„Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.
Laßt uns nun die Werke der Finsternis ablegen
und die Waffen des Lichts anziehen.“

(Röm.13:12)

– „Such, wer da will, ein ander Ziel“ Teil 13

Januar – März 2019

Elijah Nathan  Teil 2  – Ein Christ, der sich als Muslim ausgab

Nachdem ich aus Peru zurückkam, nahm ich Kontakt zu Elijah Nathan auf, damit er mir mein Auto zurück geben möge, das ich ihn für die Zeit meiner Abwesenheit ausgeliehen hatte. Inzwischen hatte ich ja schon von Dirk erfahren, dass Elijah (eigentlich heißt er ja Maikel) inzwischen zum Islam zurückgekehrt sei, aber er wusste ja nicht, dass ich das schon wusste. Als wir uns dann in mein Wohnzimmer setzten, sagte Elijah zu mir: „Simon, ich muss dir etwas bekennen. Ich habe eine Dummheit begangen.“ – „Erzähl mal! Was hast Du denn angestellt?“ Verlegen überlegte er, wie er es erklären konnte: „Weißt Du, ich war verzweifelt und wollte Astrid und unser gemeinsames Kind unbedingt wieder zurückgewinnen. Ich hatte Angst, dass die Muslime sie immer weiter in den Islam hineinziehen und sie am Ende irgendeinen Muslim heiratet. Deshalb bin ich mit ein paar Freunden nach Berlin gefahren zu meinem Erzfeind, um ihn zu verprügeln und meine Frau von dort mit Gewalt wieder zurückzuholen. Aber diese Aktion ging voll nach hinten los und Astrid wollte am Ende auch nicht mitkommen. Und dann hatte ich noch eine viel verrücktere Idee:

Und zwar rief ich mehrere Muslime an und auch meinen Erzfeind, um ihnen mitzuteilen, dass ich nun doch den Islam annehmen wolle. Sie reagierten begeistert und verlangten von mir, dass ich die Schahada sprechen möge, um mich endgültig vom Christentum loszusagen, was ich dann auch tat. Einige nannten mich daraufhin wieder ihren Bruder und hießen mich herzlich willkommen. Überall verbreiteten sie im Internet, dass ich jetzt wieder Muslim geworden war. Meine Frau freute sich überschwänglich und ließ mich wieder zu sich kommen. Sie sagte, dass jetzt wieder alles gut sei und sie die ganze Zeit für mich zu Allah gebetet habe, damit ich mich bekehre. Ich habe ihr natürlich nicht verraten, dass ich nur so tat, als wäre ich jetzt auch Muslim. Aber einige angesehene Muslime inkl. mein Erzfeind zweifelten an meiner Behauptung und wollten mehr Beweise sehen. Deshalb machte ich Videos gegen den christlichen Glauben und versuchte zu beweisen, dass der Islam die einzig wahre Religion sei. Und dann glaubten auch sie mir.“

Ich war erschüttert. „Also dann glaubst Du noch an den HErrn Jesus?“ – „Ja, natürlich!“ – „Aber wie konntest Du Ihn dann so verleugnen!? Und was hast Du Dir denn überhaupt davon versprochen?“ – „Ich hatte gehofft, dadurch Zeit zu gewinnen und dann ganz behutsam auf Astrid einzuwirken, damit ich sie von der Irrsinnigkeit des Islam überzeugen könnte.“ – „Und? Ist Dir das gelungen?“ – „Nein, es kam leider ganz anders, denn ich flog auf.“ – „Und wie ist das passiert?“ – „Ich hatte mich einem christlichen Bruder anvertraut, den ich schon seit Jahren kenne und ihm deshalb vertraute. Er hatte versucht, mich für den christlichen Glauben zurückzugewinnen, und da bekam ich ein schlechtes Gewissen und bekannte ihm die Wahrheit. Ich hatte gehofft, dass er mir für dieses tollkühne Husarenstück gratulieren würde, aber er war entsetzt darüber und verlangte von mir, dass ich meinen Betrug sofort bekennen und mich bei allen dafür entschuldigen solle. Das wollte ich aber auf keinen Fall, um Astrid nicht wieder zu verlieren. Deshalb benutzte nun auch der Bruder eine List, indem er das Gespräch zwischen uns heimlich aufnahm. Mit dieser Aufnahme wandte er sich nun an meinen Erzfeind, und dann war alles aus und vorbei. Zum zweiten Mal warf mich Astrid raus und sagte, dass es diesmal endgültig sei. Und nicht nur bei den Muslimen, sondern auch bei den Christen bin ich nun endgültig in Ungnade gefallen. Ich habe es mir mit allen verscherzt.“

„Vor allem hast Du den heiligen Namen des HErrn Jesus leichtfertig in den Dreck gezogen, indem die Muslime nun sagen können: Schaut Euch diese Christen an, wie sie einfach ohne weiteres ihren Gott verraten und sich über uns lustig machen! Du solltest Dich jetzt wirklich mal bei allen entschuldigen und vor allem Gott um Vergebung bitten!“ – „Ja, das stimmt. Ich habe auch schon Gott um Vergebung gebeten. Aber ich fürchte, dass ich Astrid und mein Kind nun nie mehr wiedersehen werde. Ich habe alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann! Was würdest Du mir denn jetzt raten, Bruder?“ Ich überlegte. „Weißt Du, hättest Du Gott vertraut und einfach nur für die Errettung von Astrid gebetet, dann hätte der HErr ein Wunder schenken können, indem Er Astrid zur Buße führt. Deine Eigenmächtigkeit aber hat Deinen Verstand ganz schön verfinstert, um überhaupt auf solch eine idiotische Idee zu kommen. Vor allem musst Du jetzt wirklich Buße tun, d.h. umdenken und nach Gottes Willen fragen.“ – „Ja, ich weiß,“ antwortete Elijah, „aber was ist Gottes Wille? Gott antwortet mir nicht.“

„Gottes Wille findest Du in Seinem Wort, vor allem in den vielen Beispielgeschichten im Alten Testament, in welchen wir uns wiedererkennen sollen. Deine Geschichte erinnert mich z.B. ein wenig an David, als er aus Furcht, in die Hand des Feindes zu fallen und dadurch seine Familie zu verlieren, auf die törichte Idee kam, zu den Erzfeinden Israels überzulaufen, wenn auch nur zum Schein, so wie Du es tatst. Damit sein Bluff nicht aufflog, tat David alles, um den Philisterkönig zu täuschen, so dass jede Menge Unschuldige sterben mussten. Am Ende aber hat Gott dem David kein Gelingen geschenkt, sondern es geschah genau das, was David verhindern wollte: er verlor seine Familie.“ – „Das ist ja genau meine Geschichte!“ sagte Elijah. „Und wie ging sie dann weiter?“ – „David demütigte sich vor Gott und verhielt sich vorbildlich, so dass Gott ihm seine Familie wieder zurückgab aus der Hand des Feindes.“ – „Wo steht das in der Bibel?“ – „In 1.Sam.27 und 30.“ – „Aber wie sieht das ganz konkret aus? Wie demütige ich mich und verhalte mich vorbildlich?“ – „Indem Du als erstes Astrid einen Brief schreibst und sie um Vergebung bittest. Du musst ihr sagen, dass Du an allem schuld bist und sie deshalb gut verstehen kannst, dass sie von Dir nichts mehr wissen will, dass Du aber trotzdem immer auf ihre Rückkehr warten würdest. Und dann musst Du jeden Tag für sie beten, dass Gott sie wieder zu Dir zurückführe. Und warte geduldig, ob Er es tut“ –

Erwartungen und Enttäuschungen

Nach mehreren missglückten Versuchen bat mich Elijah, ob ich ihm diesen Brief an Astrid nicht diktieren könnte, was ich dann auch tat. Und dann bat ich ihn, sich auch bei den Muslimen und den ganzen Christen in Deutschland zu entschuldigen, dass er sie an der Nase herumgeführt hatte. „Du musst jetzt auch der Buße würdige Früchte bringen, indem Du in den nächsten Jahren erst einmal ganz auf weitere Videos verzichtest, damit alle sehen, dass Deine Buße echt war. Denn Du hast anderen gepredigt und bist selbst verwerflich geworden. Paulus hatte davor gewarnt, dass ein Jungspross wie Du ungeeignet ist, um das Volk Gottes zu führen, da ein solcher sich erst einmal bewähren muss als ‚untadelig, verheiratet, nüchtern, besonnen und lehrfähig, damit er nicht aufgeblasen dem Gericht des Teufels verfalle‘ (1.Tim.3:2+6). Daran hast Du Dich aber bisher nie gehalten, denn auch von mir hast Du Dir früher nichts sagen lassen.“ – „Ja, natürlich, ich werde mich jetzt erstmal völlig zurückhalten und mich um eine Ausbildung bemühen, gar keine Frage“ versicherte mir Elijah. „Könntest Du mir vielleicht nochmal etwas Geld leihen zur Überbrückung für die nächsten Tage? Sobald ich wieder Geld habe, zahle ich es Dir sofort zurück.“

Ich gab ihm weitere 100,- €, so dass er mir jetzt 250,- € schuldete. Und dann sagte ich ihm noch: „Weißt Du, wir machen alle Fehler, aber entscheidend ist, dass wir sie nicht immer wiederholen, sondern etwas daraus lernen. David hatte aus seinem eigenmächtigen Handeln gelernt, indem er von nun an immer erst Gott befragte. Saul hingegen hat ständig immer nur eigenwillig gehandelt. Und selbst als er sein Handeln bereute, ging es ihm vor allem darum, dass Samuel ihn vor den Ältesten ehren möge, anstatt dass er sich um die Ehre Gottes sorgte. Deshalb hat Gott ihn verworfen. Du musst Dich also entscheiden, ob Du Dir künftig David zum Vorbild nehmen willst oder Dich wie Saul verhältst…“ – „Nein, nein, ich werde mein Leben jetzt auf jeden Fall ändern, verspreche ich Dir!“ Wir umarmten uns, und er zog seines Weges.

Nun meldete sich auch Dirk bei mir und berichtete, wie es um ihn und seine Familie auf den Philippinen stand. Er versuche, das Geld zusammenzukriegen, um sie nach Deutschland zu holen, habe aber Anfang Januar einen herben Rückschlag erlitten, indem die Reisfirma ohne nähere Begründung ihn einfach gekündigt hatte innerhalb der Probezeit. Da das Jobcenter ihm noch nichts gezahlt hatte, konnte er seine letzte Miete und die vom Februar noch nicht bezahlen und hatte Angst, seine Wohnung zu verlieren. Er bat mich deshalb, ob ich seinem Vermieter die 1.200,- € für die beiden Monate überweisen könne, und er würde mir diese dann in Raten zurückzahlen, zusammen mit den 1.800,- €, die er mir bereits schuldete. Er tat mir sehr leid, weshalb ich mich einverstanden erklärte.

Einige Tage später bekam ich einen Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens, sowie eine Rechnung für eine ambulante Krankenhausversorgung. Es stellte sich heraus, dass Elijah nicht nur mit meinem Wagen geblitzt wurde, sondern hatte auch einen Unfall gehabt und dabei meine Adresse angegeben. Ich rief ihn an, und er bekannte mir, dass er mit meinem Wagen versehentlich von der Straße abgekommen sei und im Graben gelandet war. Dabei habe er sich verletzt, so dass der Krankenwagen kommen musste. „Und warum hast Du mir das nicht erzählt?“ – „Ich war an dem Tag nochmal nach Astrid gefahren, um sie mit einem Blumenstrauß um Vergebung zu bitten, aber sie hat mich nicht einmal reingelassen. Deshalb war ich so frustriert, dass ich zu schnell gefahren war und den Unfall verursachte. Aber mach Dir keine Sorgen, Simon, ich bezahl die beiden Rechnungen selbstverständlich. Du kannst sie ja erstmal für mich begleichen und ich erstatte Dir umgehend die Auslagen, spätestens bis Ende Februar.“

Doch als wir Mitte März hatten, war noch immer kein Geld zurückbezahlt, und Elijah ging auch nicht ans Telefon. Daher ging ich in seinen Videokanal auf YouTube, um einen Hinweis auf ihn zu bekommen. Da sah ich ein Video, dass er in der Zeit seines angeblichen Glaubensabfalls gemacht hatte. Darin versuchte er, anhand des Codex Sinaiticus zu beweisen, dass die Bibel verfälscht wurde, indem er nachwies, dass Joh.8:1-12 und Markus 16:10ff in der ältesten Abschrift des Neuen Testaments fehlten und deshalb später angeblich hinzugedichtet wurden. Bruder Josef Drazil hatte daraufhin ein sog. Reaction-Video gemacht, um die Behauptungen von Elijah Nathan zu entkräften. Ich dachte nur: Wie kann er nur dieses schwierige Thema gewählt haben, um seinen Abfall vom Christentum vorzutäuschen! Denn er nahm dadurch ja billigend in Kauf, dass ungefestigte Christen dadurch Zweifel an der Bibel bekommen könnte!

Als ich auch im Juli noch immer nichts zurückerstattet bekam und er mich scheinbar auch blockiert hatte, ging ich wieder auf seinen Kanal – und siehe da: er machte wieder Videos, indem er sich mit den Muslimen stritt! Er hatte also noch immer nichts dazugelernt, und alle seine Versprechen waren nur heiße Luft!  So ein Heuchler, dachte ich: Da gibt er sich hier als engagierten Christen aus, aber kommt nicht einmal auf die Idee, seine Schulden zu bezahlen. Daraufhin schrieb ich ihm einen Kommentar unter eines seiner Videos, dass er doch bitte mal seine Schulden bei mir bezahlen möge, bevor er sich hier so in Pose stellt. Daraufhin schrieb er mir zurück, dass ich jenem bösen Knecht gleichen würde aus Luk.18, der sagte: „Zahle, was du mir schuldig bist!“ Daraufhin zitierte ich Psalm 37:21, wo es heißt: „Der Gesetzlose borgt und zahlt es nicht wieder zurück; der Gerechte aber ist gnädig und gibt“. Nun schrieb mir Elijah Nathan eine SMS und drohte mir, dass er mich verklagen würde wegen übler Nachrede, weil ich ihn öffentlich bloßgestellt hatte. Daraufhin antwortete ich mit 1.Tim.5:20 „Die da sündigen, überführe vor allen, damit auch die übrigen Furcht haben“. Mir schien allmählich, dass er gar kein echter Christ war, sondern nur ein Narzisst wie Ivo, der das Christentum nur benutzte, um sich selbst als besseren Menschen darzustellen.

Aber auch von Dirk bekam ich noch immer kein Geld zurück, sondern erfuhr von seinem Vermieter, dass er aus Bremen weggezogen sei. Da er seine letzten Mieten nicht bezahlt hatte, habe der Vermieter das Deponat einbehalten. Für mich war dies insofern eine schlimme Nachricht, da ich im Verlauf des Jahres selbst in eine Überschuldungskrise geraten war aufgrund säumiger Kunden. Zeitweise lag mein Kontostand mit 12.000,- € im Minus. Ich fragte Dirk per WhatsApp, was los sei. Seine Antwort erschrak mich, aber weniger seine Textnachricht als vielmehr das Foto, das er mir von sich schickte: in weniger als einem Jahr war der einst abgemagerte Dirk richtig dick geworden, geradezu aufgedunsen. Er sah aus wie ein abgehalfterter Alkoholiker, elendig, blass und krank. Ich dachte nur: Oh nein! und stellte lieber keine Fragen. Er versprach, dass er mir jetzt jeden Monat 50,- € zurückzahlen wolle. Aber dies geschah nur zwei Mal, dann überwies er mir noch mal 5,- € und dann kam gar nichts mehr. Die Not von Dirk muss so groß gewesen sein, dass er aus lauter Scham leider ganz den Kontakt zu mir abbrach. An meiner Liebe und Fürbitte für ihn hat das aber nichts geändert. Bis heute habe ich nie mehr etwas von ihm gehört.


Georg und die Gabe der Krankenheilung

Zu den vielen Bekanntschaften, die ich auf Facebook machte, gehörte auch ein Bruder namens Georg (55), der mir sehr sympathisch schien, weshalb ich ihn eines Tages anrief. Er erzählte mir, dass er 2009 zu den vergleichsweise wenigen zähle, die an der sog. Schweinegrippe erkrankten. An dieser wäre er beinahe gestorben, weshalb er seine Heilung als Wunder erlebte und so zum Glauben an Gott fand. Eines Tages besuchte er einen Vortrag über einen gewissen Bruno Gröning (1906-1959), der in den 50er Jahren in der frühen Bundesrepublik viele Menschen geheilt haben soll. Während dieses Vortrages hatte Georg auf einmal ein sehr intensives Bekehrungserlebnis, auf dem er plötzlich die Gabe der Krankenheilung erhielt. Sofort begann er, diese Gabe anzuwenden bei seiner krebskranken Nachbarin, indem er ihr die Hände auflegte und für sie betete. Sofort wurde sie gesund nach seiner Aussage. Als er kurze Zeit später mit seinem Hund spazieren ging, sah er eine kranke Taube auf dem Boden, die in den letzten Zügen war. Er nahm sie auf die Hände und betete für sie um Heilung. Plötzlich war sie wieder quicklebendig und flatterte aus seiner Hand. Und auf gleiche Weise erlebte Georg immer wieder, dass Gott durch ihn Kranke heilte.

Diese Geschichte beeindruckte mich sehr, zumal ich den Georg als einen sehr einfältigen und demütigen Bruder erlebte, der weit entfernt war von Sensationshascherei. Auch war es mir sympathisch, dass er nicht zur Charismatik gehörte, sondern sich mit ein paar aramäischen Geschwistern im Raum Rheda-Wiedenbrück versammelte, etwa drei Stunden von Bremen entfernt. Sollte Gott dem Georg vielleicht wirklich die Gabe der Krankenheilung gegeben haben (1.Kor.12:9)? Durch den Bruder Harald, der ja durch T.B. Joshua geheilt wurde, hatte ich mich ja schon mal mit dem Thema beschäftigt und mir das Buch von Willem Ouweneel gekauft „Heilet die Kranken!“ Eigentlich gehört Ouweneel als einer der Leiter der Brüderbewegung ja zu den Skeptikern von übernatürlichen Wirkungen des Heiligen Geistes heute. Aber als er auf Anraten seiner Tochter 2001 nach Nigeria flog, um sich selbst mal einen Eindruck zu verschaffen, wurde er nach zweimonatiger Prüfung und vielen Gesprächen überzeugt, dass T.B. Joshua tatsächlich ein Mann Gottes war, durch den Gott Heilungswunder und Dämonenaustreibung wirkte. Und der HErr Jesus sagte ja, dass der Teufel nicht sich selbst austreiben würde, da sein Reich dann nicht mehr bestehen könnte (Luk.11:15-22). Von daher können echte Heilungen nur von Gott sein und nicht vom Teufel.

Diese Überlegungen teilte ich mit Ruth, die ja inzwischen schon seit acht Jahren an der Fibromyalgie litt. Hatte Gott mir den Georg vielleicht gerade deshalb über den Weg laufen lassen, damit wir ihn besuchen und Ruth sich von ihm heilen lassen sollte? Ruth war skeptisch, denn warum sollten wir drei Stunden weit fahren, wenn Gott Ruth doch genauso gut in Bremen heilen könnte? „Weil Gott vielleicht unseren Glauben prüfen möchte. Der Syrer Naaman sagte ja auch, dass es in Syrien viel bessere Flüsse gegeben hätte, um sich zu waschen, weil er nicht sofort erkannte, dass es hier um seinen Glauben ging. Lass uns doch mal den Georg besuchen, und dann werden wir ja sehen, ob Gott durch ihn ein Wunder schenken will oder nicht!“ Am Ende überredete ich Ruth, und wir machten uns am Wochenende auf den Weg nach Dellbrück.

Als wir ankamen, begrüßte uns eine Schwester herzlich und ließ uns Platz nehmen unter einem großen Feigenbaum. Nun kam auch Georg hinzu, dessen niedrige Statur zu seiner demütigen Art passte. Wir unterhielten uns zunächst darüber, wie jeder zum Glauben gekommen sei, um uns näher kennenzulernen. Die Schwester erklärte, dass sie und ihr ungläubiger Ehemann Aramäer seien, deren Eltern aus der östlichen Türkei eingewandert sind. Die Aramäer waren schon immer Christen und Aramäisch sei ja auch die Sprache des HErrn und der Jünger gewesen. Während sie mir an Beispielen die aramäische Schrift und Ausdrucksweise erklärte, dachte ich, dass sie mit ihrer Leibesfülle und kurzen Hose nicht gerade fromm wirkte. Kurz darauf kam auch noch ihre gläubige Schwester dazu, und wir gingen ins Wohnzimmer, um für die Heilung zu beten. Zumindest dachten Ruth und ich das. Aber stattdessen stellte Georg einen Stuhl in die Mitte und bat Ruth darauf Platz zu nehmen. Und dann legte er ihr ohne gemeinsames Gebet die Hände auf, während er etwa zwei Minuten lang mit geschlossenen Augen ein Flüstergebet sprach. Währenddessen beobachtete ich, wie er mit der anderen Hand merkwürdige Zuckungen machte.

Ich war irritiert und betete leise, dass der HErr Ruth beschützen möge, damit jetzt nicht ein fremder Geist in sie eindringe; denn richtig biblisch fand ich das nicht. Ruth dachte genau das gleiche und erbat den Schutz des HErrn. Uns beiden gefiel es ganz und gar nicht, dass Georg vorher nicht erstmal mit uns gemeinsam gebetet hatte, was wir ihm dann auch sagten: „Du hattest vergessen zu beten!“ Doch statt zu antworten, fragte Georg Ruth: „Und hast Du was gespürt? Ich habe nämlich ganz deutlich gespürt, wie die Kraft Gottes sich manifestiert hat. Habt ihr das auch gesehen?“ – „Ja, Deine Hand hat gezittert. Aber warum haben wir nicht vorher gebetet?“ – „Ich habe ja im Stillen gebetet, und ihr hättet das auch tun sollen. – Hast Du denn jetzt noch Schmerzen, Ruth?“ – Sie lächelte: „Na ja, ehrlich gesagt, ja, ein bisschen.“ – „Manchmal dauert das noch einen Moment, aber das wird jetzt immer weniger, wirst Du sehen.“

Ich war beeindruckt, wie sicher sich der Georg war, hatte aber auf einmal eine starke Skepsis. Die Ehre Gottes muss doch bei alledem im Mittelpunkt stehen. Aber selbst jetzt kam Georg nicht auf die Idee, uns als Gastgeber zum Gebet einzuladen, wie das doch das Selbstverständlichste war. Inzwischen wusste ich schon selbst nicht mehr, ob ich noch mit ihnen gemeinsam beten wollte, denn eine spontane Heilung war ja auch (noch) gar nicht passiert. War das alles wirklich nur fauler Budenzauber? Wozu waren wir dann überhaupt hergekommen? Ich ließ mir aus Höflichkeit jedoch nichts anmerken, und wir nahmen noch beim gemeinsamen Kaffee und Kuchen-Essen teil. Georg hatte mir ein großes Buch mitgebracht, das er mir ausleihen wollte. Zu meiner Überraschung war es ein Johannesevangelium, und ich fragte ihn, warum er mir das geben wolle, da ich es doch in meiner Bibel habe. Erst jetzt bemerkte ich, dass es sich um einen Roman gleichen Namens handeln musste, denn als Autor stand dort Jakob Lorbeer. Den Namen hatte ich schon mal flüchtig gehört, konnte ihn aber nicht zuordnen. Georg erklärte mir, dass er ganz begeistert sei von diesem Buch, dass ein Mann Gottes mithilfe des Heiligen Geistes geschrieben hatte und das über das vollständige Leben Jesu auf Erden berichtet. „Aber warum nennt er es denn ‚Das große Evangelium Johannes‘? Und woher will er denn wissen, was der HErr über das Geoffenbarte hinaus noch gesagt und getan hat?“ fragte ich. „Weil der Geist Gottes es ihm eingegeben hat!“ – „Und warum steht hier ‚Band 1‘? Gibt es denn noch einen 2. Band?“ – „Ja, es gibt sogar noch 10 Bände!“ sagte Georg. Die Geschichte wurde für mich immer absurder. „Wozu sollte man das denn lesen, wenn Gott uns doch in der Bibel schon alles gesagt hat, was wir wissen sollen? Mir scheint das ein Scharlatan zu sein.“ Georg reagierte brüskiert: „Sei vorsichtig, was du sagst, Simon! Du solltest es doch erst einmal prüfen und dann ein Urteil fällen. Für meinen Glauben würde mir die Bibel allein niemals ausreichen!

Eigentlich hatte sich Georg durch diese Aussage schon verraten, dass er ein falscher Christ ist, dessen Glaube sich gar nicht wirklich auf der Bibel gründete. Ruth hatte unser Gespräch nicht mitbekommen, da sie sich mit der anderen unterhielt. Ich dachte, dass ich ihr erstmal noch nichts sagen sollte, um sie nicht zu beunruhigen. Als ich später zuhause in diesem „Johannesevangelium“ las, dachte ich: Das ist doch völlig lächerlich! Das ist nichts anderes als ein schlecht geschriebener Phantasieroman, den sein Autor letztlich nur mit einem cleveren Verkaufstrick an den Mann bringen wollte. Wie naiv muss man sein, zu glauben, dass das vom Heiligen Geist stammt! Ich suchte im Internet nach mehr Informationen über diesen Jakob Lorber, und je mehr ich las, desto abstruser und widersprüchlicher wurde dieses Gehabe um diesen angeblichen Mystiker. Auch wenn ich mir kaum Hoffnung machte, den Georg noch mit Fakten zu überzeugen, schrieb ich ihm einen ausführlichen Brief, um ihm meine Beurteilung aus biblischer Sicht mitzuteilen, und wir beteten zugleich, dass der HErr doch sein Herz öffnen möge. Leider reagierte Georg sehr beleidigt auf meinen Brief, und auch die beiden Schwestern, die offenbar Teil dieser Lorber-Sekte waren, verteidigten Georg, indem sie mich aufs Übelste beschimpften auf Facebook.

Bahzad Adb-al Karam – Ein Iraker gerät in Not  (Teil 1)

Bereits im Jahr 2017 lernte Bruder Bernd Fischer einen irakischen Flüchtling kennen, der gläubig wurde und sich in einer evangelischen Gemeinde taufen ließ. Bahzad Abd-al Karam (27) war seit seinem 16. Jahr Soldat aus dem Kurdengebiet im Nord-Irak, der wegen der Grausamkeit des IS 2014 desertierte und nach Deutschland floh. Da er in der Landeskirche kaum Kontakte knüpfen konnte, schloss er sich bald darauf einer evangelikalen Freikirche an, wo er den Bernd kennenlernte, der gerade zu Besuch war. Als Bernd ihn ganz alleine auf den hinteren Bänken sah, hatte er Mitleid mit ihm und lud ihn zu sich nach Haus ein. Bahzad erklärte zunächst, dass er seit seiner christlichen Taufe nicht mehr Bahzad heißen wolle, sondern Daniel. Daniel war von seinem Erscheinungsbild ziemlich depressiv und bemitleidenswert, etwa wie ein Hund, den man von klein auf immer nur getreten hatte. Sein Rücken war leicht nach vorne gekrümmt, er lächelte fast nie und es gelang kaum, ihn aufzumuntern. Durch mangelnde Zahnpflege und starkem Zigarettenkonsum waren seine Zähne so hässlich, dass er auch kaum Chancen hatte auf einen Job, geschweige denn auf eine Frau, um diese zu heiraten. Er war im also Grunde immer auf der Verliererseite des Lebens und kaum Aussicht, dass sich daran auf absehbare Zeit nochmal etwas ändern würde.

Als ich Bahzad (alias Daniel) ein Jahr zuvor kennenlernte, sprachen wir über die Notwendigkeit, dass er unbedingt mit dem Rauchen aufhören und seine Vorderzähne auswechseln lassen sollte durch ein Gebiss, damit er endlich Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen könnte. Da er mehrere Sprachen fließend beherrschte (Kurdisch, Arabisch, Persisch, Deutsch und Türkisch), hatte er gute Chancen, als Dolmetscher oder Wächter in einer Flüchtlingsunterkunft zu arbeiten. Deshalb war die Arbeitsagentur bereit, ihm eine Zahnprothese zu bezahlen. Als christlicher Konvertit und Kriegsdeserteur, der im Falle einer Auslieferung an den Irak mit Folter oder Todesstrafe rechnen musste, hatte er in Deutschland einen dauerhaften Asylantenstatus. Allerdings machte ihm das Leid seiner Familie in den Kurdengebieten schwer zu schaffen. Seine Mutter war schwer herzkrank und brauchte dringend ein neues Herz. Bernd und andere Brüder hatten dafür etwas gespendet, aber bei der OP gab es Komplikationen, da das neue Herz nicht vom Körper angenommen wurde. Schon wieder musste sie operiert werden, aber die Familie hatte kein Geld. Bernd bat seine beiden Schwestern und andere Brüder (wie mich) um Hilfe, um die Mutter zu retten.

Doch auch unabhängig von diesen Sammlungen bat Daniel immer häufiger um Geld für seine privaten Bedürfnisse, da er immer wieder anderen notleidenden Asylanten mit Spenden half, obwohl er selbst kaum Unterstützung vom Amt bekam. Besonders ein Georgier namens Guderzi, mit dem er eng befreundete war und dessen Sohn die Abschiebung drohte, musste er immer wieder Geld für den Anwalt leihen, das er sich zuvor von Bernd auslieh. Doch dann gelang es dem Daniel, andere Asylanten zu gewinnen, um gemeinsam eine Bibelstunde zu organisieren, bei der Bernd dann predigen konnte und Daniel übersetzte. Daniel fand dann auch Arbeit in einer Glaserei und wurde schon nach kurzer Zeit unentbehrlich, da er anderen Aushilfen aus dem Nahen Osten Einweisungen gab in ihren jeweiligen Sprachen. Nun war Daniel auch zum ersten Mal in der Lage, seine Schulden in Raten zu bezahlen. Leider verlor er diese Stelle schon bald wieder aus mir nicht bekannten Gründen. So setzten wir uns zusammen und sprachen mit Daniel über seine Situation. Da er offensichtlich Schwierigkeiten hatte, eine Arbeit zu finden, da die Region im ehemaligen Zonenrandgebiet lag, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagten, bot ich ihm an, doch nach Bremen zu kommen, wo die Chancen für eine Arbeitsstelle besser standen. So fuhr er im Herbst 2018 nach Bremen, und ich besorgte ihm einen Job bei einer Gerüstbaufirma. Doch schon kurz darauf verlor er diesen auch schon wieder, weil Daniel nicht kräftig genug und dem Arbeitsdruck nicht gewachsen war.

Und dann erreichte dem Daniel ein Brief aus dem Irak, den er als schwere Prüfung erlebte: Jahre zuvor, als Daniel noch ungläubig war, bat ihn ein Freund, ob er bereit sei, für ihn vor Gericht zu lügen, um ihn als falschen Zeugen zu benennen. Dieser Freund hatte sich nämlich eine höhere Summe geliehen von einer Familie, war aber nicht mehr in der Lage, die Summe zurückzuzahlen. Deshalb wollte er vor Gericht behaupten, er hätte der Familie das Geld bereits vollständig zurückgezahlt und wollte sich dafür auf Daniel als Zeugen berufen. Daniel machte den Betrug mit, wusste aber nicht, dass die Tochter der Familie ein schweres Nierenleiden hatte und das Geld dringend gebraucht hätte für eine lebensnotwenige Operation. Da diese nun nicht rechtzeitig erfolgte, schwebte die 14-Jährige nun in Lebensgefahr. Sie hatte nur noch wenige Wochen zu leben, wenn sie nicht so schnell wie möglich eine neue Niere bekäme. Die OP würde aber 14.000 € kosten. Der Vater des Mädchens machte Daniel die schwersten Vorwürfe, dass er das Leben seiner Tochter auf dem Gewissen haben würde wegen seiner Lüge, und dass er seine böse Tat nur dadurch wieder gutmachen könne, indem er die 14.000 € beschaffen würde.

Sofort rief Bernd wieder alle möglichen Gläubigen an, um das Geld aufzutreiben, unter anderem auch mich. Ich sagte ihm, dass meine Frau Ruth nicht damit einverstanden sei, da wir schon so viel andere Projekte unterstützen würden. Am Ende gelang es Bernd trotzdem, 9.600 € aufzutreiben. Wegen der letzten 4.400 € rief er mich erneut an und bedrängte mich, dass es ja schließlich um das Überleben eines unschuldigen Mädchens gehe und wir Christen durch diesen Dienst ein wertvolles Zeugnis für die Muslime sein könnten und sie unsere christliche Liebe dadurch erfahren. In Bezug auf Ruth erinnerte mich Bernd an das Wort des HErrn, dass die Linke nicht wissen müsse, was die Rechte tut. Am Ende hatte er mich überredet und ich überwies ihm trotz meiner eigenen finanziellen Knappheit diese Restsumme.

Statt eines Dankesschreibens von der Familie oder wenigstens eines Anrufs von Daniel, dass das Geld gut angekommen war und die OP geglückt sei, bekam ich kurz darauf einen Anruf vom Bundeskriminalamt. Der Ermittler wollte wissen, warum ich so viel Geld an Bernd Fischer überwiesen hatte, der inzwischen unter Terrorismusverdacht stand zusammen mit Bahzad, da die vielen Gelder, die er regelmäßig in den Irak sandte, in Verdacht standen, für Waffeneinkäufe genutzt zu werden. Die Hausbank von Bernd hatte auf Grund des Geldwäschegesetzes einen Tipp an die Polizei gegeben, dass ein Rentner ständig seine Guthaben vom Konto abräumte, um sie an einen irakischen Flüchtling zu überweisen, insgesamt schon 74.000 €. Ich erklärte dem Terroristenfahnder, dass der Bernd ein herzensguter Glaubensbruder sei, der einfach nur viel Mitleid mit einem irakischen Flüchtling habe, der ständig irgendwelche größere Summen brauche, um seinen Verwandten und Bekannten im Irak zu helfen. Der Beamte hatte für diesen Großmut absolut kein Verständnis und warnte uns, dass die Araber eine ganz andere Moral hätten in Bezug auf die Wahrheit und dass man daher nicht umsonst von den „Geschichten aus tausend und einer Nacht“ spreche. Daraufhin besuchte der Terrorfahnder den Bernd und ließ sich sofort überzeugen, dass Bernd kein Komplize war. Das Telefon von Daniel wurde jedoch längere Zeit abgehört.

Im Frühjahr 2019 überraschte uns Daniel auf einmal mit der Nachricht, dass er im Asylantenheim eine junge Tschetschenin kennengelernt hatte, in die er sich verliebt hatte und um ihre Hand bat. Zuvor war diese von ihrem tschetschenischen Ehemann mit drei kleinen Kindern sitzen gelassen worden, so dass ihr die Abschiebung drohte. Durch eine Heirat könnte sie aber dann dauerhaft bleiben, so dass sie freudig einwilligte. Elmira war eigentlich Muslima, aber aus Liebe zu Daniel (und vielleicht auch zu seinem Aufenthaltsstatus) nahm sie dann bereitwillig den christlichen Glauben an. Um aber standesamtlich zu heiraten, brauchte sie ihre Scheidungspapiere aus Russland, die sie nur mithilfe eines Anwalts bekommen konnte. Aber auch Daniel benötigte seine Geburtsurkunde aus dem Iran, die jedoch von den Behörden verschlampt wurde, so dass auch er einen Anwalt benötigte, der ihm die Papiere besorgen musste. All dies kostete natürlich dann wieder jede Menge Geld, das sich Daniel von Bernd leihen wollte. Es nahm einfach kein Ende. Schließlich entschied sich Daniel auf Bernds Anraten, vorerst auf eine standesamtliche Hochzeit zu verzichten und sich erst mal mit einer kirchlichen Hochzeit zu begnügen. Im Sommer 2019 lud uns Daniel dann zu seiner Hochzeit ein, wo ich dann auch seine Frau Elmira und ihre drei Kinder kennenlernte. Im Anschluss wurden die Kinder vom Pastor der Landeskirche zum Christentum getauft.

Eigentlich sollte dann auch schon bald darauf die standesamtliche Trauung stattfinden, aber es gestaltete sich sehr schwierig, die notwendigen Unterlagen zu beschaffen, zumal immer wieder neue Kosten erforderlich wurden, die den Bernd und seine Frau an die Grenzen der Belastbarkeit brachten. Schon begannen die Schwestern von Bernd sich zu beklagen, dass sie schon so viel gegeben hätten und bis jetzt kaum etwas zurückbekommen hätten. Jedes Mal setzte Bernd sie so unter Druck, weil es angeblich so eilig und dringend sei, dass sie kaum Bedenkzeit hatten. Und wenn sie nichts mehr geben wollten, machte er ihnen ein schlechtes Gewissen, dass der Daniel doch so hilflos und machtlos sei. Daher riefen sie mich an und baten mich, dass ich doch mal auf Bernd einreden solle, damit diese ständige Bettelei ein Ende nehmen möge. Inzwischen kamen mir auch die ersten Zweifel, ob diese ganzen Geschichten, die Daniel uns immer erzählte, überhaupt der Wahrheit entsprachen. Ich rief Daniel an und verlangte, dass er mir mal alle seine Kontoauszüge der letzten Monate sowie die ganzen Rechnungen schicken sollte, um mir mal einen Überblick zu verschaffen, ob das eigentlich alles so richtig sei. Dies tat Daniel dann auch umgehend. Doch je mehr ich mich in den ganzen Wust einarbeitete, desto mehr häuften sich die Irritationen und Ungereimtheiten, so dass ich immer wieder mit Daniel telefonieren musste. Manche Papiere waren auf Arabisch, manche Jobcenterbriefe forderten von ihm Unterlagen, von denen ich nicht wusste, ob er sie nachgereicht hatte. Auf seinen Kontoauszügen sah man viele Barabhebungen, aber auch unglaublich viele Ratenzahlungsabhebungen, so dass das Geld, dass er vom Amt bekam, sofort wieder wegging. Am Ende sah ich nur noch eine Möglichkeit: Daniel musste zur Schuldenberatung und eine Privatinsolvenz anmelden, damit sein Konto nicht mehr gepfändet werden konnte.

Und dann kam wieder eine überraschende Wendung: Daniel teilte uns mit, dass er von seinen Brüdern im Irak erfahren habe, dass das gemeinsame Stück Land der Familie vom Staat zwangsaufgekauft wurde, da man eine große Menge Erdöl dort gefunden hatte. Auf einen Schlag hatte die Familie sehr viel Geld bekommen, von dem auch dem Daniel ein großer Anteil zustünde. Doch anstatt es ihm einfach zu überweisen, sollte aus irgendwelchen mir unerfindlichen Gründen eine Schwester vom Daniel ihm das Geld in die Schweiz bringen, von wo er es dann abholen sollte. Dazu aber waren Reisekosten notwendig, die Daniel wieder vom Bernd erbetteln musste. Da sich die Beschaffung des Geldes jedoch verzögerte, war die Schwester bei Daniels Ankunft angeblich schon wieder unverrichteter Dinge abgereist. Es war alles so verwirrend, dass ich die Geschichten schon längst nicht mehr glauben wollte. Aber das Ganze sollte dann im Jahr 2021 noch ein überraschendes Ende nehmen…

Ist ein Orgasmus Sünde?

Noch immer versammelten Florian, ich und die anderen vom Hauskreis uns einmal pro Woche abwechselnd bei mir oder beim Florian, um gemeinsam in der Bibel zu lesen. Und einmal pro Woche trafen wir uns darüber hinaus noch zum gemeinsamen Gebet im Kirchenturm der Martinigemeinde. Immer dann, wenn Bruder Wolfgang Ruland bei uns zu Besuch nach Bremen kam und bei mir übernachtete, nahm er auch gerne an den Gebetsstunden teil. Doch im Laufe der Zeit kam eine Sache immer wieder ins Gespräch, die mir bei Wolfgang missfiel: Er hatte auf seiner Internetseite einen Artikel über das Thema „Kinderzeugung“, in welchem er die Auffassung vertrat, dass der Geschlechtsverkehr allein und ausschließlich nur der Zeugung von Kindern diene und daher gläubige Eheleute, die keine Kinder mehr bekommen könnten, auch keinen Geschlechtsverkehr miteinander haben dürften. Einzelne Thesen dieser Auffassung hatte Wolfgang sogar auch in einem selbstverfassten Traktat erwähnt, wo er von „Sexsklaverei“ sprach, wenn man aus lauter Lust an der Sexualität miteinander schlafen würde. Mehrfach hatte ich den Wolfgang darauf schon angesprochen, dass dies biblisch nicht haltbar sei und er damit nicht nur Ungläubige, sondern auch Gläubige völlig überfordere. Wolfgang versprach mir, meine Argumente zu prüfen und das Traktat ggf. nochmal zu überarbeiten. „Bei dieser Gelegenheit solltest Du vielleicht auch das Wort ‚Schwulitäten‘ einfach mal austauschen gegen das Wort Homosexualität“ riet ich ihm.

Als er mir einige Zeit später seine neue Version präsentierte, war ich entsetzt. Denn sie war mit 12 Seiten nicht nur deutlich umfangreicher, sondern enthielt noch viel schlimmere Thesen als die Vorige. Auf einmal war der Verzicht auf einen Orgasmus sogar heilsentscheidend, denn er schrieb, dass jeder, der es nicht schaffe, wenigstens zwölf Monate lang keinen Orgasmus zu haben, nicht errettet werden könne. „Wie kommst Du auf sowas?!?“ fragte ich Wolfgang. „Wo steht das denn in der Bibel?“ Wolfgang erklärte, dass die Unreinen und mit Gräueln Befleckten nicht ins Himmelreich eingehen würden, und dass ja schon die Vorstellung von einer anderen Frau Grund genug sei, dass jemand ins Höllenfeuer geworfen werde. – „Wenn Du sowas den Ungläubigen in Form eines Traktates weitergibst, dann hältst Du sie im Grunde davon ab, den HErrn Jesus als ihren Retter anzunehmen. Denn damit schreckst Du sie nicht nur ab, sondern schaffst im Grunde ein ganz neues Evangelium, indem jeder, der sich sexuell enthält, automatisch errettet wird, auch wenn er das Sühneopfer des HErrn Jesus gar nicht für sich angenommen hätte. Abgesehen davon, ist diese Forderung doch überhaupt nicht biblisch belegbar!“ Wolfgang widersprach mir: „Paulus sagt deutlich, dass wir unseren Leib töten sollen und dass wir unsere Glieder nicht mehr zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit machen dürfen, sondern sie zerschlagen und in Knechtschaft führen sollen. Wem das nicht gelingt, der hat auch nicht den richtigen Glauben, der die Welt überwinden soll!“ – „Du sprichst auf das Thema Selbstbefriedigung an. Was aber soll jemand tun, der nicht verheiratet ist?“ – „Ob verheiratet oder unverheiratet – dieses Thema betrifft alle Gläubigen, und wenn wir errettet werden wollen, dann müssen wir uns in Zucht nehmen.“ – „Das ist ja richtig, aber das kannst DU nicht einfach zur Bedingung der Errettung machen. Denn das Überwinden ist ein Prozess, und wir sollen Geduld üben mit den Schwachen.“ – „Das habe ich ja auch. Aber das ändert nichts an der Forderung des HErrn.“

Gott hat aber doch die Sexualität als Gabe gegeben, und zwar nicht nur zur Fortpflanzung, sondern auch dafür, damit Eheleute sich an einander erfreuen und ihre Liebe ausdrücken können. Ohne einen Orgasmus wäre die Fortpflanzung z.B. gar nicht möglich.“- „Das stimmt nicht“ sagte Wolfgang überraschenderweise. „Es gibt Christen, die haben Kinder gezeugt ohne Orgasmus.“ – „Wie soll das denn gehen?“ fragte ich ihn irritiert. Er überlegte kurz, wie er es mir erklären konnte: „Weißt Du, wenn der Mann erregt ist, aber kurz vor dem Orgasmus innehält, dann verliert er schon ein klein wenig Samenflüssigkeit, und diese reicht aus, um eine Zeugung hervorzurufen, aber trotzdem ohne Orgasmus. Das haben die ganz frommen Brüder aus den letzten Jahrhunderten immer so gemacht.“ – „Das habe ich ja noch nie gehört. Woher weißt Du das?“ (denn da Wolfgang unverheiratet war, konnte er das ja kaum aus eigener Erfahrung behaupten). „Ich habe das in einem Buch gelesen.“ – „Was ist das für ein Buch?“ – „Es heißt ‚Eunuchen für das Himmelreich‘ und ist von der Tochter des Bundespräsidenten Heinemann geschrieben.“ – „Ach! ich kenne das Buch von Frau Ranke-Heinemann. Habe es selbst mal gehabt. Aber Dir ist klar, dass das eine Atheistin ist?“ – „Ja, natürlich. Aber sie gibt in diesem Buch interessante Informationen, wie die Gläubigen es mit der Sexualität gehandhabt haben in den letzten 1.800 Jahren. Solche Informationen findet man sonst kaum woanders.“ – „Ich würde solch ein Buch als Christ heute nicht mehr lesen wollen, weil es voller Hohn und Spott ist.

Mir war schon klar, dass die sexuelle Enthaltsamkeit sicherlich ein erstrebenswertes Ziel darstellt, solange man diese in persönlicher Frömmigkeit und aus Liebe zum HErr übt. Aber was der Wolfgang hier forderte, war ja, dass alle Christen in völliger Enthaltsamkeit leben müssen, um gerettet zu werden, auch jene, die nicht die Gabe der Ehelosigkeit haben. Damit legte er aber anderen eine Last auf, unter der sie nur zusammenbrechen konnten. Auch Saul forderte ja mal von seinen Leuten, dass sie den ganzen Tag nichts essen durften, um dadurch effektiver den Feind zu besiegen, was aber dazu führte, dass er sie dann zu viel schlimmeren Sünden verleitet hatte. Essen und Sex sind aber ganz natürliche Bedürfnisse; und dieser Coitus interruptus („abgebrochener Geschlechtsverkehr“) zur Vermeidung eines Orgasmus ist in etwa so, als würde man auf einem Butterbrot rumkauen, aber es dann kurz vor dem Runterschlucken ausspucken. Mit Recht könnten dann die Spötter sagen: Dieser Gott schuf den Menschen also einen Sexualtrieb, verbot ihnen aber in seiner Missgunst, sich an diesem Geschenk zu erfreuen!  Hier wurde mir endlich klar, dass diese neue Lehre dämonisch war, wie Paulus es ja auch in 1.Tim.4:1-3 lehrt: „Etliche der Glaubenstreue werden abfallen, indem sie auf betrügerische Geister und dämonische Lehren achten, durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind, die verbieten zu heiraten“!

Unvermeidbare Zerwürfnisse

Nun war ich in einem echten Dilemma. Denn auf der einen Seite war Bruder Wolfgang ja wirklich ein sehr frommer und heiliger Mann, dem ich an Frömmigkeit bei weitem nicht das Wasser reichen konnte. Auf der anderen Seite zog er sich selbst den Fluch aus Galater 1 zu, weil er ein falsches Evangelium verbreitete und ich auf keinen Fall zulassen durfte, dass er diese Botschaft in unserem Hauskreis lehrte. Ich bat Wolfgang eindringlich, auf die Verbreitung dieser schädlichen Lehre zu verzichten, da ich mich andernfalls genötigt sähe, ihn aus unserer Gemeinschaft auszuschließen. Wolfgang weigerte sich leider, so dass es in der Folge zum Bruch zwischen uns kam. Als ich es den Brüdern erklärte, wunderte sich Florian über meine Härte und sah darin einen Widerspruch zu meiner bisher vertretenen These, dass man sich als Christ nicht einfach wegen jeder noch so unbedeutenden Meinungsverschiedenheit trennen dürfe. Ich erklärte ihm den Unterschied zwischen einer irrigen Meinung und einem falschen Evangelium, aber er vermutete eher, dass es sich angeblich um eine Machtdemonstration von mir handele, so als wolle ich bloß einen Bruder loswerden, der mir den Posten streitig machen könnte. Diese böse Unterstellung war rückblickend betrachtet im Grunde nur eine Projektion von Florians eigenen Befürchtungen mir gegenüber. Schon seit einiger Zeit war mir bei ihm aufgefallen, dass er einen gewissen Neid auf mich hatte, da ich aufgrund meiner Bibelkenntnis zum Leiter seines Hauskreises geworden war, der von jungen Brüdern wie Tunay und Darius viel häufiger um Rat gefragt wurde als er. Eines Tages verriet mir Florian am Telefon, dass er schon immer ein „Alphamännchen“ sein musste und keinen Ebenbürtigen an seiner Seite ertragen könne.

Es liegt in der Natur des Menschen, dass er gerne gegenüber anderen den Ton angeben möchte, und dazu bedient er sich gerne einer höheren Moral, durch welche er andere einschüchtern kann. Zu diesen Ton-Angebern im bibeltreuen Christentum zählte u.a. seit Jahren der Straßenprediger Norbert Homuth, den ich ja schon seit über 30 Jahren persönlich kannte und dessen „Glaubensnachrichten“ ich regelmäßig bezog. In seiner neuesten Ausgabe vom Juli/August 2019 schrieb er mal wieder, dass das Internet ein „Netz des Teufels“ sei und dass jeder, der eine Internetseite betreibe, das Malzeichen 666 angenommen hätte, da dies der Zahlenwert der hebräischen Buchstaben WWW sei und man ohne das Internet ja heute auch nicht mehr „kaufen und verkaufen“ könne (Offb.13:17). Da ich selbst sogar drei Internetseiten betrieb, überließ Norbert mich unbewusst des Verdachts, dass auch ich demnach ein Malzeichenträger sei, der einmal Tag und Nacht gequält werden würde (Offb.14:10-11). Diesen Vorwurf wollte ich aber nicht auf mich sitzen lassen, weshalb ich ihn daran erinnerte, dass wir „die Welt Gebrauchende“ sind (1.Kor.7:31) und alles uns von Gott zur sinnvollen Nutzung zur Verfügung gestellt wurde (1.Kor.3:23). Wenn er aber in solch einer polemischen Art und Weise sämtliche Internet-nutzende Brüder in Bausch und Bogen aburteilen würde, ganz egal, welchen noch so treuen Lebenswandel sie führen, dann macht er sich nach Spr.17:15 selbst zum Gräuel, da er auch „den Gerechten verdammt“. Eine christliche Internetseite zu betreiben, um Menschen aus der Finsternis zum Licht zu führen, sei doch etwas absolut Gutes und im Grunde nichts anderes als das, was er als Straßenprediger auch tue, jedoch mit einer viel größeren Reichweite und Effektivität. Zudem sei es doch Heuchelei, wenn er selbst doch auch für seine Recherchen ins Internet-Café gehe, um Informationen aus dem Netz zu holen. Natürlich habe das Internet auch den Charakter eines Bordells. „Aber es macht einen Unterschied, ob ich das Bordell als Kunde betrete oder ob ich vor der Tür des Bordells die Besucher zur Buße aufrufe bzw. hineingehe, um Traktate zu verteilen (vergl. Spr.1:20-22). Wenn ein Christ also das Internet nicht zur Verbreitung des Wortes Gottes nutzen will, hat man auch nichts im Internet zu suchen.“

Mit meinem Brief hatte ich Bruder Norbert wohl in Verlegenheit gebracht. Denn im Unterschied zu anderen christlichen Homepagebetreibern waren wir ja befreundet, weshalb er mich scheinbar nicht vor den Kopf stoßen wollte. Obwohl er ja selbst von Spenden lebte, hatte er mir sogar schon zweimal 50,- € gespendet, um meinen Dienst zu unterstützen, was mir sehr befremdlich vorkam. Zudem war Norbert schon seit Jahren mit dem Internetseitenbetreiber Roland Odenwald aus Flensburg befreundet, der seine GN-Artikel z.T. auf seiner Homepage www.Hauszellengemeinde.de verbreitete. Deshalb schrieb mir Norbert wohlwollend und ging auf meine Argumente gar nicht erst ein, um einen weiteren Streit zu vermeiden. Hier wurde mir klar, dass Norbert im Grunde selbst unter inneren Widersprüchen litt, in denen Anspruch und Wirklichkeit sich im Laufe der Jahrzehnte immer weiter von einander entfernt hatten und er genau dem gleichen Sauerteig erlegen war, den er anderen immer vorwarf: der Heuchelei (Luk.12:1).

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