einer von ihnen antwortete: „Sich über das Wort Gottes zu unterhalten, ist sicherlich immer ein sinnvoller Zeitvertreib.“ Ich setzte mich und sagte: „Ach, dann bist Du also ein Christ, nicht wahr?“ – „Nein“, antwortete Omar (so hieß dieser ca. 35Jährige), „aber ich habe schon vor, Christ zu werden.“ Ich war sehr überrascht über diese Antwort und fragte ihn, was ihn denn daran hindern würde. Er erklärte mir dann, dass er Katholik sei und „nicht einfach so die Religion wechseln“ wolle, solange er nichts Besseres gefunden habe. Das überraschte mich noch mehr, denn offensichtlich schien er ja einen Unterschied zu machen zwischen Christen und Katholiken. Während Omar mir dann seinen Standpunkt erklärte, merkte ich, dass er ein enormes Bibelwissen hatte. Ständig untermauerte Omar seine Argumente mit Bibelstellen, die er zitierte, so dass ich ihn fragen musste, woher er sich so gut auskenne in der Bibel. „Ich habe als Jugendlicher die Zeugen Jehovas kennengelernt und mich einige Jahre mit ihren Lehren beschäftigt. Dadurch habe ich immer mehr in die Bibel hineingefunden, habe mich aber dann entschieden, mich nicht den Zeugen Jehovas anzuschließen, sondern erst einmal weiter zu prüfen, was andere Religionsgemeinschaften lehren, um mich erst dann endgültig festzulegen.“ – „Das ist gut,“ sagte ich, „dass Du nicht gleich die erstbeste Meinung übernommen hast, sondern weiter offen bist und auf der Suche nach der Wahrheit. Wenn Du mir erlaubst, würde ich Dir gerne einmal eine Kernaussage der Bibel bekanntmachen, falls sie Dir noch nicht bekannt sein sollte.“ – „Ja, gerne! Ich bitte darum.“ Dann las ich mit ihm zusammen Johannes 3:1-18 und die Notwendigkeit, Jesus als HErrn und Retter anzunehmen. Omar hatte dann viele Fragen zur biblischen Prophetie, die allerdings immer wieder ablenkten von der Botschaft, die ich ihm eigentlich vermitteln wollte.

So sprach ich etwa zwei Stunden mit ihm u.a. über das Buch Daniel und die Offenbarung, und war immer wieder überrascht, wie viel er selbst schon wusste durch eigenes Bibelstudium. Als dann schließlich Ruth und Rebekka mich abholen wollten, sah ich mich gedrängt, ihn zu fragen, warum er nicht hier und jetzt den HErrn Jesus annehmen möchte, so wie es in Joh.1:12 steht, um ein Kind Gottes zu werden. „Das ist so“, antwortete er, „ich wollte jetzt eigentlich erst mal Englisch lernen und mich erst dann entscheiden.“ – „Was hat denn Dein Wunsch, Englisch zu lernen, mit Deiner Heilsentscheidung zu tun??!“ fragte ich verwirrt. „Das ist nicht so leicht zu erklären, aber ich versuche es mal: Sieh mal, alle erfolgreichen Menschen der Weltgeschichte sprachen Englisch, ist Dir das schon mal aufgefallen? Ich glaube, dass dies kein Zufall sein kann. Irgendwie muss es da einen inneren Zusammenhang geben. Es ist doch unbestritten, dass alle Akademiker und Wissenschaftler ihre Erkenntnisse auf Englisch schrieben. In dieser Sprache muss irgendwie ein besonderer Segen liegen.“ – „Das ist doch Unfug. Man ist doch nicht automatisch klug, weil man eine ganz bestimmte Sprache spricht. Was glaubst DU wohl, wie viele US-Amerikaner strohdumm sind, obwohl sie Englisch können! Und auch viele anderssprachige Völker haben kluge Menschen hervorgebracht, denke nur mal an die alten Griechen mit ihrer Geometrie oder Sokrates usw. Die konnten alle kein Englisch und haben die Welt vorangebracht.“ – „Ja, damals. Aber in den letzten Jahren gingen sämtliche Nobelpreise an englischsprachige Menschen. Wer hat z.B. das Telefon erfunden oder den Hubschrauber, die Dampfmaschine oder die Elektrizität? Alles Engländer!“ – „Ach, und Du glaubst, wenn Du erst mal Englisch kannst, dann gehörst auch Du zur auserwählten Elite, die klug genug ist, den richtigen Gauben zu erwählen?“ Ich las dann mit ihm 1.Kor.1 und 2, was aber schwierig war, weil er mich nach jedem Satz unterbrach. Offensichtlich lag gerade hier sein Schwachpunkt.

Am Ende sagte ich ihm: „Omar, wenn ich könnte, würde ich Dich einfach in die schmale Pforte hineinschubsen, um Dich zu retten, aber Du musst schon freiwillig eintreten. Solange Du aber so einen breiten Kopf hast, passt Du nicht durch die enge Tür. Es geht im Glauben nicht um Wissen, sondern um Gehorsam. Dass alle Menschen Buße tun sollen, ist nicht bloß eine Option unter vielen, sondern ein Befehl!“ Daraufhin gab er mir die Hand und sagte: „Vielleicht hast Du recht, dass ich im Moment Gott ungehorsam bin; aber auch Jona war Gott ungehorsam, weshalb Gott ihm einen Fisch senden musste um ihn zum Umdenken zu bringen. Bete doch einfach für mich, dass Gott auch mir einen solchen Fisch schicken möge, damit ich so ein Christ werde wie Du.“ Ich rief ihm hinterher: „Damit musst Du jederzeit rechnen, aber nimm es nicht auf die leichte Schulter. Gott lässt sich nicht spotten!“

Und dann war er auch schon weg. Wir gingen dann etwas essen und gingen am Rio Rimac spazieren, da sahen wir eine alte Greisin, die am Straßenrand bettelte. Ruth wurde an ihre Mutter erinnert und wollte der Frau ein Mittagessen spendieren. Sie gingen mit ihr in ein Fast-Food-Restaurant, und sie erzählte den beiden von ihren ganzen Krankheiten und ihrer Einsamkeit. Rebekka fühlte sich darauf so berührt, dass sie von ihrem eigenen Geld 50 Soles spenden wollte, um für sie Medizin zu kaufen. Während ich draußen wartete, sprach mich ein Schuhputzer an, den ich auf etwa 70 Jahren schätzte. Ich erzählte ihm vom Glauben, und er bezeugte, dass er auch gläubig sei. Er war früher Alkoholiker und habe wegen verschiedener Diebstähle auch schon im Gefängnis gesessen. Aber dann habe der HErr ihn völlig erneuert, so dass er trocken ist und nur noch auf ehrliche Weise sein Geld verdienen möchte. Ich fragte ihn nach seinem Alter, und er sagte „50.“ Das konnte ich kaum glauben, dass er genauso alt war wie ich, denn sein Gesicht war faltenzerfurcht und ihm fehlten Zähne. „Was glauben Sie denn, wie alt ich bin?“ fragte ich ihn. „Schwer zu sagen“, sagte er, „vielleicht 6o oder 70?“ Ich grinste und sagte: „Neeeiiin! ganz falsch.“ – „Wie alt denn? Eher weniger oder eher mehr?“ – „Natürlich weniger. Viele halten mich für 40, aber ich bin tatsächlich auch schon 50.“ – „Ja, ich bin im Schätzen tatsächlich nicht so gut.“

Leider hatte ich mich heute vergessen einzucremen und war am Abend putenrot. Hier in Peru ist die UV-Strahlung übrigens eine der höchsten in der ganzen Welt, deshalb bekam ich schon Zweifel, ob es wirklich das richtige Auswanderungsland für mich wäre. Am Abend kam uns wieder Eva besuchen. Inzwischen hatte ihr Mann ihr mitgeteilt, dass er seinen ständigen Ehebruch nicht öffentlich bekennen werde, sondern demnächst einfach freiwillig sei Amt niederlegen und kündigen werde, damit er „rein aus der Sache rauskomme“. Ruth und ich empfahlen ihr, nun endlich das zu tun, was sie schon von Anfang an hätte tun müssen, nämlich ihn als Ehebrecher vor seinen adventistischen Arbeitgebern anzuklagen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie unversorgt blieben, denn der HErr sorgt für die Gerechten (Ps.37:25 „Ich war jung und bin auch alt geworden, und noch nie sah ich den Gerechten verlassen, noch seinen Samen nach Brot betteln“). Solange sie aber ihn aus eigenem Vorteil weiter deckt, trifft sie auch einen Teil der Schuld seiner jahrelangen Heuchelei, und Gott würde sie auch nicht segnen können. Eva ließ sich schließlich scheinbar überzeugen und gab uns zu verstehen, dass sie ihn jetzt anzeigen wolle. Um 21.30 Uhr machten wir uns schließlich auf den Weg zur Busstation, wo wir dann durch die Nacht ins 8 Stunden entfernte Huaraz fuhren, einer Stadt in den Hoch-Anden, die etwa 3.100 m ü.d. Meeresspiegel liegt.

HUARAZ, Peru 18.12.2018 Ein Reiseleiter, der uns morgens um 6.30 Uhr am Busbahnhof abgefangen hatte und uns zunächst eine Herberge empfohlen hatte, breitete nun vor uns eine Landkarte aus vom Nationalpark der Cordillera Blanca (einem Weltkulturerbe der UNESCO), um uns für die vier eingeplanten Aufenthaltstage seine Angebote zu machen für Busreisen zu den Sehenswürdigkeiten. Da ich selber schon zweimal hier war, wusste ich, dass wir auf jeden Fall noch mal zur Lagune von Llanganuco fahren sollten, einem türkisblauen Gletschersee am Fuße des Huascarán, dem mit 6.773 m höchsten Berg Südamerikas, denn dort in der Umgebung gab es auch viel anderes noch zu sehen. In dem 3-Tage-Paket, das er uns dann für 150 Soles pro Person, d.h. 450,- Soles insgesamt (ca. 140,-€) anbot, war jedoch auch eine Reise nach Chavín, wo ich nicht mehr hinwollte, da ich es ziemlich langweilig fand. In Chavín habe sich vor etwa 2.000 v.Chr. die erste Menschenansiedlung in Südamerika niedergelassen, aber schon allein, weil sie damals Geister verehrten und diese in hässlichen Fratzen darstellten, interessierte mich das nicht mehr. Stattdessen würde ich dann an diesem Tag predigen. Ruth kaufte schließlich das Paket für 400,- Soles, und wir gingen auf unsere Zimmer. Leider hatten aber Ruth und Rebekka auf einmal starke Kopfschmerzen bekommen, was wohl an der dünneren Luft im Gebirge lag und wollten deshalb die erste Reise nach Llanganuco wieder stornieren. Das war jedoch schon zu spät, und so entschieden wir uns, die Reise um 9.00 Uhr anzutreten.

Die gut ausgebaute Straße vom Callejón de Huaylas, die entlang dem Rio Santo quer durch den Nationalpark Huascarán verläuft und die schneebedeckte Cordillera Blanca von der niedriger gelegenen Cordillera Negra trennt, war an den Straßenrändern gesäumt mit Feigenkakteen, die alle viele Früchte trugen (solche sah ich bisher nur auf dem Markt). Um die Geschwindigkeit gewaltsam zu begrenzen, waren jedoch alle 500 m solche Straßenhuckel, die man besonders spürte, wenn man hinten im Bus saß. Nach etwa 1,5 Stunden erreichten wir den Ort Yungay, eine Stadt, in der früher die reichen Haciendabesitzer in ihren Stadtvillen wohnten, die aber von einer schrecklichen Katastrophe heimgesucht wurde. Die Reiseleiterin erklärte uns, dass am 31.05.1970 um 15.20 Uhr hier ein Erdbeben die Nordspitze des Huascarán abgesprengt hatte, so dass innerhalb von 3 Minuten Zehntausende von Tonnen riesiger Eisbrocken und Felsen auf die Stadt hinabstürzten und 25.000 Menschen unter sich begruben. Die einzigen, die überlebten, waren 92 Menschen, die an jenem Sonntag auf dem höher gelegenen Friedhofshügel die Gräber ihrer Angehörigen besucht hatten. Da diese Bergregion aber weit abgelegen war, mussten die Überlebenden drei Tage warten, bis endlich Hilfe vom Militär kam. Außerdem hatten auch noch etwa 300 Kinder überlebt, die sich von einer Zirkusveranstaltung am Stadtrand auf einen nahe gelegenen Hügel retten konnten. Ein alter Mann berichtete damals, dass er einige Tage zuvor in der von reichen Stadt war und wegen seines großen Durstes an mehrere Türen geklopft habe, ob er etwas Wasser haben dürfe, aber dass niemand bereit war, ihm Wasser zu geben. Deshalb wird das Unglück von Yungay auch in der Bevölkerung als Gottes Gericht an den Reichen angesehen, die nicht bereit waren, noch nicht mal ein Glas Wasser an einen Durstigen zu geben.

Wir bestiegen den wiederhergestellten Friedhofshügel auf dem oben eine ca. 15 m große Christusstatue errichtet war, und schauten von dort hinab auf die ganze Ebene, wo früher die Stadt lag. Leider hatte ich für die Reise nach Huaraz meinen Sombrero in Lima liegengelassen, denn auch im Gebirge ist eine sehr hohe UV-Strahlung. Ruthi war so lieb, dass sie an einem nahegelegenen Verkaufsstand für Touristen mit für 10 Soles einen neuen Hut kaufte (aber merkwürdig, dass an diesem kleinen Stand mitten in den peruanischen Anden Cowboyhüte aus China verkauft werden). Anschließend sind wir zu der Lagune von Llanganuco [ausgespr. Janganuko) gefahren und machten um den von Bäumen umgebenen Natursee einen Spaziergang. Vor 19 Jahren, als ich mal mit meinem Vater hier war, hatte ich sogar in diesem eiskalten Wasser geschwommen. Von den steilen Felswänden, die über 1000 in die Luft ragen, rieselt hier das Wasser hinab, so dass sie in der Sonne glitzern. Wir hatten Glück dass es trotz der Regenzeit ein strahlend blauer Himmel war. Die Touristen unserer kleinen Reisegruppe machten unzählige Fotos, vor allem Selfies mit ihrem Stick, um allen zu beweisen, dass sie hier waren. Danach fuhren wir ins Dorf Carhuáz, um dort Mittag zu essen und besuchten noch eine kleine Töpferei, wo wir dem Töpfer bei der Arbeit zusehen konnten, bevor wir dann um 20.15 Uhr wieder in der Herberge ankamen. Ruth hatte während der Fahrt leider wieder sehr starke Schmerzen in den Schultern, Armen und Beinen, weshalb sie den Ausflug kaum genießen konnte. Wir beschlossen deshalb, am nächsten Tag eine Pause einzulegen.

HUARAZ, Peru 19.12.2018 Als wir gestern Abend nach Huaraz im Reisebus zurückfuhren, fragte ich mich, warum ich jetzt nicht einfach aufstehe und den Passagieren das Evangelium predige. Schließlich geht es doch um Leben und Tod, und dann sollten einem die menschliche Rücksicht und die gesellschaftlichen Konventionen doch nicht so wichtig sein. Aber ich schaffte es einfach nicht, obwohl ich eine halbe Stunde mit mir rang. Darüber weinte ich und betete, dass der HErr mir doch diese Menschenfurcht wegnehmen möge. Und heute las ich genau das in Psalm 39: „Ich schwieg vom Guten“. Wie viel Schuld lade ich ständig auf mich, indem ich das als Gutes erkannte nicht tue! „Dies ist ein Tag guter Botschaft; schweigen wir aber und warten, bis der Tag anbricht, dann wird uns Schuld treffen“ sagten die Aussätzigen von Jerusalem in 2.Kön.7. Ich sagte mir: „Heute ist der Tag des Heils, deshalb will ich heute Nachmittag wieder das Evangelium predigen“.

Zum Frühstück gingen wir in ein nahegelegenes Lokal für Einheimische. Es war zwar etwas ärmlich, und Frühstück gab es auch nicht, aber dafür waren die Menüs sehr preisgünstig. Neben Rinderfilet, Hähnchen und Hühnersuppe gab es auch „picante de Cuy“ („Meerschweinchen in scharfer Soße“) für 5 Soles. Meerschweinchen werden hier im Gebirge sehr viel gegessen, weil es sie massenweise gibt. Wir bestellten uns schließlich jeder einen Teller gebratenen Fisch mit Reis, Gemüse und Pommes inkl. eine Tasse Koka-Tee, alles zusammen für gerade einmal nur 5 Soles (1,50 €)! Doch dann erreichte mich eine Sprachnachricht aus Deutschland auf Rebekkas Handy, die mich ins Mark erschütterte: Mein neuer Freund und Glaubensbruder Elija Nathan (28), der eigentlich Maikel heißt und seit Jahren als Islamexperte und eifriger Evangelist auf YouTube bundesweite Bekanntheit erlangt hat, besonders in der Salafistenszene, hat sich jetzt, nachdem seine Verlobte ihn vor zwei Monaten verließ und zum Islam übergetreten ist, ebenfalls entschieden, dem Islam beizutreten. Was für ein Verrat! wenn es denn überhaupt stimmt, denn man kann es sich fast kaum vorstellen, wie das gehen soll. Gerade Elija war es ja, der sich jahrelang über die Lehren des Islam lustig gemacht hatte und die Muslime demütigte, indem er sie mit den katastrophalen, menschenverachtenden und geradezu absurden Aussagen und Details aus dem Leben Mohammeds konfrontierte. Und ausgerechnet er soll jetzt wieder „Zuflucht genommen haben bei dem Herrn der Morgenröte“ (Satan), wie es in einer Sure heißt. Es ist doch zu durchschaubar, dass er das nur um seiner Verlobten willen getan hat, um seine Zukunft mit ihr zu retten, zumal sie auch ein gemeinsames Kind haben. Aber war es das wert, dass er deshalb seinen Glauben aufgibt und damit das ewige Leben wieder einbüßt?! Ich hatte ihn noch vor meiner Abreise gewarnt, dass er in Gefahr stehe, seinen Glauben zu verlieren, denn auch ich hatte ja mal meinen Glauben aufgegeben, als ich so alt war wie er. Aber Gott war mir am Ende gnädig gewesen, dass Er mir vor 4 1/2 Jahren wieder den Glauben geschenkt hatte. Auch bei mir war damals massive Kritik von allen Seiten am Ende der Auslöser, dass ich allmählich mürbe und schwach wurde im Glauben und ich immer mehr den Zweifeln Raum gab.

Der Satan hat unser aller begehrt, uns zu sichten wie den Weizen (Luk.22:31) und schon damals begann die Zeit, dass das Gericht Gottes beginnen musste am Hause Gottes. Wessen Glaube und Gehorsam nicht fest verankert ist in Christus durch eine intensiv gepflegte, lebendige Beziehung zu ihm, der wird den schwersten Prüfungen, die Satan für uns bei Gott beantragt, nicht standhalten. Bruder Elija alias Maikel wusste zwar mehr als jeder andere, warum er kein Muslim sein wollte, sondern lieber Christ, aber das allein ist nicht genug. Er kannte sich zwar sehr gut im Koran aus, aber nicht gut genug in der Bibel. Als er sich einmal mit einem Sabbatisten in einer Live-Videoschaltung öffentlich über die Frage der Gültigkeit des Gesetzes stritt, konnte er dem bibelkundigen Sabbatisten („Nature23“) kaum das Wasser reichen. Als dieser ihn dann auf Mt.5:19 ansprach, kam Maikel dann vollends ins Schlingern und eierte nur noch herum. Es erinnert mich an jenen Jüngling in Mark,14:51-52, der sich auch in der Nachfolge übernommen hatte, und als die Feinde ihn dann ergriffen, entblößten sie ihn, so dass deutlich wurde, dass er nicht ausreichend genug bekleidet war. Als ich ihm dem Maikel später Schützenhilfe geben wollte, damit er nächstes Mal besser gerüstet sei, lehnte er diese dankend ab und behauptete, er habe doch in der Diskussion klar die besseren Argumente gehabt, was aber nicht der Fall war. Als wir aber dann vor drei Wochen miteinander sprachen, war er absolut demütig und nahm jeden Rat von mir an. Ob es aber nur aus Höflichkeit war, kann ich nicht sagen, denn immerhin hatte ich ihm eine finanzielle Unterstützung gegeben und ihm auch mein Auto für die sechs Wochen meiner Abwesenheit geliehen. Wenn er mir meinen Wagen am 15.01.19 wieder zurück gibt, habe ich vielleicht nochmal eine Gelegenheit, um mit ihm persönlich zu sprechen.

An diesem besichtigungsfreien Tag ließen mich Ruth und Rebekka auf dem Plaza de Armas zurück, während sie die Stadt auskundschaften wollten. Der typisch südamerikanisch, park-ähnlich angelegte Platz hatte viele Bänke und war jetzt kurz vor Weihnachten völlig übertrieben geschmückt mit Weihnachtsmännern und ähnlichem Kitsch. Ich setzte mich mehrfach zu Personen auf eine Bank und fragte sie, ob ich mich mit ihnen über die Bibel austauschen dürfe. Alle waren letztlich bereit, und es ergaben sich folgende Gespräche:

1. Manuel (25) hatte ein vererbtes Augenleiden und hatte sich vor 5 Jahren zum HErrn bekehrt, nachdem er von einer Bekannten in eine Freikirche eingeladen wurde. Doch seither habe er die „erste Liebe wieder verlassen“, wie er sagte und sich von den Sorgen des Alltags ablenken lassen. Aktuell sei er gerade in Not, weil er von der Stadtverwaltung, für die er arbeitet, schon seit zwei Monaten kein Geld erhalten habe. Ich versuchte, ihm das Leben mit Christus wieder schmackhaft zu machen, indem ich ihn daran erinnerte, dass Er Gott um alles bitten dürfe und Er ihm gerne seine Bitten erfüllen möchte. Er war sehr dankbar für diese Anregung und versprach, wieder mehr zu beten und in der Bibel zu lesen.

2. Timoteo (ca.60) zeigte kaum Interesse an einem Gespräch, geschweige denn an dem Wunsch, sein Leben zu ändern. Auf alles was ich ihn fragte, antwortete er bloß mit leeren Worthülsen wie „Ja, da ist schon was dran“ oder „Man muss darüber nachdenken“, aber im Grunde schlief er tief in seiner katholischen Frömmigkeit und wollte nicht geweckt werden.

3. Antonio (89) hingegen freute sich sehr, als ich mit ihm zu sprechen begann. Er sagte, dass er inzwischen blind sei, aber dass er die Bibel für „das bedeutendste Buch überhaupt“ ansah. Als ich ihm dann den Heilsweg erklärte, merkte ich, dass er diesen scheinbar noch nicht kannte, zumindest winkte er nicht ab, als wenn ihm dies schon alles bekannt sei.

4. Roswell und Reimundia (beide Mitte 20), ein junges Pärchen mit Baby, hörten mir aufmerksam zu, stellten jedoch keine Fragen, sondern stimmten mir bei allem zu. Als es dann plötzlich anfing zu regnen, verabschiedeten wir uns.

5. Mabel (30) verteilte unter den Arkaden im Schutz vor dem Regen Flyer an die Passanten, so dass ich mit ihr ins Gespräch kam. Sie warb für eine Organisation, die sich Akropolis nannte und die Menschen mittels der Philosophie Platons zu einem sinnvolleren Leben und ein freundlicheren Umgang miteinander zu motivieren. Ich erklärte ihr den Heilsplan Gottes für die Menschheit und wie ich selbst das Heil in Christus erlangt hatte. Sie hörte mir eine ganze Weile interessiert zu, fing aber dann wieder nebenbei an, ihre Flyer zu verteilen, wodurch sie mir zu verstehen gab, dass sie nun genug gehört habe.

Als es dann immer stärker regnete, machte ich mich auf dem Weg zurück zur Herberge, da ich den Zimmerschlüssel hatte und Ruth u. Rebekka sonst nicht rein kämen. Am Abend erzählte mir Ruth, dass man heute eine Gruppe von 10 Drogenschmugglern am Flughafen von Lima verhaftet hatte, die sich als Evangelikale ausgaben, die zu einer Bibelkonferenz unterwegs waren. Jeder von ihnen hatte 1 kg schwere Beutel mit flüssigem Kokain im Darm, die sie außer Landes schmuggeln wollten. Sie dachten, dass sie als Evangelikale getarnt weniger auffallen würden, was zeigt, welches hohe Ansehen die Evangelikalen hier haben.

HUARAZ, Peru 20.12.2018 Auch heute Morgen wurde ich in der Bibellese wieder daran erinnert, dass ich nicht schweigen soll, und zwar speziell auch gegenüber Gläubigen: „Ich habe Deine Gerechtigkeit kundgetan in der großen Versammlung, meine Lippen hemmte ich nicht, HErr, Du weißt es! Ich habe Deine gerechten Taten nicht verhehlt in meinem Herzen. Ich habe Deine Treue und Deine Rettung veröffentlicht, und Deine Barmherzigkeit und Wahrheit nicht verborgen in der großen Versammlung“ (V.9-10). Möge der HErr Gnade schenken, dass ich doch auch noch mal Gelegenheit bekomme, in einer Gemeinde hier zu predigen, so wie beim letzten Mal!

Unser heutiger Ausflug sollte ins Hochgebirge gehen auf den Gletscherberg Pastoruri auf 5.000 m Höhe, wo schon die Schneegrenze ist. Leider hatten wir teilweise unangemessene Kleidung; z.B. hatte ich nur meine Birkenstock-Sandalen und auch nur eine Strickjacke mitgenommen. Aber wir dachten: es wird schon irgendwie gehen. Rebekka hatte sich leider erkältet und hat genauso wie ich Durchfall. In der Herberge hatte man uns geraten, möglichst wenig zu essen, sondern nur Kaffee trinken und Koka-Blätter kauen, denn in dieser Höhe besteht die Gefahr der sog. Höhenkrankheit (spanisch „soroche“). Am Busbahnhof kauften wir uns noch schnell jeder ein Paar Handschuhe und einen Regenponcho für je 5,- Soles. Auch der Reiseleiter ging auf das Thema Höhenkrankheit ein und bat uns, dass wir alle eine kleine Tüte getrocknete Kokablätter kauen sollten, da diese der Atemnot entgegenwirke. Die Blätter schmeckten herb und schon nach kurzer Zeit hatte man den Eindruck, als wäre das Zahnfleisch betäubt worden. Tatsächlich verwenden ja auch die Zahnärzte ein Betäubungsmittel namens Procain, dass aus Kokablättern hergestellt wird. Auch sollten wir uns daran gewöhnen, immer tief ein und auszuatmen, damit genügend Sauerstoff in die Blutgefäße gelangt. Auf jeder Reise sei immer wieder der ein oder andere Ausländer, der über Atemnot und Kopfschmerzen klage; Todesfälle seien aber sehr selten.

Der Reiseleiter erklärte uns auch, dass es den Gletscher, den wir heute sehen sollten, in etwa 4 – 5 Jahren nicht mehr geben würde, aufgrund der fortschreitenden Erderwärmung. In den letzten 35 Jahren seien Tausende an Hektare Eis abgeschmolzen, weshalb die Cordillera Blanca in voraussichtlich 10-15 Jahren keinen Schnee mehr haben wird. Schon heute macht man sich deshalb Sorgen, denn da es an der Küste von Lima so gut wie nie regnet, hing die Wasserversorgung Limas und anderer Städte in den letzten Jahrzehnten nicht zuletzt auch von dem Gletscherwasser ab, das es dann nicht mehr geben würde. Man habe deshalb schon begonnen, Depots anzulegen und investiere in Meerwasserentsalzungsanlagen. Die schmelzenden Gletscher haben bereits zunehmend Fossilien freigelegt, angefangen von fossilen Muscheln und Meerestieren bis hin zu versteinerter Skelette von Raptoren und gigantischen Flugsauriern. Er behauptete: „Vor 30 bis 40 Millionen Jahren waren die Anden noch mit Meer bedeckt“. Da widersprach ich ihm und wies ihn auf Ps.104:8 hin, dass nämlich die Wasser der Sintflut erst durch massive Vulkanaktivität und einem damit einhergehenden Aufrichten der Landmassen absinken konnten. Er stimmte mir zu und ging sogar soweit, festzustellen, dass die Bibel für ihn ein wissenschaftliches Buch sei.

Als wir schon über 4000 m hoch gefahren waren, verwandelte sich die Landschaft in eine baum- und strauchlose Steinwüste, in der nur noch Gräser wuchsen und eine merkwürdige Riesenpflanze, die aussieht wie eine auf dem Kopf stehende Palme, namens Puya di Raimundi, benannt nach einem italienischen Forscher. Aber auch hier oben in dieser verlassenen Steppenlandschaft grasten überall noch Schafe, Lamas und Rinder, die sich offensichtlich an die dünne Luft gewöhnt hatten. Wir hielten auch an einer Höhle mit Wandmalereien aus der Steinzeit und an einer der vielen Quellen, aus denen Methan heraussprudelte und das Wasser kupferfarbig färbte. Schließlich hielt der Reisebus auf einer Anhöhe, von wo aus man nur noch zu Fuß zum Gletscher gelangen konnte. Der Reiseleiter versprach uns, dass dieser 2 km entfernte, auf über 5000 m Höhe gelegene Gletscher in etwa 40 Minuten zu Fuß erreichbar sei, was sich aber als völlig unrealistisch erwies, denn der steile Aufstieg dauerte fast 1,5 Stunden. Ruth verzichtete von vornherein darauf, mitzukommen, weil sie das gesundheitlich nicht verkraften konnte. Rebekka nahm das Angebot an, für 7,5 Soles auf einem Pferd nach oben gebracht zu werden. Als wir den Aufstieg begannen setzte ein starker Hagel ein und es donnerte auch ein paar Mal aus dem nebelverhangenem Himmel. Doch der starke Wind wehte die Wolken allmählich beiseite, so dass auf einmal die Gipfel der schneebedeckten Berge sichtbar wurden.

Als wir schließlich am Gletscher ankamen, waren wir völlig erschöpft und außer Atem. Aber für den Anblick der riesigen Eiswand und der Gletscherhöhle mit den langen Eiszapfen neben einem großen, von Bergen umgebenen Schmelzwassersee, hatte sich der Aufstieg wirklich gelohnt. Der Reiseleiter bat uns jedoch, nicht allzu lange zu verweilen, da ein Sturm hinaufziehe und wir noch rechtzeitig wieder alle beim Bus sein sollten. Als wir mit dem Abstieg begannen, wehte uns der eiskalte Wind mit Hagel entgegen, so dass man kaum mehr etwas sehen konnte. Meine rechte Wange war kaltgefroren und an meinem Bart hingen Schneekristalle. Wir waren froh, dass wir vorher noch die Handschuhe und Regenponchos gekauft hatten. Von dem Bergpanorama war inzwischen nichts mehr zu sehen, denn alles war im dichten Nebel. Als wir beim Bus ankamen waren unsere Kleidungsstücke alle durchnässt und unsere Füße eiskalt. Aber wir waren Gott dankbar für alle Bewahrung und dass es nun wieder heim unter eine warme Dusche geht.

HUARAZ, Peru 21.12.2018 Am Morgen erzählte mir Ruth von einem Traum, den sie hatte, dass sie nämlich eines Morgens wieder in die Tierarztpraxis ging, wo sie arbeitet; aber die Praxis war völlig leer und draußen stand ein Möbelwagen. Sie ging zu ihrem Chef Dr. Koch und fragte ihn, was los sei, und er erklärte ihr, dass er aus Altersgründen beschlossen habe, die Praxis aufzugeben und wegzuziehen. Ruth war darüber tottraurig, denn das würde ja bedeuten, dass sie keine Arbeit und keine Perspektive mehr in Deutschland habe. Eigentlich ist dieses Szenario sogar mehr als wahrscheinlich, dass dies in den nächsten zwei Jahren passieren würde, aber Ruth versucht es immer wieder zu verdrängen. Sie glaubt auch nicht, dass sie in ihrem Alter noch woanders eine Anstellung finden könnte, deshalb habe ich ihr immer wieder von der Möglichkeit erzählt, dass sie doch in Peru arbeiten könnte, wenn wir erst einmal dorthin ausgewandert sind. Aber Ruth hat Angst vor der Zukunft und will gar nicht darüber nachdenken. Ich habe ihr heute Morgen gesagt, dass der HErr uns doch bis hierhin geholfen habe und auch schon jetzt einen Plan für uns habe, wie es weiter gehen soll, deshalb solle sie sich doch keine Sorgen machen. Doch sie ist vor allem verzweifelt, weil sie wegen ihrer Schmerzen über kurz oder lang überhaupt nichts mehr tun könne, weil ihr zu allem die Kräfte fehlen. Als wir aber dann die Bibellese machten in Psalm 41, fanden wir sogleich eine Antwort vom HErrn: Selbst wenn unsere Schuld groß ist und der HErr uns sehr züchtigen muss, dann erbarmt Er sich doch gerne, wenn wir Werke der Barmherzigkeit tun. Wer des Armen gedenkt, der wird an dem bösen Tag Befreiung erfahren dürfen (V.1). Der HErr wird ihn /sie unterstützen auf dem Krankenlager (V.3). Deshalb riet ich Ruth, sich auch weiterhin um Benachteiligte zu kümmern, und nicht nur über streunende Hunde oder Katzen, sondern vor allem um alte Menschen und um Kinder.

Nachdem ich Ruth und Rebekka zum Busterminal gebracht habe, wo sie ihren Tagesausflug nach Chavín antraten, ging ich erst mal zurück zur Herberge, packte unsere Sachen und betete, indem ich den HErrn bat, dass Er mich doch reinige, damit ich ein heiliges und brauchbares Gefäß in Seinen Händen sei, wenn ich im Anschluss gleich hinausgehe, um das Evangelium den Menschen in Huaraz zu bringen, und dass Er mich doch gebrauchen möge, damit sich die ein oder andere Seele doch zum HErrn bekehre. Dann ging ich wieder auf den Plaza de Armas (Armeeplatz) und suchte wieder auf den Bänken nach geeigneten Personen, denen ich das Evangelium erklären konnte. Dem HErrn sei Dank! dass sich in den folgenden zwei Stunden immerhin 2 junge Menschen bekehrten und den HErrn Jesus als ihren Herrn annahmen. Insgesamt hatte ich folgende Gespräche: Christian Salazar (17) war mir aufgefallen, weil er ein großes Kruzifix um seinen Hals trug. Ich erklärte ihm zunächst die Heilsbotschaft und ging dann mit ihm jedes einzelne der 10 Gebote durch, wobei ich ihn immer wieder fragte, ob er sich erinnern könne, gegen dieses jeweilige Gebot verstoßen zu haben, und jedes Mal, wenn er es verneinte, nannte ich ihm Beispiele aus dem Leben, die vielleicht auf ihn zuträfen, damit er sich auch wirklich seiner Schuld bewusst werde. Am Ende fragte ich ihn, ob er gerne ein Eigentum des HErrn Jesus werden möchte und sein Leben dem HErrn übergeben möchte. Er wollte, und wir beteten zusammen, wobei er für sich den HErrn um Vergebung bat und um die Gabe des Heiligen Geistes. Dann empfahl ich ihm, von nun an regelmäßig in der Bibel zu lesen und sich eine evangelikale Gemeinde zu suchen, wo er Brüder hat, die ihn weiter unterweisen können.

Flor (12) hörte mir zu, war aber schüchtern und ängstlich, so dass sie sich kaum konzentrieren konnte. Als sie mir ihr Alter verriet, beendete ich das Gespräch, da ich keinen falschen Eindruck vermitteln wollte, empfahl ihr aber, in der Bibel zu lesen.

John(er?) Alba (20) und S… (Name nicht verstanden, ca. 25): Johner ist Sohn von gläubigen Eltern und geht in eine Baptistengemeinde, wusste aber offensichtlich nicht viel vom Evangelium. Ich fragte ihn, ob er von Gott ewiges Leben geschenkt bekommen möchte, und er lächelte nur, wusste aber keine Antwort. Auf die Frage, ob er sich sicher sei, nach dem Tode im Reich Gottes zu sein, antwortete er zunächst zögerlich „Ja, ich denke schon“, allerdings konnte er mir nicht sagen, woher er diese Zuversicht nahm. Dann sprach ich seinen Freund an, dessen Name ich nicht verstand, der aber deutlich auskunftsfreudiger war. Er erzählte mir, dass es heute so viele Lehren gäbe innerhalb des Christentums, und dass er deshalb nicht bereit sei, irgendwelchen Behauptungen einfach zu folgen. Ich wandte mich darauf wieder an John und fragte ihn nochmal, ob er den HErrn Jesus als seinen Herrn annehmen wolle. Er sagte: „Noch nicht“. Dann fragte ich ihn, was er heute machen würde, wenn er wüsste, dass er morgen einen tödlichen Unfall erleiden würde und las mit ihm zusammen die Geschichte vom reichen Mann und Lazarus. Aber seine zögerliche, verlegene Haltung änderte sich nicht, weshalb ich ihn der Fürsorge Gottes anbefahl und ging.

Miguel Ramirez Leiva (22) war Katholik, hörte aber aufmerksam meiner Botschaft zu. Ich erklärte ihm sehr ausführlich das Evangelium und die Forderung Gottes, sich zu bekehren und Ihm seine Sünden zu bekennen. Auch bei Miguel trat ich dabei eine offene Tür ein, und er klärte sich sofort bereit, mit mir zu beten, um den HErrn um Errettung zu bitten. Auch sein Gebet war sehr schön, wobei er auch für seine Familie bat. Anschließend erklärte ich auch ihm, dass er von nun an jeden Tag ein Kapitel in der Bibel lesen solle, damit Gott ihm zeigen könne, was Er weiter mit ihm vorhabe, und dass er sich eine Gemeinde von Gläubigen suchen möge. Er bedankte sich herzlich und wollte gerade gehen, als ich ihn fragte, wofür ich für ihn beten könne. Da erzählte er mir, dass er Angst habe, sein Studium nicht mehr fortsetzen zu können, da seine Eltern sehr arm sind und sich dies nicht mehr leisten können. Dann bat ich ihn um seine Handynummer und bot ihm an, mit ihm in Kontakt zu bleiben über WhatsApp, falls ich ihm auch eine finanzielle Unterstützung schicken soll in der Zukunft. So verblieben wir und verabschiedeten uns.

Isaak und seine Frau/Freundin (beide ca.30) hörten mir nur halb interessiert zu. Auf die Frage, ob er wüsste, ob er einmal bei Gott sei, antwortete er: „Wenn ich gute Werke tue, werde ich auf jeden Fall meine Chancen erhöhen“. Ich begann, ihnen aus Röm.3 vorzulesen, aber dann unterbrachen sie mich, weil sie wegmussten.

Alberto und Felix (beide ca. 60-70 J.) sind zwei überzeugte Katholiken und hatten großes Interesse an einem Gespräch über die „virgencita“ („geliebte Jungfrau“). So sprachen wir erst mal eine ganze Weile über alle Aussagen der Bibel über Maria und auch über die Frage, ob sie nach der Geburt Jesu Jungfrau blieb. Dann erklärte ich ihnen über die Mittlerrolle des HErrn Jesus und die Notwendigkeit einer persönlichen Beziehung zu ihm. Zuletzt sprachen wir noch über die Hure Babylon und lasen gemeinsam Offb.17-18, wobei sie mir erstaunlicherweise immer wieder zustimmten. Doch dann verdunkelte sich der Himmel und wir gingen freundlich auseinander zum Mittagessen. Nach dem Essen ging ich erst noch mal zurück zur Herberge und ruhte mich ein wenig aus; da es immer noch regnete, duschte ich mich erst mal und betete, dass der HErr mir doch noch einmal Gelegenheit schenken möge zum Zeugnis. Da hörte es auf zu regnen, und ich ging nochmal auf den Platz, wo wieder hier und da Menschen auf Bänken saßen. Die meisten schauten jedoch auf ihre Handys oder unterhielten sich. Ich setzte mich neben einem älteren Mann, ein Indio, der sich mir als Jonás Deodoro (60) vorstellte. Er erzählte mir, dass er Siebenten-Tags-Adventist sei und sogar darin aufgewachsen. Deshalb sprachen wir kurz über das 4.Gebot und die Aussagen dazu im Neuen Testament bis wir auf Ellen White zu sprechen kamen, die Gründerin der STA, die aus der anfänglich noch gesunden Adventbewegung eine Sekte machte durch ihre völlige Überbetonung des Sabbatgebotes als heilsnotwendiges „Siegel“, um errettet zu werden, wodurch sie und ihre Anhänger im Grunde ein anderes Evangelium verbreiten.

Jonás erzählte mir, dass er sich bereits mit 10 Jahren durch seine Eltern bekehrt habe, dann aber als Jugendlicher wieder in die Welt gegangen sei. Erst 30 Jahre später sei er dann infolge einer Ehekrise wieder zurückgekehrt zum Glauben und habe sich dann auch taufen lassen. Doch sein neues Leben dauerte nur 5 Jahre an und er fiel wieder in Versuchungen, so dass er inzwischen ganz kraftlos sei. Ich bot ihm an, mit ihm zu beten, damit der HErr doch seinen Glauben wieder erneuere und ihm seine bisherige Lauheit vergeben möge. So beteten wir zusammen und ich verabschiedete mich von ihm. Als nächstes setzte ich mich zu zwei älteren Damen, die mich von sich aus ansprachen und mich ausfragten. Zunächst ging es nur um Deutschland und das kalte Wetter, aber dann gelang es mir, das Thema auf das Heil in Christus zu lenken. Eine der beiden musste dann gehen und ich blieb mit Señora Panier(?) Rodriguez zurück, die alles bejahte in Bezug auf den Glauben, so dass es mir schwer fiel, etwas Gedankenanstößiges anzubringen. Wir sprachen am Ende über den Genderismus, der sich durch die Frauenhose auch unter Gläubigen ausgebreitet hatte, und auch darin war sie voll und ganz mit mir einverstanden. Da die Temperaturen inzwischen auf gefühlte 5 C gefallen waren, musste ich meine eiskalten Füße wieder bewegen und ging.

Ich ging wieder zurück zur Herberge und schrieb an meinen Texten, während ich auf die Rückkehr von Ruth und Rebekka wartete. Um 18.30 Uhr ging ich nochmal los, um die beiden abzuholen und kam dabei ins Gespräch mit einer gläubigen Familie, die in einem Van saßen mit Fischaufkleber. Ich berichtete ihnen von jenem Miguel, den ich am Vormittag traf, und der sich bekehrte. Weil er mir seine Handynummer gegeben hatte, wollte ich ihn gerne an diese Geschwister weiter verweisen. Auch sie gehörten einer Iglesia Pentecostal an, die sich Los Olivos nannte (dieser Name scheint für eine internationale Gruppe zu stehen). Kann man einen Neubekehrten in eine Pfingstgemeinde schicken? Ich gab ihnen vorsichtshalber nicht seine Nummer. Als Ruth und Rebekka dann schließlich um 19.30 Uhr kamen, fuhren wir spät am Abend zurück nach Lima.

LIMA, Peru 22.12.2018 Die 8-stündige Busreise durch die Nacht war sehr anstrengend, und mir wurde klar, dass dies auch die letzte ihrer Art war. Ich habe endlich eingesehen, dass ich nicht mehr 25 J. bin, sondern inzwischen schon 50, und man muss nicht mehr alles Mögliche gesehen oder erlebt haben. Ab jetzt würde ich nur noch reisen, wenn es ein dringendes, geistliches Anliegen gäbe und die Reise nach Möglichkeit nicht länger als 3 Stunden dauert. Am heutigen Samstag wollte ich mal wirklich zuhause bleiben und ausruhen von den Anstrengungen der letzten Tage. Am Morgen frühstückten wir gemeinsam, und als dann Eva zu Besuch kam, ging Ruth mit ihr und Rebekka noch einmal los für verschiedene Besorgungen, während ich mich um die viele Schmutzwäsche kümmerte, die gewaschen und aufgehangen werden musste. Ich machte dann noch mal einen Spaziergang mit Nico, dem Golden Retriever der Nachbarin und nach dem Mittag besuchten wir dann Liset (22) und ihren Mann Juan-Carlos (27), die nach ihrer plötzlichen Heirat vor 2,5 Wochen nun dabei waren, ihre Mietwohnung einzurichten. Ihre Mutter Esperanza (47) und ihre beiden Geschwister Sara (27) und Richard (25) waren mit uns gekommen, und das Gespräch drehte sich meistens um Oberflächlichkeiten („Diesen Tisch haben wir da und da gekauft, weil es dort günstiger ist“ usw.). Ich hatte die ganze Zeit das Bedürfnis, dem Juan-Carlos etwas vom Evangelium zu sagen, aber ich fand einfach keinen Anknüpfungspunkt. Aber immerhin hatte ich mein T-Shirt an, auf dem stand, was ich ihm sagen wollte: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“ (Mt.4:17).

Ruth hatte dann im Anschluss einen Spaziergang mit Esperanza gemacht, und da erzählte sie ihr, dass sie sich von Ricardo scheiden lassen werde, weil dieser inzwischen sogar schon zu ihren Freundinnen schlecht über sie geredet habe. Sie habe jetzt auch erfahren, dass die gemeinsame Wohnung der beiden allein auf den Namen von Ricardo laufe, so dass sie im Falle einer Scheidung keinerlei Anspruch auf die Wohnung habe. Sie sagte, dass sich Ricardo während der ganzen Ehe immer sehr tyrannisch verhalten habe und sie aus Furcht vor ihm nie widersprochen habe. Nun aber habe sie es satt, sich immer wieder von ihm schikanieren zu lassen, sondern wolle jetzt, wo die Kinder allmählich aus dem Haus gehen, ihre Freiheit zurückhaben. Als Ruth mir dies erzählt habe, machte ich den Vorschlag, dass wir Montagnachmittag – vor der gemeinsamen Weihnachtsfeier mit ihnen – mal mit beiden sprechen könnten über ihre Ehe und sie daran erinnern sollten, was der HErr gesagt hat über die Ehe, denn vielleicht ließe sich dadurch noch verhindern, dass sie sich scheiden. Das Wort Gottes sagt, dass wir einem Streit unter Gläubigen „keinen freien Lauf lassen“ dürfen, weil es gleichbedeutend wäre, als würden wir selber diesen Streit unter ihnen gestiftet haben (Spr.6:19). Ruth war aber entschieden dagegen, dass wir es vor der Weihnachtsfeier machen, denn das würde die Stimmung total drücken. Ich entgegnete, dass ich es viel schlimmer fände, wenn wir die ganze Feier über heucheln müssten, als wenn alles gut sei, und dass ich in diesem Fall lieber gar nicht an der Feier teilnehmen wollen würden. Darauf reagierte Ruth sehr aufgeregt und sagte: „Ricardo und Sara haben extra einen Truthahn gekauft und freuen sich so sehr, dass wir kommen! Ich bin ja auch der Meinung, dass wir zwischen ihnen vermitteln sollten, aber das sollten wir dann erst nach der Feier tun!“

LIMA, Peru 23.12.2018 Am heutigen HErrentag „aßen“ wir morgens Psalm 43 und zum Nachtisch Blaubeerpfannkuchen, die Rebekka bereitet hatte. Dann gingen wir zusammen zu einer der größten evangelikalen Freikirchen von Lima, der Alianza Cristiana, einer Kirche mit 1.500 Sitzen und 4 Gottesdiensten am Sonntag. Wegen der Ferienzeit war die Kirche aber nur halb voll. Es war heute mal wieder so heiß, dass der Pastor die Klimaanlage anschalten ließ. Wir sangen schöne Weihnachtslieder, und der Pastor hielt eine erbauliche Predigt über Jes.9:1-7, wobei Er die Namen und Eigenschaften des HErrn in den Vordergrund stellte. Anschließend lud er dazu ein, dass jene, die sich bekehren oder einen Neuanfang mit dem HErrn machen wollten, nach vorne zu kommen, damit für sie gebetet und ihnen ein Buch geschenkt werde. Insgesamt hat mir der Gottesdienst gut gefallen. Wir gingen dann hinaus und nach nebenan in den großen Supermarkt (die hier in Peru auch sonntags geöffnet haben, um Brot samt Brotaufstrich zu kaufen, sowie Limonade, denn Ruth und Rebekka wollten gerne Butterbrote und Limonade an die Bedürftigen verteilen, während ich in der Innenstadt predigen würde. Zuhause angekommen, aßen wir Mittag und machten eine Tasche voller Brote. Später wussten wir: wir hätten 3 oder5 Taschen mitnehmen sollen…

Wir stiegen in den Bus und fuhren Richtung Innenstadt. Doch auf halber Strecke, blieb der Bus – wie üblich – im Stau stecken. Aber diesmal war es anders: selbst nach 30 Min. war der Bus keinen Meter vorangekommen. Und dann sahen wir, was los war. Der totale Verkehrs-Kollaps war passiert: selbst in allen Nebenstraßen stand der Verkehr. Es ging gar nichts mehr. Das vorweihnachtliche Geschäft hatte den ohnehin schon am Anschlag liegenden Verkehr nun gänzlich zum Stillstand gebracht. Uns blieb also nichts anderes übrig, als die 3,5 km zu Fuß in die Innenstadt zu gehen, vorbei an einem hektischen Gewimmel an Menschen, die wie Ameisen in einem riesigen Ameisenhaufen durch die Straßen krabbelten. Überall boten Straßenhändler ihre Waren an. Es gab sogar einige, die einfach nur eine Personenwaage vor sich hatten, auf der man sich für 10 Centavos (2,7 Cent) wiegen lassen kann. Unter den vielen Bettlern gab es auch manche alte Leute oder Mütter mit Kindern, denen ich jeweils ein Butterbrot gab. Immer wieder trafen wir aber auch venezolanische Flüchtlinge, die zu Dritt auf ihren Koffern am Straßenrand standen mit einem Schild: „Wir sind gerade angekommen und haben Hunger, brauchen auch eine Unterkunft. Bitte helfen Sie uns!“ Das Elend war einfach überall und unsere Brote bald verteilt.

Als wir beim Plaza de San Martin ankamen, trennten wir uns. Auf diesem Disputier-Platz hatte ich ja schon oft gepredigt, und auch diesmal sah ich viele kleinere und größere Menschenansammlungen, die sich um einen Redner scharten. Ich ging auf eine größere Ansammlung zu und hörte, wie der Redner über Gott, Jesus und die Bibel sprach, was mich zunächst sehr freute. Doch dann sah ich ihn und dachte: Das ist doch Leonardo, jener Atheist, mit dem ich vor einem Jahr zweimal öffentlich einen verbalen Schlagabtausch hatte (jeder bekam jeweils immer abwechselnd 5 Minuten Redezeit über 2 Stunden lang). Jetzt aber erklärte er den Zuhörern alleine die angeblichen Widersprüche in der Bibel, und alle schienen seinen Argumenten mit Interesse zu folgen. Sollte ich mich hier einmischen? Der Geist Gottes sagte mir, dass es nichts bringt und ich lieber evangelisieren sollte. Dann sah ich ein Ehepaar mit Kind, die einen Verstärker und Mikrophon aufgebaut hatten und gerade mit erhobenen Händen beteten. Der Vater und der kleine Sohn waren beide mit Anzug und Krawatte bekleidet und die Frau mit langem Rock. Ich ging auf sie zu und begrüßte sie herzlich. Der Mann hieß Christian (ca. 35) und bot mir an, dass wir gemeinsam predigen könnten. Zunächst machte er Lobpreismusik an und fing an, zu klatschen. Nach einer Weile gab er mir dann das Mikrophon und ich begann zu predigen, etwa 20 Min. lang. Es blieben etwa 6 oder 7 Leute stehen, aber als ich aufhörte, stellte sich heraus, dass dies wohl alle Gläubige waren. Einer von ihnen namens Jesús-Hector (ca. 60) war sehr erfreut, mit mir zu reden und stellte mir viele Fragen. Dann verabschiedeten wir uns, und ich ging weiter den Platz runter an den ungewöhnlich vielen Rednern vorbei, die alle eine kleine Gruppe um sich scharten. Dann sah ich an einer Ecke des Platzes eine Halbkreis-Sitznische, wo etwa 10 Männer saßen, vorwiegend im Rentenalter, und mitten unter ihnen einen freien Sitzplatz. Als ich auf diesen zusteuerte mit meiner Bibel in der Hand, sprach mich einer sofort an: „Ah ja, da kommt einer, der uns was von der Bibel erzählen möchte!“ Dieses Angebot sah ich sofort als geöffnete Tür vom HErrn an, aber schon nach wenigen Sätzen, in denen ich das Evangelium erklärte, unterbrachen mich zwei von ihnen, indem sie mir zum Schein Fragen stellen, obwohl sie in Wirklichkeit mir die Widersprüchlichkeit er Bibel vor Augen führen wollten. Ich ließ mich aber nicht darauf ein, sondern erklärte laut vor allen, warum der Mensch einmal vor Gott schuldig sein wird und all seine Ausreden sich in Luft auflösen.

Doch dann stellte sich ein kleiner Mann vor mich, Luis-Antonio (62, er sah für sein Alter viel jünger aus), und durchlöcherte mich förmlich mit Fragen, z.B. ob in allen Bibeln eigentlich immer das Gleiche drinsteht oder warum die Lehren der RKK falsch sein sollen, etc. Auf einmal sagte er: „Wissen Sie eigentlich, dass das Ehepaar, mit dem Sie vorhin zusammen gepredigt hatten, zu der Sekte ‚Alpha und Omega‘ gehört, die auch an Außerirdische glauben“? – „Nein, das wusste ich nicht, und das überrascht mich auch“ sagte ich. Nach und nach gesellten sich immer mehr Männer zu uns, die auch von sich aus Fragen stellten oder ihre Einwände äußerten. Insgesamt war es aber eine friedliche Atmosphäre, auch wenn zwischendurch immer mal auch dämonisierter oder alkoholisierter Störer dazwischen-funkte. Am Schluss kamen Ruth und Rebekka und signalisierten mir, dass ich jetzt aufhören möge, damit wir jetzt gehen könnten. Sie berichteten, dass sie noch viele weitere Bettler trafen, denen sie „tamales“ kauften, d.h. in Maisblätter eingelegter Maisbrei. Besonders die alten Frauen hatten es der Rebekka angetan, weil sie durch diese immer an ihre Oma Lucila erinnert wurde. Als sie einmal eine solche bettelnde Oma sah, die auch noch blind war, musste Rebekka fast weinen. Später sagte sie: „Wenn ich hier in Peru mal ein gutes Werk tun wollte, dann würde ich ein Heim für alte Menschen gründen, wo man sie wäscht und füttert, denn die können sich nicht mehr selber helfen.“ – „Dann mach das doch“ sagte ich.

Am Abend kam Bruder Ricardo zu Besuch. Wir unterhielten uns über die morgige Feier, und dann fragte ich ihn, ob ich einmal mit ihm einen Spaziergang machen könnte, da ich mit ihm über seine Ehe sprechen wollte. Wir gingen hinaus und ich fragte ihn bezüglich der Anschuldigungen, die seine Frau Esperanza gegen ihn erhob. Ricardo erzählte mir dann zwei Stunden ausführlich, wie sich die Dinge aus seiner Sicht entwickelt hätten in den letzten 4 Jahren und dass seine Frau von dem dämonischen Geist der Emanzipation besessen sei, der sie gegen ihn anstachelt und bewirkt habe, dass sie die Kinder gegen ihren Vater aufgehetzt habe. Ich bot Ricardo an, dass Ruth und ich zwischen ihnen seelsorgerlich vermitteln könnten, wenn denn beide Seiten überhaupt noch das Interesse hätten, die Ehe retten zu wollen. Ricardo sagte, dass das Hauptproblem darin bestünde, dass Esperanza sich innerlich vom HErrn abgewandt habe und sich daher vom Wort Gottes nichts mehr sagen ließe. Er aber habe in den letzten Monaten durch Großzügigkeit immer wieder versucht, ihr und den Töchtern zu signalisieren, dass er sie liebe. Für Liset habe er sogar ein Drittel von seinem Monatsgehalt geopfert, um die Kosten für die Privathochschule für sie zu bezahlen, weil diese nur für Frauen sei. Als er dann aber merkte, dass sie heimlich sich mit einem ungläubigen Freund traf, stellte er sie vor die Wahl, ob sie weiterhin von ihm unterstützt werden wolle oder sich lieber weiterhin mit ihrem Freund treffen wolle. „Wenn Dein Freund Dich so sehr liebt“, sagte Ricardo zu seiner Tochter, „dann kann er ja auch die Kosten für dein Studium aufbringen. Aber solange Du Deine Füße unter meinen Tisch legst und ich Dir Dein Studium finanziere, dulde ich keinen vorehelichen Verkehr mit Deinem Freund!“

Als Liset dann vor zwei Monaten ihrem Vater beichten musste, dass sie schwanger sei, forderte der Vater vom ihrem Freund sofort, dass er sie so schnell wie möglich heiraten möge, wie geschrieben steht in 5.Mo.22:28-29. Wörtlich sagte Ricardo zu ihm: „Juan-Carlos, Du hast Dein Versprechen nicht gehalten, deshalb werde ich Dich solange für einen Hurer halten, bis Du meine Tochter geheiratet hast.“ – „Aber bei allem Respekt, Don Ricardo“ antwortete er „das ist doch heutzutage etwas ganz Natürliches, dass man sich auch schon vor der Hochzeit sexuell vereinigt, das kann man doch niemandem verbieten. So etwas haben doch auch sicherlich Sie getan vor Ihrer Hochzeit, nicht wahr?“ – Ricardo reagierte darauf sehr verärgert: „Was erdreistest Du Dich, mir Vorhaltungen zu machen, wo Du es doch bist, der mir gegenüber sein Versprechen nicht eingehalten hat!“ Darauf verstummte er. Esperanza fand Ricardos Verhalten grausam und herzlos. In ihren Augen habe Ricardo mit seiner unerbittlichen Haltung schon immer die Familie terrorisiert, weshalb sie nicht mehr bereit sei, dies weiter zu erdulden. Ruth sagte mir am Abend zuvor: „Ein wenig kann ich Esperanza schon verstehen. Ich kann es auch nicht ertragen, wenn Du manches Mal so streng mit Rebekka bist oder von mir Dinge forderst, als wärest Du mein Vater.“

LIMA, 24.12.2018 Über den letzten Punkt wollte ich gerne heute Morgen noch mal mit Ruth und Rebekka sprechen, und deshalb lasen wir in der Morgenandacht 4.Mose 12, wo sich u.a. Maria/Miriam empört hatte gegen ihren Bruder Mose und dafür von Gott mit Aussatz bestraft wurde. Dies ist eine der seltenen Ausnahmen im AT, wo sich eine Frau in der damaligen Zeit über einen Mann erhoben hatte. Heute hingegen ist es in den Ehen an der Tagesordnung, leider auch unter Gläubigen. Daran sind aber nicht nur die Frauen schuld, sondern ebenso auch die Männer, weil sie nicht die ihnen von Gott zugedachte Herrschaft über die Frau ausüben wie in 1.Mo.3:16 geboten, sondern aus Bequemlichkeit sich viel zu viel gefallen lassen. Ruth gelobte, dass sie mich künftig mehr als Oberhaupt achten wolle.

Rebekka und ich kauften uns noch einmal 2 Packungen Toastbrot und schmierten danach an die 30 Butterbrote mit Schinken und Käse, die wir mitnehmen wollten für unseren heutigen Einsatz. Wir fuhren diesmal mit dem Taxi in die Stadt und gingen erst mal durch die Fußgängerzone, wo wir jedoch um diese Uhrzeit (12.30 Uhr) noch nicht viele Bettler fanden. Ich ging dann wieder auf den Plaza de San Martin an dieselbe Stelle, wo ich auch gestern war und begann ein Gespräch mit zwei Männern. Bald darauf gesellten sich auch andere Männer zu uns und eine Frau, die teilweise versuchten, mir Fangfragen zu stellen (Woher wissen Sie, dass die Bibel Gottes Wort ist? Kann man auch einer gesetzlosen Obrigkeit untertan sein? Warum sind die Christen nicht bereit, ihre Güter mit den Armen zu teilen?). Neben mir hatte sich ein Junge gesetzt namens Brian (19), der dem Dialog, den ich mit einem gewissen Cäsar (ca. 60) führte, aufmerksam verfolgte und auch selber öfter mal eine Zwischenfrage stellte. Ich musste nur immer achtgeben, dass das Gespräch nicht in die Politik abrutschte, weshalb ich immer wieder auf die Notwendigkeit der Buße zurückkam. Gegen 14.30 Uhr holten mich wieder Ruth und Rebekka ab, um nach Haus zu fahren.

Nach dem Mittagessen schrieb ich in der Küche an meinem Tagebuch, als der Kessel pfiff und Ruth mich vom Schlafzimmer aus bat, den alten Gasherd auszuschalten. Da ich mich nicht so auskannte, drehte ich zunächst an den falschen Knöpfen und hatte – nachdem ich den richtigen gefunden hatte – unbemerkt zwei Knöpfe voll aufgedreht. Nach einer Weile wurde ich müde und legte mich aufs Sofa. Ruth sagte irgendwann, dass irgendetwas so merkwürdig rieche. Ich roch es auch und sagte: „Vielleicht habe ich den Gasherd nicht richtig abgeschaltet?“ Ruth lief entsetzt in die Küche, aber alle Kerben schienen auf „Aus“ geschaltet zu sein. Vorsichtshalber drehte sie aber noch einmal an den Knöpfen und stellte erst dadurch fest, dass zwei von ihnen voll aufgedreht waren. Sofort machte Ruth alle Fenster auf und schimpfte laut mit mir, dass um ein Haar die ganze Wohnung in die Luft geflogen wäre! Das Anmachen eines Lichtschalters hätte genügt, um diesen Funken auszulösen. Täglich würde man etwas von Gasunfällen in der Zeitung lesen, deshalb hätte ich doch fragen müssen, wenn ich mich nicht so auskenne. Sie fing an zu weinen und ich sagte, dass wir Gott doch dann danken sollten, dass er uns bewahrt habe.

Am Abend gingen wir dann mit einem Topf heißer Schokolade sowie einem Glühwein-Punsch hinüber zum Haus von Ricardo, wo wir eingeladen waren zum traditionellen Truthahn essen. Auch Eva und ihr Sohn Elias (20) waren dazu eingeladen. Letzteren sah ich heute zum ersten Mal. Er war sehr introvertiert, was vielleicht auch etwas mit den Eheproblemen seiner Eltern zu tun hatte. Er war dermaßen schüchtern, dass er meine Fragen wie ein Roboter beantwortete, d.h. kurz antwortete ohne dabei seine Gesichtsmuskeln zu bewegen. Nach dem Essen hielt ich eine Andacht über Offb.12:1-5, wo von der Geburt des männlichen Sohnes die Rede ist und stellte mit kurzen Zusammenfassungen dar, wie man dieses geistliche Bild verschiedenartig auslegen könne. Eine von diesen war die persönliche, wie der Teufel auch heute noch bei jeder schwangeren Frau (wie z.B. die anwesende Liset) darauf lauert, das Kind möglichst früh zu „verschlingen“, indem es durch den Kindergarten oder die Schule für die Dinge der Welt begeistert wird. Spät am Abend gingen wir dann zusammen auf die Dachterrasse des 4-stöckigen Mehrfamilienhauses und schauten uns das Feuerwerk an, das man hierzulande am Heiligabend veranstaltet.

ICA, Peru 25.12.2018 Nach wenigen Stunden Schlaf sind wir heute Morgen nach Ica, in den Süden Perus, aufgebrochen, wo mein Schwager Israel (64) zusammen mit seinem Sohn Jonathan (32) und seiner Stieftochter Rossana (44), sowie deren Mann Fredy (38) und ihrem Sohn Dajiro (5) wohnt. Nach vier Stunden kamen wir in der Wüstenstadt Ica an und fuhren mit dem Taxi in den Ortsteil San Joaquín, wo Israel wohnt. Wir wurden auch schon erwartet, indem Rossana ein großes Mittagessen für uns bereitet hatte, nämlich Ceviche (Fischsalat) mit Reis, Süßkartoffeln und gebratenen Tunfisch. Nach dem Essen ruhten wir, denn um 18.00 Uhr sollte schon die Versammlung beginnen (was dann auch mit reichlich Verspätung geschah). Ich predigte u.a. über die Notwendigkeit des regelmäßigen Gebets, worüber die Geschwister am Ende dem HErrn sehr dankbar waren. Dann lud uns Joel (31), der andere Sohn Israels, mit seiner Frau Karelia (26) und deren Eltern Maria (50) und Jorge (41) zu einem Eis ein und einem Stück Pizza. Spät am Abend fuhr Joel uns auf dem Rückweg zu einem Park im Ortsteil Cachique, wo die vielen Hexen und Schamanen in Ica regelmäßig ihre heidnischen Zeremonien veranstalten. Und danach zeigte er uns eine Palme, die aufgrund einer äußerst seltenen Mutation (es gibt nur zwei dieser Art auf der Welt) nicht aufhören kann zu wachsen, weshalb sie sich wie eine Schlange über Dutzende Meter am Boden entlang schlängelt, der Stamm dabei stellenweise sogar in die Erde hinein und wieder hinausging. Dann brachte uns Joel wieder zurück zum Haus von Israel.

ICA, Peru 26.12.2018 Mein Gedächtnis lässt manchmal nach, und wenn man nicht jeden Tag abends in seinem Tagebuch schreibt, dann vergisst man manchmal, was war. Ich kann mich nur noch erinnern, dass wir zu Mittag bei den Schwiegereltern von Joel eingeladen waren, und danach wieder in der Wüstenoase Huacachina, wo ich wieder versucht hatte, die 200 – 300 m hohen Sandberge zu besteigen, mir aber nur zum Teil gelang. Aber was davor und danach war, ist mir leider entfallen.

ICA, Peru 27.12.2018 Am Morgen haben wir in Psalm 48 gelesen, dass das Lob Gottes so groß sei(n sollte) wie Sein Name, und zwar bis zum Ende der Erde (Vers 10). Als wir in Ica waren und ich den vielen Sand sah, sagte ich zu Ruth: „Stell Dir mal vor, dass der Same Abrahams so viel sein soll wie der ganze Sand, der am Ufer des Meeres ist!“ Das müsste ja eine Zahl sein in der Größenordnung von 9999999999999999999999999999999999999999999 x 9999999999999999999999999999999999999999999, was man wirklich nicht mehr zählen kann an Menge. Man schätzt, dass die gesamte Menge aller Menschen auf der Erde, die je gelebt haben, in etwa 7.000.000.000.000, sprich 7 Trillionen ausmacht. Aber hinzu kommen noch alle Engelwesen, die Gott geschaffen hat. Und wenn man sich vorstellt, dass diese große Menge eines Tages mit vereinter Stimme den HErrn der Herrlichkeit loben und bekennen wird, dass allein in Ihm Gerechtigkeit und Stärke ist (Phil.2:9-11, Jes.45:22-24)!

An unserem letzten Tag in Ica habe ich angefangen, einen meiner Artikel ins Spanische zu übersetzen, nämlich „Der tolerierte Genderismus unter den Gläubigen“ damit Israel ihn in seiner christlichen Monatsschrift „Fuego Ardiente“ („Brennendes Feuer“) veröffentlichen kann. Ich habe ihm versprochen, jetzt regelmäßig einen Artikel zu übersetzen, aber mal sehen, ob ich das auch schaffe. Israel erzählte mir noch, dass er sich in eine Schwester aus Costa Rica mit Namen Gretel (48) verliebt habe und sie vielleicht nächstes Jahr heiraten werden. Auch sein Sohn Jonathan (32) hat inzwischen schon wieder eine Freundin, die auch mit ihren Eltern in der Versammlung war; sie heißt Mireille (27). Aber sie haben sich erst vor kurzem kennengelernt. Jonathan möchte nächstes Jahr, wenn Gott will, auch nach Deutschland kommen, um dort 3 Monate in meiner Firma zu arbeiten. Um 19.00 Uhr sind wir dann wieder nach Lima zurückgefahren.

LIMA, Peru 28.12.2018 Heute durfte ich wieder mal den Siegeszug des Evangeliums mit eigenen Augen sehen. Aber der Reihe nach: Da der Kühlschrank nach unserer Reise nahezu leer war, sind wir zum Frühstück erst mal zum Markt gegangen und haben jeder einen eisgekühlten Mangosaft und einen Rote-Beete-Karottensaft getrunken, um danach für die nächsten Tage Obst und Gemüse einzukaufen. Auch nahmen wir wieder Weißbrot mit Wurst und Käse mit, um Brote zu schmieren für die Armen. Dann machten wir uns gegen Mittag auf den Weg in die Innenstadt, um uns am Plaza de San Martin wieder zu trennen.

Diesmal ging ich geradewegs unter jenen Baum unter den ich früher schon oft gepredigt hatte, den aber ab 15.00 Uhr meistens der Kommunist Jaime für sich beansprucht, um dort seinen Kommunismus zu predigen. Ich fing an zu predigen und zunächst hörten mir nur etwa 10 Leute zu. Dann gab ich den Leuten Gelegenheit, Fragen zu stellen und allmählich kam ein fruchtbarer Austausch zu Stande. Doch dann formierte sich genau hinter mir plötzlich der Kommunist Jaime, ließ sich aber offensichtlich nicht von mir stören, obwohl ich laut redete. Sofort bildeten sich etwa 50 Personen um ihn herum, während es bei mir gerade einmal nur 20 waren. Doch dann mischten sich zwei laute Agitatoren unter meine Zuhörer, die nur zum Schein Fragen stellten, aber in Wirklichkeit die gegenwärtige Politik und die Kirche schmähen wollten. Als sie kaum wieder aufhörten, mit ihren Beschimpfungen, fiel ich ihnen massiv ins Wort und ermahnte sie, woanders hinzugehen, wenn sie nur über Politik reden wollen, da dies hier nicht mein Thema sei. Da entschuldigte sich der eine von ihnen mit Namen Julio (ca. 60) und hörte mir erst mal eine Weile wieder zu, bevor er dann immer wieder rückfällig wurde.

Während ich predigte, kam plötzlich ein Junge von ca. 20 J. auf mich zu und schenkte mir eine neue Flasche Wasser, die er für mich gekauft hatte, um mich auf diese Weise zu unterstützen. Allmählich wuchs auch die Zuhörerschaft auf etwa 70, da viele neugierig geworden waren. Ich predigte über Luk.16:19-31 und über Röm.2:1-6, aber auch über Mt.5:38-43, denn die Zuhörer stellten mir immer wieder Fragen über die soziale Gerechtigkeit. Immer dann, wenn ich mal eine Pause machen musste, ließ ich einen der Zuhörer eine Frage stellen oder einen Einwand erheben. Zwischendurch geriet die Diskussion immer mal wieder etwas aus den Fugen, denn einige Leute liebten es scheinbar, wenn es richtig kontrovers wurde. Aber – dem HErrn sei Dank – wurden sie alle schnell wieder still, wenn ich um Ruhe bat und ermahnten sich sogar untereinander zur Ruhe. Zum Ende hin gab ich noch ein Zeugnis von dem, wie der HErr an mir persönlich gewirkt hatte und sagte zu den Leuten: „Als ich noch nicht wiedergeboren war, da lebte ich mein Leben nach meinen eigenen Interessen, und es wäre mir nie eingefallen, hier in der Innenstadt eine Botschaft an die Leute zu richten, zumal ich auch gar keine hatte. Vor allem aber waren mir die Menschen völlig egal. Heute aber, da der Heilige Geist mich erneuert hat, drängt mich die Liebe Christi, Euch alle zu warnen und Euch zur Buße zu ermahnen. Und wenn heute Abend der ein oder andere von Euch zu Bett geht und sich vornimmt, von nun an regelmäßig in der Bibel zu lesen, dann hat sich der ganze Aufwand schon gelohnt. Aber noch mehr würde ich mich freuen, wenn sich einer von Euch wirklich zum HErrn Jesus bekehrt, Buße tut und Ihm sein Herz schenkt, und das wäre auch eine große Freude im Himmel! Und daran könnt Ihr sehen, dass ich nicht für eine menschliche Organisation oder für Geld arbeite, sondern ich wünsche mir einfach nur, dass Ihr alle eines Tages errettet seid.“

In diesem Moment kamen Ruth und Rebekka und gaben mir ein Zeichen, dass ich nun zum Schluss kommen solle. Im gleichen Moment sprachen mich zwei von hinten an und sagten: „Mister, der Leonardo lädt sie ein, mit ihm einen öffentlichen Disput zu führen“. Doch bevor ich etwas antworten konnte, schrie einer die beiden an und sagte: „Dieser Leonardo ist doch ein falscher Prophet, ein Rattenfänger und Verführer! Dieser Mann hier predigt die höchste Moral, aber der Lorenzo ist doch nur ein Schwätzer!“ Da kam ein Glaubensbruder auf mich zu und beglückwünschte mich zu der Predigt, wobei er fragte: „Zu welcher Gemeinde gehören Sie? Gibt es von dieser auch eine hier in Lima?“ Ich konnte nur kurz antworten: „Ich bin Baptist“, da kam auch schon die Bitte eines anderen: „Kommen Sie morgen wieder?“ Dann kam eine sehr dicke Frau zu mir, die nur noch wenige Zähne im Mund hatte, und sagte: „Mein Herr, ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass Sie fertig sind, denn ich wollte gerne mal mit Ihnen über ein Projekt sprechen, für das ich arbeite, bei dem es um arme Kinder geht…“ Schon kam der nächste und sagte: „Eine Frage mal: Sie haben die ganze Zeit immer nur von Jesus geredet, aber nicht vom Vater!…“ In dem Moment rief mich Ruth wütend, dass ich jetzt endlich kommen solle. Ich riss mich los und wollte zu Ruth gehen, da stellte sich Leonardo mir in den Weg und grüßte mich lächelnd mit den Worten: „Ach Simon, Du bist wieder hier in Lima. Wann können wir denn mal wieder gemeinsam auftreten wie beim letzten Mal? Wann hätten Sie Zeit?“ Ich seufzte und sagte: „Morgen“. – „Welche Uhrzeit?“ – „15.00 Uhr?“- „Abgemacht!“ Dann ging ich zu Ruth, die schon weiter voran gegangen war. Als wir auf ein Taxi warteten, fragte ich mich, ob das eine gute Idee war, mich auf ein weiteres Wortduell mit Lorenzo einzulassen. Er hat hier ja einen Heimvorteil.

Am Abend gingen wir rüber zu Ricardo, der uns um 23.30 Uhr zum Flughafen brachte, damit wir Rebekka verabschieden konnten, denn sie sollte um 2.35 Uhr in der Nacht über Panama nach Costa Rica fliegen und von dort 15 Std. später nach Hannover zurück reisen, wo sie von ihrem Verlobten Dennis abgeholt werden würde.

LIMA, Peru 29.12.2018 Nach dem Aufstehen trieb mich eine Sorge, und zwar wollte ich wissen, wann mein Rückflug nach Deutschland ist. Ich suchte in meinen Sachen, aber konnte nirgendwo den Ausdruck finden, wo meine Flugdaten sind. Ich suchte und suchte, aber ich fand sie nicht. Hatte ich die Papiere vielleicht irgendwo auf der Reise liegenlassen. Dann erzählte ich es Ruth, und sie stand auf und suchte mit mir. Man könnte ja bei der Fluggesellschaft nachfragen, aber ich wusste noch nicht einmal, mit welcher Fluggesellschaft ich zurück nach Costa Rica fliegen würde. Also überlegte ich, wie ich die Daten sonst herausfinden könnte. Sie waren ja in meinen Emails drinnen, aber ich konnte in Peru meine Emails nicht lesen, weil ich das Passwort vergessen hatte. Ich müsste meinen Bruder Patrick anrufen, der in Deutschland nachschauen kann, aber ich hatte nicht seine Telefonnummer, weil ich mein Handy zuhause gelassen hatte. Doch dann fiel mir ein, wen ich in meiner Not anrufen konnte. Ich ging auf die Knie und bat den HErrn darum, dass Er mir doch zeigen möge, wo meine Papiere sind. Ich hatte auch noch gar nicht meine stille Zeit gemacht. Also fing ich an, für meine Geschwister und Bekannten zu beten, was gar nicht so leicht war, weil mir zwischendurch immer wieder die Sorge kam mit den Flugdaten. ich musste diese Sorge ganz bewusst auf den HErrn wälzen, um einen freien Kopf zu haben.

Dann kamen allmählich die Ruhe und der Frieden. Der HErr würde sich darum kümmern. Ich ging vor die Tür, um Wäsche aufzuhängen und die getrocknete Wäsche reinzuholen. Als ich wieder ins Haus kam, rief Ruth: „Ich habe die Daten gefunden! Sie waren hier unter diesem Regal.“ Ich ging wieder auf die Knie und dankte Gott. Dann lasen wir gemeinsam in der Bibel Psalm 50. Dort heißt es u.a.: „Opfere Gott Lob und bezahle dem Höchsten deine Gelübde! Und rufe Mich an am Tage der Bedrängnis! Ich werde dich erretten und du sollst Mich preisen!“ Ja, wie wunderbar passte das wieder! Welch einen wunderbaren HErrn haben wir, der sich um unsere Belange kümmert, obgleich Er um so viel größer ist als wir und dennoch solch eine Fürsorge für uns übt! Ein anderes Anliegen, das mich immer noch bewegte, war Maikel, der Bruder, der um seine Ehe zu retten sogar den christlichen Glauben aufgab und wieder zum Islam zurückkehrte. Gottes Arm ist stark, und Er vermag ihn wieder zurückzuholen aus dieser Verirrung! „Sollte Er uns mit Ihm nicht auch ALLE schenken?“ (Röm.8:32), zumal doch Sein Name über sie angerufen wird (Apg.15:17)! Und dann spüre ich noch die Sorge um heute Nachmittag, wenn ich mit dem Ober-Atheisten Leonardo diesen öffentlichen Disput führen soll. Ich darf nicht auf meine eigene Schlagfertigkeit vertrauen, sondern will mich wie Elia ganz auf die Kraft Gottes verlassen, dass Er mir im richtigen Moment zu Hilfe kommt, um ein würdiges Zeugnis zu geben vor allen.

Inzwischen ist es 22.50 Uhr, und heute Nachmittag habe ich wie nie bisher auf dieser Reise Gottes starke Hand gespürt. Am Morgen hätte ich noch nicht damit gerechnet, dass sich heute noch ein echter Gangster und sogar zweifacher Raubmörder bekehren würde! Aber ich erzähle es der Reihenfolge nach: Heute Mittag war ich zunächst bei meinem Freund und Glaubensbruder Ricardo Pineda zum Geburtstag eingeladen (er wurde 64). Zu diesem Anlass hatte er Freunde aus seiner Kind- und Jugendzeit eingeladen, die alle schon wie er im frühen Rentenalter waren. Ich wusste, dass Ricardo ein sehr guter Gitarrenspieler ist, aber was er dann eine Stunde lang vorführte, hat mich dann doch schwer beeindruckt: Er hatte einen Musikerkollegen eingeladen, der ihn mit dem Keyboard begleitete, während Ricardo in geradezu professioneller Weise auf der E-Gitarre spielte und sang, angefangen von Carlos Santana über Rumba, Samba, Salsa bis hin zu den Klassikern der südamerikanischen Schlager der 60er und 70er Jahre. Mit dieser Begabung hätte Ricardo auch problemlos als Musiker sein Geld verdienen können. Als sie jedoch dann ein Lied der 70er Jahre Band Los Iracundos („Die Jähzornigen“) spielten, erinnerte ich mich daran, dass der Sänger sich in den 90er Jahren zu Jesus Christus bekehrt hatte und daraufhin mal in einem Interview sagte, dass er von nun an nie mehr eines seiner alten Lieder singen würde, sondern nur noch christliche Lieder, weil ja geschrieben steht: „Singet dem HErrn ein neues Lied“. Wie aber ist es dann möglich, dass andere Christen immer noch jene alten, sinnlosen Lieder singen können?

Nach einer Stunde musste ich dann aber auch schon gehen, um rechtzeitig um 15.00 Uhr in der Innenstadt zu sein. Da Ruth heute bei ihrem Tierarztkollegen Francisco Lopez arbeiten wollte, musste ich alleine in die Innenstadt fahren. Ich betete die ganze Zeit, dass ich auch den Weg mit dem Bus alleine hin- und zurück finden möge, denn es ist schon 20 Jahre her, dass ich mich alleine in Lima zurechtfinden musste.

Als ich auf dem Platz San Martin ankam, sah ich schon meinen Konkurrenten Jaime, der einer Gruppe von etwa 50 Zuhörern den Sozialismus predigte, wie er es jeden Nachmittag tat. Die Sonne war auch heute wieder brütend heiß, so dass ich mir einen schattigen Platz suchte, um zu predigen. Aber es standen noch nicht genügend Leute beisammen, um anzufangen, deshalb setzte ich mich erst mal neben einen jungen Mann und fragte ihn, ob ich mich mit ihm über das Wort Gottes unterhalten dürfe. Schon bald stellte sich heraus, dass es sich um einen Glaubensbruder handelte namens Josue (ca. 25). Während ich mich gerade mit ihm über die Notwendigkeit der Kopfbedeckung unterhielt, setzten sich links neben mich zwei Jungs hin und hörten mir zu. Einer der beiden jungen Männer hatte eine Weinflasche in der Hand und war auch leicht angeschwipst. Er fragte mich, ob Alkohol trinken Sünde sei, und so kamen wir ins Gespräch über das Thema Sünde und Vergebung. Der andere von den beiden war inzwischen weggegangen und nur der Angetrunkene blieb. Ich erklärte ihm das Evangelium, aber er unterbrach mich immer wieder mit merkwürdigen Fragen wie: „Kann Gott auch einem Mörder vergeben?“ oder: „Vor was muss man denn überhaupt gerettet werden?“ oder: „Warum sollte Jesus einen wie mich retten wollen?“ Mario (28) bekannte mir dann offen, dass er sein ganzes bisheriges Leben eigentlich nur von Raub und Diebstahl gelebt hätte, seit er mit 8 Jahren aus dem Kinderheim geflohen sei und er auf der Straße lebe.

Ich lud Mario ein, den HErrn Jesus Christus als Herrn und Retter anzunehmen, aber er wollte zunächst nicht. Ich drängte ihn immer wieder, aber er zögerte. Plötzlich machte er die Weinflasche auf und goss wortlos den gesamten Inhalt auf den Fußboden. Ich beglückwünschte ihn dazu und sagte, dass dies doch schon mal ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sei, aber dass er nun auch sein bisheriges, verpfuschtes Leben aufgeben müsse, um vom HErrn Jesus ein neues Herz geschenkt zu bekommen. Zeitweise hörte er mir nur apathisch zu, weil er noch unter der Wirkung des Alkohols stand; aber als ich ihm versicherte, dass der HErr Jesus auch für ihn gestorben sei, damit er gerettet werde. Da fiel er in sich zusammen und rieb sich Tränen aus den Augen. Er flüsterte kaum verständlich: „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden.“ Dann fing er völlig an zu weinen und sagte schluchzend: „Ich habe schon zwei Menschen umgebracht, den einen sogar, indem ich ihn mit Benzin übergossen und angezündet habe! Dabei war er sogar mal mein Freund!“ Ich schluckte, aber versicherte ihm, dass dies für Gott kein Problem sei, zu vergeben. Dann fragte er mich mit zerbrechlicher Stimme: „Was muss ich denn machen, um gerettet zu werden?“ Ich sagte: „Wir können jetzt mal gemeinsam zum HErrn gehen im Gebet, und dann bekennst Du Ihm Deine Schuld und bittest Ihn um Vergebung“. Dann betete ich als erster und bat Gott, ihn zu erretten. Während ich betete, lehnte er sich gebeugt an mich. Dann fragte ich ihn, ob er jetzt beten wolle; er wollte aber lieber, dass ich vorbete, und er sprach mir dann unter Tränen und Schluchzen die Sätze nach. Ich hatte bisher noch nie eine so herzzerreißende Bekehrung miterlebt. Ich dankte Gott innerlich für diese Freude, die Er mir und allen Engeln im Himmel hier bereitet hatte.

Dann erklärte ich Mario, dass er von nun an nicht mehr stehlen dürfe, sondern einer ehrlichen Beschäftigung nachgehen müsse. Er antwortete: „Wer wird mir schon eine Arbeit geben, denn ich habe ja noch nicht einmal einen DNI (Personalausweis)!“ – „Wieso hast Du denn keinen?“ – „Weil meine Eltern mich nie offiziell angemeldet haben. Ich war denen schon immer egal und kann nur froh sein, dass sie nicht das Geld hatten, um mich abzutreiben.“ – „Aber Du kannst doch Papiere beantragen“ – „Ich weiß nicht, wie das geht“, sagte er, „mich nimmt ja ohnehin keiner ernst. Gestern war ich auf der Polizeiwache und wurde dort von den Polizisten grün und blau geschlagen. Siehst du diese Platzwunde hier am Auge? Die ist von denen. Sie wollten mir eine Lektion erteilen, weil ich diese Adidas-Schuhe hier gestohlen hatte. Aber dann hat mir einer von denen die Schuhe geschenkt, weil er meinte, dass ich ja sonst keine hätte“. „Da siehst Du mal, dass nicht alle Menschen schlecht sind. Was Du jetzt brauchst, ist eine Gemeinde, die sich weiter um Dich kümmert. Wenn Du willst, komm doch morgen mit zur Alianza Cristiana, wo auch ich hingehe. Ich kann Dich auch gerne anholen.“ – „Ja, das können Sie gerne machen. Ich wohne hier gleich um die Ecke bei der Sunat“ (Finanzamt). „Du wohnst beim Finanzamt?“ – „Ich kann es Ihnen gerne zeigen.“ – „Ja, gut.“ Wir gingen drei Straßenblöcke weiter, und dann hielt er vor einem Hauseingang des Finanzamts an mit einer Stahltür, die keinerlei Griffe hatte. Ich fragte ihn, wie er denn durch die Tür komme. „Gar nicht“ sagte er und legte sich sein fleckiges Sweatshirt vor die Tür, um dadurch anzudeuten, dass er vor der Tür schlafe. „Dies ist derzeit meine Wohnung; hier schlafe ich immer mit noch drei Kumpels. Hier können Sie mich abholen.“ Ich überlegte, ob er nicht viel mehr zu mir kommen sollte und beschrieb ihm den Weg. Er aber schlug vor: „Dann komme ich jetzt einfach mit zu Ihnen!“ -„Heute schon? Warum?“ – „Weil…“ er zögerte und sagte leise „weil ich mich in ihrer Nähe wohlfühle“. Ich sagte: „Ja, können wir gerne so machen.“ Ich griff in meine Tasche, um ihm ein Bus-Geld zu geben, aber er sagte: „Sie brauchen mir kein Geld geben, denn ich habe genug davon“, und er holte aus seiner Tasche eine ganze Hand voll Münzen. „Aber ich würde Ihnen gerne Mal meine Kumpel vorstellen. Sie brauchen keine Angst vor ihnen zu haben, denn ich werde denen sagen, dass Sie mein Bruder sind.“ – „Danke, aber lieber ein anderes Mal, denn ich will jetzt erst mal wieder auf den Platz zurück zum Predigen, denn dazu bin ich ja hier hergekommen.“

Wir gingen also auf den San-Martin-Platz zurück in jene Sitzecke, wo ich auch schon öfter gepredigt hatte. Die Plätze waren inzwischen schon voll besetzt, als würden die Leute schon auf mich warten. Und tatsächlich rief einer, als ich ankam: „Ach seht, da ist ja der Bruder, der uns wieder was aus der Bibel erzählen will. Treten Sie näher!“ Ich lächelte und stellte mich in ihre Mitte. „Dann können Sie gleich mal anfangen und diesem Schwätzer hier widersprechen, der nicht an Gott glaubt!“(er zeigte auf einen jungen Mann neben ihm). Dieser sagte mir etwas Undeutliches und ich fragte ihn, ob er betrunken sei. „Nein, der ist nicht betrunken, sondern der hat zu viel Terokal geschnieft und dadurch sind seine Hirnzellen geschädigt!“ Ich fragte in die Runde: „Hat jemand von Ihnen ein Thema, über das er sprechen möchte? Aber bitte keine Politik sondern nur christliche Themen!“ Einer fragte: „Wenn Gott doch die Liebe ist, warum werden dann Homosexuelle diskriminiert, die doch nichts weiter tun, als Liebe zu üben?“ Nachdem ich ihm zunächst mal erklärt hatte, dass der Begriff „Liebe“ heute unterschiedlich verwendet wird und dass es Gott darum ging, dass die Menschen sich vermehren und nicht ihren Perversionen anhangen sollten, fragte er weiter: „Wenn es Gott nur darum geht, dass Homosexuelle keinen Sex miteinander haben sollen, dürfen sie dann trotzdem einander lieben und z.B. zusammen wohnen, vorausgesetzt, dass sie enthaltsam sind?“ – „Theoretisch ja, aber die Versuchung ist dann einfach zu groß, deshalb sollten sie lieber getrennt leben. Dann kam die Frage: „Wenn die anderen Religionen alle verkehrt sind, warum hat Gott dann zugelassen, dass es so viele andere Religionen gibt?“ Ich antwortete: „Damit der Mensch nicht völlig verdirbt; denn die Religionen rufen den Menschen zur Mäßigung auf, und das ist erst mal gut. Denn sonst würde es nur noch ein Hauen und Stechen geben“.

Das war das Stichwort, dass sich auch mal Mario zu Wort melden wollte: „Hört mich! Viele von Euch kennen mich und wissen, dass ich ein ratero (Kleinkrimineller) bin. Aber seit heute Nachmittag gehöre ich zu Christus und habe mit meinem alten Leben gebrochen!“ Alle lachten über ihn. Er aber griff zum Beweis in seine Hosentasche, nahm alles Geld heraus und warf es im hohen Bogen auf den Platz. „Dieses Geld habe ich gestohlen, aber ich will es jetzt nicht mehr!“ Wieder lachten einige, aber andere machten sich auf, um das Geld einzusammeln. Dann zog er seine Schuhe aus und warf sie ebenso weg. Da musste ich an den heiligen Franziskus denken und fürchtete, er wird sich jetzt doch wohl nicht gleich ganz ausziehen wollen. „Warum machst Du das?“ fragte ich. „Weil auch die Schuhe gestohlen sind und ich sie deshalb nicht mehr will“. „Aber Du brauchst doch Schuhe. Du kannst sie doch später an den Laden wieder zurückgeben.“ – „Nur wenn Sie mich dabei begleiten“. „Ja, kann ich machen.“ Da holte er sie wieder her, zog sie aber nicht wieder an, als würde er sie für verflucht halten. Die Fragen und Themen gingen noch etwa eine Stunde weiter, und jedes Mal meldete sich auch Mario neben mir zu Wort und wollte ebenso evangelisieren, aber wegen seiner leicht stockenden und unter Alkohol stehenden Stimme nahm ihn niemand ernst. Dann zog er mich immer wieder am Arm (wie ein Kind seinen Papa am Arm zieht), weil er weg wollte, aber ich wollte zuerst die z.T. ziemlich guten Fragen beantworten, zumal gerade eine sehr ruhige und sachliche Stimmung war wie selten. Dann aber verabschiedete ich mich von allen und ging mit Mario weiter.

Plötzlich kam ein weiterer Junge auf mich zu und stellte sich als Freund von Mario vor. Christian (30) war ein kleiner, schmächtiger junger Mann mit weit geöffneten Augen und einem geradezu hypnotischen Blick. Er war so dünn, als leide er unter Magersucht. Er sagte dass auch er wie Mario seit 18 Jahren auf der Straße lebe, weil seine Eltern bei einem Unfall gestorben seien, er aber mit 12 Jahren aus der Wohnung geflüchtet sei, weil er unter Schizophrenie leide und panische Angst vor Nähe habe. Im Wahn habe er manchmal völlig unsinnige Dinge getan und sich selbst dabei verletzt. Aber er glaube an Gott und sei kein Gangster wie Mario, sondern würde gerne mehr von mir erfahren, was die Bibel lehre. Ich sagte ihm, dass ich gerade auf dem Weg nach Hause sei, aber dass er gerne mit uns mitkommen könne. So gingen wir zu dritt weiter bis plötzlich ein weiterer junger Mann zu uns stieß und sich als José (31) vorstellte. Er sagte, er habe meine Predigt gehört und sei ebenso auf der Suche nach Gott. Er habe sein Leben lang schon Träume und Visionen, in denen Gott und die heilige Jungfrau vorkämen, die ihm Dinge zeigen wollten, die er oft nicht verstand. Er suche nun jemanden, der ihm seine Träume deuten könne. Ich sagte auch ihm, dass er sich uns anschließen könne und zu uns nach Hause mitkommen könne. So stiegen wir alle in den Bus und ich gab Mario und José jeweils einen Sol als Fahrgeld. Im Bus betete ich: „HErr, ich fühle mich im Moment völlig schwach und überfordert mit dieser Situation. Ich fürchte mich, dass Ruth die Gäste nicht aufnehmen will und dadurch das Zeugnis geschädigt wird. Bitte hilf mir, HErr, und unterstütze mich, denn ich schaffe das nicht alleine. Und bitte mach, dass Ruthi nicht wieder an die Decke geht, wenn ich mit diesen drei Landstreichern vor der Tür stehe. Danke, Vater, Amen.“

Als wir in der Nähe von Matute ausstiegen, um zu Fuß weiter zu gehen, fragte mich Christian: „Sag mal, Simon, hast Du eigentlich keine Angst, uns zu Dir nach Hause zu nehmen? Du kennst uns doch gar nicht.“ Auch Mario bekräftigte: „Ja, genau, Simon. Du darfst Leute nicht einfach zu Dir nach Hause nehmen, denn sie könnten Dich überfallen und ausrauben. Es ist besser, wenn Du nicht so vertrauensselig bist“ Ich lächelte und erklärte ihnen, dass ich mich unter dem Schirm des Höchsten befände und mich von Myriaden von Engeln beschützt wisse. Wenn mir daher etwas zustoßen sollte, dann hat es Gott so angeordnet und es sei gut. Wir gingen schweigend weiter bis wir zu unserer Wohnung gelangten. Ruth war noch nicht zuhause. Ich bat sie, Platz zu nehmen und bot einem jeden von ihnen erst mal ein Glas Inka-Cola an, eine gelbe Limonade, die etwas nach Kaugummi schmeckt. Und dann machte ich den Vorschlag, dass erst mal jeder sich vorstellen sollte und ein wenig aus seinem Leben berichten könnte. Christian machte den Anfang und erzählte von seiner Obdachlosigkeit und seiner z.T., selbstgewählten Einsamkeit. Dann aber klopfte es an der Tür, aber es war nicht Ruth, sondern Ricardo, der mich zum Essen einladen wollte. Ich flüsterte ihm ins Ohr, dass er wie gerufen komme, um mich bei den seelsorgerlichen Gesprächen zu unterstützen. Ricardo kam rein und setze sich; und von nun an übernahm er die Moderation, was mir aufgrund meiner Müdigkeit sehr recht war.

Als nächste erzählte Mario in seiner etwas schnodderigen Gossensprache, dass er die ersten 8 Jahre seines Lebens im Heim zugebracht habe, da sein Vater Alkoholiker war und seine Mutter ihn ablehnte. Als sein einziger Heimfreund adoptiert wurde, flüchtete er nach Arequipa und wohnte fortan bei seinem Onkel, der allerdings ein Gangsterboss war, wie auch alle seine Söhne. Diese schlugen ihn bei jeder Kleinigkeit, ohne das er wusste, warum. Er fürchtete sie und wusste, dass sie alle Mörder waren, die sich durch Raub und Diebstahl ein schönes Leben machten. Da er keine anderen Vorbilder hatte, machte er es ihnen nach. Mit 12 Jahren flüchtete Mario erneut und kehrte nach Lima zurück, wo er nun dauerhaft auf der Straße lebte. Er sammelte eine Gruppe von Kleinkriminellen um sich, um gemeinsam Läden zu überfallen. Dadurch erbeuteten sie an einem Tag pro Überfall rund 1000 Soles, die sie aber auch sofort wieder ausgaben. Mario profilierte sich dabei als besonders kaltblütig („sangre fria“), indem er den Verkäufern das Messer an den Hals hielt, während die anderen den Laden plünderten. Ricardo fragte: „Hast Du auch schon mal einen Menschen getötet?“ – „Ja, „ sagte er, „sogar schon zwei. Wenn ich dafür jetzt ins Gefängnis muss, dann bin ich dazu bereit.“ – „Wer waren die?“ fragte Ricardo. „Einer war sogar mal mein Freund, aber er hat mich betrogen.“ – „Und der andere?“ – „Das war ein Mann von der Straße“ – „Von der Straße?“ – „Ja. Er wollte sich nicht berauben lassen.“ Ich bekam eine Gänsehaut. „Ich war auch schon mal 18 Monate im Gefängnis in Cañete, aber nur wegen einfachen Handyraubs; dass ich ein Mörder bin, haben die nie rausgefunden. Einmal habe ich einen Mann mit 30 Messerstichen attackiert, aber er hat es überlebt. Er wohnt ganz in der Nähe hier in Matute, in San Beatriz“. – „Dann solltest Du zu ihm hingehen und ihn um Vergebung bitten!“ sagte Ricardo. „Der wird mir niemals vergeben! Das schaff ich nicht.“ – „Wenn Du neues Leben aus Gott hast, dann wirst Du es machen. Erzähl mir doch mal, was Du heute Nachmittag erlebt hast.“ forderte Ricardo ihn auf. „Das war so,“ antwortete er, „ich habe mich nämlich in ein Mädchen verliebt und wir hatten uns für morgen verabredet. Ich wollte ihr aber etwas schenken und brauchte Geld. Deshalb hatte ich mich heute Mittag mit ein paar Kumpels verabredet, und wir wollten eine Apotheke ausrauben. Dazu wollten wir uns erst mal etwas Mut antrinken und setzten uns mit der Weinflasche auf die Parkbank. Da hörte ich, wie Simon gerade über die Bibel sprach und interessierte mich. Und dann passierte etwas, das ich noch nie erlebt habe, denn die Worte stachen mir ins Herz, und da war etwas, das unbedingt hinauswollte. Ich habe schon seit Jahren nicht mehr geheult, aber ich musste plötzlich total heulen, so dass ich mich über mich selbst wunderte.“ -„Was war es denn, dass Dich zum Weinen brachte?“ wollte Ricardo wissen. „Es war dieser eine Satz, dass niemand größere Liebe hat als der, der für seine Freunde sein Leben gibt. Ich konnte es nicht fassen, dass Jesus mich dreckigen Nichtsnutz so sehr liebt, dass er auch für mich gestorben ist.“ Schon wieder kamen ihm in diesem Moment die Tränen.

Es klopfte wieder an der Tür, und diesmal war es Ruth. Als sie die drei fremden Männer sah, grüßte sie nur kurz und rief mich dann ins Schlafzimmer. „Was machen die hier?!! Ich will, dass die sofort verschwinden!“ – „Ruthi, ich erklär Dir alles später. Jeder erzählt gerade von seiner Vergangenheit, denn ich hatte…“ -„DAS INTERESSIERT MICH NICHT!!!“ flüsterte mir Ruth laut und rasend vor Wut zu. „ICH WILL, DASS DIE JETZT SOFORT GEHEN, DENN ICH HATTE EINEN SEHR ANSTRENGENDEN TAG; ICH PLATZE GLEICH VOR WUT!!! Ich gebe Dir noch max. 15 Minuten!!!“ – O weiha, dachte ich und ging wieder zu den anderen. Ricardo sagte in diesem Moment: „Bevor ich auf all das Gesagte mal eingehe, wollen wir zuvor noch das Zeugnis von José hören.“ Da begann José (31) zu erzählen, dass er auf dem Land aufgewachsen sei und schon immer die Natur und die Ruhe geliebt habe. Doch dann fing es an, dass er ständig Visionen hatte, also Tagträume, die aber völlig real erschienen und sich z.T. mit der Realität vermischten. Einmal stellte er sich vor, dass er mitten in einem Feuer war und ihm ein Licht erschien, dem er folgte. Als er aufwachte, war seine Kleidung an einigen Stellen angebrannt. Dann war er in einer Schlangengrube drinnen und wurde gebissen, und als er wach wurde, ging es ihm wirklich schlecht. Doch dann kam der Tag, wo es genau andersherum war, dass er nämlich im Gebirge auf dem Boden lag und ein Panther fauchend auf ihn zu kam, er aber dachte, dass dies nur ein Traum sei. Dann aber roch der Panther fauchend an seinem Gesicht und ihm wurde bewusst, dass es doch kein Traum war, sondern er sich in absoluter Lebensgefahr befand. Er hatte aber eine totale Ruhe in sich und betete: „HErr, wenn ich jetzt von diesem Panther gefressen werde, dann werde ich wieder völlig eins werden mit ihm und der ganzen Natur. Wenn er mich aber am Leben lässt, dann will ich von nun an Dir dienen. Amen“. In diesem Moment, wandte der Panther sich um und streifte dabei mit seinem Schwanz den Körper von José, so dass er merkte, dass er sich das nicht einbildete. „Seit ich dies Versprechen vor etwa einem Jahr gab, habe ich es bis jetzt noch nicht eingelöst.“ Dann erzählte José noch viele andere Geschichten, aber ich konnte mich kaum noch konzentrieren, weil ich wie auf glühenden Kohlen saß, denn die 15 Minuten waren längst rum. Ich unterbrach also und erklärte, dass wir den Dialog jetzt mal draußen auf den Parkbänken fortsetzen müssten, was wir dann auch taten.

Wir sprachen noch etwa eine Stunde weiter über die Notwendigkeit, sein Leben ganz in Gottes Hände zu geben, damit er von nun an das Regiment übernimmt. Bevor wir die drei aber dann verabschieden wollten, sagte Mario leise und mit gesenktem Kopf: „Ich fürchte, ich schaff das nicht. Ich weiß genau, wenn ich gleich hier weg bin, dann geh ich wieder in mein altes Leben zurück und werde weiter stehlen. Denn wovor soll ich denn sonst leben?“ Ricardo sagte: „Das ist der Dämon, der Dir das einredet.“ Ich ergänzte: „Du brauchst keine Angst haben, Mario, denn der HErr wird sich von nun an um Dich kümmern. Aber Du musst Ihm vertrauen und jetzt wirklich mit dem Stehlen aufhören, denn sonst war alles umsonst.“ Wir standen auf und ich fragte sie, ob sie noch etwas essen möchten, und dass ich sie einladen würde. Da fiel mir ein, dass ich gar kein Geld mehr hatte und lief schnell ins Haus, um mir von Ruth Geld geben zu lassen. Ruth gab mir für jeden rund 6 Soles und ich gab es ihnen in die Hand, da ich sie jetzt nur noch verabschieden wollte, um mich um Ruth zu kümmern. „Woher willst Du wissen, dass wir das Geld jetzt nicht für Drogen ausgeben?“ fragte Mario. „Weil ich darauf vertrauen will, dass Gott aus Dir einen neuen Menschen gemacht hat, der nicht mehr in sein altes Leben zurückkehren will“.

Nachdem sie gegangen waren, setzte ich mich noch mal kurz mit Ricardo auf die Parkbank, denn er wollte mit mir noch mal über seine Ehe sprechen und über seine Beziehung zu den Töchtern. Wir sprachen noch etwa eine halbe Stunde bis 22.30 Uhr, als ich plötzlich im schalen Laternenlicht eine riesige grüne Raupe sah von etwa 15 cm Länge und 2 cm Durchmesser. Als ich Ricardo darauf hinwies, war er total schockiert und sagte: „Simon, so einen Wurm habe ich noch nie hier gesehen, und ich wohne schon seit 60 Jahren hier in Matute. So etwas gibt es hier nicht. Ich glaube, dass der HErr uns damit etwas zeigen will, denn das geht hier nicht mit rechten Dingen zu.“ Ich nahm die Raupe auf meine Hand, aber Ricardo schrie sofort: „NICHT ANFASSEN! denn das Tier ist vielleicht giftig!“ Ich sagte: „Mir fällt gerade dieser Wurm aus Jona 4 ein, den Gott sandte, um den Wunderbaum zu fressen. Der Wurm ist vielleicht ein Bild auf den HErrn Jesus.“ – „Wie kommst Du darauf?“ fragte Ricardo. „Weil es doch heißt in dem Psalm: Ich aber bin ein Wurm und kein Mann.“ Die Raupe krabbelte mir unterdessen immer weiter den Arm hoch, sodass ich sie in die andere Hand nahm. Dann verabschiedete ich mich von Ricardo, aber er wollte mir vorsichtshalber nicht die Hand geben. Ich wollte Ruth die Raupe zeigen, aber sie war schon eingeschlafen.

LIMA, Peru 30.12.2018 Heute früh um 4.15 Uhr konnte ich nicht mehr schlafen, weil ich über all die Ereignisse am Vortage nachdachte. Die Nacht war so warm, dass mein T-Shirt ganz nassgeschwitzt war. Ich stand auf und setzte mich an mein Notebook, um mal alles aufzuschreiben. Als Ruth gegen 8.00 Uhr aufstand, wollte ich ihr alles erzählen, aber sie war sehr schlecht gelaunt, weil sie mal wieder starke Schmerzen hatte, deshalb sagte ich ihr erst mal nur das Gröbste. Sie sagte, dass sie gestern sehr enttäuscht sei von dem Besuch bei ihrem Tierarzt-Kollegen Francisco und keine Hoffnung sehe, mit ihm in der Zukunft eine Gemeinschaftspraxis zu führen, da er einfach zu wenig Kunden habe. Gestern Nachmittag sei gerade mal nur ein einziger Patient gebracht worden. Zudem würde Francisco seine Praxis auch sehr vernachlässigen, da er wegen seiner unter Depressionen leidenden Frau sich ganz alleine um die schulpflichtigen Kinder und den Haushalt kümmern müsse. Weil seine Frau Chio keine Lust habe, zu kochen, würden sie ständig essen gehen, was auf die Dauer viel zu viel Geld koste, das dringend für Investitionen in die Praxis benötigt werde. Francisco sei inzwischen selber schon am Ende seiner Kräfte, habe aber auch z.T. selber schuld, weil er seiner Frau zu viel durchgehen lasse. An mich gewandt sagte Ruth: „Wenn Du unbedingt missionieren oder anderen helfen willst, dann fang doch erst mal im Kleinen an und kümmere Dich um Deinen Glaubensbruder Francisco! Aber mir scheint, Du suchst immer nur die große Bühne, wo Dich alle sehen!“ – Ich sagte: „Warum behauptest Du das? Der HErr ist mein Zeuge, dass ich nur Ihm dienen will und nicht meine eigene Ehre suche!“

In dem Moment klopfte es an die Tür. Es war Ricardo, der sich entschieden hatte, uns zum Gottesdienst zu begleiten. Wir aßen zusammen Frühstück und sprachen über die Erlebnisse vom Vortag. Als Ruth erfuhr, dass Mario zwei Menschen ermordet hatte, war sie entsetzt und schimpfte mit mir, dass ich sie überhaupt mit nach Hause gebracht hatte. „Versprich mir, dass Du niemals mehr fremde Menschen hier in unsere Wohnung lässt! Wir sind hier schließlich nicht in Deutschland, sondern in Peru, wo Raubüberfälle und Morde an der Tagesordnung sind. Versprich mir das!!!“ Ich sagte: „Ich kann Dir das nicht versprechen, denn wenn der HErr mir zeigt, dass ich jemandem helfen soll, dann muss ich doch einen Ort haben, wo ich in Ruhe mit ihm reden kann und er auch zu Essen bekommt.“ – „Aber Du kannst ihm auch draußen Essen kaufen und Dich mit ihm auf der Parkbank unterhalten! Ich will hier keine fremden Leute mehr im Haus! und wenn Du das nicht versprechen kannst, dann werde ich auch nicht mehr erlauben, dass Du in der Innenstadt predigst!“ Auch Ricardo redete auf mich ein und gab Ruth Recht: „Simon, Du verhältst Dich wie ein naiver, kleiner Junge. Aber Du trägst Verantwortung für Deine Frau. Du willst doch sicher, dass dieses Haus hier ein Bethaus bleibt und nicht zu einer Räuberhöhle wird. Ich würde solche Typen wie gestern auch nie in meine Wohnung lassen, denn so einer wie Mario ist doch unberechenbar!“ – „Glaubst Du, dass er uns immer die Wahrheit gesagt hat?“ -„Aber selbstverständlich! denn von solchen gibt es doch Hunderte hier in Lima. Wir erfahren ja nur einen Bruchteil von dem, was hier täglich passiert, aus den Medien, aber selbst das ist schon eine riesige Menge an Verbrechen. Dieses Land hier geht vor die Hunde, und wir befinden uns hier auf Kriegsgebiet! Wenn Du das nicht einsiehst, dann wirst Du das nächste Mal eine leichte Beute für sie sein.“

Ruth war inzwischen so aufgeregt, dass sie sich ins Schlafzimmer zurückzog und nicht mehr mit in die Gemeinde wollte. So ging ich mit Ricardo alleine in den Gottesdienst, denn auch Mario und die anderen beiden waren leider nicht gekommen. Die Predigt war sehr schön und handelte über dem Verrat von Petrus und seiner Versöhnung mit dem HErrn in Joh.21. Auf dem Rückweg unterhielt ich mich noch mal mit Ricardo, dass wir dem HErrn einfach mehr vertrauen sollten, weil wir uns sonst selber unbrauchbar machen für den Dienst. Ich sagte ihm: „Wer auf den Wind sieht, wird nicht säen, und wer auf die Wolken schaut, wird nicht ernten.“ Nur der „Faule sagt: ‚Ein Löwe ist draußen, ich könnte gefressen werden auf der Straße‘.“ Wir sollen uns aber nicht vor Menschen fürchten, sondern vor dem HErrn, der uns zudem verheißen hat: „Wenn eines Mannes Wege dem HErrn Wohlgefallen, dann lässt Er selbst seine Feinde mit ihm in Frieden sein.“ Ricardo aber meinte, wir sollten aber auch nicht blauäugige „Kinder am Verstande sein“, sondern nur an der Bosheit Unmündige (2.Kor.14). Als ich nach Hause kam, war Ruth immer noch sehr schlecht gelaunt, deshalb betete ich. Immerhin war ja heute unser 26. Hochzeitstag, und den durften wir ja nicht im Streit miteinander verbringen. Bei einem weiteren Versöhnungsversuch kam es dann zu einer heftigen Aussprache. Sie warf mir vor, dass ihr meine ständige Schreiberei morgens und abends auf die Nerven ginge und ich ermahnte sie, dass ihre Fernsehguckerei reine Zeitverschwendung und Götzendienst sei. „Am liebsten würde ich diese Teufelskiste da auf dem Boden zerdeppern!“ -„Wag es ja nicht!“ „Du wirst es eines Tages vor dem HErrn verantworten müssen! und Dir sollte klar sein, dass Götzendiener nicht in das Reich Gottes eingehen!“ – „Du hat kein Recht, mich zu richten!“ – „Nein, aber das Wort Gottes sagt es ganz klar!“ – „Dann wäre ja auch Ricardo ein Götzendiener und auch alle anderen! Du übertreibst!“ – „Wir müssen alle einmal Rechenschaft ablegen vor dem HErrn, wie viel Frucht wir gebracht haben, und wenn draußen Millionen Menschen verloren gehen, während wir Christen Fernsehen schauen, dann machen wir uns der unterlassenen Hilfeleistung schuldig!“ – „Was soll ich denn machen, wenn ich ständig Schmerzen habe, und der HErr mich nicht heilen will?! Am liebsten würde ich sterben, dann kannst Du nach Belieben alles machen was Du willst. Ich bin Dir doch ohnehin schon immer eine Last gewesen.“ Ruth weinte, und ich setzte mich zu ihr. „Nein, bist Du nicht“ tröstete ich sie. Wir umarmten uns.

Wir redeten noch eine Stunde weiter, und es gab noch viele Tränen. Ruth ließ sich überzeugen, dass sie aufhören müsse, sich in meinen Dienst für den HErrn einzumischen, sondern sich vielmehr selber eine Aufgabe vom HErrn schenken lassen sollte, anstatt immer wieder nur ihren Hobbys nachzugehen. Ruth hatte dann die Idee, dass sie für die Obdachlosen wie Mario und Christian Kleiderspenden sammeln könnte, damit sie sich für eine Anstellung ordentlich anziehen können und nicht mehr auf Diebstahl angewiesen sind. Darauf sprach Ruth mit ihrem Bruder Walter, ob er nicht Kleidung oder Schuhe habe, um sie zu spenden. Wir gingen dann zu Walter, aber er wollte uns die Kleidung nicht schenken, sondern sie zu einem niedrigen Preis an uns verkaufen, womit wir einverstanden waren. Am Abend sind wir dann zur Feier des Tages bei „Norkey’s“ Essen gegangen. Es gab Hähnchen mit Pommes. Und dann haben wir uns einen schönen Abend gemeinsam gemacht…

LIMA, Peru 31.12.2018 Wenn man gemeinsam auf den Knien betet und jeder sehr viele Anliegen vorbringt, dann kann es schon mal passieren, dass der andere beim Gebet einschläft und gar nicht mehr das „Amen“ mitbekommt. Der Ruth passiert das öfter mal, aber heute Morgen war es mir mal wieder passiert, und dann macht sie sich dann gerne über mich lustig, dass ich „ein ganz besonders heiliger Bruder sei, der tief versunken in der Meditation gar nicht mehr seine Umwelt mitbekomme“ usw. Beim Frühstück haben Ruth und ich überlegt, was wir heute am letzten Tag des Jahres tun könnten. Leider waren wir zu spät aufgestanden, um die Obdachlosen in der Innenstadt noch rechtzeitig anzutreffen. Es war aber jetzt über Silvester und Neujahr auch eine Gelegenheit, endlich mal mit der Wohnungsrenovierung weiterzumachen. Das Heraus-schlagen der alten Fensterscheiben und das Wegstemmen der Kittkrusten würde zwar viel Krach machen, aber in der Silvesternacht ist ohnehin so viel Krach draußen, dass es niemanden stören würde. Auch brauchen wir jetzt endlich mal ein Ehebett, denn wir schliefen ja bisher nur auf einer Matratze, die noch in Plastikfolie eingewickelt war. Als erstes aber machte ich mich auf den Weg, weil ich noch zwei Glasscheiben brauchte und auch noch einen neuen Spiegel für unseren Spiegelschrank, da der alte ja zerbrochen war. Dabei aber habe ich mich leider durch Unwachsamkeit zum Zorn verleiten lassen. Denn die Verkäuferin hatte mir versprochen, dass die beiden Scheiben in einer halben Stunde geschnitten sind. Als ich aber eine Stunde später kam, hatten sie noch gar nichts gemacht, obwohl das Schneiden nur 5 Min. dauert. Nachdem ich weitere 10 Min. wartete, fragte ich noch mal nach, ob die Scheiben jetzt fertig sind. Als sie mir dann sagte: „Etwa in 15 Min., da erst noch ein anderer Kunde dran ist,“, da ist mir der Kragen geplatzt und ich habe sie voller Wut ermahnt, mir sofort die Scheiben zu machen, da ich sonst nicht bereit sei, den vollen Preis zu zahlen. Da ich sehr aggressiv war, mahnte mich Ruth zur Mäßigung und erinnerte mich daran, dass ich kein gutes Zeugnis abgeben würde. Aber selbst dadurch beruhigte ich mich nicht und war auch nicht bereit, mich am Ende von ihr zu verabschieden, da sie sich noch nicht einmal bei mir entschuldigt hatte, sondern sagte ihr wutschnaubend, dass ich ihren Laden nie wieder betreten würde. Es dauerte eine Stunde, bis ich mich endlich wieder völlig beruhigte und darüber Buße tat.

Am frühen Nachmittag hatten Ruth und ich dann auch endlich ein preisgünstiges Ehebett für uns gefunden und es nach Matute gebracht. In Peru gibt es leider kein Ikea, sondern nur viele kleine Möbelläden, die ihre Möbel selber herstellen. Dafür ist aber auch die Qualität um ein Vielfaches besser als in Deutschland, denn hier wird noch echtes Tropenholz verarbeitet, das schwer wie Blei ist. Diese Möbel halten problemlos 50 bis 100 Jahre. Für unser handgefertigtes Vollholz-Ehebett aus Tropenholz zahlten wir gerade einmal nur 300 Soles (d.h. ca. 80,- €). Dazu nahmen wir noch einen Nachttisch mit zwei Schubladen für 100 Soles (ca.28,-€), und dann war auch schon unser Budget erschöpft. Für die nächsten zwei Wochen blieben uns jetzt nur noch 750,-€ (200,-€) und damit müssen wir sparsam haushalten. Bevor ich das Bett jedoch aufbauen würde, sollte ich erst mal das Fensterelement im Schlafzimmer beginnen. Dabei kamen etwa 50 kg an aufgekehrten Glasscheibenschutt zustande. Dann stemmte ich die Kittreste weg und schliff die Metallstäbe. Um 20.00 Uhr musste ich dann aber unterbrechen, weil uns Ricardo und seine Familie erneut zum Truthahn Essen eingeladen hatte. Im Anschluss machten wir dann zusammen eine kleine Bibelandacht und dankten Gott für allen Segen, den Er uns im vergangenen Jahr geschenkt hatte. Dann sprach ich mit Ricardo, dass wir uns einer Brüdergemeinde anschließen sollten, damit diese uns zukünftig beim Evangelisieren unterstützt. Denn es kann doch nicht angehen, dass wir die Neubekehrten weiterhin sich selbst überlassen, erst recht, wenn sie obdachlos sind oder sich selbst und andere durch ihr schlechtes Milieu gefährden können, wenn sie wieder rückfällig werden. Ohne „Nacharbeit“ ist unsere ganze Missionsarbeit umsonst. Ricardo war einverstanden und wolle sich mal erkundigen, wo es her in Lima eine ernsthafte Gemeinde gibt, die uns zukünftig mit Rat und Tat unterstützen kann. Um Mitternacht gingen wir dann wieder nach oben, um uns gemeinsam das Feuerwerk anzuschauen.

LIMA, Peru 01.01.2019 Wie schön, dass die „Güte Gottes den ganzen Tag währt“, so dass der „Gewalttätige“(Satan) am Ende nichts mehr zu rühmen haben wird, dass ihm seine Rebellion gegen Gott irgendetwas eingebracht hätte (Ps.52:1). Doch solange wir noch nicht am Ziel sind, müssen wir uns noch sehr vor der „Zunge des Trugs“ (V. 4) hüten, die eine „Welt der Ungerechtigkeit“ ist und wie ein verderbliches Feuer so viel Schaden anrichtet, wenn wir sie nicht zu zügeln wissen (Jak.3:1-8). Daher sollen wir uns so viel wie möglich durch das im „Haus Gottes“ aufhalten, wo wir durch den Wandel im Geist „wie ein grüner Olivenbaum“ sein dürfen (V. 8). Nach der gemeinsamen Morgenandacht und dem Gebet machten wir uns wieder an die Arbeit: Ruth musste einen großen Wäscheberg von Hand waschen, da unsere Waschmaschine vor einem Jahr kaputt ging, und ich lackierte das Fensterelement im Schlafzimmer einmal mit Rostschutzfarbe vor und dann noch einmal mit weißem Lack ein zweites Mal. Dann habe ich die Scheiben eingesetzt und versiegelt, sowie das Bett aufgebaut.

Dabei kam mir der Gedanke, dass ich mal ein Traktat schreiben sollte, dass die Peruaner anspricht, weil es sich auf ihre konkrete Lebenssituation bezieht, auf die ich eingehen könnte. Die soziale Not in Peru kann man nicht einfach ausklammern, aber man muss sie im Lichte der Bibel beleuchten und bewerten. Das Traktat soll den Titel tragen: „¿Por qué los presidentes no tienen la única culpa por la pobreza que hay en el Perú?“ („Warum die Präsidenten nicht die alleinige Schuld tragen an der Armut, die es in Peru gibt“). Die Antwort lautet: „Weil es nicht nur SIE sind, die das arme, arbeitslose Volk in Peru berauben, sondern auch jene große Masse an Peruanern, die schon seit Jahren keine Steuern mehr zahlen, sondern schwarz arbeiten. Die Steuergelder, die von den Präsidenten Perus in den letzten 20 Jahren geraubt wurden, sind ja von den Arbeitnehmern und Selbständigen aufgebracht, nicht aber z.B. von all jenen arbeitslosen Intellektuellen, die lautstark den Kommunismus propagieren und dafür dann auch noch schwarz Spendengelder kassieren. Damit aber werfen sie den Politikern genau das Gleiche vor, was sie selber auch tun (vergl. Röm.2:1-5), nur auf niedrigerem Niveau. Im Vergleich zu den Korruptionsskandalen der Politiker, ist der wirtschaftliche Schaden durch die ständige Schwarzarbeit aber um ein Vielfaches höher. Das eigentliche Problem für die Armut in Peru ist also gar nicht das Versagen der wenigen Verantwortungsträger, sondern die Verantwortungslosigkeit einer breiten Masse. Die Arbeitslosigkeit rührt auch nicht daher, dass es keine Arbeit gäbe, sondern dass viele nicht bereit sind, im Schweiße ihres Angesichts zu arbeiten; sie studieren lieber oder verkaufen Kaugummis an die Passanten, anstatt wirklich mal produktiv und effektiv ihre Arbeitskraft zu verkaufen, auch wenn sie eine gewisse Durststrecke überbrücken müssen, um am Ende Erfolg zu haben. Wenn die jungen Männer, natürlich lieber vorehelich den Mädchen nachlaufen, anstatt geduldig bis zur Hochzeit abzuwarten, wie es der HErr von ihnen erwartet, dann müssen sie sich nicht wundern, wenn sie auf einmal für eine Familie Verantwortung übernehmen müssen, obwohl sie noch nicht einmal für sich selbst sorgen können. Aber viele von ihnen flüchten dann auch noch davor und lassen ihre Freundin samt Kind einfach in Stich, so dass sie Sünde auf Sünde häufen. Ein räuberisches und ehebrecherisches Geschlecht bekommt aber von Gott genau die Politiker, die es auch verdient. Veränderungen lassen sich aber nicht auf dem politischen Wege erzwingen, sondern nur durch eine Veränderung des Herzens durch eine Neugeburt…“

LIMA, Peru   02.01.2019 Am Morgen erfuhr Ruth durch die Nachrichten, dass Peru mal wieder von einem heftigen Politskandal heimgesucht wird, der seines Gleichen sucht: In den letzten Jahren hat ein Staatsanwalt namens José Domingo Perez sämtliche korrupte Präsidenten und Abgeordneten Perus aufgrund des Odebrecht-Skandals hinter Gittern gebracht und wurde deshalb vor kurzem auf Drängen des korrupten Parlaments durch den 80jährigen Bundesrichter Pedro Chávarry heimlich in der Silvesternacht abgesetzt. Als die Medien dies dann herausfanden und auch noch herauskam, dass auch Chávarry tief im Sumpf des Korruptionsskandals verwickelt ist und diesen wie ein Mafia-Pate gedeckt habe, gingen 100 Tausende Peruaner gestern Abend auf die Straße und verlangten, dass das gesamte Parlament abgesetzt werde. Schon zu Silvester hatte man überall lebensgroße „Piñetas“ (Politikerpuppen) zum Verkauf angeboten, die dann um Mitternacht angezündet wurden, um dadurch den Volkszorn auszudrücken. Perus Präsident Vizcarra versucht nun den Schaden einzudämmen, indem er durch eine Verfassungsänderung den Bundesrichter absetzen lassen will (was andernfalls gar nicht möglich wäre). Aber dem Volk reicht dies nicht, denn ihnen wurden im Zuge des Odebrecht-Skandals in den letzten 20 Jahren etwa 50 Milliarden Dollar gestohlen, für die man viele Krankenhäuser und Schulen hätte bauen können, sowie Wasseraufbereitung für das nach Wasser und Gerechtigkeit dürstende Volk. Die Proteste hören deshalb nicht auf, ähnlich wie bei der Französischen Revolution: man will die Köpfe der Politiker rollen sehen. Wie wird es nur weiter gehen mit Peru? Es ist so wie der HErr gesagt hat: „Ratlosigkeit der Nationen bei brausendem Meer und Wasserwogen“ (Luk.21:25).

Wenn ich so wie gestern den ganzen Tag stehen muss, bekomme ich leider öfter mal Rückenschmerzen, und da es auch heute mal wieder bullenheiß ist, verabredeten wir uns mit Ricardo, um gegen Mittag ins nahe gelegene Hallenbad zu gehen. Vorher wollte ich aber noch den alten Kleiderschrank abschleifen und 1-2 x vorlackieren. Doch da machte ich leider einen verhängnisvollen Fehler, indem ich zwar meine umliegenden Möbel und Fußböden abdeckte, nicht aber den Flur und die Nachbarzimmer. Da wegen der Hitze jedoch Durchzug war, wehte der Schleifstaub überall hin auf sämtliche Möbel im Flur, so dass Ruth völlig durchdrehte und wüst mit mir schimpfte. Ich entschuldigte mich immer wieder bei Ruth, aber sie konnte sich kaum beruhigen. Ich dachte an das Sprichwort: „Auch wer sich in seiner Arbeit als nachlässig erweist, ist ein Sohn, der Schande bringt.“ Wir brauchten über eine Stunde, bis sämtlicher Staub wieder von den Möbeln runter gefegt war. Dann lackierte ich das rohe Holz zweimal hintereinander und musste dann auch schon los, weil Ricardo auf uns wartete. Im Schwimmbad machte ich gleich am Anfang den Fehler, dass ich sofort Kopf über ins Wasser sprang und erst dann bemerkte, dass es nur 1,10 m tief war (es war aber nichts passiert, dem HErrn sei Dank). Leider musste ich mir dann schon wieder von Ruth und Ricardo eine Standpauke anhören, dass ich doch viel umsichtiger sein müsse. Dass das Becken so eine geringe Tiefe habe, läge daran, dass „nur etwa 10 % der Peruaner überhaupt schwimmen können“, erklärte mir Ricardo. Tatsächlich hielten sich auch die meisten nur am Beckenrand auf und planschten ein wenig.

Als wir wieder zurück waren, musste ich nochmal kurz los, um mir Schleifpapier zu kaufen. Als ich zurückkam, war auf dem Parkplatz in Matute eine Schlägerei im Gange zwischen zwei Männern. Einer der Zuschauer rief unverhohlen: „Mátalo!“ („Bring ihn um!“). Als ich dann weiter um die Ecke ging, knallte es plötzlich hinter mir. Ob es ein Schuss war oder nur ein Sylvesterknaller, konnte ich nicht sagen, aber ich wollte es auch nicht wissen. Denn ich war schon einmal 1999 in Matute zusammen mit meinem Vater mitten in eine Schießerei zwischen zwei Banden geraten, so daß wir in Deckung gehen mussten. Was für ein Land! Ich habe dann nacheinander die Garderobe, der Stubentisch und den Kleiderschrank jeweils geschliffen, vorlackiert und endlackiert in Weiß, und wurde damit erst fertig, als Ruth am Abend wieder kam. Sie freute sich zwar über das Ergebnis, war aber trotzdem frustriert, weil heute kein einziger Kunde in die Praxis kam. Grund dafür war sicherlich auch, dass Francisco bisher überhaupt keine Werbung gemacht hatte für seine Tierarztpraxis. Es gab noch nicht einmal ein Schild draußen, das darauf hinwies, dass er dort eine Tierarztpraxis hatte! Francisco würde sich voll und ganz auf seine wenigen Stammkunden und auf deren Mund-zu-Mund-Propaganda. Ganz nebenbei erwähnte Ruth dann noch, dass vor kurzem ein anderer junger Tierarzt nebenan seine Praxis eröffnet habe, der extrem billig sei und dadurch dem Francisco das Wasser abgräbt (dieser nehme für eine Allgemeinuntersuchung z.B. nur 10 Soles, während Francisco 50 Soles nimmt. „Das ist sein Tod,“ sagte ich. „Wenn er das überleben will, dann müsste er woanders hinziehen. Marketingmäßig hat Francisco so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann: Er hätte selber erst mal sehr preisgünstig beginnen müssen mit viel Werbung, um auf sich aufmerksam zu machen. Und erst, wenn er genügend Stammkunden hat, kann er erst die Preise erhöhen.“

LIMA, Peru 03.01.2019 Ruth hatte die Idee, eine Sterilisationskampagne in Matute zu machen, damit sie zusammen in Matute neue Kunden gewinnt. Sie hatte diesen Vorschlag auch schon mit Francisco besprochen, aber dieser wollte nur Katzen sterilisieren, obwohl es in Matute wesentlich mehr Hunde gibt, da das Sterilisieren von Katzen einfacher sei. „Wieder so ein Marketing-Fehler,“ sagte ich, „denn der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Ruth bat mich, ob ich ihr ein großes Plakat mit einem Edding schreiben könnte, weil ich so eine schöne Schrift hätte. Ich gab mir dabei zu viel Mühe, und Ruth bat mich, es etwas schneller zu schreiben, weil ich mehrere machen solle. Am Ende ließ sie das Plakat jedoch kopieren und hängte es an mehreren Stellen in Matute auf. Bevor sie das Haus verließ, bat sie mich noch, für den Erfolg zu beten. Indes machte ich mich daran, die Fensterscheiben aus dem Küchenfensterelement vorne herauszuschlagen und auch die Kittkrusten mit Hammer und Schraubendreher herauszustemmen. Dies dauerte den ganzen Vormittag, dann machte ich alles sauber. Auf einmal kamen klopfte es an der Tür und vier Personen in merkwürdiger Feuerwehrverkleidung mit Schutzhelmen und Sonnenbrille standen vor der Tür. Sie sagten, dass sie vom örtlichen Stromlieferanten sind und etwas überprüfen müssten. Ich sagte, dass ich sie nicht ohne Erlaubnis meiner Frau ins Haus lassen dürfe, meine Frau aber in einer halben Stunde von der Arbeit käme. Sie gingen daher erst mal, und als sie kam, erzählte ich es ihr. Aber Ruth regte sich sehr darüber auf underklärte mir, dass es sich um Räuber handeln müsse, denn der Stromzähler befände sich außerhalb des Hauses an zentraler Stelle, so dass es im Haus nichts zu überprüfen gäbe. So reagierte Ruth denn auch entsprechend drastisch, als sie kurz darauf wiederkamen und verweigerte ihnen den Zugang, indem sie ihnen die Tür vor der Nase wieder zuknallte. „Wer antwortet bevor er anhört, dem ist es Narrheit und Schande“ sagte das Wort. Aber zum Glück blieben die Männer beharrlich: „Señora, bitte, gehen Sie doch nicht weg, sondern hören Sie doch erst mal zu! Wir sind nämlich wirklich vom Stromlieferanten Luz del Sur, aber wir wollen nicht den Strom ablesen, sondern wir sollen bei Ihnen etwas überprüfen?“ – „Und was wollen Sie dann bei mir überprüfen?!?“ – „Es geht darum, dass sich in der Grundstücksmauer vor ihrer Wohnung eine Straßenlaterne befindet; und wir wollen nur überprüfen, ob von dieser heimlich Strom abgezapft wird. Es ist nämlich in der Vergangenheit schon öfter vorgekommen, dass solche Haushalte vereinzelt auch den Strom von Straßenlaternen gestohlen haben, so dass sie dadurch überhaupt keinen Strom bezahlen brauchten.“ Als Ruth diese Erklärung hörte, ließ sie die Leute in den Vorhof zur Wohnung, und nachdem sie den Laternenmast von hinten sahen, waren sie auch schon wieder weg.

Ruth hatte auf dem Rückweg Ceviche mitgebracht, jenes peruanische Nationalgericht aus rohem Fisch mit Limettensaft und Chili, das hier so viel gegessen wird wie etwa Currywurst mit Pommes in Deutschland. Diesmal war das Ceviche aber dermaßen scharf, dass ich eine kleine Vorahnung davon bekam, wie der reiche Mann im Hades ungefähr gelitten haben muss (Luk.16:19-31). Nach dem Mittag habe ich die Rahmen geschliffen, abgestaubt und vorlackiert und dann alle noch ein zweites Mal gestrichen, während Ruth ihre Freundin Miluska besuchte. Ich hatte gerade angefangen das Küchenfenster ein zweites Mal zu lackieren, da roch es auf einmal nach Verbranntem. Erst dachte ich mir nichts dabei, aber dann hörte ich, wie auch zwei Nachbarfrauen untereinander redeten, dass irgendetwas brennen würde. Ich ging zu ihnen, und sie sagten mir, dass der Geruch aus der Wohnung unserer Nachbarin käme. Ich schaute, und tatsächlich sah die Küche von innen völlig geschwärzt aus, wobei ich mir nicht sicher war, ob es Ruß war oder ob die Scheiben bloß abgedunkelt waren. Wir riefen sie, aber keine Reaktion, außer dass ihr Hund Nico, der im Vorhof eingesperrt war und mit dem ich immer Gassi ging, laut bellte. Sie war scheinbar aus dem Haus gegangen und hatte vergessen, etwas in der Küche auszuschalten. In diesem Moment sah ich, dass über ihrer Eingangstür ein kleines Fenster offen war, durch das man einsteigen konnte. Ich holte mir also den Schlüssel, um in den Vorhof zu gelangen und brauchte jetzt nur noch etwas, um hochzusteigen. Die Nachbarinnen, die mich dabei beobachteten, riefen mir zu, ich solle doch erst noch einmal kräftig klopfen. Das tat ich, und da sah ich auf einmal, wie Doña Isabel vom hinteren Teil der Wohnung zur Tür kam und diese öffnete. Sie sagte, sie habe ein Mittagsschläfchen gemacht, aber offensichtlich kam der Geruch nicht aus ihrer Wohnung, also falscher Alarm. Ich entschuldigte mich bei ihr und ging wieder zurück ins Haus. Durch die offenen Fenster hörte ich dann die Nachbarinnen tratschen: „Doña Isabel, dieser Deutsche wollte durch Ihr Oberlicht in Ihr Haus eindringen, aber wir haben es gerade noch verhindert! Wissen Sie eigentlich, dass dieser Deutsche einen Schlüssel haben muss von ihrem Hof? Er war nämlich ganz plötzlich irgendwie rein gelangt! Oder er muss das Schloss mal eben geknackt haben…“ Aber Frau Isabel beschwichtigte sie dann: „Nein, nein, alles in Ordnung. Ich hatte den Nachbarehepaar einen Hofschlüssel gegeben, damit sie immer mal zwischendurch meinen Nico ausführen können, wenn er mal wieder zu viel bellt.“

LIMA, Peru 04.01.2019 Gestern Abend war noch Eva gekommen und hatte bis spät in die Nacht sich mit Ruth unterhalten, bevor sie dann endlich zu Bett gingen. Am Morgen war Ruth entsprechend unausgeschlafen und gereizt. Zunächst war es die Haustür, über die sie sich aufregte, weil sie nach dem Lackieren nicht mehr richtig zuzuschließen war. Dann scheuchte sie Eva aus dem Bett und schimpfte mit mir, dass ich mal wieder am Notebook saß, anstatt Frühstück zu machen. Da wachte ich geistlich auf und befahl Ruth und Eva, dass sie sich sofort anziehen mögen, damit wir gemeinsam in Gottes Wort lesen und beten mögen. Aus gegebenem Anlass las ich mit ihnen Eph.6:9-14 über die Waffenrüstung Gottes, die wir uns jeden Morgen bewusst anziehen sollten, um nicht durch den Feind geschädigt oder verstrickt zu werden, indem wir dem Fleisch in uns Raum geben. Sofort begann auch Ruth umzudenken und bekannte im Gebet ihre Nachlässigkeit, was die Stille Zeit betrifft. Auch warfen wir alle unsere vielen Sorgen auf Ihn, der für uns besorgt ist.

Ruth ging dann mit Eva Obst und Gemüse einkaufen, während ich die Glasscheiben fürs Küchenfenster und Wohnzimmer bestellte und mit nach Hause nahm. Dann klebte ich die Scheiben für die Küche ein, versiegelte sie und lackierte die Metallrahmen an einigen Stellen nach. Während dessen stellte ich mir die Frage, ob ich den Mario, der sich ja seit seiner Bekehrung vor rund einer Woche gar nicht mehr gemeldet hatte, nicht bei der Polizei anzeigen müsste. Es gibt zwar das Beichtgeheimnis, aber kein absolutes. Denn wenn er wirklich zwei Morde begangen hat, die bis heute nie aufgeklärt wurden, dann kann ein solches Verbrechen nicht einfach ungesühnt bleiben, selbst wenn er sich jetzt bekehrt haben sollte. Und wenn er gleich sofort wieder in sein altes Verbrecherleben zurückgekehrt ist, dann bestünde sogar die Gefahr, dass er weitere Morde begeht, wenn er nicht aufgehalten wird. Ich hatte 2006 schon einmal einen Serienbetrüger bei der Bremer Polizei angezeigt, die ihn jedoch nicht festnahm, da angeblich „keine Fluchtgefahr“ bestand und er „seine Bewährungsauflagen erfülle“. Daraufhin flüchtete er aus Bremen und betrog immer weiter Kaufleute in Sachsen-Anhalt und Bayern, bis er schließlich in Ungarn ein deutsches Rentnerehepaar ermordete und dafür zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Wäre die Bremer Staatsanwaltschaft damals nicht so nachlässig gewesen, dann würde das Rentnerehepaar vielleicht heute noch leben! Die Polizei ist ja eine „Dienerin Gottes“, daher sollten wir sie als Christen unterstützen, so wie es Mordokai tat in Esther 2:22-23. Ich werde mal sehen, dass ich den Mario morgen aufsuche und ihn ermahne, sich freiwillig zu stellen, da ich ihn andernfalls anzeigen müsse. Wenn er wirklich gläubig ist, wird er dies einsehen. Und wenn er nur geflunkert hat oder es keine Beweise für die Morde gibt, dann wird die Polizei das feststellen. Ich werde einfach nur meine Zeugenaussage machen, um nicht mitschuldig zu werden, falls Mario noch weitere Straftaten begehen sollte.

Gegen Mittag sprach ich mit Eva über die Lehren der Siebenten-Tags-Adventisten und erklärte ihr, dass deren Gründerin Ellen G. White sich schon öfter mal geirrt habe. So widerrief sie z.B. die visionär erteilte Erlaubnis des Genusses von Schweinefleisch vom 21.10.1858 und ersetzte sie durch ein Verbot. Ähnlich opportunistisch verhielt sich White auch in der Frage der geschlechtsspezifischen Frauenkleidung. Zudem habe sie ihre fragwürdigen Ideen häufig gar nicht durch Visionen empfangen, sondern sie hat ihre teilweise haarsträubenden Behauptungen nachweislich z.T. seitenweise einfach aus obskuren Quellen und gefälschten Apokryphen abgeschrieben (z.B. aus dem „Buch Jaschar“, das erst im 19. Jh. von einem Phantasten erdichtet wurde). Abgesehen davon ist schon allein ihre Behauptung, dass alle Christen, die nicht am 7. sondern am 1. Wochentag dem HErrn zur Ehre den Ruhetag halten, allein schon deshalb angeblich das Malzeichen des Tieres angenommen hätten, nicht nur eine Schmähung aller andersdenkenden Kinder Gottes heute, sondern auch eine Entehrung aller Glaubensväter (5.Gebot!), die in den 1800 Jahre vor Ellen White lebten, ja sogar fast der gesamten Christenheit. Glücklicherweise war Eva in diesem Punkt einsichtig und sagte, dass – sollte Ellen White dies tatsächlich behauptet haben (was historisch Fakt ist!) – dann habe sie sich mindestens in diesem Punkte geirrt. Dann sprach ich Eva als nächstes Mal auf das Thema Kopfbedeckung beim Gebet an (1.Kor.11:1-16), weil sie dieses bisher nicht beachtet hatte und dadurch ihren Mann – ohne es zu wissen – als Oberhaupt geschändet habe. Bei dieser Gelegenheit nannte ich aber auch das Gebot in 5.Mo.22:5, da man dieses nicht davon trennen könne, weil es ja in beiden Geboten um die Darstellung der geschlechtsspezifischen Unterscheidung von Mann und Frau geht, die seit 50 Jahren im Zuge der Emanzipationsbewegung einfach abgeschafft und wegerklärt wurde. Hier leistete ihr dann aber leider auch Ruth Schützenhilfe, indem sie mit Beispielen wie Unterhosen oder Hemden kam, bei denen man doch schließlich ebenso nur durch den unterschiedlichen Schnitt das Spezifische erkennen könne. Dass es sich bei der Frauenhose indes um ein verfluchtes Zaubersymbol handle, das für die Emanzipation der Frau gegen den Mann steht, wollte Ruth nicht (an)erkennen.

Am späten Nachmittag lackierte ich dann noch die Haustür von beiden Seiten, räumte den Hof auf und rückte in der Küche wieder die Möbel an ihre Stelle. Dann besserte ich noch mal mit der Wandfarbe nach und fegte die Fußböden. Als Ruth abends von der Arbeit kam, freute sie sich über die Ordnung und hatte auch selbst gute Nachrichten, da diesmal deutlich mehr Kunden in Franciscos Praxis gekommen waren und sie allerhand zu tun hatte. Sie teilte mir auch mit, dass Jonathan sie angerufen habe, um ihr mitzuteilen, dass er morgen gegen 20.00 Uhr uns besuchen wolle zusammen mit seiner Mutter Alexandra (53), was nicht ganz unproblematisch ist, denn da sie vor 21 Jahren ihren Mann (Ruths Bruder) Israel samt ihren beiden Söhnen in Stich gelassen hatte wegen eines anderen Mannes, hatten Ruth und ich in den letzten 20 Jahren keinen Kontakt mehr mit ihr haben wollen. Unter der Bedingung, dass sie Israel und seine Söhne um Vergebung bitten möge und echte Reue zeige für ihr damaliges Verhalten, war Ruth bereit, sie zu empfangen.

LIMA, Per 05.01.2019 Am heutigen Samstag durfte ich wieder viel erleben mit dem HErrn: Nach dem Frühstück erklärte ich Ruth, dass ich heute nicht arbeiten wolle, sondern wieder evangelisieren, weil samstags immer mehr Menschen in der Stadt sind. Auch wollte ich die Nike-Sportschuhe und die Hose, die uns Walter gab, für den Mario mitnehmen, falls ich ihn antreffen sollte. Vorher aber wollte ich bei der Polizei eine Zeugenaussage machen, um mich an der Mitwisserschaft durch Mario nicht schuldig zu machen, da ich nicht verantwortlich sein wollte, falls Mario einen weiteren Mord begehen würde. Ruth hatte dabei ein mulmiges Gefühl, deshalb wollte sie mich dabei begleiten. So gingen wir auf die Polizeiwache unseres Stadtteils La Victoria, wo wir jedoch erfuhren, dass sie nicht zuständig seien, da der Beschuldigte im Stadtteil Lima-Zentrum wohne (wenn auch als Obdachloser). Wir fuhren also dort hin und erklärten dort erneut unser Anliegen. Allerdings auch dort fühlte man sich nicht für zuständig, weil es sich um Mord handeln würde und dafür ein spezielles Morddezernat zuständig sei, dass sich zwei Häuserblocks weiter in der Calle España befanden. Ruth wurde langsam ungeduldig, weil sie sich für 11.00 Uhr mit Francisco für eine OP verabredet hatte. Zudem war auch heute wieder eine solche Hitze, dass man den Eindruck hatte, gegrillt zu werden, sobald man sich länger draußen aufhielt. Ich bot ihr aber an, sie könne doch jederzeit gehen, da ich „kein Kindermädchen“ brauche. Als wir dann bei jenem – einer Festung gleichendem – Gebäude ankamen, wollte man Ruth keinen Zutritt gewähren, da sie im Gegensatz zu mir keinen Ausweis dabei hatte. Sie wartete also draußen, während ich in den 3. Stock ging und dort erneut kurz mein Anliegen vortrug. Als mich der Mann im Vorzimmer erneut abwimmeln wollte, bestand ich darauf, mit seinem Vorgesetzten zu sprechen. In dem Moment kam der Comandante Victor Revoredo Farfán heraus und bat mich in seine Amtsstube, die voller Auszeichnungen, Fotos, Medaillen, aber auch vieler katholischer Jesus-Bildchen war. Sein riesiger Schreibtisch und sein großes Namensschild ließen keinen Zweifel daran, dass er hier der absolute Boss war. Schweißüberströmt erklärte ich auch ihm mein Anliegen, und als ich fertig war, stand er auf und schenkte mir erst mal ein Glas Mineralwasser ein. Dann ging er hinaus und sagte nur, dass ich ihn mal kurz entschuldigen möge.

Kurz darauf kam er mit zwei anderen Männern und einer Frau hinein, stellte mich ihnen kurz vor und setzte sich dann, um ihnen zu erzählen, was ich ihm gesagt hatte. Dann fing er an, ihnen einen Vortrag zu halten, wie stark der christliche Glaube eine Person verändern könne und dass er als überzeugter katholischer Christ sich von Herzen wünschen würde, dass es noch mehr solche Überzeugungstäter wie mich gäbe, die ihre „wertvolle Zeit investieren, um solche armseligen Kriminellen auf den Weg des Guten zu bringen und die sich ernsthaft um ihre Zukunft sorgen „. Mit diesen und noch vielen weiteren Schmeicheleien wollte er sich für mein Engagement bedanken und versicherte mir, diesen Fall mit allen erforderlichen Mitteln zu verfolgen, um die Morde aufzuklären. Er bot mir an, gemeinsam mit ihm Mittag zu essen, was ich aber ablehnte, da Ruth auf mich wartete. Als er mir dann noch zur Erinnerung eine Tasse schenkte mit dem Emblem seiner Behörde und auch noch ein Foto mit mir machen ließ, hatte ich zunächst den Eindruck, dass man mich hier verschaukeln wollte (als dummen Gringo, der sich durch Lob blenden lasse). Doch die beiden Männer, die mich nun zu dem Ort bringen sollten, wo Mario jede Nacht schlief, waren alles andere als gleichgültige Pflichterfüller, sondern absolute Profis. Sie brachten mich und Ruth in einem Zivilauto hin und machten Fotos. Dann ließen sie mich ein Phantombild anfertigen und zeigten mir Fotos von Verdächtigen, die es jedoch nicht waren. Da Ruth sich um mich sorgte, versicherten sie ihr, erst nach meiner Abreise einen Zugriff zu machen. Dann brachten sie mich wieder auf den Plaza de San Martin, wo ich mich von Ruth trennte.

Als ich auf den Platz kam, ging ich geradewegs in den Schatten eines der Bäume, wo drei junge Männer standen, die ich auf das Evangelium ansprach. Ganz allmählich gesellten sich weitere Männer zu uns und hörten meiner Botschaft mit mehr oder weniger großem Interesse zu. Am Ende lud ich sie ein, den HErrn Jesus Christus als HErrn anzunehmen und fragte in die Runde, wer mit mir beten wolle. Alle schauten mich schüchtern an und fühlten sich offensichtlich unwohl bei dieser aufdringlichen Frage. Nach und nach stahl sich dann auch einer nach dem anderen hinweg, je länger ich auf sie einredete, bis zum Schluss nur noch einer übrig blieb, der immer noch standhaft zuhörte. Doch trotz allem Zuredens traute er sich nicht, mit mir zusammen zu beten, sondern sagte nur leise: „Ich möchte mich heute Abend zuhause bekehren; das geht doch auch, nicht wahr“. Ich sagte: „Ja, selbstverständlich. Das Gebet ist ja etwas ganz Persönliches, und das können Sie auch im stillen Kämmerlein.“ Der junge Mann heißt Helberto, oder so ähnlich. Ich ging dann weiter unter den nächsten Baum und fragte wieder. Diesmal winkten aber zwei Männer sofort ab und gingen weg, während aber ein anderer schon etwas älterer Mann stehen blieb und zuhörte. Dieser aber hatte nicht nur eine Hasenscharte, sondern ihm fehlten auch vorne die Zähne, sodass ich ihn immer wieder nicht richtig verstand. Auch er traute sich am Ende nicht, sich öffentlich zu bekehren, sondern sagte nur, dass er im Moment nicht dazu bereit sei. Ich fragte ihn dann noch nach seinem Namen (Adolfo) und verabschiedete mich dann.

Als nächstes unterhielt ich mich mit einem gewissen Jesús* (26) unter vier Augen, den ich ebenso drängte, ins Reich Gottes einzugehen, aber auch er zögerte und blieb unentschlossen (*Jesús ist im katholischen Südamerika ein häufiger Vorname) . Unterdessen hatte sich ein offensichtlich Homosexueller neben uns hingestellt und hörte zu. Da Jesús sich nicht entscheiden wollte, sprach ich diesen an, der sehr auskunftsfreudig reagierte und mir seine ganze Lebensgeschichte erzählte. Elias – so hieß er – kam aus christlich-charismatischem Elternhaus, hatte sich aber schon früh vom christlichen Glauben abgewandt, nachdem er seine „Erleuchtung“ im Zen-Buddhismus fand. Er hielt mir dann eine halbe Stunde lang einen Vortrag über irgendwelche Yoga-Energien und tantrisch-buddhistischen Chakren, nahm aber im Gegenzug vom Evangelium gar nichts an, sondern wollte eher scheinbar mich zum Buddhismus bekehren, so dass ich mich freundlich von ihm verabschiedete. Auch bei dem nächsten Kandidaten hatte ich leider keinen Erfolg, denn er stellte mir zwar viele Fragen und hörte auch lange zu, aber am Ende plapperte er dann doch immer nur die falschen Phrasen des Marxismus nach, die er von jenem Marxismus-Prediger Jaime aufgeschnappt hatte und nahm von mir nichts an. Er wollte mir zum Schluss noch nicht einmal seinen Namen verraten, weil er mir misstraute.

Ich war frustriert, denn inzwischen war es schon 16.30 Uhr und kein einziger „Fisch“ hatte bisher angebissen. Noch deprimierter war ich, als ich die riesige Menschenmenge sah, die sich wieder um jenen Jaime gescharrt hatte, der den Leuten täglich zur selben Stunde und am selben Ort das Paradies auf Erden ohne Gott und Jesus predigte. Zur gleichen Zeit sah ich einen Pfingstler-Evangelisten, der mit lauter Stimme das Evangelium predigte und kein einziger hörte ihm zu. Was für ein Jammer! Ich überlegte schon, nach Hause zu fahren, aber bat den HErrn, dass Er doch wenigstens noch eine Seele retten möge. In diesem Moment winkte mir Jesús (26) zu, der auf einer Bank saß zusammen mit einem anderen Jungen. Ich ging zu ihnen und Jesús stellte mir seinen Freund „Israel“ (20) vor, ein magersüchtiger Junge, der mit seinen großen Locken zwar sehr hübsch aussah, jedoch bestialisch stank, weil er sich offensichtlich seit Wochen nicht gewaschen hatte. Jesús fragte mich, ob ich die Schuhe und die Hose, die ich den ganzen Tag schon in einer Plastiktüte mit mir schleppte (und die ursprünglich für Mario bestimmt waren), ob ich diese nicht dem Israel schenken könne, da dessen Schuhe schon auseinanderfielen. Und tatsächlich: als dieser dann meine Schuhe anprobieren wollte, sah ich, wie er aus seinen kaputten, stinkenden Schuhen seine Füße herauszog, die man durch die riesigen Löcher seiner ekeligen Strümpfe sehen konnte. Leider hatten die Nike-Schuhe Größe 42, während er Größe 44 hatte. Glücklicherweise passten sie aber zufällig dem Jesús, so dass ich sie ihm schenkte, während Israel die Jeans bekam. Dann lud ich die beiden ein, mit mir einen schattigen Platz aufzusuchen, wo wir weiter reden könnten.

Wir setzten uns auf eine andere Bank im Schatten, und ich erklärte beiden noch einmal das Evangelium und dass der HErr Jesus auch für sie gestorben sei. Dann las ich ihnen die Geschichte vom verlorenen Sohn in Luk.15 vor und fragte den Israel, ob er jetzt auch zum Vaterhaus gehen wolle. Er sagte sofort „Ja!“ Dann betete ich mit ihm, und er sprach mir alle Worte nach, außer in dem Moment, wo er von sich aus mal offen seine mir unbekannten Sünden aufzählen sollte, was er auch tat. Danach fragte ich seinen Freund Jesús noch einmal, ob nicht auch er jetzt endlich seinem Herzen einen Ruck geben wolle, um sich zu bekehren. Er zögerte noch immer, aber am Ende willigte er doch ein, zusammen mit mir zu beten. Auch er zählte dann eine ziemlich lange Liste an Sünden auf, die er vor Gott bekennen wollte und wir schlossen mit einem gemeinsamen „Amen“. Wir unterhielten uns dann noch eine ganze Weile über ihre Lebenssituation, und mir war klar, dass ich sie nun unmöglich einfach wegschicken konnte, zumal ich erfuhr, dass nicht nur Israel (20), sondern auch Jesús (26) obdachlos waren. Sie taten mir so sehr leid, dass ich sie zu mir nehmen wollte, damit sie sich endlich mal duschen und umziehen könnten. Inzwischen klebte auch mir das T-Shirt am Körper und ich merkte, dass ich muffelte. Wie viel mehr also diese, die schon lange weder sich noch ihre Klamotten waschen konnten. Ich lud sie also nach Matute ein und sie kamen bereitwillig mit. Auf dem Weg war ich aber schon wieder von Unsicherheit und Zweifeln angefochten und ich betete: „HErr, ich bin so schwach, aber Du bist mächtig. Handle Du um Deines Namens willen und schenke Du mir Weisheit, wie ich mich richtig verhalten soll. Und schenke doch der Ruth diesmal ein weites Herz, dass sie diesmal meine Gäste bereitwillig aufnehme! Ich kann gar nichts tun ohne Dich, deshalb hilf mir bitte! Ich liebe Dich. Amen!“ Nach etwa 15 Haltestellen stiegen wir aus und gingen zu unserer Wohnung im Residenz-Distrikt Matute. Ruth war noch nicht gekommen.

Zunächst duschte sich Israel und dann Jesús. Dem Israel gab ich zuvor von mir ein Unterhemd, Unterhose, ein Hemd und ein Handtuch. Zudem bot ich ihm an, dass wir seinen stinkenden Pullover und sein T-Shirt waschen könnten, was er dankbar annahm. Jesús erbat sich nur neue Strümpfe von mir. Am liebsten hätte ich ihnen auch einen Schlafplatz für die nächsten 7 Tage angeboten (solange ich noch da war), aber Ruth hätte das nie erlaubt (abgesehen davon, lehnten sie dies auch ab). Ich schaute im Kühlschrank nach, ob ich ihnen etwas zu Essen geben konnte und entdeckte einen ganzen Topf mit Bratnudeln und Hähnchenfleisch, den Ruth extra zurückgestellt hatte für den morgigen Sonntag. Ich machte ihn warm und verteilte alles auf drei Teller. Sie setzten sich und wir beteten gemeinsam. Israels Teller war schon kurze Zeit später leer, denn der ausgehungerte Junge hatte das Essen förmlich in sich hinein geschlungen. Ich tat dann sämtliches Obst auf den Tisch, und Israel nahm sich eine große Mango, und ich dachte noch einmal an die Worte in Luk. 15: „Bringet das Beste herbei!“ Da fiel mir ein, dass wir im Eisfach auch noch Schokolade aus Deutschland hatten, und ich bot ihnen eine Tafel an. Dann erzählten sie mir von sich: Jesús Eltern waren arme Fischer, die in einem 4 Stunden von Lima entfernten Fischerdorf namens Huarmey wohnten. Auch Jesús musste die ersten Jahre seiner Kindheit in einem Heim verbringen, da er als 9. Kind seiner Eltern von diesen nicht versorgt werden konnte. Später aber holte seine Mutter ihn wieder nach Haus, nachdem der Vater gestorben war, damit er seine Brüder beim Fischfang unterstütze. Doch dann erkrankte seine Mutter an Tuberkulose und starb qualvoll. Aber auch Jesús hatte sich angesteckt und war dem Tode nahe, so dass er seinen Glauben an Gott verlor. Da er als Fischer keine Arbeit fand, zog er vor 3 Wochen nach Lima, wo er jedoch in einer Nacht komplett ausgeraubt wurde und seither auf der Straße lebe. Israel hingegen ist in Cuzco (im Gebirge) aufgewachsen. Seine Mutter hatte sich schon früh von seinem alkoholabhängigen Vater scheiden lassen, so dass dieser ihn als einzigen Sohn mit der Verwaltung des Haushaltsgeldes betraute. „Wenn ich einmal wieder stockbetrunken von dir Geld fordere, um Alkohol zu kaufen,“ sagte sein Vater, „darfst du es mir nicht geben, selbst wenn ich dich noch so sehr anflehe!“ Doch schon bald bedrohte ihn der Vater im Alkoholrausch, verprügelte ihn, weil er nicht das Geld rausrücken wollte, und schmiss ihn am Ende raus, weil er ihn angeblich bestohlen habe. Seither bekomme er von seiner Tante hin und wieder eine Unterstützung, müsse aber auf der Straße leben, da der neue Mann seiner Mutter und der seiner Tante ihn ablehnten. Da seine Tante jedoch aus Denver (USA) sei, bestünde die Möglichkeit, dass sie ihn irgendwann dorthin mitnehme.

Unterdessen war Ruth gegen 19.00 Uhr gekommen und war nicht gerade erfreut darüber, dass ich schon wieder Unbekannte mit nach Haus gebracht habe ohne sie um Erlaubnis zu fragen. Ruths Hauptsorge war jedoch ihre Schwägerin Alexandra, die ja zusammen mit ihrem Sohn Jonathan um 20.00 Uhr kommen wollte und vor deren Besuch der Ruth graute. Deshalb ging ich erst mal mit den beiden jungen Männern hinaus und setzte mich auf eine Parkbank. Ich schenkte dem Israel eine Bibel und erklärte ihm kurz die Bücher der Bibel und wie sie aufgeteilt seien. Dann gab ich ihm noch Busgeld, damit er zu seiner Mutter nach Lurin fahren könne, um dort zu übernachten. Auch dem Jesús gab ich Busgeld, jedoch nicht für Huarmey, denn das hätte 30 Soles gekostet, die ich nicht hatte, sondern nur, um in die Innenstadt zurückzufahren. Ich lud beide ein, am nächsten Tag wieder zu kommen, wollte sie jedoch nicht kompromittieren. Wir beteten noch einmal zusammen und verabschiedeten uns. Ich ging in die Wohnung zurück und sprach mit Ruth, die mal wieder sehr aufgeregt war und weinte. Deshalb zog ich mich erst mal zurück und betete. Als ich dann in die Küche zurückkam, erklärte mir Ruth, dass sie im Moment überhaupt nicht in der Lage sei, die Alexandra zu empfangen, da sie sich sicher sei, dass dieses Treffen in einem heftigen Streit enden würde. Denn Alexandra habe ja noch gar keine wirkliche Buße von ihrem Ehebruch getan und auch nie auf jenen letzten Brief von Ruth geantwortet. Deshalb bat mich Ruth, den Jonathan anzurufen, um den Besuch wieder abzusagen, zumal Ruth auch gerade wieder von starken Schmerzen geplagt sei. Da Jonathan aber nicht ans Handy ging, schrieb ich ihm eine WhatsApp-Nachricht, dass wir aufgrund von 1.Kor.5:9-13 keine Erlaubnis vom HErrn hätten, eine unbußfertige Ehebrecherin ins Haus aufzunehmen und mit ihr zu essen, dass wir aber gerne bereit wären, mit ihr am Telefon zu reden, sobald sie Buße getan habe, um sie dann erneut einzuladen. Jonathan reagierte darauf gereizt, da sie sich bereit auf dem Weg befänden. Ich bot an, mit Alexandra zu telefonieren, aber diese fühlte sich ebenso gerade gesundheitlich nicht in der Lage dazu. Ruth fiel ein Stein vom Herzen, dass sie sich nun nicht mehr diesem Stress aussetzen musste, und ihre Laune besserte sich danach schon merklich.

Kurz darauf kam dann Ricardo zu Besuch, weil er gerne noch einmal sein Herz ausschütten wollte über seine Ehesituation. Er redete etwa 3 Stunden lang und fand in Ruth eine aufmerksame Zuhörerin, die aber auch selbst gerne zu dem Thema was zu sagen hatte. Ich zog mich indes zurück und schrieb an meinem Tagebuch.

LIMA, Peru 06.01.2019 Heute Morgen sprach ich mit Ruth darüber, wie wir in der Zukunft uns effektiv um Obdachlose kümmern könnten. Leider war Ruth nicht bereit, dass wir sie in unser Haus aufnehmen, was die Sache sehr vereinfacht hätte. Ruth begründete dies mit dem barmherzigen Samariter, der den Verletzten auch nicht bei sich zuhause aufnahm, sondern in eine neutrale Herberge, wo er für zwei Tage alle Kosten bezahlte. Ich hatte daraufhin die Idee, später, wenn ich erst mal eine Firma hätte, die Obdachlosen in einer angemieteten Wohnung leben zu lassen und sie mit Lebensmitteln zu versorgen, für die sie jedoch als Gegenleistung in meiner Firma arbeiten müssten (wobei sie selbstverständlich auch noch etwas dazu verdienen, dass sie ansparen könnten, um eine Familie zu gründen). Ruths Kommentar zu meinem Vorschlag war: „Como se llama este cuento?“ („Wie lautet der Titel dieses Märchens?“). Sie hielt dies also für ziemlich unrealistisch.

Ruth hatte die Idee, zum sonntäglichen Frühstück ihren Stiefbruder Walter (69) einzuladen, damit ich ihm etwas von der Bibel bezeugen könnte. Walter ist zwar im christlichen Glauben aufgewachsen und hält sich auch selbst noch für einen Christen, aber durch den Einfluss der Welt ist seine Beziehung zu Gott schon vor Jahren erstickt und schon lange kein sichtbares Leben aus Gott mehr da. Nach dem Frühstück machte ich also eine Bibelandacht über Offenbarung Kapitel 3 und erklärte an Beispielen, was es bedeutet, wenn ein Christenleben tot oder wenn es lau ist. Als ich jedoch sagte: „Je mehr wir von Gott wissen, desto mehr machen wir uns vor Gott schuldig“ hakte Ruth ein und sagte: „Ach deshalb willst du immer nie in der Bibel lesen, Walter, weil du Angst hast, dass du zu viel dadurch wissen könntest!“ Walter aber quittierte unsere Bekehrungsversuche nur mit einem müden Lächeln und ließ die Botschaft kaum an sich herankommen. Danach standen wir auf und luden Walter zum Gottesdienst ein. Er aber winkte ab und erklärte, dass er „geschäftliche Verabredungen“ habe. Ich erinnerte Walter daran, dass wir nach dem 4.Gebot nur sechsTage arbeiten, aber am 7.Tag ruhen sollen, um uns für Gottes Wort Zeit zu nehmen. Walter meinte dann nur, dass man auch Verabredungen einhalten müsse, aber ich sagte nichts mehr dazu.

Wir gingen also wieder zum Gottesdienst in die Alianza Cristiana im Stadtteil Lince, und zwar zur letzten der 4 Gottesdienste um 13.00 Uhr, weil dann auch Ruths Freund Francisco (57) mit seiner Frau Chio (42) und ihren Töchtern Ester und Ruth (11 + 8) dort sein würden. Unter den rund 1000 Gottesdienstbesuchern kam ich mir vor wie Gulliver im Lande Liliput, denn die Peruaner sind ja nur zwischen 1,50 m bis 1,65 m groß. Heute war Abendmahlgottesdienst. Die Predigt handelte über Luk.7:1-10 (der geheilte Knecht des Hauptmanns). Was für eine Liebe, wenn man den Anhängern einer anderen Religion ein Gotteshaus erbaut! Welcher Christ würde heute schon 500.000 Euro aus seiner eigenen Tasche bezahlen, um den Juden eine Synagoge zu erbauen! Das wäre dann wirklich die ultimative Israel-Liebe. Nach dem Gottesdienst unterhielten wir uns kurz mit Francisco, den ich schon 25 Jahre lang nicht mehr gesehen hatte (er sang damals bei unserer Hochzeit und hatte sogar eine eigene christliche CD herausgebracht). Wir aßen dann etwas und gingen nach Hause, weil ich mich inzwischen stark erkältet hatte und mir die Nase ununterbrochen lief. Am späten Nachmittag las ich mit großem Interesse weiter im Buch „Seher, Grübler, Enthusiasten“ von Kurt Hutten, das ich nur jedem wärmstens empfehlen kann. Es beschreibt wie kein anderes Buch in wertschätzender Weise die Entstehungsgeschichte aller möglichen christlichen Gruppierungen der letzten 200 Jahre, also im Grunde die Epoche von „Laodizea“. Wer sich z.B. heute noch an die Zeitschrift „Klar und Wahr“ erinnern kann, die von dem christlichen Medienmogul Herbert Armstrong bis Ende der 80er Jahre herausgegeben wurde, der versteht auch die Hintergründe der heutigen Sabbatisten um Norbert Link oder Endzeitreporter, die im Grunde nur eine kalte Suppe wieder aufgewärmt haben. Alle behaupten, sie hätten ihre Wahrheiten allein aus dem Studium der Heiligen Schrift entnommen, aber in Wirklichkeit haben sie alle von einander abgeschrieben.

Als ich abends noch mal mit dem Nachbarhund spazieren ging, traf ich „Israel“ (20), den Straßenjungen von gestern, dem ich Wäsche von mir gab und der seine inzwischen gewaschene Kleidung abholen wollte. Er war sehr deprimiert und berichtete uns, dass seine Mutter verreist sei und sein Stiefvater ihn nicht aufnehmen wollte, er also ganz umsonst nach Lurin gefahren sei. Er habe den ganzen Tag nichts gegessen und fragte uns, ob wir ihm ein wenig Geld für Essen geben könnten. Ruth und ich gingen mit ihm deshalb erst mal in ein Lokal und spendierten ihm ein Essen. Dann überlegten wir gemeinsam, wie es mit ihm weitergehen könnte. Ich wollte, dass wir ihn vorerst bei uns aufnehmen sollten, weil der HErr Jesus dies von uns erwarte. Ruth war aber kategorisch dagegen und wollte ihn lieber in einer Herberge unterbringen lassen. Ruth unterhielt sich dann eine ganze Weile alleine mit ihm, während ich mich zum Gebet zurückzog. Ich bat den HErrn, dass Er doch einen Ausweg schenken möge und der Ruth eines weites Herz schenke, damit sie sich nicht so anstelle. Als ich wieder zu ihnen ging, hatten sie eine Lösung gefunden: Israel würde erst mal zu seiner Tante nach Callao fahren. Dann könnte ich mit ihm ab morgen mal zusammen auf Arbeitssuche gehen, was auch für mich gut sei, weil ich dadurch mal die Möglichkeit bekäme, mich mit Firmenchefs zu unterhalten über die wirtschaftliche Situation in Peru. Vorher aber müsse Israel einen neuen DNI (Personalausweis) beantragen, wobei ich ihm helfen könnte und die Gebühr von 25 Soles übernehmen könnte. Wir gaben ihm also erst mal 10 Soles, um zu seiner Tante zu fahren, und verabredeten uns für morgen Vormittag auf dem Plaza de San Martin.

LIMA, Peru 07.01.2019 Heute Morgen fühlte ich mich sehr schlecht. Schon gestern Abend lief mir die Nase in einer Tour und ich musste ständig niesen. Aber heute wachte ich mit einem dicken Kopf auf und war völlig schlapp. Ruth hingegen war schon früh aufgestanden, weil ja heute der erste Tag ihrer 3-tägigen Katzen-Sterilisierungs-Kampagne ist mit ihrem Tierarzt-Kollegen Dr. Francisco Lopez. Sie kaufte für mich noch schnell 1 kg Maracuja (2,5 Soles/kg = 0,75 €) und 1 kg Mango (2 Soles bzw. 0,60 €), obwohl ich gar keinen Appetit hatte. Obwohl ich mich aber wirklich krank fühlte, sah ich mich gezwungen, heute wieder in die Innenstadt zu fahren, weil ich es ja dem Israel (20) versprochen hatte. Als er mit 20 minütiger Verspätung kam, mussten wir als erstes zur Banco de la Nación, wo er die Gebühr entrichten musste für einen neuen DNI. Während wir in der 30 m langen Schlange anstanden, die schon vor der Tür begann, fragte ich ihn nach Einzelheiten, die mir nicht so ganz klar waren. So erfuhr ich, dass Israel offensichtlich die viele Kritik, die er zuhause regelmäßig einstecken muss, nicht länger ertragen wollte und deshalb von zuhause ausgerissen war, um auf der Straße zu leben. Schon in der ersten Nacht hatte man ihm dann seinen Lederrucksack samt Hand und Portemonnaie gestohlen während er schlief. Er war also nicht der typische, verwaiste Straßenjunge, wie die anderen, sondern kam aus relativ behütetem Elternhaus, nur dass als verwöhnter Spätpubertierender mit der Härte des Lebens nicht so zurechtkam. Nachdem ich für ihn die 21 Soles Gebühr bezahlt hatte, ermahnte ich ihn, sich als Jüngerer sich seinen Eltern zu unterwerfen, wie es das Wort Gottes lehrt, und dass er gemäß Klag.3:22-32 ab jetzt auch mal lernen soll, Ungerechtigkeit zu ertragen und nicht so wehleidig zu sein, damit er endlich erwachsen werde. Da er eine reiche Tante habe, die bereit war, ihn in die USA mitzunehmen, sah ich meine Aufgabe an dieser Stelle für erledigt an und verabschiedete mich von ihm.

Da ich nun einmal wieder auf dem San-Martin-Platz war, wollte ich die Gelegenheit nutzen, um wieder das Gespräch mit jungen Leuten zu suchen. Ich setzte mich wieder an einen schattigen Platz und sprach einen Jungen an, der rein äußerlich auch eher wie ein Obdachloser aussah mit einer Wunde am Kinn, als habe ihn jemand geschlagen. Piero Tucunan (24) lebte tatsächlich auf der Straße, war aber kein Räuber, sondern einer, der den Leuten im Stau für 0,50 Soles die Scheiben putzt, um sich dadurch ein Mittagessen zusammenzusparen. Zitat: „Die meisten Leute sind immer so unfreundlich zu mir, als würden sie mir sagen wollen, ich solle sie lieber berauben, anstatt auf ehrliche Weise mein Geld zu verdienen!“ Ich fragte Piero, ob er wisse, dass der HErr Jesus auch für SEINE Sünden gestorben sei. „Ja, das habe ich schon gehört, und ich glaube auch an Jesus und bete auch manchmal. Ich habe auch immer meine Rosenkranzkette dabei, die mir schon oft geholfen hat; und ebenso meine Bibel!“ – „Du hast eine Bibel dabei? Das kann ich mir kaum vorstellen.“ – „Doch! Einen Moment, ich zeige sie Ihnen!“ Er kramte in seinem Rucksack und zeigte mir ein kleines Neues Testament vom Gideon Bund. Offensichtlich hatte er diese jedoch nur als eine Art Talisman bei sich, weshalb ich ihm vorschlug, auch mal darin zu lesen. Dann erklärte ich ihm ausführlich das Evangelium und nannte ihm die Erlebnisse mit Mario als Beispiel, wie Gott einen Räuber völlig zerbrechen kann, so dass er am Ende sogar sein Geld wegwirft. „Ach, den Mario Gallego, der dort bei der Sunat schläft, den kenn ich auch!“ sagte Piero. Dann fragte ich ihn, ob denn auch er dem HErrn Jesus sein Herz schenken wolle, indem er Buße tut von seinen Sünden. „Ja, auf jeden Fall!“ Dann beteten wir gemeinsam, und auch diesmal bot ich ihm an, dass er seine Sünden im Gebet auch beim Namen nennen könne, damit Gott ihn davon reinigen möge, was er dann auch tat (es waren diesmal zwar auch z.T. sehr unmoralische Sünden, aber keine Verbrechen). Dann hieß ich auch Piero herzlich willkommen in der Familie Gottes, ermahnte ihn, sich eine evangelikale Gemeinde zu suchen, wo er weitere Hilfe erfahre und fragte ihn zum Schluss noch, ob ich noch etwas für ihn tun könne. Er bat mich lediglich, ob er seine Wäsche bei uns zuhause waschen lassen dürfe. Ich willigte ein, wollte aber noch nicht so früh wieder weg (es war erst 12.00 Uhr), sondern vereinbarte mit ihm, dass er mich um 14.00 Uhr abholen könne.

Dann kaufte ich mir von den verbliebenen 2 Soles eine Flasche Wasser und ging auf den nächsten Müßiggänger zu, der in der Sonne saß und an seinem Handy tippte. Jefferson (25) stellte sich als jungbekehrter Christ heraus, der in eine evangelikale Freikirche in Comas (im Norden Limas) geht. Wir sprachen eine Weile über Römer 12 und die Notwendigkeit, ein heiliges Leben in der Nachfolge zu führen und dann verabschiedete ich mich. Als nächstes sprach ich mit drei älteren Männern, die wegen eines Krankheitsfalls nach Lima gereist waren, um ihren Verwandten zu besuchen. Sie hörten mir leider nur halbherzig zu, weil sie sich immer wieder ablenken ließen durch Zwischenreden. Einer sagte zu mir: „Mister, Sie sind ein gelehrter Mann, haben schon die ganze Bibel gelesen und können sich das finanziell leisten, hier mitten am Tag über Gott und die Welt zu reden, aber wir müssen jeden Tag arbeiten, um unsere Familien zu versorgen, und haben nicht die Zeit, auch noch regelmäßig die Bibel zu lesen und darüber zu reden.“ Ich wies ihn darauf hin, dass auch ich täglich arbeiten müsse und trotzdem täglich in der Bibel lese. Da der Platz, wo wir uns unterhielten, aber keinen Schatten bot, bat ich um Verständnis, dass ich gerne weiter gehen müsse.

Nun setzte ich mich in den Schatten neben einen Mann, der in etwa in meinem Alter war. José Carhuacusma Montañez (45) arbeitet in der Municipalidad (Landratsamt) von San Miguel und hatte heute seinen freien Tag. Auf meine Frage hin, welche Beziehung er zu dem HErrn Jesus Christus habe, erzählte er mir, dass er seit einiger Zeit in eine evangelikale Gemeinde gehe. „Haben Sie sich denn schon bekehrt?“ – „Nein, aber ich bin gerade in diesem Prozess.“ Dann sprach ich mit ihm über das Werk des HErrn Jesus auf Golgatha und die Einladung an alle Menschen, Buße zu tun und sich vom Heiligen Geist erneuern zu lassen. „Wenn Sie möchten, können Sie noch heute ein Eigentum des HErrn Jesus werden. Möchten Sie das?“ Leise sagte er: „Ja, ich würde gerne.“ Dann bot ich ihm an, dass wir gemeinsam beten könnten, erst ich dann er, sagte ihm aber diesmal nicht, dass ich auch für ihr vorbeten könne, sondern nur, worauf es bei einem Bekehrungsgebet ankäme. Als er dann jedoch betete, tat er dies in sehr allgemeiner Form ohne persönliche Buße und Bitte um Errettung. Nach dem Amen, wies ich ihn noch einmal darauf hin, dass er sich auch ganz konkret als verlorenen Sünder bekennen müsse und Gott um Erlösung und das ewige Heil bitten müsse. Wir beteten also nochmal, und diesmal machte er es richtig. Dann beglückwünschte ich ihn, dass er nun den entscheidenden Schritt in ein neues Leben gemacht habe und wies ihn darauf hin, dass er als nächstes in seiner Gemeinde darum bitten solle, getauft zu werden. Auch bot ich ihm an, mir noch ein paar Fragen zu stellen, wenn ihm irgendwas gerade beschäftige in der Bibel, und er fragte mich, ob es heute noch Apostel geben könne und ob der Zehnte auch im Neuen Bund noch verpflichtend sei.

Während wir noch eine ganze Weile miteinander sprachen, setzten sich zwei junge Damen zu uns, die sich sehr aufreizend angezogen hatten und hörten unserem Gespräch zu. Dann musste der José gehen und ich sprach die beiden Frauen an, ob sie schon ein Eigentum des HErrn Jesus seien. Michelle und Joelsi (beide Anfang 20) kamen aus Venezuela und bekannten beide, regelmäßig zu beten, waren aber sehr schüchtern. Als ich ihnen dann die Bedeutung des Sühneopfers Jesu am Kreuz erklärte, standen sie auf einmal lächelnd auf und erklärten, dass ihre Mittagspause nun zu Ende sei und sie wieder zurück an ihre Arbeit müssten. Das war auch für mich das Stichwort, denn es war inzwischen schon 14.45 Uhr und Piero war noch immer nicht gekommen. Ich wollte nur noch einmal um den Platz herum gehen, und wenn er dann nicht auftauche, nach Hause gehen. Doch in dem Moment kam plötzlich jener José (31) auf mich zu, den ich eine Woche zuvor mit den beiden anderen kennengelernt und zu mir nach Hause gebracht hatte (der „Träumer“). Wir unterhielten uns eine Weile auf dem Platz (in praller Sonne) und ich drängte auch ihn, dass er sich doch noch bekehren müsse. „Aber ich glaube doch an den HErrn Jesus und habe ihm auch meine Schuld bekannt!“ – „Also, Du glaubst, dass Du bereits ein Kind Gottes bist?“ – „Ja!“ – „Bist Du Dir auch ganz sicher?“ – „Ja.“ – „Aber Du bist noch nicht getauft, nicht wahr?“ – „Nein, aber ich will das noch machen.“ – „Wann?“ – „Wenn ich 33 bin, denn der HErr Jesus hat sich auch erst mit 33 Jahren taufen lassen.“ – „Nein, das stimmt nicht, sondern mit 30. Aber das Alter spielt überhaupt keine Rolle, sondern allein der Glaube, den man vor der Taufe haben muss. Wenn Du erkannt hast, dass Du Dich taufen lassen musst, dann darfst Du nicht zögern, es auch zu tun, denn der HErr erwartet von Dir Gehorsam.“ Ich las ihm dann die Stelle in Apg.8:36-37 vor, wo es in der spanischen Bibel heißt: „Was hindert mich, dass ich getauft werde. Felipe sagte: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, kannst du es gerne machen. Und antwortend sagte er: Ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist.“ Wir vereinbarten dann, dass ich mit Ricardo sprechen würde und er am nächsten Freitag um 15.00 Uhr zu uns kommen möge, damit wir gemeinsam ans Meer fahren, um sich taufen zu lassen.

Mit dem letzten Sol in der Tasche kaufte ich mir dann eine Busfahrkarte und fuhr zurück nach Matute, wobei ich dem HErrn immer wieder dankte, dass Er mich gebraucht hat, um heute wieder Menschen zum HErrn Jesus Christus zu führen. Nachdem ich mich dann geduscht und etwas ausgeruht hatte, kam auch Ruth gegen 17.30 Uhr von der Arbeit und war voller Freude, dass der HErr ihr Gebet erhört habe und viele Patienten heute gebracht wurden. Für den Abend hatte sich Ruth aber mit ihrer Freundin Wilma (68) verabredet, um sie und ihren Mann Carlos (60) zu besuchen. Wilma und Ruth kennen sich schon von Jugend auf, weil sie beide damals in die Freikirche Alianza Cristiana gingen, und beinahe hätte Wilma auch Ruths Bruder Israel geheiratet, mit dem sie damals verlobt war, wenn Israel sich nicht im letzten Moment für Alexandra umentschieden hätte. Aber auch die 26 Jahre Ehe mit Carlos war bis heute glücklich, wenn sie auch kinderlos blieben. Carlos und Wilma lebten viele Jahre in Puerto Maldonado, also im Urwald, wo sie zwar ein kleines aber ausreichendes Einkommen hatten durch den Verkauf von Gesundheitssäften und Kräutern. Als sie aber vor 12 Jahren nach Lima zurückkehrten verarmten sie allmählich, besonders seit der Krebserkrankung von Wilma vor 6 Jahren, deren Behandlung ihre gesamten Ersparnisse aufzehrte. Als sie ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten, wurden sie von Geschwistern der Gemeinde in einer mietfreien 20 qm-Wohnung untergebracht. Wilmas Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends durch die Chemotherapie, bis sie sich vor 2 Jahren entschied, die Behandlung abzubrechen und nur noch auf ein Wunder Gottes zu hoffen, zumal sie sich auch keine weitere Behandlung mehr leisten konnten. Durch das beharrliche Gebet aller Geschwister wurde sie dann auf einmal völlig frei von Metastasen und es schien, als sei der Krebs besiegt. Doch leider kam er vor ein paar Monaten wieder, und ihr linker Oberarm schwoll dermaßen an, dass sie nur noch Schmerzen hatte. Ein Pastor aus einer anderen Gemeinde kam dann letzten Donnerstag angereist, der vor einigen Jahren feststellte, dass er die Gabe der Krankenheilung besaß und betete 2 Stunden für Wilma. Danach war ihre Schwellung komplett verschwunden und sie war beschwerdefrei. Dank sei dem HErrn!

LIMA, Peru 08.01.2019 Erst dachte ich ja heute früh, dass ich die Erkältung bereits überwunden hätte, als ich meine stille Zeit hatte, aber dann ging es wieder los, dass ich ununterbrochen Niesen musste und mich immer noch schlapp und krank fühlte. So beschloss ich, erst mal noch eine Weile im Bett zu bleiben, als Ruth um 8.00 Uhr die Wohnung verließ, bis etwa 9.30 Uhr. Dann aß ich mein Müsli aus seltenen Körnern wie Maca und Kiwitcha, gemischt mit Maracuja, bis dann gegen 10.00 Uhr mein Freund Ricardo zu Besuch kam. Ich erzählte ihm von den Ereignissen am Vortag und wir sprachen dann eine ganze Weile über die Frage, ob auch der Teufel Kranke heilen könne/würde. Ricardo war davon überzeugt, aber aus meiner Sicht widersprach dies der Aussage des HErrn, dass ein Haus nicht gegen sich selbst entzweit sein könne. Dass der Teufel Menschen mit Krankheiten schlagen könne, sei ja am Beispiel von Hiob belegt, und auch dass er wie bei den Zauberern Jannes und Jambres Wunder vollbringen könne. Aber dass er auch Menschen heile (und sei es auch nur zur Täuschung), steht m.W. im Widerspruch dazu, dass er ein Menschenmörder sei. Andererseits sagt die Schrift aber, dass Gläubige, die die Gabe der Krankenheilung haben, trotzdem verloren gehen können, wenn sie die guten Werke mit Werken der Gesetzlosigkeit vermischen (Mt.7:21-22). Hintergrund der Diskussion war die Frage, ob nicht auch Ruth durch das Gebet dieses Bruders geheilt werden könne, wovon mir Ricardo dringlichst abriet. Er lud mich dann ein zu sich zum Mittagessen zu gehen, was ich dankend annahm.

Ricardo hatte mich zuvor gebeten, dass ich doch seinen Töchtern mal ein paar biblische Grundsätze über die Ehe vermitteln sollte, damit sie sehen konnten, dass er nicht der einzige sei, der solche konservativen Ansichten vertrete, sondern dass dies die ganz normale Lehre der Bibel sei. So sprach ich nach dem Mittagessen etwa eine Stunde lang über das Thema Ehe, Geburt und Kindererziehung, aber auch über gesunde Ernährung, wobei ich auch immer Beispiele aus unserer eigenen Ehe nannte. Sara und Liset hörten mir mit Interesse zu und stellten mir zwischendurch auch immer wieder Fragen. Ricardo hielt sich dabei auffällig zurück, freute sich aber offensichtlich, dass all diese Themen auch mal von neutraler Seite angesprochen werden. Anschließend lud mich Ricardo noch ein, mit ihnen zum Schwimmen zu fahren, aber ich fühlte mich noch immer zu erkältet und wollte mich lieber noch mal hinlegen, zumal am Abend ja Bibelstunde war.

Am Abend kamen dann Ricardo, sowie die Brüder Edelberto (72) und Hugo (69) zur Bibelstunde, die diesmal bei uns stattfinden sollte. Auch Jonathan (32), der Neffe von Ruth, kam, um bei uns zu übernachten, und wir sprachen über 1.Kor.7:29-33. Unversehens glitten wir jedoch vom Thema ab in die Politik und zu der Frage, inwiefern die korrupten Politiker Perus ein Gericht Gottes sind wegen der Sünden des Volkes und warum es z.B. den Deutschen besser gehe als den Peruanern. Wir verglichen Peru mit Deutschland, um festzustellen, welche wirtschaftlichen Fehler die Verantwortungsträger in Peru machen. Da es bei diesem Thema hoch her ging, wurde deutlich, dass diese Frage einen wunden Punkt berührte, über den meine peruanischen Brüder reden wollten, so dass zu vermuten war, dass auch der Geist Gottes Seinen Finger auf dieses Thema lenkte (1.Thes.5:19). Nachdem wir mit den Brüdern noch etwas zusammen aßen und sie wieder gegangen waren, wollte Jonathan mit uns über seine Mutter sprechen. Hierbei ging es um das Thema, wie man mit unbußfertigen Familienangehörigen umgehen sollte. In den letzten Jahren hatten nämlich Israel und seine Söhne sich mit Alexandra und ihrem neuen Mann versöhnt und mit ihnen öfter mal Grillfeiern veranstaltet, ohne dass Alexandra überhaupt je wirklich Buße getan hatte von ihrem Ehebruch. Jonathan begründete seine Haltung damit, dass er durch dieses freundliche Verhalten hoffe, dass seine Mutter ganz allmählich, „nach und nach“ zur Buße komme und man den Gesetzlosen ja wie ein Gesetzloser sein müsse, um sie zu gewinnen. Mich erinnerte diese ungeistliche Anbiederung eher an 1.Kön.20:31-43, als sich Ahab mit dem syrischen König verbrüdert hatte, nachdem der HErr ihn in seine Hand gab.

Deshalb ermahnte ich Jonathan, er solle nicht am gleichen Joch ziehen mit Ungläubigen, selbst wenn es seine eigene Mutter sei. „Weißt du, Jonathan“ sagte ich, „nachdem mich meine Mutter wegen meines Glaubens aus dem Haus warf, als ich 18 wurde, da habe ich den Kontakt zu ihr völlig abgebrochen, habe aber immer für sie und meine Geschwister gebetet, dass der HErr sie erretten möge. Meine Mutter rief mich damals an und beschwerte sich darüber, dass ich mich überhaupt nicht mehr bei ihr melden würde. Ich sagte zu ihr, dass von nun an nur noch diejenigen meine Verwandten sind, die an den HErrn Jesus Christus glauben. Sie brach daraufhin völlig in Tränen aus und warf mir vor, dass ich sowas doch nicht zu meiner Mutter sagen dürfe. Doch ich blieb dabei und ließ mich nicht erweichen. Zwei Monate später aber schenkte der HErr es, dass auch meine Mutter sich bekehrte! Hätte ich mich damals an sie angebiedert, hätte ich sie nie für Christus gewinnen können.“ Daraufhin sagte Jonathan: „Onkel Simon, ich respektiere Deine Meinung und kann sie auch nachvollziehen. Aber ich glaube nicht, dass man dieses Beispiel auf jeden Menschen übertragen kann, denn jeder ist anders. Mir ist z.B. aufgefallen, dass Du von Deinem Charakter her gerne provozierst, um Menschen dadurch aus der Reserve zu locken. Das kann sicherlich bei dem einen oder anderen der richtige Weg sein. Aber ich möchte Dir dringend raten, vorsichtiger zu sein, weil Du nie weißt, mit wem Du es zu tun hast. Du hattest mir ja z.B. mal erzählt, dass Du mal beim Besuch einer Moschee im ägyptischen Luxor ein Streitgespräch angefangen hast mit den Muslimen über den Propheten Mohammed. Aus meiner Sicht war das absoluter Leichtsinn, denn die fanatischen Muslime kennen da kein Pardon, wenn man ihren Propheten beleidigt, erst recht, wenn Du Dich in Ägypten befindest. Genauso leichtsinnig finde ich, dass Du diesen Mörder angezeigt hast. Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass er sich an Dir rächen wird, wenn er das erfährt? Wenn Du Menschen ständig provozierst, dann kann Gott es zulassen, dass Du dies irgendwann noch mal mit Deinem Leben bezahlen musst.“ Ich dankte Jonathan für seine Ermahnung und versprach ihm, dass ich das vor Gott prüfen würde.

LIMA, Peru 09.12.2019 Am Morgen war Ruth unruhig, weil auch sie noch etwas hatte gegen Jonathan, einen versteckten Groll, und zwar schon seit 5 Jahren, weil sie der Überzeugung war, dass Jonathan sie damals betrogen hätte um rund 500,-€. Wir hatten ihm 2014 angeboten, dass er sich etwas dazu verdienen könnte, wenn er mal den Schimmel in der Wohnung von Matute beseitigt mit Chlor und Farbe (damals war die Wohnung noch unrenoviert). Er hatte dann auch einiges dort gemacht, das in etwa einen Wert von 500,- bis 700,- Soles hatte (150,- bis 200,-€). Aber er rief uns damals an und wollte 700,- € dafür haben, also etwa 2.700 Soles! Das erschien uns schon damals reichlich viel zu sein, aber Ruth traute sich damals nicht, dies anzuzweifeln, sondern wir sagten uns, dass es eben auch eine Spende für ihn sei. Als ich dann 2016 seine Arbeit sah, stellte ich fest, dass es nicht nur völlig überteuert war, sondern auch alles ziemlich oberflächlich er hatte sich z.B. nicht die Mühe gemacht, erst mal die platzende Farbe zu entfernen). Aber als Ruth dann sah, dass der Fliesenleger für die Verlegung des 45 m² Fußbodens in etwa die gleiche Summe verlangte, da nahm sie sich vor, Jonathan mal deshalb zur Rede zu stellen, denn Wucher sollte es nicht geben unter Gläubigen, und erst recht nicht unter Verwandten. Zunächst versuchte Jonathan sich noch zu rechtfertigen, aber dann räumte er seinen Fehler ein, entschuldigte sich und bot an, die 500,- € zurückzuerstatten. Ruth verzichtete aber darauf, denn sie wollte ihn finanziell nicht belasten.

Doch am Frühstück kam Jonathan dann mit einer überraschenden Neuigkeit: „Lieber Onkel, liebe Tante, ich wollte fragen, ob es Euch recht ist, wenn ich und mein Vater Euch im Sommer in Deutschland besuchen kommen können.“ Ich antwortete: „Im Prinzip seid Ihr herzlich willkommen; wir wollten ja schon immer, dass auch Du uns mal besuchen kommst. Aber wer soll das bezahlen, vor allem wenn Ihr auch noch zu zweit kommen wollt?“ – „Mach Dir deswegen keine Sorgen, Onkel, die Kosten für unsere Flugreise übernehme ich selbst; das habe ich auch schon meinem Vater gesagt, und er hat sich sehr darüber gefreut.“ – „Aber ein Flug hin- und zurück kostet mindestens 750,- € und mal 2 wären das 1.500,- €. Verdient man so viel Geld als Naturmedizinverkäufer in Ica?“ – „Du musst bedenken, dass ich zusätzlich auch noch Bankgeschäfte abwickle!“ – „Ja, Du arbeitest nebenbei als Laufbursche für die Banken.“ – „Genau, und damit verdiene ich richtig gut. Ich habe monatlich einen Umsatz von ca. 4.500 Soles.“ – „Wow, das ist ja wirklich viel. Verglichen mit der hiesigen Kaufkraft entspricht das in Deutschland einem Umsatz von 4.500 Euro.“ – „Ja, wobei ich davon auch noch der Rossana einen Anteil geben muss, die bei mir angestellt ist.“ – „Aber immerhin brauchst Du keine Miete zahlen, denn Du lebst ja noch bei Deinem Vater.“

Ich hatte nach dem Frühstück angefangen, die Scheiben aus dem Wohnzimmerfenster herauszuschlagen um auch dieses zu erneuern. Da ich aufgrund meiner Erkältung fortlaufend am Husten war, sagte Jonathan zu mir: „Onkel Simon, ich habe da eine Heilpflanze, durch die Du im Nu aufhören wirst, zu Husten; das verspreche ich Dir! Ich mach Dir damit mal ein Getränk. Einen Moment.“ Dann tat er ein grünes Pulver in ein Glas Wasser und rührte es um. „Du musst es in einem Zug trinken, denn es schmeckt etwas bitter. Aber es ist sehr wirksam!“ Ich tat es, hatte dann aber zunächst einen Brechreiz. „Was ist das?“ fragte ich. „Das ist Koka-Mehl, also gemahlene Kokablätter. Sie beruhigen schlagartig die Schleimhäute der Atemwege, deshalb gibt es nichts besseres gegen Husten.“ Ich war beeindruckt, und er hatte tatsächlich recht. Allerdings hielt die Wirkung nur 3 – 4 Stunden an, und da war Jonathan inzwischen schon abgereist, so dass er mit kein neues Getränk machen konnte. Gegen Mittag ging ich dann wieder rüber zu Ricardo zum Essen. Dabei unterhielten wir uns über die Allversöhnungslehre und die Frage, ob ein Christ sich gesellschaftlich betätigen darf, indem er z.B. der Polizei bei der Fahndung nach Straftätern hilft. Aus Ricardos Sicht war dies eine Einmischung in fremde Angelegenheiten.

Am Nachmittag habe ich dann das Fensterelement und das Gitter zweimal gestrichen und mit der Wandfarbe des Wohnzimmers Ausbesserungen gemacht bis Ruth nach Haus kam.

LIMA, Peru 10.01.2019 Manche Dinge sind es eigentlich nicht wert, zu berichten, denn sie sind hier in Peru etwas völlig Alltägliches, z.B. dass einem so gut wie jeden Tag eine oder mehrere Kakerlaken (span. „Cucaracha“) über den Weg läuft, d.h. einer bis zu 7 cm großen Küchenschabe. Wenn aber so wie heute Morgen gleich 6 Kakerlaken auf einmal tot vor der Tür liegen, dann ist das schon mal einer Erwähnung wert. Da diese nämlich ständig unter der Haustür hindurch ins Haus hineinlaufen, hatte Ruth ein Giftpulver auf die Schwelle gestreut, damit sie daran sterben. Seit vor Jahren Ruth einmal mitten in der Nacht aufwachte, weil sie an der Nase von den Fühlern einer großen Kakerlake gekitzelt wurde, hat Ruth ein totales Trauma von diesen ekeligen Käfern. Denn sie ernähren sich hauptsächlich von Fäkalien und Müllresten, und da der Müll und Dreck in Peru immer mehr zunimmt und oftmals erst nach Wochen abgeholt wird, gibt es immer mehr Kakerlaken und auch Ratten. Während in anderen Großstädten der Welt Tauben, Krähen oder Möwen über die Stadt kreisen, sind es in Lima die Geier. Sie setzen sich auf die Müllsäcke, die an den Straßenrändern aufgehäuft werden und suchen darin nach Essensresten. Man muss auch bedenken, dass es in Lima nie regnet. Wenn jemand z.B. irgendwo hingepinkelt hat, dann stinkt es dort noch Wochen später. Die Häuser, die vor Jahrzehnten mal gebaut und gestrichen waren, sind inzwischen alle verdreckt und verstaubt. Würde man mit dem Hochdruckreiniger mal alle Häuser von ihrer dicken Staubschicht befreien, hätte man Arbeit für die nächsten 100 Jahre.

Man hat den Eindruck, dass es mit Millionenstädten wie Lima immer mehr den Bach runter geht. Die alten Häuser aus der Gründerzeit mit ihren schönen Verzierungen verfallen und verrotten, weil niemand mehr das Geld investieren will, um sie zu erhalten. Auch die Kriminalität nimmt überhand. Da die Häuser in Südamerika alle mit Mauern und Stacheldraht geschützt und die Fenster vergittert sind, wird zwar kaum mehr eingebrochen, stattdessen werden die Bürger auf offener Straße überfallen und ausgeraubt. Wer sich wehrt, wird kaltblütig erschossen. Mittlerweile ist jeder Winkel der Stadt mit Überwachungskameras ausgestattet, wodurch die TV-Nachrichten einfach nur noch die täglichen massenhaften Überfällen durch die Videos im Moment des Geschehens zeigen können. Da die Polizei jedoch mit der Verhaftung der Räuber gar nicht mehr hinterher kommt, üben immer mehr Bürger Selbstjustiz, wenn sie eines Räubers habhaft werden.

Ein Grund für den Niedergang von solchen Großstädten ist sicherlich auch im Charakter der Peruaner begründet: Sie sind zwar auf der einen Seite von Natur ein heiteres und unbeschwertes Volk, aber sie sind auch äußerst rücksichtslos, nicht nur gegen andere, sondern auch gegen sich selbst. Es ist ihnen irgendwie alles egal und sie merken gar nicht mehr, dass sie mit ihrer Rücksichtslosigkeit vor allem sich selbst schaden. Zum Beispiel scheint es die Nachbarn offensichtlich nicht zu stören, dass ihr Hund Nico fast den ganzen Tag im Hof winselt oder laut bellt. Manchmal geht das so stundenlang, sogar spät in der Nacht. Wenn ich mich dann bei ihnen beschwert hatte, haben sie ihn ins Haus genommen, aber am nächsten Tag ging es gleich weiter. Letztens saß ich im Bus und sah, wie ein etwa 60 Jahre alter Mann einstieg, der ein T-Shirt mit den Nationalfarben Perus und eine Mütze mit der Aufschrift „Peru“ aufhatte. Er hatte sich mehrere, in Folie eingeschweißte Bücher und Hefte gekauft und setzte sich, um die Folien von den Büchern zu entfernen. Die Folien warf er dann vor allen Leuten nach einander durch den offenen Fensterspalt im Bus und scherte sich nicht darum, ob irgendjemand seinen Müll draußen noch mal aufheben und entsorgen würde. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte ihn gefragt, was das denn für eine Vaterlandsliebe sein soll, wenn er seinen Müll einfach auf die Straße werfe. Auch Ruth erlebte letztens etwas Ähnliches: Sie war auf eine öffentliche Toilette gegangen und hatte dafür zuvor 10 Centavos bezahlt. Die Toilette war aber völlig verdreckt und stank bestialisch. Als sie rausging, fragte sie die Toilettenfrauen, die sich draußen unterhielten, wofür sie eigentlich Geld nehmen würden, wenn die Toiletten gar nicht gereinigt werden. Darauf grinste eine der Frauen Ruth an und sagte: „Tcha, so sind wir Peruaner eben…“ Ruth verschlug es fast die Sprache.

Man kann nicht behaupten, dass es „in Peru keine Arbeit gäbe“. Arbeit gibt es jede Menge, nur die Leute können oder wollen nicht investieren, weil sie es nicht stört, dass sie z.B. schon seit 20 Jahren bei der Einfahrt nach Matute durch ein großes Schlagloch im Boden fahren müssen, obwohl es eigentlich nur 20 Minuten dauern würde, um dieses mal eben mit Betonestrich aufzufüllen. Wahrscheinlich denkt sich der Fahrer jedes Mal, wenn er es sieht: „Ich werde mich nicht drum kümmern, weil ich es auch nicht verursacht habe. Ich kümmere mich nur um meine eigenen Sachen, aber nicht um die der Allgemeinheit. Wenn die anderen alle so gleichgültig sind, dann haben sie es nicht verdient, dass ich ihnen einen Gefallen tue!“ Und weil alle so denken, ändert sich am Ende gar nichts. Wahrscheinlich würden auch die Fenstergitter an unserer Wohnung, die vor 40 Jahren zuletzt mal gestrichen wurden, auch die nächsten 10 Jahre so vergilbt und verstaubt geblieben sein, wenn ich als Maler nicht auch ein Ästhet wäre, dem dieser Anblick auf Dauer immer wieder gestört hätte. Nachdem ich heute Vormittag noch die neuen Scheiben eingesetzt hatte, sind Ruth und ich zum Möbelhaus gefahren, um einen größeren Kleiderschrank zu kaufen. Am Ende hatten wir aber nur eine selbstklebende PVC-Leiste für die Unterseite der Haustür gekauft (wegen der Kakerlaken), weil Ruth sich nicht entscheiden konnte.

Am Abend sind wir dann zur Bibelstunde von Franciscos Gemeinde eingeladen worden, wo ich eine Predigt halten sollte. Vor Beginn fragte ich einen der Brüder: „Was für eine Art Gemeinde seid Ihr? Welcher Denomination gehört Ihr an?“ Seine Antwort: „Wir sind Christen. Einfach nur Christen. In der Bibel finden wir keine Namen, und Paulus hat uns auch verboten, dass wir uns nach irgendeinem anderen Namen benennen sollen, als nur nach Christus. Wir sind mit allen Gläubigen aus allen Gruppierungen herzlichst verbunden und betrachten uns einfach nur als der Gemeinde in Lima angehörig.“ Normalerweise hätte ich mich sehr über solch eine biblische Antwort gefreut, aber mir kamen diese Worte sehr bekannt vor, denn es ist die Standartantwort von Pfingstlern, denn diese scheuen sich davor, als Pfingstler stigmatisiert zu werden. Und so beeilte er sich dann auch gleich, so wie beiläufig hinzuzufügen: „Wir glauben auch an alle Geistesgaben, aber wir stellen sie nicht in den Mittelpunkt, wie andere es tun.“ Ich dachte: Naja, ist egal, es sind ja auch unsere lieben Geschwister. Als der Gottesdienst dann anfing, kam dann auch das Übliche, was man aus charismatischen Kreisen kennt: ständige Zwischenrufe während des Gebets („Gloria a Dios“, „Amén!“ etc.), Klatschen, sich immer wiederholende Strophen usw. Das besondere war jedoch, dass die Geschwister zwischendurch immer wieder „den Namen des HErrn anriefen“, indem sie in beschwörender Weise riefen: „O Señor Jesuuuus!“ Für sie waren die Gebete und der Gesang ein Ausdruck dafür, dass sie die Gegenwart des HErrn unmittelbar wahrnahmen. Man spürte deshalb bei diesen meist 20-30 Jahre alten Geschwistern eine echte Fröhlichkeit. Verglichen damit hat man bei den Gläubigen in Deutschland manchmal den Eindruck, als würden sie beim Gebet dem HErrn etwas auf den AB sprechen.

Der leitende Bruder machte eine kurze Einleitungspredigt über Röm.8:28-29 und endete mit den Worten: „So liebe Geschwister, und jetzt hören wir eine Weissagung vom HErrn durch einen Bruder aus Deutschland, der uns heute besucht hat.“ Irritiert stand ich auf und fragte mich: Was meint er mit „Weissagung“? versteht er das Gleiche wie ich darunter (1.Kor.14.3)? Aber ich hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, sondern ich las jenen Text vor, für den ich mich vorbereitet hatte und der in diesen Tagen auch zu mir selbst sehr gesprochen hatte, nämlich in Hagg.1:2-9. Ich sprach über das Thema Prioritäten-setzen und die Notwendigkeit, die gelegene Zeit besser auszunutzen. Nach dem Gottesdienst gab es noch ein Liebesmahl, bei dem ich mich mit einem Bruder namens Jose-Miguel Zegarra (35) unterhielt. Er erzählte mir, dass er vollzeitiger Evangelist sei und ohne Gehalt einfach nur „vom Evangelium lebe“. Wie das gehe, erklärte er mir dann so, dass er Bibeln preisgünstig einkaufe und sie dann im Zuge eines evangelistischen Gesprächs mit Passanten zu einem höheren Preis an diese weiterverkaufe. Ich fragte ihn, ob man denn mit dem Wort Gottes Handel treiben und Gewinn machen dürfe. Er sagte: „Der Aufpreis hat ja auch eine erzieherische Wirkung für den Käufer, denn eine verschenkte Bibel liest am Ende keiner; ich sage denen sogar ganz offen, dass sie für die Bibel bei mir mehr zahlen als im regulären Buchhandel, aber nicht nur, damit ich davon mein Einkommen bestreite, sondern auch, damit sie das Wort Gottes wert schätzen und es auch wirklich lesen. Zu einem Alkoholiker habe ich letztens gesagt: ‚Du gibst im Monat locker 100 Soles für Alkohol aus, der Dich ins Verderben bringt; und dann willst Du mir erzählen, dass Du nicht 60 Soles übrig hast, um Dir das Wort Gottes zu kaufen, durch das Du ewiges Leben bekommst?‘ Dieses Argument überzeugt meistens immer.“ – Sehr schöne Anregung und zur Nachahmung empfohlen!

LIMA, Peru 11.01.2019 Einen Tag vor meiner Abreise wurde heute Morgen in den Nachrichten vor einer heute beginnenden Hitzewelle gewarnt mit Temperaturen über 40 C . Man befände sich gerade im sog. „Equinox“, d.h. die Sonne stehe gerade genau im Zenit über Lima. Es wurde eindringlich auf die Gefahr vor Dehydration und Hitzeschlag hingewiesen und empfohlen, in den nächsten 5 Tagen möglich nicht das Haus zu verlassen in der Zeit von 11.00 -15.00 Uhr, zumal aktuell auch eine extrem hohe UV-Strahlung gemessen wurde mit Werten von 24-32 (normal sei ein Wert von 2 – 5). Und tatsächlich konnte man es selbst im Haus nur mit Ventilator aushalten. Eigentlich wollten Ruth und ich uns im Stadtzentrum den Palacio de la Santa Inquisition ansehen, ein Museum, wo die Folterwerkzeuge des 16. Jh. ausgestellt sind sowie etwa 1000 Totenschädel von den Inkas, die während der spanischen Diktatur aufgrund von Ketzerei hingerichtet wurden. Stattdessen ging Ruth einkaufen, während ich an meinem Notebook die Ereignisse der letzten zwei Tage aufschrieb. Am Nachmittag haben wir dann einen Bekannten von Ruth besucht, William Jauregui (59), den Bruder von Ruths Freundin Raquel Pehlke, der in den USA wohnt, aber bei einer Besuchsreise nach Peru vor einem halben Jahr einen Schlaganfall erlitt und seither im Rollstuhl ist. Seine Rehabilitation ist schon fast so weit fortgeschritten, dass er bald in die USA zurückreisen könnte, aber seine studierenden Kinder würden ihn nicht pflegen wollen, weshalb er sich fürchtet zurückzukehren. Zudem blicken seine Augen seit dem Schlaganfall in verschiedene Richtungen, was ihm dermaßen lästig ist, dass er am liebsten nicht mehr leben will. Wir haben ihn getröstet und ihm Mut gemacht, nicht sein Vertrauen auf Gott zu verlieren. Wieweit er überhaupt wiedergeboren ist, weiß ich nicht.

ALAJUELA, Costa Rica 12.01.2018 Wir hatten uns gestern Abend noch von Walter und der Familie von Ricardo verabschiedet, sowie alle Kleidung und Geschenke eingepackt. Heute Morgen um 7.00 Uhr hat uns dann Jaime, ein Bekannter von Ruth, mit seinem Taxi zum Flughafen gebracht, wo ich noch eine Weile mit Ruth verbringen konnte, bis ich dann um 11.15 Uhr nach Costa Rica geflogen bin. Es gab nun ein Problem zu lösen, über das ich mir bisher keine großen Gedanken gemacht habe: Ich würde um 15.15 Uhr in Costa Rica ankommen, aber mein Anschlussflug nach Deutschland sollte erst einen Tag später um 20.55 Uhr losfliegen. Da aber Übernachtungen und Taxifahrten in Costa Rica mit Dollar bezahlt werden und nicht gerade billig sind, überlegte ich schon, ob ich vielleicht auf dem Flughafen übernachten sollte, um Geld zu sparen. Insgeheim hoffte ich darauf, dass der HErr ein Wunder schenkt und ich vielleicht Gläubige kennenlerne, bei denen ich übernachten könnte. Aber in jeden Fall nahm ich mir vor, mir keine Sorgen zu machen, denn ich hatte ja auch im heutigen Bibeltext in Psalm 62 gelesen: „Nur auf Gott vertraue still meine Seele; von Ihm kommt meine Rettung. Nur Er ist mein Fels und meine Rettung, meine hohe Feste; ich werde nicht viel wanken.“ (V.1-2). Dieses Bibelwort hatte meine Mutter mir 1984 in meine alte Elberfelder Bibel als Widmung reingeschrieben, da ich mir diese Bibel zu meinem 1. Geburtstag gewünscht hatte. Und tatsächlich fiel es mir auch nie besonders schwer, still auf Gott zu vertrauen, denn ich weiß, dass Er mir immer helfen wird, wenn ich nur treu das Ihm Wohlgefällige tue. Vorsichtshalber wollte mir Ruth aber auch noch 40 US$ mitgeben; aber das würde wohl ohnehin nicht reichen, um sowohl 2 Taxifahrten, eine Übernachtung und Verpflegung für 2 Tage bezahlen zu können. Um bei Letzterer wenigstens sparen zu können, nahm ich mir jede Menge Butterbrote mit auf die Reise.

Als ich auf den Flughafen in San José, der Hauptstadt von Costa Rica, ankam, erkundigte ich mich erst mal nach der Möglichkeit, meinen Koffer irgendwo unterzubringen. Leider war dies unmöglich, wie man mir mitteilte. Ich betete und bat den HErrn um einen Ausweg. Dann fragte ich die Taxifahrer, ob mich einer von ihnen in eine preiswerte Pension in der Nähe des Flughafens bringen könnte. Diese aber winkten ab und sagten, dass die günstigste Hotelübernachtung 45 US$ kosten würde. Ich erklärte, dass es auch so eine Sammelunterkunft für Rucksacktouristen sein könne, wo man sich zu 6 oder 8 Personen ein Zimmer teilt. Einer der Taxifahrer suchte mit seinem Handy im Internet danach und sagte: „Ja, in Alajuela gibt es ein Backpacker-Hostal, wo ein Bett in einem 12 Personen-Zimmer nur 12 US$ koste“. Ich sagte, dass ich das gerne nehmen würde. Er aber sagte, dass die Taxifahrt 15 US$ kosten würde. Ich willigte ein (später erfuhr ich, dass die Fahrt zu diesem nahe gelegenen Hostal eigentlich maximal nur 5 US$ kostet). Aber so blieb mir noch etwas Geld übrig für alle Fälle. Dem HErrn sei Dank!

ALAJUELA, Costa Rica 13.01.2019 Die Nacht verbrachte ich mit 5 weiteren Personen im Zimmer, 4 jungen Männern und einer jungen Deutschen, alles Rucksacktouristen aus Europa. Zum Glück lief die ganze Nacht die Klimaanlage im Zimmer, denn sonst hätte man es wegen der Hitze gar nicht aushalten können. Ich dankte dem HErrn, dass es mir so gut geht und ich hervorragend geschlafen habe und ging dann ins Foyer, um meine stille Zeit zu machen. Dann aß ich einen Teil meiner Butterbrote und ging um kurz vor 10.00 Uhr in den Gottesdienst einer nahe gelegenen Gemeinde. Zuvor hatte ich den jungen Pastor gefragt, ob dies eine Pfingstgemeinde sei und er sagte: „Nein, wir heißen Iglesia Cristiana del Espiritu Santo“ (was aber sehr nach Pfingstgemeinde klang). Tatsächlich war der Gottesdienst etwas anders. So gab es z.B. keine Liederbücher und auch keine Musikinstrumente, dafür aber Power-Pointer-Übertragung und Internetmusikbegleitung. Vor der eigentlichen Predigt hielt der Pastor, der mit einem stark brasilianischem Akzent sprach, eine feurige Rede, dass Gott Armut hasse und dass das Feuer Gottes alles Elend aus unserem Leben vernichten möge, und dass wir nicht länger Bettler sein dürfen, sondern Gott um Reichtum bitten sollen etc. Ich überlegte schon, ob ich vielleicht aufstehen sollte und laut verkündigen müsse, dass dies nirgendwo in der Bibel stünde, aber etwas hielt mich zurück. Dann folgte die eigentliche Predigt mit dem Thema „Jesus zuerst“, in der es um die Gewohnheit vieler Christen ging, einfach wegen nichtiger Gründe den Gottesdienst zu schwänzen. Er machte das sehr gut und hatte absolut Talent, indem er mit Händen und Füßen und vielen Beispielen aus dem täglichen Leben den inneren Schweinehund beschrieb, der die Gläubigen immer wieder abhalten wolle, zur Versammlung zu gehen. Und das war´s auch schon. In der Kürze liegt die Würze. Warum sollte man eine Stunde lang über ein Thema reden, das man auch schon in 15 Minuten abarbeiten kann? Ich fand die Predigt gut und den Prediger sehr sympathisch. Dann aber kam wieder dieselbe Bettelei, die er noch am Anfang selber kritisiert hatte (ohne diesen Widerspruch zu bemerken). Er bat um sage und schreibe 1000 US$, um die Miete für den Versammlungsraum zu begleichen (die nach meinem Dafürhalten eigentlich nicht mehr als 300 US$ kosten dürfte). Dann wünschte er sich noch 2 Fenster für den Gottesdienstraum und kündigte seine Hochzeit für den nächsten Samstag an, zu der er alle einlud. Dann sollten alle nach vorne kommen, um ihre Gaben in einen großen Behälter zu legen (hier merkte ich, dass die Gehirnwäsche sogar bei mir wirkte, denn ich schämte mich, dass ich nur so wenig eingelegt hatte). Zum Schluss wurde an alle noch ein kleines Kaffeemilch-großes Plastikkäppchen mit „Heiligem Öl aus Israel“ verteilt, das die Geschwister zur Salbung von Kranken verwenden sollten, aber auch zur Salbung des Ehebetts für eine bessere Ehe, des Arbeitsplatzes und sogar des Portemonnaies, damit es sich füllen möge; und dann war der Gottesdienst auch schon vorbei, der insgesamt gerade mal nur 1 Std und 20 Min. dauerte.

Nach dem Gottesdienst musste ich schon meine Sachen aus dem Zimmer nehmen, da es gereinigt wurde und ließ sie in einem entsprechenden Kofferraum deponieren. Dann ging ich in eine nahe gelegenen Park und wollte missionieren, doch noch bevor ich beginnen wollte, fing eine Kapelle laut an, karibische Klang- und Krachmusik zu machen, so dass ich mich erst mal etwas abseits in den Schatten setzte und in meinem Buch von Kurt Hutten las. Dann ging ich auf den Balkon des Hotels, wo ich mich mit einem Gast aus den USA unterhielt. Scott (ca. 50) war sehr dick und kam aus Seattle, im Nordwesten der USA. Er war überzeugter Atheist, weshalb ich mich bald 2 Stunden sehr angeregt mit ihm unterhielt über den Gottesbeweis in der Schöpfung, die Zweifel an der Evolutionstheorie und die angeblichen Widersprüche in der Bibel. Man merkte, dass er die klassischen Argumente von Richard Dawkins brav auswendig gelernt hatte, aber dann doch überrascht war über manche Antwort von mir, z.B. auf die Frage, wer für die Behinderungen, sexuellen Fehlentwicklungen und Missgeburten in der Natur die Verantwortung trage, nämlich Gott selbst. Manche scheinbaren Widersprüche lösen sich nämlich auf, wenn man den bezeugten Willen Gottes vom souveränen Willen Gottes unterscheidet. Am Ende ergriff Scott buchstäblich die Flucht, da ich versuchte, das Gespräch auf die persönliche Ebene zu lenken. Das schwierigste Frage, der die meisten Atheisten nämlich ausweichen wollen, ist die Frage: Bist Du wirklich glücklich? Sie sind es nämlich nicht. Ich war es damals auch nicht.

Danach hatte ich noch ein Gespräch mit einer etwa 35-jährigen Amerikanerin aus New York. Ich gab ihr ein Zeugnis von meinem Glauben, musste mich aber dann auch schon auf dem Weg zum Flughafen machen, um nicht zu spät zu kommen.

ZÜRICH, Schweiz 14.01.2018 Inzwischen bin ich nach 11 stündigem Flug mit der Schweizer Fluggesellschaft Edelweiß wohlbehalten um 15.00 Uhr in Zürich gelandet und warte nun auf meinen Weiterflug um 17.50 Uhr nach Bremen, wo ich voraussichtlich um 19.20 Uhr ankomme und von Rebekka abgeholt werde. Dem HErrn sei Dank, dass alles gut geklappt hat! Nachtrag: Inzwischen bin ich auch wieder in Bremen und wurde heute Abend von meinem Zwillingsbruder Marcus, seiner Frau Christine und meinem jüngeren Bruder Patrick abgeholt, die mich anschließend zum Griechen eingeladen hatten. Ergänzend möchte ich noch erwähnen, dass ich die ganzen letzten 6 Wochen kein Handy dabei hatte, was ich als sehr erholsam empfunden habe!

 

 

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